ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG
HERAUSGEGEBEN
ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUT DES DEUTSCHEN REICHS.
JAHRGANG XLII.
1884.
REDACTEUR: Dr. MAX FRANKEL.
BERLIN,
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER.
1885.
INHALT.
Spalte
H. Blümner Die Speisetisclie der Griechen (Textabbildungen) 179 (285)
A. CoNZE Goldschniuc'k kieinasiatisclier Fundorte (Tafel 7 und zwei Textabbildungen) 89
Siegelring- aus Cypern (Textabliildung) 165
R. Engei.mann Drei Bronzen (Tafel 2) 21
A. Fi'RT\vÄN(iLEK Arcliaisclier Goldschmuck (Tafel 8. 9. 10 und zwei TextabbiidungenJ 99
P. Hartwig Neue Unterweltsdarstellungen auf griechischen Vasen (Tafel 18. 19 und Textabbildungen) 253
F. HuLTscH Ein antiker Massstab (Textabbildungen) 191
F. Kopp Herakles und Alkyoiiens (Tafel 8. 4) 31
G. KöKTE P^truskischer Krater aus Caere (Tafel 5. G) 81
K. Lange Zur Fartlienos 129
G. I^ösciicKE Tgäns'Cai (2 Textabbildungen) 93
M. Mayer Ein Theseus-Sarkopiiag (Textabbildung) 271
P. J. Meiek Beiträge zu den grieclüsebeu Vasen mit Meistersignaturen (Tafel 15. 16. 17 und Text-
abbildungen) 237
K. K. MiJLLKR Relieffragment mit Darstellungen aus dem IlivaS des Kebcs (Textabbildung). Mit
einem Zusatz von C. Robert 115
C. Robert Die Ostnietopen des Parthenon 47
0. Rossbach Die dreizehnte Siidnietope des Parthenon 57
Sculpturen von llion (Tafel 14 und zwei Textabbildungen) 223
0. Schröder Zu den Webstühlen der Alten (Textabbildung) 169
F. Studniczka Zur Eule der Parthenos 161
K. Wernicke Orestes in Delphi (Tafel 13) 199
F. Wolters Eros und Psyche (Tafel 1 und zwei Textabbildungen) 1
— Beiträge zur griechischen Ikonographie. I. Anakreon. II. llermarchos. III. Antiochos Soter.
(Tafel 11. 12 und Textabbildung) 149
MISCELLEN.
H. Bi.ümnek Noch einmal die „Monoknemos" des Apelles 133
R. Engelmann Noch einmal zu Tafel 2,2 209
M. Fränkel Der Halm auf Grabsteinen 139
W. Helbu; Zur Parisaniphora Archäol. Zeitung 1883 Tafel 15 141
0. Puchstein Die ,Schlangentopfwerferin' im pergamenischen Altarfries (Textabbildungen) . . 213(293)
C. Robert Zu Tafel 2,2 137
A. VON Sallet Zur Athena Parthenos 61
F. Studniczka Zum Ostgiebel des Zeustempels in Olj'uipia 281
P. Wolters Inschrift einer Vase aus der Krim (Textabbildung) 209
BERICHTE.
Erwerbungen der königlichen Museen im Jahre 1883
I. Sammlung der Sculpturen und Abgüsse (A. Conze) 63
II. Autiquarium (A. FrKTwÄN(iLEK) 65
Erwerbungen des Britischen Museums im Jahre 1883 143
Sitzungen der archäologischen Gesellschaft zu Berlin im Jahre 1884 69. 145. 219
Festsitzung des deutschen archäologisclien Instituts in Rom 67
Chronik der Winckelmaunsfeste (.\then. Rom. l'erlin. Bonn. Kiel) 287
Berichtigung zu 1883 S. 321 77
Nachtrag zu Seite 17i)fi' . 285
zu S. 213 293
Bericht über die Thätigkeit des kaiserlich deutschen archäologischen Instituts vom 1. Ajiril ^HHH bis
I.April 1884 (A. Conze) 79
IV Inhalt.
ABBILDUNGEN.
Tafel 1. Eros und Psyche, Bionzerelief im Herliuci- Museum.
2. Bronzen: 1. 2. im British Museum, 3. in Edinburgh.
3. Heralvles und Alkyoneus, Schale in Corneto.
4. Herakies und Alkyoneus, Amphora in Paris.
5. 6. Marsyas-Krater aus Cervetri.
7. Goldschmuck, gefunden am Golf von Elaia.
8. 9. 10. Archaischer Goldschmuck.
- 11. Anakreon.
- 12. Antiochos Soter.
- 13. Orestes in Delphi, Hydria in Berlin.
- 14. Metopen von liion.
- 15. Amphora des Amasis.
- 16. Schalen des Pamphaios und Euphronios.
- 17. 1. Vase des Epilykos. 2. Fragmente aus Vulci. 3. Schale des Hieron.
- 18. Unterweltsvase Santangelo.
- 19. Fragmente einer Unterweltsvase in Karlsruhe.
Spalte 18. Eros und Psyche, Gemme.
20. Ecos und Psyche, Marmorgruppe aus Aphrodisias im Berliner Museum.
92. Ornament eines goldenen Diadems aus Kleinasien.
93. Goldenes Diadem aus Abydos (nach Teirich's Blättern für Kunstgewerbe).
97. Reitende Selene von einer Oinochoe in Florenz (nach Heydemann, Mittheilungen aus Italien).
98. Keitende Selene von der Basis der Lonormant'schen Copie der Parthenos.
107. Tödtung des Minotauros, Thonrelief in Corneto.
113. Form einer Goldplatte im Museo Gregoriano.
115. Relieffragmeut mit Darstellungen aus dem JJiva^ des Kebes.
153. Büste des Hermaich in Athen.
165. Siegelring aus Cypern mit Athena Parthenos.
166. Aegyptischer Webstuhl (nach Lepsius' Denkmälern).
181 ff. 19 Abbildungen antiker Tische.
193. Antiker Massstab in Dresden.
209. Inschrift einer Vase aus der Krim (nach Stephan! Conipte rendu 1877 S. 275).
213. Der Schlangentopf im pergamenischen Altarfries.
235. Gusscanal an einer Platte des pergamenischen Altarfrieses.
249. Inschriften der Iliupersis-Vase des Brygos.
272. Orpheus, schwarzf. Vasenbild.
273. Theseus-Sarkophag in Rom.
EROS UND PSYCHE.
(Tafel 1.)
Das Rejief aus getriebener Bronee, welches auf
Tafel 1 nach einer Zeichnung von Max Lübke ab-
gebildet ist, befindet sich seit dem Jahre 1882 im
Berliner Antiquarium. Als Fundort wird Epirus
genannt'). Die Erhaltung ist eine sehr gliiekliehe;
die wenigen fehlenden Theile ergeben sich aus der
Abbildung, sonst hat das Relief nur durch einen
Bruch Schaden gelitten, welcher durch das linke
Handgelenk und die linke Hüfte des Eros geht,
sich längs der inneren Seite des linken Beines bis
zur Wade fortsetzt, und den unteren Theil des Un-
terschenkels ziemlicli stark entstellt. Auch der
rechte Unterschenkel ist gebrochen, doch ohne dass
seine Formen dadurch beeinträchtigt würden, wie
auch ein Bruch hinter dem Kopf des Mädchens
ohne grösseren Einfluss auf die gesammte Erhal-
tung geblieben ist. Die untere Spitze des Flügels
rechts ist etwas verbogen.
Diese Entstellungen sind in der Abbildung nicht
berücksichtigt. Hiretwegen ist anstatt der sonst
vielleicht wünschenswerthen Photographie nach dem
Original die Wiedergabe nach einer Zeichnung ge-
wälilt worden^); leider war es nicht möglich, im
Drucke die Weichheit zu erreichen, welche das
Original auszeichnet, besonders die Köpfe erschei-
nen dort voller, runder und jugendlicher in den
Formen. Die Oberfläche der Bronee ist von auf-
') Jahrbuch der k. preussisehen Kunstsammlungen IV S. VII.
Arch. Ztg. 1883 S. 271.
•) Ein schlecht gelungener Lichtdruck nach dem Original
ist von Lucy JI. Mitchell in den ■^elections from ancient scu/p-
Iure Taf 12,2 veröfl'entlicht: vgl. auch ihre History oj ancienl
sculpture S. 529.
Arcbiiolog Ztg. Jahrgang XL.U.
fällig guter Erhaltung, noch ganz glatt, gleich-
massig mit dunkelbrauner Patina überzogen und
kaum an einer Stelle von Host angegriffen. So
lässt sieh die sorgfältige Gravirung noch genau
verfolgen , mit welcher besonders die Fittige und
Haare bis ins Einzelne ausgearbeitet sind.
Ueber die ehemalige Bestimmung ist es schwer
etwas sicheres zu sagen, da die Rückseite keine
Spuren der Befestigung mehr aufweist; aber ob-
schon manche andere Verwendung denkbar ist,
erscheint die zum Schmuck einer Spiegelkapsel der
ganzen Form wie des Gegenstandes wegen am
Wahrscheinlichsten.
Dargestellt sind zwei prächtig geflügelte Gestal-
ten, ein Jüngling und ein Mädchen. Der Jüngling,
den wir unbedenklich Eros nennen dürfen, steht
mit dem linken Arm auf einen Fels gestützt in jener
sanft bewegten Stellung, die wir zuerst bei den Ge-
stalten des Praxiteles finden. Aufli'allend ähnlich
ist die Haltung des sogenannten Narkissos {Monu-
menti 1856 Taf. 21), man ist versucht an eine Ent-
lehnung zu denken. Auf welcher Seite dann die
Abhängigkeit wäre, ist klar; in unserer Gruppe
wirkt der Fels, der steif aufgestützte Arm störend,
er trennt gewissermassen die Gruppe, die doch eine
enge Einheit bilden soll. Aber mag nun der Künst-
ler unseres Reliefs durcli ein anderes Werk angeregt
worden sein, mag er ganz frei gestaltet haben, die
eben berührte Härte der Composition, durch welche er
die gefällige Stellung seines Eros erkaufte, zeigt,
wie viel Werth er eben hierauf legte. Und in der
That gehört der weiche, fliessende Urariss, den er
dem Körper des Eros gegeben hat, zu dem Gelun-
gensten der ganzen Darstellung.
1
P. Wolters, Eros und Psyche.
An Eros' Seite, die .Reclite vertraulicli auf seine
Schulter gelegt, stellt ein gleich ihm geflügeltes
Mädchen, hekleidet mit dem ziemlich hoch gegür-
teten Chiton und einem Mantel, der um den linken
in die Seite gestemmten Unterarm sowie den Un-
terkörper geschlungen ist. Das rechte Bein ist über
das andere geschlagen. Sie wendet deu Kopf etwas
von Eros weg, während dieser schmeichelnd mit
der Rechten nach ihrem Kinn zu greifen scheint.
Dass die Gruppe so wie sie uns vorliegt durch-
aus als Relief, und zwar als Relief in abgegrenztem,
fast kreisförmigem Räume gedacht ist und nicht
anderswoher entlehnt sein kann, beweisen die Flü-
gel. Durch diese den Raum auszufüllen und von
diesem Hintergrunde die Gestalten sich abheben zu
lassen, war der Gedanke, den der Künstler ver-
folgte und erreichte.
In dem Jüngling haben wir Eros erkannt,
das Mädchen demnach Psyche zu benennen liegt
zu nahe, als dass darüber Worte zu verlieren
wären. Auch ich habe diese Bezeichnung in der
Ueherschrift gewählt, wie ich auch jetzt keine
bessere vorzuschlagen habe, aber ich bin mir dabei
bewusst, den Namen mehr für unser modernes Ge-
fühl zu geben, als dass ich dafür stehen möchte,
der antike Künstler habe ihn gegenwärtig gehabt.
Eros und Psyche sind für uns sehr geläufige He-
griffe, und unbesehen taufen wir jedes Mädchen,
das in Eros' Gesellschaft erscheint, auf den Namen
Psyche; vorsichtiger Weise müssen wir die vielen
ungeflügelten, die sterblichen Mädchen bei Seite
lassen, mit denen der Liebesgott so oft tän-
delnd dargestellt ist. Dass mit der geflügelten
Genossin des Eros ein bestimmtes Wesen gemeint
sei, dürfen wir behaupten. Aber wie ist es zu
nennen? Das Mädchen Psyche, die Geliebte des
Eros, kommt in der Litteratur überhaupt nirgends
vor bis auf Apuleius — denn den Aristophonles Alhe-
naeus und seine Dijsareslia die uns Fulgentius')
als zweite Behandlung des Märchens aufbinden
will, wird man besser nicht geltend machen — , und
da auch Lukios von Patrai für das Märchen sicher
ä) Mylholoijicon III ß; vgl. U. Jahn, Archäologische Beiträge
.S. 123,3. 440, L. Frieilländer, Sittengeschichte* I S. 481, 1.
nicht als seine Quelle gelten darf*), so sind wir
auf jenen späten Schriftsteller als einzige Quelle
angewiesen, was um so bedenklicher scheint, als
seine Psyche, die offenbar ohne Flügel gedacht wird,
wenig mit der beflügelten Genossin des Eros zu thun
hat. Allerdings glaubte 0. Jahn (Leipziger Berichte
1851 S. 156) in einigen Epigrammen dieselbe Vorstel-
lung zu finden, aber trotz des Beifalls, welchen diese
Ansicht fast allgemein gefunden hat, vermag ich
sie nicht für richtig zu halten. In der ganzen
griechischen Anthologie ist kein einziges Ge-
dicht zu finden, welches die Vorstellung der Seele
sei es als Schmetterling, sei es als Mädchen, klar
ausspräche. Stephani, der im Conipte-rendu 1877
S. 68 für die übrigen von Jahn benutzten Epi-
gramme jene Beziehung mit Recht abweist, glaubt
nur in dem des Meleagros Anth. Pal. XII l?yJ
Psyche unter dem Bilde des Schmetterlings zu fin-
den, weil das ähoaei, l^w nvxva ngoamTaiitevi]
nur auf dies Thier, nicht etwa auf die Seelen, wie
sie die ältere Kunst gebildet habe, passe. Diese
alten eYöcola werden wir besser aus dem Spiel lassen;
es ist sehr zu bezweifeln, dass sie der Phantasie
des Dichters irgendwie vorgeschwebt haben, zumal
sie sich als Bild der liebenden Seele nirgends
nachweisen lassen, und so höchstens für das an
sich nahe liegende Motiv der Beflügelung wirksam
gewesen sein könnten. Dass die angeführte Stelle
aber durchaus nicht zwingt, au einen Schmetterling
zu denken, ist ohne weiteres klar, wenn wir uns
vergegenwärtigen, wie oft die Epigrammatiker von
dem l^og reden, der den Verliebten an den Gegen-
stand seiner Neigung fessele^); dass es sogar
■*) Diiss Luliios sowohl dem ^/<ivxiog ij ovo; als den Metamor-
phosen des Apuleius zu Grunde liege, ersterem verkürzt, letztereiu
erweitert, und dass zu den Einschiebseln gerade das Märchen
gehört, glaube ich mit Goldbacher (Zeitschrift für die österrei-
chischen Gymnasien XXIII 1872 S 323. 403) annehmen zu
müssen. Den alten Sagenstotl' des Märchens hat L. Friedländer
(Sittengeschichte ' I S 4(JS) nachgewiesen; dass die Namen Eros
und Psyche willkürlich gewählt sind, ist danach erst recht
orten liar.
^) Vgl Anth. l'al. V 96 liöi- i/tig jo tf{).)]fiu. 100 //r,-
od'iili' tliifitiaiv /|6i' ^/a)i'. XII 92 fv t^iii Kvn()iäfi(; 6ifOcii/Joi
ßijttudjtx ynii/.itvoi. 93 (üf ?i'(;5 roOro (ro ofiftit) nntiaa^Tif-
ytrai. Ein ähnlicher Gedanke V 56 ykfjiui anl.äyxVMV ri,iit-
ifowv (UxTvic z«) nuylütc:. \b.> HrnyiiU Ti'Hrjni ).lvu.
P. Wolters, Eros iiiul I'sydie.
ü
uuniüg'licli ist, sich den Schmetterling vorzustellen,
zeigen die Worte tö ttieqÜ aov didexsv, denn die
Flügel eines Falters zu binden, möchte zu den
schwierigeren Aufgaben gehören °). Aber auch an
das Mädchen Psyche dürfen wir nicht denken:
schon das ivl dea^ioig anatQeig gäbe dann ein liäss-
liches, das xal a eni nvg iozijas ein ganz uner-
trägliches Bild. Die Vorstellung des Dichters von
der Seele ist niclit so konkret; sie ist ihm ein ge-
flügeltes Wesen, das Eros einfängt und quält, —
lieiss und kalt wird es ihr, auch Thräueu kostet
es, denn Liebe bringt Leid — aber weiter denkt
er nicht').
Wenn ich trotzdem glaube, dass wir fortfahren
dürfen, die Genossin des Eros Psj^che zu nennen,
so baue icli weniger auf die Autorität des Apu-
leius — obwohl er wenigstens zeigt, dass zu seiner
Zeit das Paar Eros und Psj^che bekannt war —
als auf den Umstand, dass die Schmetterlingsflügel,
welclie Psyclie meistens zeigt, doch nur dem Spiel
mit dem Worte xpi'xrj, das sowohl Seele als Schmet-
terling bedeutet, ihre Entstehung verdanken können,
und das.s dies Mädchen mit Schmetterlingsflügeln
auf späteren Werken") offenbar zur Darstellung
der Seele, ganz ohne Beziehung auf Eros, verwen-
det worden ist. Aber seit wann diese Bezeichnung
gebräuchlich war, wage ich ebensowenig zu be-
stimmen, als etwa einen Namen, den wir in der
älteren Zeit dieser Gefährtin des Eros beilegen
dürften. Dass Psyche nicht der ursprüngliche sei,
glaube icii annehmen zu müssen, denn der Ge-
danke, die Seele als Geliebte des Eros hinzu-
stellen, ergiebt sich durchaus nicht von selbst. Er
hat unzweifelhaft etwas Künstliches, und ich kann
mir kaum denken, dass er ohne Einfluss der Pla-
^) Stephani S. 71 erklärt die Worte allerdings: Eros 'halte
die ipu/i] über brennendes Feuer, indem er sie an den Flü-
geln erfasst habe'; wie das in denselben liegen könne, ist
mir nicht ersichtlich.
'') Aus dieser allgemeinen V'orstellung heraus miiss auch
das Pompejanische Bild (Heibig, WandgemüMe 854; vgl. O. Jahn,
Archäologische Beiträge S. 181, Leipziger Berichte 1851 S. 161.
Compte-rendu 1ST7 S. 74) verstanden werden, wo Psyche zugleich
mit Feuer und Wasser gequält wird.
') Es genügt, hierfür auf den berühmten Sarkophag im Ca-
pitol mit Prometheus und der Erschaffung des Menschen zu ver-
weisen.
tonischen Dialoge, besonders des Gastmahls, ent-
standen sei. Er ist dort nicht so ausgesprochen,
er findet .so überhaupt keine Stelle in dem System
Platonischer PhilosopLie; er gehört zu den Gedan-
ken, welche aus der Lektüre des nicht als Denker,
sondern als Dichter geleseneu Plato in das Publi-
kum gedrungen sind,, ohne mit ihm eigentlich mehr
zuthuu zu haben als etwa die Platonische Liebe, die
wir im Munde füliren. Es ist schwer zu denken,
dass ein Künstler diesen etwas gesuchten Ge-
danken gefasst und verkörpert hätte; viel eher
möchte man hier eine Benennung erkennen, die einer
von der Kunst geschaffenen Gestalt in litterarisch
gebildeten Kreisen beigelegt wurde und endlich
so populär ward, dass sie die Kunst selbst beein-
flusste. Die ältesten sicheren Beispiele der Schmet-
terlingsflügel bei dem Mädchen, und damit des
Namens Psyche bieten die pompejanischen Bilder,
bei denen aber die VogelflUgel auch noch ganz
gewöhnlich sind. Doch muss der Name Psyche
schon früher erfunden sein: eben diese Bilder zei-
gen uns Eros mit den Flügeln des Schmetterlings,
offenbar doch schon eine weitere spielende Ver-
wendung der auf den Namen Psyche hin üblich
gewordenen Beflügelung. Wir müssen also schon
deshalb etwa bis in die vorchristliche Periode
zurückgreifen, und noch iiöher hinauf zu gehen
zwingt uns das Bild einer praenestinischen Cista
(MoniimentiX Taf. 4b), welches Furtwängler Ati-
iiali 1877 S. 189 richtig in diesem Sinne ver-
wendet hat. Da Eros hier bereits mit den Flügeln
eines Falters ausgestattet erscheint, so müssen wir
wohl annehmen, dass schon im dritten Jahrhundert
Psyche ihren Namen und ihre Schmetterlingsflügel
trug.
Ueber die Davstellungen der Psyche ist sehr
viel geschrieben; die ältere Litteratur findet sich
in den bekannten Aufsätzen Otto Jahns') angeführt,
in neuerer Zeit sind besonders zwei umfangreiche
Behandlungen des Gegenstandes erschienen, Col-
lignon's Essai siir les monuments grecs et ro-
mains relalifs au mythe de Psyche und Stephani's
') Archäologische Beiträge S. 121 und Leipziger Berichte
1851 S. 153.
1*
P. Wolters, Eros und Psyche.
8
schon angeführter Aufsatz im Coiiipte-rendu 1877
S. 53—219. Collignou's Arbeit hat die Untersuchung-
nicht wesentlich gefördert, und sich meist begnügt
eine Darstellung der landläufigen Ansichten in etwas
weitschweifiger Form zu geben. Das beigefügte
Yerzeichniss der Kunstwerke ist leider wenig voll-
ständig und schlecht angeordnet, auch ist vieles
Unsichere aufgenommen '"). Etwas mehr werde
ich mich mit der zweiten Arbeit zu befassen haben,
da ich ihre mit vieler Sicherheit vorgetragenen Er-
gebnisse fast durchgängig für verfehlt halten muss,
und bei einer Darlegung meiner Ansichten die Be-
streitung der entgegenstehenden nicht ganz ver-
meiden kann ").
Stephani ist auf die ganze Frage von einer Seite
her gekommen, die ihm keinen freien Ueberblick
gestattete. Er unternahm den Beweis, dass die
Darstellung eines Schmetterlings vor der Mitte des
dritten Jahrhunderts v. Chr. eine Unmöglichkeit sei,
um so den mykenischen Funden ihr hohes Alter
abzustreiten. Indem er so eigentlich nur die Dar-
stellungen des Insekts verfolgte, verrückte er den
Stand der ganzen Untersuchung '"'). Er geht von
'") Als Beweis für diese Behauptung mag der Umstiind die-
nen, dass von allen pompejanischen Bildern nur sechs (3 — S) an-
geführt werden, dass die erste Abtheilung, die monuments ila-
hlissants ies dates extremes des reprisenlations de Psycho ausser
diesen nur vier Monumente enthält: die Spiegelkapsel Gerhard
I Taf. 20, 10, die ganz ohne Grund ins zweite Jahrhundert v.Chr.
gesetzt und als ältestes Stück behandelt ■«■ird, den Spiegel Ger-
hard IV Taf. 331, 2, dessen Deutung auf Psyche den grössten
Bedenken unterliegt, die Wandgemälde, welche im Bulküino
1853 S. 149 erwähnt und in die Zeit der Antonine gesetzt wer-
den, und eine Münze von Nikomedia. Welcher Gesichtspunkt
bei dieser Auswahl angewandt sei, vermag ich nicht zu sehen.
Weshalb -z.B. die als llö aufgeführte schwarztigurige Vase
(Arch. Ztg. 1869 Taf. 15) lieber unter die geschnittenen Steine
als hierher gesetzt worden ist, sehe ich nicht ein. Oder sollte
eine solche niclit ein etwas sichereres Mittel zur Datirung sein,
als jene Spiegelkapsel? (;ollignon hält die Vase für echt, sonst
hätte er sie nicht anführen dürfen, ohne wenigstens das Gegen-
theil zu bemerken; wie er aNo darauf kommt sie nicht zur Da-
tirung zu benutzen, begreife ich nicht. Dass sie allerdings eine
Fälschung ist, hätte er aus Kekulä's Bemerkungen Arch. Ztg.
1869 S. HC erfahren können.
") Dass ich auf die zahllosen Gehässigkeiten, mit welchen
Stephan! auch diesen Aufsatz verunziert hat, in keiner Weise
Rücksicht nehme, wird niemand missbilligen.
'■') Ich bemerke nebenbei, dass sich zu der Darstellung einer
Clikadenlarvc, von der Stephani S. 28 ausgeht, um diese ganze
Untersuchung über Schmetterlinge und Psyche zu führen, eine
der Behauptung aus (S. 57), dass die Alten von
den frühesten bis in die spätesten Zeiten Menschen,
Thieren und Pflanzen eine besondere Lebenskraft,
ii!v%ri^ zugeschrieben hätten; diese Lebenskraft habe
sich für die Alten besonders im Schmetterling mit
seiner dreifachen Verwandlung gezeigt, und ihn habe
man deshalb gewissermasseu als beste Verkörpe-
rung der Lebenskraft betrachtet, ihn kurzweg \pvxi]
genannt, und dann natürlich später auch als Bild
der menschlichen Seele benutzt. Er behauptet wei-
ter, dass keine Erwähnung des Schmetterlings in
der Litteratur über die zweite Hälfte des vierten,
keine Darstellung in der Kunst über die zweite
Hälfte des dritten Jahrhunderts zurückreiche, und
dass die Gewohnheit, die Seele als Falter zu den-
ken, erst dem letzten Jahrhundert v. Clir. angehöre,
auch überhaupt nicht vor der allgemeinen Erschüt-
terung des alten Glaubens möglich gewesen sei.
Als jene Auffassung geläufig gewesen sei, habe
man endlich die Seele sogar als Mädchen mit
Schmetterlingsflügeln gedacht und dargestellt (S. 79);
dies könne nicht vor dem ersten vorchristlichen
Jahrhundert geschehen sein, und in der That seien
die Bilder aus Pompeji die ältesten Denkmäler
dieser Auffassung. Dass demnach die berühmte
Gruppe Eros und Psyche frühestens um den An-
fang unserer Zeilrechnung entstanden sein könne,
liege auf der Hand (S. 176), und dieser Ansatz
bleibe sogar dann richtig, wenn ursprünglich in
iiir nur gewöhnliche Kinder gemeint gewesen seien,
da erst vom zweiten Jahrhundert v. Chr. an 'der
Ideenkreis einer Kinderwelt' in der Kunst ausge-
bildet worden sei.
Ich vermag diesen Aufstellungen in keinem
Punkte zu folgen. Wäre wirklich der Name \pv%rj
für den Schmetterling so zu erklären, wie Stephani
will, so ständen wir sofort vor dem Räthsel, wie
es möglich gewesen, dass die Griechen zwar die
Lebenskraft, d. ii. die Seele, in dem Schmetterling
geradezu verkörpert gesehen, trotzdem aber nun
diese von ihnen sogar im Namen ausgesprochene
Verkörjicrung erst Jahrhunderte später angewendet
Wiederholung ebenfalls aus Gold in einem sardinisehen Grabe
gefunden hat; vgl. Bulleltino Sardo III S. 21.
9
P. Wolters, Eros und Psvche.
10
liättcu. Aber diese Anualimc einer iptr/jj in allen
organischen Wesen ist durchaus nicht allgemeine hel-
lenische Anschauung''), us ist philosophische, spe-
ciell peripatetische, Lehre, und es fällt schon mit
dieser Erkeuntniss die ganze Aufstellung in sich
zusnmmen. Auch die Behauptung, die Griechen
hätten den Schmetterling nicht vor 350 gekannt,
ist irrig, der Vers des Aischylos (Nauck, Fragm. trag.
280) öfönixcc /.luiQov xagra Tiiwavatnv /iiogov zwingt
uns sofort ein Jahrhundert und mehr zuriickzugehn,
denn der Dichter verwendet hier den Schmetterling
schon durchaus sprichwörtlich. In der rein grie-
chischen Kunst dagegen scheint sich bis jetzt aller-
dings keine über das dritte Jahrhundert zurück-
gehende Darstellung des Schmetterlings gefunden
zu haben"). Schliesslich — denn alles Uebrige
wird sich unten von selbst erledigen — möchte ich
bemerken, dass die Berufung auf die 'Kinderwelt'
keine l'-eweiskraft hat. Es handelt sich gar nicht
um Kinder iu dem Alter, wie sie in jener spielen-
den Kiuderwelt auftreten, und auch wenn dies der
Fall wäre, würde nichts daraus folgen. Oder weshalb
hätte die Kunst nicht eine Scene aus dem Kinder-
leben bilden können, ehe sie sich gewöhnt hatte,
alle möglichen llaudlungeu und Ereignisse durch
Kinder parodistisch ausgeführt darzustellen'*)?
'3) Die von Stephani S. 57, 1. "2 zusammengebrachten Stellen
können lUis durchaus nicht beweisen: Hesiod lAnn'i^V. 172 und
Xenophon Jirrrjyfnxnt; 13, 14 helfen gar nichts, da hier i^c/i?
'Leben' hcisst, auch ja nur von Thieren die Rede ist; die in
dem Scholion üu Aristophanes' Wolken 712 vorgetragene Lehre
ist die peripatetische, zu der Zeller, Philosophie der Grie-
chen^ II. 2 S. 479. 4ns. 500 zu vergleichen ist; bei Seneca Brief
58 zeigt schon das place! das philosophische ^j/aci'dim an, und
in den gespreizten Betrachtungen des Plinius NH. 17,153. 31,3
dürfen wir den Einfluss desselben ebenfalls voraussetzen; die
Etymologie endlich, die der Scholiast zu Oppian 11 1(54 vorbringt,
enthält gar nichts hierher Gehöriges und ist überdies nach Pla-
ton's Knitylos S. 399 D und den Bemerkungen von E. Dummlur
S. 57 der Exercilationis i/riimmalicae specimina des Bonner Se-
minars unbedenklich für Antisthenisch, d. h. für stoisch zu
halten.
'■') Stephani hält den Sardonyx Compte-rendu 1S80 Tat". 3, 9
für die älteste Darstellung eines Schmetterlings (vgl. 1877 S. 62.
1880 S. 20. 78), Eurtwängler, Sammlung Sabourotfll zu Taf. 135
das Ohrgehänge Antiquitis du Bosphore Chiimirien Taf. 7 , 8
S. LXV, 51; der Unterschied ist unbedeutend, und für uns, wie
sich zeigen wird, gleichgültig.
'^) Ich wüsste keinen besseren Ausdruck für diese Ait der
Darstellung al.- den von Jahn, .Vrch. Beitrage S. 194 glück-
Otto Jahn ist bei seiner Besprechung der Psyche
(Arch. Beiträge S. 128) von den ältesten Darstellun-
gen der menschlichen Seele, den kleinen, geflügel-
ten oder ungeflügelten sYdiola ausgegangen, die
wir auf Vasenbildern finden, und darin sind ihm
die meisten gefolgt. Aber icli meine, es liegt auf
der Hand, dass diese Schatten verstorbener Men-
schen, die nach homerischer Vorstellung umherflat-
tern, wesenlos und luftig, nichts zu thun haben mit
jener Darstellung der von Eros geliebten Seele.
Hier ist weder eine begriffliche Entwicklung der
einen Gestalt aus der andern möglich, noch eine
formale. Jene Schatten und die Geliebte des Eros
haben nichts gemein als etwa den Namen ; erst in
viel späterer Zeit hat die Gespielin des Eros auch
zur Bezeichnung der vom Körper geschiedenen
menschlichen Seele dienen müssen. Aus jenen flat-
ternden sYdiola entwickeln sich die würdigeren
Bilder der Schatten wie das eXdioXnv AlijTnv (Alil-
lin, Tombeaux de Canosa Taf. 7), welche die ehe-
malige Gestalt des Menschen wiedergeben, und nur
irgendwie die Schattenhaftigkeit seines Wesens an-
zudeuten versuchen; für unsere Psyche ist ein eige-
ner Ursprung anzunehmen"). Es lag nahe, den
lieh gewählten der 'Parodie', trotz des heftigen Widerspruches
von Stephani S. 193. Er ereifert sich sehr darüber, dass man
durch diesen Ausdruck das Princip jeuer Darstellungsart 'in den
lächerlichen und komischen Charakter' verlege. Als ob jede
Parodie komisch sein müsse! Wir bezeichnen allerdings mit-
unter auch die Travestie ungenau mit jenem Wort; in genauem
Ausdruck können und sollen wir beide Begriffe sondern. Sie
beziehen sich natürlich ursprünglich nur auf die Dichtung. Die
Parodie behält die äussere Form eines Werkes bei, ändert aber
den Inhalt, die Travestie giebt denselben Inhalt in komischer
Form. Die Travestie ist immer komisch , die Parodie kann
es sein. Wollen wir die beiden Begriffe auf die Kunst anwen-
den, so ist dies nicht ohne eine kleine Umdeutung möglich, aber
offenbar werden wir mit Fug und Recht eine Darstellung, welche
in der äusseren Form Apollo und Marsyas, in Wahrheit Eroten
zeigt (Gerhard, Antike BiMwerke Taf. 91, 1), eine Parodie nen-
nen so gut wie den von Affen dargestellten Auszug des Aeneas
(Heibig, Wandgemälde 1380). Wollte man das Wort Travestie
auf die Kunst anwenden, so könnte man damit nur die burleske
Darstellung ernsterer Begebenheiten bezeichnen. Panofka's Auf-
satz Parodieen und Karikaturen (Abhandlungen der Berliner
Akademie 1851 S. 1) nützt in dieser Frage nichts.
"■) Dass man die Seele auch als Vogel mit Menschenkopf
oder einfach als Vogel dargestellt habe, wie noch Collignon
(Ket'ue archiologifjue N. S. XXX 1875 S. 203. Mijlhe de Psi/ch(f
S. 298) meint, ist eine höchst problematische Annahme; vgl.
0. .Jahn, Arch. Beiträge S. 137, GG. Das Epigramm Anth.
11
P. Wolters, Eros und Psvdie.
12
Gott der Liebe selbst iu Liebesverhältnissen dar-
zustellen und ihm eine Genossin zu geben, damit
doch nicht einzig er allein sei. Die Entstehung
dieses weiblichen Gegenstückes zu Eros wird sich
kaum in der Litteratur vollzogen haben; es scheint
fast ein Bedürfniss der künstlerischen Ausdrucks-
weise, dem dadurch genügt wurde. Es war die
Kunst, welche den weiblichen Kentauren schuf,
welche zum Pan die Paniske gesellte"), die Kunst
hat auch zu Eros dieses gleich ihm geflügelte
Mädchen gefügt, von dem die Litteratur schweigt.
Kach Vorbildern brauchte sie nicht lange zu suchen :
die geflügelte Iris und Nike boten sich von selbst
dar, nur nuisste ihr Alter dem des Knaben Eros
angenähert werden. So schuf die Kunst das ge-
flügelte Mädchen, das wir jetzt Psyche nennen.
Wann dies geschehen, vermögen wir nicht mit
Sicherheit zu sagen, doch führen die Analogien
aufs vierte Jahrhundert. Auch den Namen, wel-
chen man dem Mädchen zuerst beigelegt, wissen
wir nicht. Wie es gestaltet war, zeigt uns unsere
Bronce'''), die wir als seine älteste erhaltene Dar-
stellung ansehen müssen. Eine genaue Datirung
derselben ist freilich nicht möglich, doch wird man
sie kaum für jünger halten können als den Anfang
des dritten Jahrhunderts.
Wir besitzen eine unverhältnissmässig grosse
Reihe von Denkmälern, die Eros und Psyche in
traulichem Zusammensein zeigen, Stephani hat S. 160
deren fünfundneunzig aufgeführt, und auch wenn
wir die unsicheren Beii^piele") ausscheiden, wird
Pal. Vn 62 zeigt, dass die Deutunt; des Adlers 1111!' die Seele
l'latons etwas ganz alleinstehendes ist; vgl. VII 161.
"} Vgl. die Zusammenstellung bei Heydemann, Terrakotten
aus dem Museo nazionale zu Neapel S. 15.
'8) Dieselbe ältere Gestalt der Psyche mit Vogelflügeln
bieten uns ausser den pompejanischen Bildern besonders die un-
ten genauer zu besprechende Terrakotte Sabouroff, die im Be-
sitze von Lambrus befindliche (Frohner, Terms cuites d'Asie mi-
neure Taf. 21), und eine dritte, die im Comple-rendu 1877 S. 5 (vgl.
S. 166,67) abgebildet ist. Es ist also keine Spielerei, welche
Psyche diese Flügel gab, wie Stephani S. 147 meint. Nachdem
man sich gewohnt hatte, bei Psyche beide Arten von Flügeln
ohne Unterschied zu verwenden, war es allerdings fast .selbst-
verständlich, auch Eros an dieser Mannigfaltigkeit Tlieil nehmen
zu lassen.
") Besonders 73. 74, aber auch üU und IJS. Das 'Fragment'
aus Durand's Sammlung (70) ist vollständig und zum Anheften
die Zahl sich doch mindestens auf dieser Höhe
halten , da weitere Exemplare neu hinzugekommen
sind (z. B. durch Matz-Duhn), und wir auch die hin-
zufügen müssen, welche die beiden Gestalten neben
einander stehend, nicht gerade sich umarmend zei-
gen, und die Stephani (S. 182) vergeblich auszu-
sondern versucht hat, denn beide Darstellungen ge-
hen zu oft in einander über. Leider steht der
Werth der Denkmäler in keinem Verhältniss zu
ihrer Zahl; die meisten entstammen römischen Sar-
kophagen uud Grabuiälern und ilire Zusammen-
stellung hat eigentlicii nur statistisches Interesse.
Sie erscheinen durchgehends als etwas leere uud
ungeschickte Nachklänge jener berühmten Gruppe
vom Capitol. Man darf kühn behaupten, dass diese
mit ihren Repliken uns die vollendetste Darstellung
von Eros uud Psyche — die Richtigkeit dieser Be-
nennung vorausgesetzt — bietet, und es läge nahe,
in ihrem Original jene erste Schöpfung der Kunst
zu suchen, aus welcher die ganze Vorstellung von
Psyche herzuleiten ist.
Brizio hat Bidlettino 1874 S. 7 den Versuch ge-
macht, die Gruppe auf den jüngeren Kephisodot
zurückzuführen, ohne zwingende Gründe. Gern wird
man, zumal in dem Eros, jene Freude an weich
geführten, sanft bewegten Umrissen wiedererken-
nen, die in Praxiteles gelebt haben muss, aber auch
spätere Künstler konnten dies Ideal verfolgen. Der
sichere Termin, welchen uns eine unter Caracalla in
Öerdike geprägte Münze (Stephani 86; abgebildet
in Sallet's Zeitschrift für Numismatik VIII Taf 1,26
vgl. dazu Riggauer S. 94) giebt, lehrt uns nichts
neues. WerthvoUer wäre schon die Bestätigung
einer von Cavedoni Annali 1860 S. 289 gebrachten
Notiz, nacli welcher Denare der gens Vibia die etwa
86 v.Chr. geprägt sind, unsere Gruppe als Bei-
zeichen hätten. Leider vermag ich so wenig wie
Riggauer (S. 95) einen solchen nachzuweisen, und
bin gegen die Nachricht etwas skeptisch geworden,
an eine Unterlage bestimmt; e» zeigt den Oberkörper eines Mäd-
chens, das sich zurückbeugt, um sich von einem hinter ihm er-
scheinenden Jüngling küssen zu lassen. Es schliesst sich also
den anderen Monumenten nur sehr lose an, zumal jede Spur
von Beflügeinng fehlt; vgl. Kekule, Die antiken Terrakotten II
Taf. 49,2.
13
P. Wolters. Eros inul Psvchc.
14
da ich an mir selbst erfahreu habe, wie leicht auf
geringeren Exemplaren der ganz gewöhnliche Kranz
eine täuschende Aehnlichkeit mit der fraglichen
Gruppe bieten kann. Bessere Dienste leistet uns
eine Terrakottagruppe aus Ephesos, etwa dem zwei-
ten Jalnhundert angehürig, die Furtwäugler, Samm-
lung Sabouroffll Taf. 135 verüffentlicht hat=°). Sie
ist unmöglich ohne Beziehung mit der capitolini-
schen Gruppe zu denken, dazu ist die Ueberein-
stimmung in den Einzelheiten der Gewandung,
Stellung und Armhaltung viel zu gross. Aber ob-
wohl Eros und Psyche sich hier eng umschlungen
halten, küssen sie sich doch nicht, sondern blicken
beide geradeaus. Furtwängler glaubt hierin eine
besondere Feinheit erblicken zu dürfen: noch trenne
ein ungewiss zögerndes Gefühl die Beiden von der
höchsten Seligkeit des Kusses, und wäinend Eros
mit schmeichelnder Hand ihr Gesicht dem seinen
zu näiiern suche, wende sie sich sträubend ab. Die
Darstellung des Kusses selbst dagegen scheint ihm
eine Steigerung in's Atfektvolie, die den Reiz na-
türlicher Einfalt und zurückhaltender Unschuld auf-
gegeben habe. Ich vermag nicht, mich diesem Ur-
theil anzuschliessen. Etwas Zögerndes und Zurück-
haltendes liegt deutlich und schön in der eapitoli-
nischen Gruppe ausgesprochen, besonders in der
Stellung des Eros; man spürt in jeder Bewegung
den Zwang der Leidenschaft, welche alle Scheu
und alles Zögern überwältigt. Wenn aber Psyche
den Geliebten so innig umschlingt, was soll da ein
scheues Abwenden des Kopfes? Das wäre keine
zurückhaltende Unschuld, das wäre berechnete Sprö-
digkeit. Auch würde Eros natürlicher Weise doch
sein Gesicht zu Psyche wenden müssen, wenn er
sie küssen will. Ich kann demnach in der Haltung
der Köpfe nur ein Ungeschick des Formers sehen,
dem eine genaue Nachahmung der capitolinischen
Gruppe allerdings schwer geworden sein w'ürde.
Auch die veränderte Haltung der rechten Hand der
Psyche wie der linken des Eros, mit denen im
Original jeder den Kopf des andern an sich drückte,
-") Abgesehen von dieser ist das älteste sicher datirbare
Momiiiieiit i]ie kleine Gruppe aus Pompeji bei Kekule, Die an-
tiken Terrakotten I Tal'. 43, 3 wozu die Uemerkunycn Rohden's
S. .i4 zu vergleichen jind.
stammt daher. Es ist nicht wahrscheinlich, dass
die charakteristischen Bewegungen der Gruppe vom
Capitol schon vorhanden gewesen seien, ehe diese
selbst ihnen den wahren Sinn verlieh, ich muss
darum annehmen, dass ihr Original schon im
zweiten Jahrhundert nicht nur existirte sondern
sogar nachgeahmt wurde, und eine dieser Nach-
ahmungen ist die Terrakotte aus Ephesos.
Aber wie haben wir uns jenes Original zu den-
ken':* Ich kenne in Zeichnungen'") oder Original
acht Wiederholungen jener Gruppe, zwei in Be-
schreibungen, eine elfte ist verschollen"). Von die-
sen sind die Gruppe vom Capitol, die in der Samm-
lung Hope CMichaelis, Ancient marhies S. 287,22)
und die beiden in Dresden (Hettner, Die Bildwerke
der Antikensammlung zu Dresden* S. 103, 185.
75, 7(i) ziemlich genaue Copien desselben Origi-
nales, und sämmtlich ohne Beflügelung-'). Am
nächsten steht diesen das Exemplar in Florenz
(Dütschke, Bildwerke in Oberitalien III .508), das
sich besonders durch die Umkehrung der Com-
position und die hier zuerst angebrachten Flügel
unterscheidet. Allen diesen Wiederholungen ge-
meinsam ist die kunstvolle und ausdrucksvolle Grup-
pirung, die wir natürlich ebenso bei ihrem Original
voraussetzen müssen. Die anderen Repliken haben
diese durchdachte Anordnung und damit einen
grossen Theil der Schönheit aufgegeben. Hierher
gehören zunächst zwei Exemplare, die beide nicht
veröffentlicht sind, eines in Berlin, das andere im
Museum Torlonia (P. E. Visconti, 3ruseo Torlouia
S. 92, 174), ersteres ist mir im Original, letzteres
durch eine Skizze F. Dümmler's bekannt"). Eros
-') Zur Uebersicht bequem ist die Zusammenstellung in
Clarac's Musee de scu/pture IV Tal'. 652. 653.
'-'-) Bracci, Memorie degli incisori II S. 251. Siephani 7.
Es wäre dagegen ein wunderbarer Zufall, wenn die beiden von
Bracci als nach England verkauft genannten Gruppen nicht mit
denen in Sammlung Hope und Lansdowne identisch wären. —
Der von Slilchhiifer, Athenische Mittheilungen IV S. 126,4 be-
schriebene Rest unserer Gruppe ist zu unbedeutend, um beson-
dere Aufmerksamkeit zu verdienen.
"') Der zweiten Dresdener Grujipe hatte man Flügel ange-
setzt, die jetzt wieder entfernt sind; auch die etwas abweichende
Stellung der Psyche ist Folge der Ergänzung.
'-'*) Als ergänzt bezeichnet er beide Köpfe mit den daran
liegenden Händen, auch don rechten Unterarm der Psyche, den
15
P. Wolters, Eros und Psyche.
16
und Psyche stehen sich etwas steif gegenüber, so
dass der Beschauer sie im Profil siebt; Eros links
stehend, ruht auf dem rechten Beiue, seine Eechte
liegt auf Psyches Schulter, ihre Linke an seiner
rechten Seite; mit den beiden vom Beschauer ab-
gewaudten Händen fasst jeder den Hinterkopf des
anderen, doch küssen sie sich nicht, vielmehr sind
die Gesichter noch ziemlich weit von einander ge-
trennt: ein recht ungeschicktes Motiv. Der einzige
grössere Unterschied zwischen beiden Gruppen, die
sonst sogar bis auf die Stütze an Eros' rechtem
Bein übereinstimmen, scheint die Stellung von des-
sen linkem Bein zu sein, das in der Berliner Gruppe
über das andere geschlagen, in der römischen ein-
fach vorgesetzt ist; da aber im ersteren Fall die
Unterschenkel ergänzt sind , so wird hierin wohl
die Gruppe Torlonia für uns massgebend sein kön-
nen ^^). Die Beflügelung ist in beiden Fällen sicher.
Offenbar sind diese decorativen Arbeiten nicht mehr
als freie Gruppen gedacht, ihre ganze Anlage
zwingt, sie vor einer Wand aufzustellen und sie
mehr als Relief wirken zu lassen. Jede andere
als die reine Vorderansicht ist ungeschickt. Noch
geringer an Kunst und noch etwas ärmlicher in
der gesammten Anlage ist das Exemplar aus Argos
(Revue archeologique N. S. XXX 1875 Taf. 22), doch
scheinen die Abweichungen mehr Ungeschick als
Ueberlegung zu verrathen; im Ganzen würde dies
Exemplar sich den eben besprocheneu anschliessen,
wie auch das Bi-uchstück in Venedig (Dütschke,
Bildwerke in Oberitalien V 198) liierher gehören
möchte. Ueber die Gruppe in Hannover (Stephani
S. 160, 6) lässt sich niclits Sicheres sagen, als dass
sie die gewülinliche Beflügelung zeigt und von
geringem Werthe ist.
Von den acht Wiederholungen der Gruppe also,
die wir in Betracht ziehen können, ist nur eine, die
florenfinische, bei genauerem Festhalten der Compo-
lechten aus zwei Stücken bestehenden Arm des Eros, sowie sei-
nen linken Flügel. Unter den Knieen ist die Gruppe gebrochen,
doch scheint hier nur Altes wieder zusammengesetzt, ebenso wie
am rechten Flügel des Eros.
-^) Dieselbe Form der Gruppe bietet die Münze von Ser-
dike, und auch die mannigfach wechselnden Gruppen der Sar-
kophage scheinen von dieser Gestaltung ausgejrangen zu sein.
sition mit Flügeln versehen"), die drei letztgenann-
ten weichen zu sehr vom Original ab, um eine Ent-
seheidun? zu brinaen. Für das Original dürfen wir
danach kaum die Flügel voraussetzen, um so weni-
ger als diese offenbar einen grossen Theil des Reizes,
den die Composition durcii den vornehmen, geschlos-
senen Umriss ausübt, zerstören und zerstören müssen.
Daraus ergiebt sich zunächst, dass wir in dem Ori-
ginal dieser Gruppe nicht die erste Schöpfung der
Psyche annehmen dürfen, denn diese konnte der
Flügel nicht entbehren; und da doch auch unsere
ßronce nicht für dies einflussreiche Kunstwerk gel-
ten darf, sie auch nicht von der Gruppe abhängen
kann, da ja ihre ganze Anlage die Flügel vor-
aussetzt, so werden wir auf eine allen diesen voi--
ausliegende Schöpfung geführt, von der die Kunst
diesen fruchtbaren Gedanken empfing. Man könnte
allerhand Gründe dafür anführen, dass es ein Ge-
mälde gewesen sei; wir werden besser thun, uns
mit unserer Unkenntniss zu begnügen.
Steht nun aber — und dies ist der zweite
Punkt — für das Original der Gruppe der Mangel
von Flügeln fest, so scheint auch die Deutung auf
Eros und Psyche hinfällig zu werden. Ich gestehe,
dass ein zwingender Grund für dieselbe fehlt, aber
meine doch, dass sie einen hohen Grad von Wahr-
scheinlichkeit beanspruchen darf. Denn welchen
Knaben und welches Mädchen sollen wir sonst in
der Gruppe erkennen? Beliebige, namenlose? Da-
gegen spricht doch die Traciit der Psyche. Und
das Alterthum hat siclier in jener Gruppe recht
früh schon jenes vorbildliclie Liebespaar erkannt,
das zeigt die Terrakotte Sabouroff, das zeigen die
Repliken mit Flügeln, besonders die in Florenz, das
scheint auch die Gruppe Lansdowne zu zeigen, deren
Deutung nicht zu bezweifeln ist (Michaelis, Ari-
cienl marhles S. 456, 70) und deren Eros wenigstens
unserer Gruppe entlehnt ist. Dass die zahlreichen
Sarkophage mit ihrer ständig wiederkehrenden
Gruppe diese Deutung unterstützen, braucht kaum
bemerkt zu werden.
Ich glaube also diese Entwicklung annehmen
^'') Audi die oben Anni. 20 genannte Terrakotte :ius Pom-
peji cntlic'brt der Flügel.
17
P. Wolters, Eros und Psrche.
18
zu müssen: zu Eros gesellte die Kunst ein gleich
ilini mit Vogelflügeln begabtes Mädchen, sein
weibliches Gegenbild; ob ihr gleich anfangs der
Name Psyche beigelegt wurde ist ungewiss, ja un-
wahrscheinlich, aber im dritten Jahrliundert bereits
scheint ihr dieser Name und in Folge davon mit
spielender Anlehnung an die Bezeichnung des Fal-
ters, yjvxrj, auch die Befiügelung des Schmetterlings
gegeben zu sein, die dann immer allgemeiner be-
liebt wurde. Ob die Darstellung der .Seele als
Schmetterling diesem selben etymologischen Wort-
spiel seine Entstehung verdankt oder aus der fer-
tigen Vorstellung der Psyche sich entwickelt hat,
ist kaum zu entscheiden, doch macht die Ver-
bindung, in welcher der Schmetterling zu Eros steht,
das letztere wahrschcinlicli. Auch dies Bild hat
dann später die Kunst ergriffen , um die mensch-
liche Seele ganz ohne Beziehung auf Eros auszu-
drücken.
II.
Unter den vielen Wiederholungen des sich um-
armenden und küssenden Paares Eros und Psyche
findet sich auch eine ziemliche Anzahl geschnittener
Steine. Leider ist hier die der modernen Fäl-
schungen wegen bei Geramen überhaupt herr-
schende Unsicherheit besonders gross, da bei den
modernen Künstlern die Gruppe sehr beliebt ge-
wesen sein muss; als Beispiel statt aller anderen
mag die Gemme mit der Inschrift <I>HAIH dienen,
in der man schon lange ein Werk des Felix
Barnabö erkannt hat"'), die aber doch noch
von CoUignon Mythe de Psyche S. 391, 83 unbedenk-
lich benutzt ist. Stephani hat in sein Verzeichniss
deshalb nur zehn Steine aufgenommen; vgl. Comple-
reiidii 1877 S. 1G8, 76—85. Unter diesen Umstän-
den wird die folgende Vermehrung unserer Denk-
mäler besonders angenehm sein. Die hier in dop-
pelter Grösse des Originales abgebildete Gemme
hat Ludwig Otto im September 1875 in Bari gezeich-
net, als sie dem dortigen Muscu miinicipale zum
Kauf angeboten wurde; ich verdanke die Zeichnung
'-') Vgl. Köhler, Gesammelte Schiifien III S. 289. Raspe,
A descriptive vatalogue of ancient and modern engraved gems
.S. 417, 7181 Taf. 43. Stephani, Comple-rendu 1877 S. 168,2.
Archiiolog. Zt?. Jahrgang XLU.
der Freundlichkeit Reinhard Kekule's. Der Stein,
ein Karneol, hat unten rechts eine Beschädigung
erlitten, wie die Abbildung zeigt. An seiner Echt-
heit ist Zweifel nicht möglich: er befand sieh an
dem Thcil einer mittelalterlichen Armatur, deren
Schmuck er mit anderen Gemmen gebildet hatte,
doch war eine Anzahl derselben bereits ausgebrochen.
Wo sich der Stein jetzt befindet, weiss ich nicht.
Die Gemme bedarf keiner Erklärung; die Anmuth
ihrer Composition ist ebensp offenbar, wie dass
sie nicht in nahe Beziehung zu der gewöhnlichen
Gruppe gesetzt werden darf, deren Grundgedanken
sie frei und eigenartig gestaltet darbietet.
IIL
Ein Gegenstück zu der von Eros gefesselten
und hart gepeinigten Psyche bildet der gebundene
Eros. Die Darstellung ist sehr beliebt gewesen:
wir finden sie in Statuen , geschnittenen Steinen
und Epigrammen; über die genauere Deutung kann
Zweifel herrschen. 0. Jahn hat in den Leipziger Be-
richten 1851 S. 153, besonders gestützt auf einen
nur in der Zeichnung des Pighius erhaltenen, von
ihm dort Taf. 5 bekannt gemachten Sarkophag,
die Auffassung durchgeführt, dass die gequälte
Psyche sich hier ihres Peinigers zu bemei.steru
gewusst und ihn so unschädlich gemacht habe.
Dagegen hat Stephaui Compte-rendu 1877 S. 125. 185
darzulegen gesucht, diese Deutung Verstösse gegen
alle Logik, da wohl die Seele von der Liebe, aber
nie die Liebe von der Seele Schoierzen erfahren
könne, und wir demgemäss anzunehmen hätten.
19
P. Wolters, Eros uud Psyche.
20
Eros sei von Aphrodite oder Nemesis gefesselt, und
Psyche, wenn sie überhaupt dargestellt sei, wünsche
ihn zu befreien. Auf diese verstandesmässige Er-
örterung würde ich nicht viel geben: die Vorstel-
lung, dass Eros von Psyche gefesselt wird, ist um
niclits unlogischer als die, dass ihm dasselbe von
einem Menschen widerfährt, und doch hat Melea-
gros (Anth. Pal. V 179) gedichtet
rj yäg aev za noörjya nö&Cüv wxvmSQa xnipag.
XaXxndsTov acpiy^io aolg negl nooal neörjv.
Uebrigens ist Stephani's Deutung nicht neu; schon
Winckelmann erkannte auf den Gemmen 852 — 54
der Sammlung Stosch Eros gefesselt von Aphrodite;
seine Meinung allerdings, dass dies die Strafe für
Eros' Liebe zu Psyche sei, stammt noch aus Apu-
leius. Kichtiger hat deshalb Böttiger (Ideen zur
Kunst-Mythologie II S. 474) diese letztere Beziehung
aufgegeben, spricht es aber deutlich aus, dass
Psyche den Eros zu befreien wünsche. Die bis
jetzt bekannten Denkmäler gestatten keine sichere
Entscheidung; wir können es dem gefesselten Eros
nicht ansehen, wer ihn gefesselt, ebenso wenig wie
der bei ihm stehenden Psyche, ob sie die Bande
lösen oder schürzen will, und was ein an der Säule,
an die Eros gebunden ist, hinaufkriechender Schmet-
terling bedeuten soll, ist erst recht nicht zu sagen;
vielleicht ist er mehr als Symbol denn als Darstel-
lung der Psyche geraeint. Die einzige grössere
Darstellung ist der Sarkophag, auf dem Jahn die
Fesselung des Eros und die Vernichtung seiner Waifen
durch zwei Psychen erkannte, während Stephani
S. 185 das genaue Gegeutheil behauptet. Ob Eros
gefesselt oder gelöst werde, ist schwer zu entschei-
den, die Zeichnung würde für das letztere sprechen;
aber dass die zweite Psyche nicht im Begrifi' stehe,
Eros seine Waffen zurückzugeben, dass hier ein
dem Eros feindlicher Akt vorgenommen werde, ist
aus der deutlich dargestellten Angst und Entrüstung
seiner Genossen klar. Können wir also überhaupt
diese Zeichnung benutzen, so müssen wir sie nach
Jahn als Rache der Psyche an Eros erklären; dass
ich diese Auffassung durchaus für möglich halten
inuss, ist bereits gesagt.
Aber auch die entgegengesetzte Auffassung ist
in Kunstwerken zum Ausdruck gekommen, das lehrt
uns die hier nach einer Zeichnung Max Lübke's
zum ersten Mal abgebildete Marmorgruppe, die sich
seit 1873 im Berliner Museum befindet. Sie ist in
Aphrodisias gefunden, ergänzt ist nur ein Theil
der Unterschenkel des Knaben, doch ist die Stel-
lung vollkommen sicher. Eros steht mit gefessel-
ten Händen greinend da, der Ausdruck seines Ge-
sichtes ist bis zur Karikatur drastisch. Mitleidig
ist Psyche liinter ihn getreten, mit der Linken fasst
sie seinen linken Oberarm; die Rechte, mit welcher
sie das Ende der Fessel hält, legt sie auf seine
rechte Schulter. Das Mitgefühl des Mädchens ist
deutlich genug ausgedrückt; den kleinen Gefange-
nen zu befreien scheint ihr nicht möglich, da ver-
sucht sie wenigstens ihn zu trösten. Die Arbeit
der Gruppe ist flüchtig und gering, die Erfindung
weist auf ein besseres Vorbild hin. Der Gegensatz
zwischen dem heulenden Buben und dem mit-
leidig dreinschauenden Mädchen ist offenbar be-
absichtigt und mit sichtlichem Humor, wenn auch
mit einiger Uebcrtreibung ausgefUiirt.
Dass wir trotz des Mangels von Flügeln das
Paar Eros und Psyche nennen müssen, ist über
allen Zweifel erhaben. Der Eros entspricht ganz
21
R. Engelmann. Droi Hron/.cn.
22
genau den anderen Darstellungen des gefesselten
Liebesgottes (Leipziger Berichte 1851 S. 163), und
wenn auch diese formale Uebereinstinmiung die
Deutung nicht sicliern könnte, so ist sie ihr doch
immerhin günstig. Sicher ist die Deutung schon
deshalb, weil die Annahme gewöhnlicher Kinder
— und etwas Anderes bliebe uns doch in keinem
Falle übrig — eine ganz unverständliche Gruppe
ergäbe. Was ein gefesselter Knabe und ein mit-
leidig daneben stehendes Mädchen sollen, wenn es
nicht eben Eros und Psyche sind, ist nicht abzu-
sehen.
Und so hätten wir also in dieser kleinen Gruppe
zum ersten Male deutlicii den Gedanken ausge-
sprochen, dass Eros von einer fremden Macht ge-
fesselt ist, und dass Psyche trotz ihres Mitgefühls
ihn nicht zu befreien vermag. Aber ob dieser Ge-
danke darum nun in allen Kunstwerken liegt, die
den gebundenen Eros zeigen, ist zweifelliaft; der
Sarkophag des Pighius enthält einen ganz anderen,
und zwischen diesen beiden Autfassungen bei den
einzelnen, undeutliclien Werken zu entscheiden, wird
kaum möglich sein. Wir werden uns begnügen
müssen, die Möglichkeit beider einzugestehen.
Berlin, im Januar 1884. Paul Wolters.
DREI BRONZEN.
(Tafel
Bei meiner Anwesenheit in London im Jahre
1877 Hess ich durch Mr. Webb uuter Anderem zwei
Bronzen des britischen Museums zeichnen, die mir
in hervorragendem Maasse die Aufmerksamkeit
zu verdienen schienen. Gründe, die ausser mir
liegen, haben bis jetzt die Publication der Zeich-
nungen verhindert, und so hat es sich gefügt, dass
wenigstens für eine der beiden, No. 1, die Priorität
uns genommen ist; sie findet sich, wenn man von
der schon früheren Veröffentlichung in der 9. Ausg.
der Eucyclop. Brilan. s. v. Archaeolngy absieht, die
wegen iiirer Kleinheit kaum mitzählen darf, bei
Murray liislonj of greek sculpture II S. 345 und bei
L. M. Mitchell history of ancient sculpture S. 529
(Selcclions pl. 12) publicirt und besprochen. Indess
wird unsre mit drei litliographischeu Platten vor-
treiflich hergestellte Abbildung, wenn sie gleich
spät kommt, doch nicht ohne Nutzen sein; denn
sie verdient vor den beiden oben citirten offenbar
den Vorzug. Die Bronze soll in Tareut gefunden
sein, doch wird an der Genauigkeit dieser Angabe
gezweifelt. Man sieht einen halb sitzenden Jüngling,
dessen Schenkel von Gewand umkleidet sind; er
hat den Oberkörper etwas nach vorn und zugleich
nach dem linken Arm hin gebeugt; das noch etwas
2-)
stärker nach vorn geneigte Haupt folgt im All-
gemeinen in seiner Richtung derjenigen des Ober-
körpers; die Augen scheinen über die rechte
Hand fort nach einem etwas ferneren Punkte zu
blicken. Das Haar ist kurz und kraus, wie bei
einem im Gymnasien heimischen Jüngling üblich;
auch die Bildung des Körpers, die schwellenden
Muskeln der Arme verrathen tüchtige gymnastische
Bildung. Der rechte Arm ist nach unten mit leich-
ter Biegung ausgestreckt; die Hand ist leider ab-
gebrochen, doch ergiebt sich mit Sicherheit aus der
Gestaltung der Muskeln, dass der Daumen zur
Hüfte gewandt war. Eine noch schwerere Beschä-
digung hat der linke Arm erlitten, er ist bis auf
den Schulteransatz verloren gegangen; doch lässt
die Haltung der Figur die ursprüngliche Richtung mit
Wahrscheinlichkeit verniuthen: der Arm war zu-
nächst senkrecht nach unten gerichtet, um dann
vom Ellenbogen an sich über den Leib zu strecken.
Der rechte Fuss tritt mit der ganzen Sohle auf
einen nach vorn sich etwas senkenden Terraiu-
ausschnitt, während der linke nur auf den Zehen
ruht; dadurch wird das linke Bein etwas stärker
gekrümmt, so dass der Schenkel mit dem unteren
Theil einen Winkel von wenig über 90 Grad bildet.
23
R. Entjelmann, Drei Bronzen.
24
Zu beiden Seiten der Beine ist das Gewand mit
je einem kleinen Loch verseben, ein deutlicher
Beweis dafür, dass die Figur einst an irgend einem
Gegenstande befestigt war; dasselbe lässt auch
die Hinterseite erkennen, denn während der obere
Theil frei ausgearbeitet (gegossen) ist, zeigt die
untere Partie, soweit der Körper vom Gewand be-
deckt ist, eine deutliche Ansatzfläche. Die Klein-
heit und die Zahl der Löcher zwingt uns anzuneh-
men , dass die Figur an einem bronzenen Hinter-
grund ausass, so dass die Lötliung zur Erreichung
einer sicheren Verbindung mithelfen konnte; auch
niusste die Fläche leicht gekrümmt sein, wie die
ganze Anordnung der Figur beweist, und für
die Füsse musste ein schräg nach unten verlau-
fender Vorsprung vorhanden sein. Es leuchtet
ein, dass danach die Annahme von L. Mitchell,
es handele sich um die Verzierung eines Spie-
geldeckels, hinfällig ist; die verhältnissmässig
schwere Figur wäre auch als Verzierung einer so
kleinen und dünnen Fläche wenig geeignet. Eine
bestimmte Entscheidung, wenn sie überhaupt mög-
lich ist, lässt sich nur angesichts des Originals
treffen ; nur um den Kreis zu bezeichnen, innerhalb
dessen man meiner Ansicht nach suchen muss, be-
merke ich, dass man an eine seitliche Anordnung
neben dem Henkel eines Gefässes denken könnte.
Katürlich müsste unserer Figur dann eine einiger-
massen symmetrisch angeordnete zweite auf der an-
deren Seite entsprochen haben; beider Füsse würden
ungefähr an der Verbindungsstelle des Henkels mit
dem Körper des Gefässes aufgesessen haben, wo es
an einem entsprechenden Vorsprung nicht fehlt.
Dass unsere Bronze mit einer zweiten Figur zu-
sammen gruppirt war, dafür lassen sich allerdings
auch andere, aus dem Monument selbst genommene
Gründe anführen. Die nach rechts (vom ßescliauer
aus) gedrängte Körperhaltung, die fast ein Ueber-
fallen nach dieser Seite hin befürchten lässt, die
Abgeschlossenheit die.ser selben Seite, die in zwei
Biegungen, des linken Armes und Schenkels, endet,
im Gegensatz zur andern, wo alles offen verläuft,
ferner die Richtung des Kopfes, des Oberkörpers
und der beiden Arme, ja selbst die nicht ganz
klare Gewaudpartie an der rechten Hüfte, alles
weist darauf hin, dass unsere Figur links eine
Ergänzung fand. Ein gleiches Resultat wie bei
der Betrachtung der Linienführung erhält man
auch, wenn mau die Bedeutung der Figur ins
Auge fasst.
Der Juugling ist halb stehend, halbsitzend, oder
vielmehr sich anlehnend gebildet, eine Stellung,
welche besondere körperliche Anstrengung (man
könnte leicht au einen Diskuswerfer denken) aus-
schliesst. Auch die Haltung der Füsse spricht
gegen gewaltsame Bewegung; der fest aufgesetzte
rechte Fuss genügt, um deu Körper iu der etwas
unsicheren Stellung zu erhalten; der lose aufgesetzte
linke dient nur dazu das Gleichgewicht herzustellen.
Und doch zeigt die ganze Haltung des Jünglings
höchste Erregung und Spannung, die weder in der
Figur selbst noch auch in einem unbestimmten Et-
wat- ausser ihr die Lösung findet, die aber sofort
klar wird, wenn wir sie mit einer andern symme-
trisch componirten zusammengestellt deuken. Dass
unmittelbare Berührung jedoch ausgeschlossen ist,
brauche ich nicht noch besonders hervorzuheben.
Eine bestimmte Antwort auf die Frage, was die
Bronze dargestellt habe, vermag ich nicht zu ge-
ben, doch will ich eine Verniuthung, die wenig-
stens die Sachlage erläutert, uicht zurücklialten. Es
scheint mir, dass man bei unserer Figur und ihrem
vorausgesetzten Gegenstück am besten an zwei
Morraspieler denken könnte, die mit der einen
Hand (hier der linken) nach der antiken Weise
einen Stab gefasst halten, während sie die andere
blitzschnell vorstrecken und zugleicii die Zahl der
ausgestreckten Finger zu errathen suchen. Die
Haltung des ganzen Körpers, auch der Hände und
Füsse, wäre damit völlig und zur Genüge erklärt,
doch verhehle ich nicht, dass mir der Ausdruck
des Gesichts etwas zu ruhig für ein derartiges
iille Leidenschaften des Südländers erregendes
Spiel scheint. Ich hebe deshalb nochmals hervor,
dass meine Vermutiiung mehr bezweckt, die
Körperhaltung verständlich zu machen als das
Räthscl endgültig zu lösen. Eine einigermassen
mit unserer übereinstimmende antike Figur, die
R. Engclmann, Drei Bronzen.
26
iiian zur \'crgleicliuiig- lieranzielicu könnte, ist mir
nicht bekannt.
Die Bronze ist nicht uur gegenständlich, sondern
auch stilistisch von iiohcm Interesse, und hat nach
dieser Seite iiin bei Murra}' sowohl wie bei L. Mitchell
die verdiente l'eaclitung- gefunden. Indessen ist das
Urtiieil beider nicht das gleiche; während die letz-
tere Aehnlichkeit mit dem Hermes des Praxiteles
findet'), zögert der erstere nicht, sie auf die Schule
des Lysippos zurückzuführen'). Ich kann nicht um-
hin mich der letzteren Meinung anzuschliessen; auch
mir scheint der Charakter peloponnesischer Kunst-
übung, speciell des Lysippos, in den Formen des
Körpers deutlieh ausgeprägt zu sein. Unzweifelhaft
wohl gehört die Bronze erst der zweiten Hälfte des
4. Jahrhunderts an; ihre Entstehung dürfte vor dem
.\po.\yomenos kaum wahrscheinlich sein. Das ist
auch die Ansicht von A. Flasch, dem ich die Ab-
bildung vorgelegt habe; ob jedoch die Arbeit aus
einer pclnponnesischen oder einer attischen Werkstatt
stamme, das, meint er, lasse sich nicht feststellen. —
Unter No. 2 ist eine kreisförmige Platte abge-
bildet, die im British Museum als Neretis willi fe-
male deilies bezeichnet ist; sie stammt angeblich
aus Macedonien. Wie der Band erkennen lässt,
war sie einst eingesetzt, so dass der äussere Rand
unter der Einfassung verborgen war; die Grösse
der drei Löcher, die zur Befestigung der Platte auf
ihrer Unterlage dienten, lässt vermuthen, dass
die letztere nicht aus Bronze, sondern aus einem
andern Material, z. B. Holz oder Elfenbein, bestand.
Es liegt am nächsten, an den Deckel einer runden
Büchse zu denken (der weit vorgestreckte linke
Ellenbogen des Gottes würde beim Oeffnen gleich-
sam als Handhabe haben dienen können), doch
sind natürlich auch andere Verwendungen niclit
') Tliere is a ntar kinship lo ihe /ealures of Praxiteles'
Hermes, hut « greater slenderness of bodi/ , and a less massive
build of face.
-) The leiiffth of the limbs and expression of the face are
heyonä all iiiislake. white the shape of the head is no less evidenlly
that of the school of Poli/kleitos , with a lendency Iowards the
rounder craniitm of Ihe Attic sculptors which Li/sippns cuuld hardly
have esiaped. But il is in the largeness of style, in the bodily
forms and in the treatment of the drapery , that we are inclined
lo discoier a chararterintic nf Lysippos.
ausgeschlossen. Das Relief, mit welchem die Platte
verziert ist, gehört mit zu dem Reizendsten, was
uns aus dem Alterthum erhalfen ist. Man erblickt
den Kopf und die Brust eines Seegottes, dessen
Hinterkopf, wohl in Nachahmung des Gei)rauchs
der Seeleute, die auch heute noch durch wasser-
dichte Kapuzen sich gegen die Uberspritzende
Fluth sichern, mit einer dicht anliegenden und
bis zum Nacken hinabreichenden Kappe bedeckt
ist. Das Gesicht ist von zahlreichen, nach der Art,
wie sie sich selbst auf die Kappe auflegen, wohl
als wasserschvver zu denkenden Locken umrahmt;
der Schnurrbart und der Haaransatz unter der Un-
terlippe zeigen den Uebergang zur vegetabilischen
Bildung, wie bei dem bekannten Kopfe des Museo
Pio-Clementino; darunter fällt der Bart noch in
langen Locken bis zur Mitte der Brust herab. Der
Gott schaut mit weit geöffneten Augen in die
Ferne; gleichsam sifch selbst und seine nähere Um-
gebung vergessend, legt er die linke Hand an den
Hals unter die Kapuze, so dass der Ellenbogen
stark aus dem Grunde vorspringt; der rechte Arm
ist nicht sichtbar. Die Gestalt ist vou zwei Delphi-
nen eingerahmt, die unten spielend mit dem Rachen
einander fassen, während sie lustig ihre Schwänze
über die Schultern des Gottes herüber hinter seinem
Haupte emporschlagen lassen; auf den Delphinen
haben weibliche Seegottheiteu sich niedergelassen.
Links sitzen zwei ; die eine (e. f.) streckt das linke
Bein vor und zieht das rechte etwas zurück, so
dass das Gewand zwischen den Füssen sich etwas
spannt, ihre Brust ist unverhüllt, indem das Gewand
vom linken Arme aus sich hinter dem Rücken entlang
zieht; auf ihrem Schoosse, bequem nach rechts ge-
lagert, sitzt die zweite Nereide, von hinten sicht-
bar, bis auf das von der linken Schulter über den
Rücken hin hängende Gewand ganz unbekleidet.
Auf dem andern Delphin ruht, lässig nach links
hingestreckt, eine dritte Nereide; sie hat das Ge-
wand um ihren linken, auf den Delphin aufgestütz-
ten Arm geschlagen. Alle drei zeigen das Haar
hinten in einen Knoten zusammengebunden; alle
drei richten ihre Blicke auf das Gesicht des in das
Weite schauenden Gottes; da dieser gar nicht wie-
27
R. Engelmann, Drei Bronzen.
28
der gewillt scheint, aus den Fernen, wohin sein
Blick schweift, zu seiner Umgebung zurückzu-
kehren, zupft ihn die rechts gelagerte Nereide mit
der rechten Hand an einer seiner Bartlocken , um
seine Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Bild voll
gemüthlichen Humors, dem ich nichts Aehnliches an
die Seite zu setzen wUsste. —
No. 3 ist die auf die Hälfte verkleinerte Abbil-
dung einer Bronze des Edinburgher Museums nach
einer Photographie, welche ich der Freundlichkeit
des Herrn A. S. Murray verdauke. Ein, so viel
ich mich erinnere, genau damit übereinstimmendes
Exemplar findet sich im British Museum (Bronze
Boom, case D); es stammt aus der Sammlung Castel-
lani; ein drittes Exemplar fand ich in Verona (Mu-
seo Civico), woher es stammt, war mir nicht mög-
lich zu erfahren. Es ist eine gorgonenähnliche
Maske mit Flügeln im Haar; neben den Flügeln
kommen an Stelle der sonst üblichen Schlangen-
köpfe zwei andere Köpfe zum Vorschein, in denen
man im British Museum offenbar Hundeköpfe er-
kennt (daher die Deutung auf Scylla), die aber in
dem Edinburgher Exemplar, nach der Photographie
zu urtheilen, durch den Hörneransatz und die ganze
Gestaltung der Formen deutlich als Kalbsköpfe
charakterisirt sind; inwieweit das Londoner Exem-
plar in Wirklichkeit davon abweicht, vermag ich
nicht anzugeben. Unter dem Hals sind an Stelle
der Schlangen Fischleiber mit Delphinschwänzen
zusammeugeknotet; da jedenfalls die oben hervor-
ragenden Köpfe als an diesen Fischleibern ansitzend
gedacht werden sollen, so sind demnach an Stelle
der bei Gorgonen üblichen Schlangen hier Seekäiber
zur Einfassung des Gesichtes verwendet. Auf das
Meer und seine Wellen deutet auch die Form der
das Gesicht umkränzenden Locken, sie sind förm-
lich als Wellcnornament stilisirt. Die Augen zeigen
oflene Augensterne, auch der Mund ist geöffnet;
er erhält durch die herausgestreckte, in unserem
Exemplar jedoch ausgebrochenc Zunge ein schreck-
licheres Aussehen. Besonders neben dem Munde
zeigt die Epidermis den Uebergang zu vegetabi-
lischer Gestaltung; bei der Darstellung von See-
wesen scheinen derartige Umbildungen von den
alten Künstlern fast regelmässig vorgenommen wor-
den zu sein.
Es würde höchst interessant sein, die Um- und
Weiterbildungen des Gorgonenhauptes, zu denen man
besonders durch ornamentale Bedürfnisse genöthigt
wurde, eingehend zu verfolgen; da eine derartige
Untersuchung jedoch eine grosse Zahl von Abbil-
dungen erforderlich machte, so begnüge ich mich
hier nur kurz darauf hinzuweisen, dass die Zahl
derselben sehr gross ist uud dass sie für die man-
nigfachsten Götterweseu beliebt worden sind. Auch
für Seewesen sind derartige Bildungen schon mehr-
fach bekannt; am meisten ähnelt wohl unserer Fi-
gur die von Brunn in den Moii. deW Inst. VHI
T. 12, 3 veröffentlichte und Amiali 1864 S. 378 be-
sprochene Bronze. Hier ist der Hinweis auf das
Meer noch strenger durchgeführt, insofern als die
Flügel flossenartig gestaltet sind und den Ohren
die von Tritonen her bekannte Auszackung gege-
ben ist; hinter den Flügeln kommen die Schwänze
zweier Delphine zum Vorschein, welche unter dem
Kinn sich mit ihren Köpfen berühren; die Epider-
mis des Gesichtes ist in vegetabilische Bildungen
aufgelöst; dazu hat der Künstler unter dem Kinn
noch eine Jluschel gefügt, und Muschel und Del-
phine durch einen seine Arme nach oben und seit-
wärts ausstreckenden Polypen vereinigt. Auch
No. 10 derselben Tafel kann zur Vergleichung her-
angezogen werden (eiu Delphin hält im Rachen
einen mit Blättern rings umsäumten Kopf); wie hier
wird ein derartiger Kopf gerade oft verwendet, um
einen Henkel am Bauche des Gefässes zu befesti-
gen, vgl. auch Mus. Borh. XIII T. 27, V T. 43.
Overbeck Pompeji 4. Aufl. G19, Fig. 316, c. (Dieser
Kopf ist noch dadurch besonders interessant, dass
liier der Gorgonentypus, der durch die Schlangen
bezeichnet wird, mit dem des Seewesens, der in
den Delphinen zum Ausdruck kommt, vereinigt ist.)
Für unsern Kopf ist natürlich eine derartige technische
Verwendung ausgeschlossen; dagegen spricht einmal
die Grösse der Bronze, vor allen Dingen aber die Aus-
höhlung der Augensterne und die Oefi'nung des Mun-
des; denn dass derartige Eigenthümlichkeiten nicht
zwecklos angebracht sind, bedarf keines Nachweises.
29
R. Engelmann, Drei Bronzen.
30
Sucht mau für unsere Bronze nach Analogien,
so wird man 7Ainächst an eine Klasse von Mouu-
nienten erinnert, deren Hauptvertreter die soge-
nannte bocca della verilä in S. Jlaria in Cosmedin
ist. Sie sind mit Recht zuletzt von Heibig {Bullett.
1871 S. 22) als Abflusstiguren bezeichnet worden,
aber eine solche Verwendung bei unserer Bronze
vorauszusetzen hindert nicht sowohl ihr kleiner
Maassstab, denn man könnte sie ja am Grunde
eines entsprechenden Gelasses angebracht den-
ken, als die ganze Gestaltung der Oberfläche: die
Flüssigkeit würde, da die Lücher ziemlich hoch
stehen, nicht völlig ablaufen können. Viel weniger
noch kann man eine Ausflussfigur erkennen wollen,
das verbietet die Zahl der Oeffnungen. Dagegen em-
pfieidt es sich, das Kelief als Schmuck einer Lampe
aufzufassen, wo die grössere Oeffnung des Mundes
zum Eingiesseu des Oels, die beiden kleineren zum
Vorwärtsschieben des Dochtes benutzt werden konn-
ten, besonders spricht dafür eine von Beger nach
Ik'llori lucernae ceterum III Taf. 35 veröffentlichte
Lampe; sie ist mit einem bärtigen, entschieden in
die Reibe der Seedämouen gehörigen Kopfe ver-
ziert, der zwei Hörner trägt und zu dessen beiden
Seiten je ein nicht genau zu bestimmender, einiger-
massen pferdeähnlicher Kopf vorspringt; vom Barte
aus nach den beiden Lampeuöffnungen ziehen sich
zwei Delphine mit sichelähnlichem Schwänze. Auch
hier sind die Augen und der Mund, ausserdem aber
auch die beiden thierisch gebildeten Ohren zum
Eingiesseu des Oels durchlöchert. Ob für die hier
publicirte Bronze und für ihr Londoner und Vero-
neser Seitenstück dieselbe Verwendung Statt ge-
habt hat, muss eine Untersuchung der betreffen-
den Stücke leicht ergeben.
Einen bestimmten Namen für das dargestellte
Seewesen (Scylla heisst es in London; Brunn
schlägt Medusa del mare vor) wage ich nicht an-
zugeben; je grösser die Freiheit und Willkür ist,
mit welcher die Alten gerade bei solchen ornamen-
tal zu verwendenden Figuren verfahren sind, um
so bedenklicher ist es für uns, durch bestimmte
Namengebung den Kreis, innerhalb dessen sie lie-
gen, zu verengen.
Vor den ähnlichen Figuren, die ich anführen
konnte, scheint mir übrigens der hier veröffentlichte
Typus vermöge der Einfachheit der Anlage und
der Grossartigkeit seiner Linien entschieden den
Vorrang zu verdienen; seine Erfindung geht ohne
Zweifel in eine recht gute Zeit zurück.
R. Enuelmann.
31
32
HERAKLES UND ALKYONEÜS.
(Tafel 3. -1.)
Wir besitzen eiue Anzahl Vasenbilder, sowohl
der schwarzfigurigen als der rotbfigurigen Technik,
auf denen Herakles dargestellt ist, wie er, meist im
Beisein der Atbena oder des Hermes, mit gezückter
Waffe auf einen am Boden liegenden Kiesen los-
geht, über welchem sich öfters, sei es kauernd sei
es schwebend, eine kleine Flügelfigur befindet').
Vergebens würden wir bei Dichtern und Mytho-
graphen nach dem Abenteuer suchen, das hier dar-
gestellt sein könnte: manchen Kiesen hat Herakles
bewältigt, von keinem aber wird berichtet, dass er
im Schlaf überrascht worden sei, wie das die Vasen-
') Otto Jahn (Berichte der sächsischen Gesellschaft fl. W.
1853 S. 135 ff.) zählte acht Vasen auf: A. .-ichwarzfigurige: 1)
München 1180, abgebildet bei Jahn Taf. V 2. 2) Tischbein III
20, wiederholt bei Jahn Taf. VII 2. 3) Lekj'thos aus Nola, un-
publicirt. vgl Annali V p. 311f. 4) British Museum 462. iin-
publicirt. B. rothfigurige: 1) München 401, abgebildet bei Jahn
Taf. V 1. 2) München 605, abgebildet bei Jahn Taf. VII 1.
3) Museo Gregoriano II 16, wiederholt bei Jahn Taf. VIII 2.
4) Schale, einst beim Herzog von Luynes, unpublicirt, vgl. Re-
vue archdologique 1844 II p. 655, 1. Stephani {Panrga arcliaeo-
logica XV = Mglanyes grgco-rumains I S. 586 ft'.) fügte zwei Jahre
t-päter noch zwei schw^r/.tigurige hinzu: 5) Petersburg 221 1, ab-
gebildet Äntif/uiMs du Bosphore Cimm^rien pl. 63a 1. 6) Peters-
burg 234, abgebildet in Stephani's Aufsati S. 588. Seitdem
sind, wenn mir nichts entgangen ist, noch folgende bekannt ge-
worden: A. schwarzfigurige: 7) Amphora einst bei Campana
{Calaloghi Gl. I Ser. IV ff. Sala A n. 17) jetzt in Paris, erwähnt
im Bullettino d. I. 18o9 p 30, in '/s der Originalgrösse abge-
bildet nach einer im Apparat des archäologischen Instituts be-
findlichen Zeichnung auf unserer Tafel 4. 8) Schale im Museum
zu Corncto, beschrieben im Bullettino d. I. 1877 p. 61, 3, in '•'/^
der Uriginalgrösse abgebildet nach einer Zeichnung de Santis',
die ich der gütigen Vermittlung Körte's verdanke, auf unserer
Tafel 3. 9) Nicht ganz sicher ist, ob hierher gehört eine Amphora
der Sammlung Lunghini in Sarteano, die im Bullettino d. I. 1859
p 30 mit folgenden Worten boschrieben wird: ' Motta analogia
von ijuesta (nämlich der gleich zu nennenden rotbfigurigen Vase
derselben Sammlung) oß're la rappresentnn:a di un anfora n
fig. n. Ercote munito di gonnella e parnzonio, avendo deposto la
ciawa(!) e la Jaretra per terra, tien afferato pei oapelli un uomo
barbato, che cade supino, minacciato dalla ctava (!) vibrata daW
eroe nella d. Una donna fugge rarvolgendosi coli' espressione di
lamento'. B. rothfigurige: 5) V<iso a colonnette der Sanmiluiig
Lunghini in Sarteano, beschrieben im Bullettino d. I. 1859 p.30.
bilder alle mehr oder weniger deutlich darstellen.
Die Inschriften zweier Vasen scheinen das Räthsel
zu lösen, indem sie uns den Namen des Riesen
nennen, aber sie geben uns mit diesem Namen nur ein
neues Räthsel auf: der Riese soll Alkyoneus sein").
Alkyoneus war ein Gigant; die pseudo- apollo-
dorische Bibliothek nennt ihn neben Porphyrion als
den furchtbarsten Gegner der Götter in der Giganto-
machie. Auch der Scholiast zur Hesiodischen Theo-
gonie zählt ihn neben Enkelados, Porphyrion u. A.
unter den Giganten auf, und derselben Ueberliefe-
rung folgte Nonnos, da er in seiner Giganlomachie
des Dionysos, die ganz nach dem Vorbild der alt-
berühmten vielbesungenen Gigantomachie des Zeus
gedichtet ist, dem Alkyoneus die erste Rolle gab ').
Wie man betreffs des Schauplatzes der Giganten-
schlacht, in späterer Zeit wenigstens, schwankte
zwischen den phlegraiischen Feldern von Pallene
und denen Campaniens, so war auch Alkyctaeus
sowohl hier wie dort zu Hause ^).
Aber nicht zu jeder Zeit war die Sage vom Siege
des Herakles über Alkyoneus mit dem Mythos von
der Gigantomachie verflochten gewesen. Wie man
von einem Kampfe des Zeus gegen Typiioeus, einem
Kampfe gegen Aigaion-Briareus erzählte, ehe diese
beiden Riesen als Theilnehmer an der Giganto-
machie galten, so erzählte man auch von dem Siege
des Herakles über Alkyoneus, che man diesen zum
'■') Otto Jahn konnte sich nur auf die Schale des l'hiltias
und Deiniades (B 1) berufen; aber auch auf der Amphora A 7
sind die Namen beigeschrieben: Eyctxleo. .■Dxvnvto.
•'') Im Gigantenverzeichniss des Hygin (p. 10 ed. Schmidt) hat
SchefTer den Namen des Alkyoneus aus dem überlieferten alemone
herstellen wollen, Muncker schrieb 'Alemon', Schmidt vermutheto
'Palaemon' oder 'Almops'. Jetzt könnte man :nich anl-llJ.ijxjuxi
denken, wenn so der verstümmelte Gigantenname des pergame-
nischen Altars von Keydemann (Sechstes Uallischcs Winckel-
manns-Programm S. 1 1 n. 46) richtig ergänzt ist.
') Vgl. Claudian, de raplu Proserpinae IH 184 f. Philostra-
tos, Jhroikos p.671 (II p. 140 ed. Kays. Lips.).
33
F. Koepp. Herakles und Alkyoncus.
34
Genossen des Mimas und Eiikolados und des Por-
pbyrion niaclite. Wenn iiiclit alle, so doch die mei-
sten Giganten geboren ursprUuglicU localen Sagen
an und sind erst mit der Zeit, als die Dicliter die
Sage von der Gigantensehlaclit immer mehr aus-
bauten , in diese übernommen worden. Bei den
meislen ging dann die Kunde von ilirer ursprüng-
lichen Bedeutung, die locale Sage, verloren: nur
die Namen erinnern noch zuweilen an die Heimat
dieses oder jenes Giganten^). Bei Alkyoneus ist
uns die Localsage erhalten. Diese, sollte man mei-
nen, würde mit der Tradition der Vasenbilder über-
einstimmen. Aber das scheint keineswegs der Fall
zu sein.
Pindar erzälilt an zwei Stellen von dem Kampfe,
den Herakles, mit seinem Waifengefäbrteu Telamon
von Troia zurückkehrend, gegen den berghoben
Rinderhirten Alkyoneus bestand'^). Die eine Stelle
zwar könnte mau mit der Darstellung der Vasen-
bilder vereinigen; denn da beisst es nur (Isthm. VI
(V) 32 ff.):
xai znv ßovßöiav ovqe'i i'aov
OXfyQaiaif eIqiov ^i.xvnvij atpSTsgag nv (peiaaTO
y_£Qaii' ßaQV'fünyynin reiigäg.
So könnte der Dicliter sehr wohl vou der Bewälti-
gung eines Schlafenden sprechen. Aber an der an-
*) Ich denke hier an Pallaneus (Chvudian, Gig. lal. 108 ff.)
und Mimas. Vielleicht gehört :iuch Akrathos hierher. Auf
einem etruskischen Spiegel nämlich (Gerhard LXVIII) ist dem
Gegner der Athena der Name f\KPf\06 beigeschrieben. Man
hat den Giganten Akralos genannt , wie nach Pausanias I 2, 5
ein äalfiioi' itäv äfj(i'i ^tiovvauv hiess; ich glaube eher, dass
er Hxiiiu'toi; hiess als Localgigant des Vorgebirges am Strymo-
nischen Meerbusen (.Strabon VII fr. o2 p. 330). Auch der Athos
liatte ja seinen Giganten, wie Stephanos von Byzanz {u.'^Hois)
berichtet Ueberhaupt dachte man sich diese Riesen besonders
gern an stürmischen Vorgebirgen : deshalb wurden auch am Si-
geischcn Vorgebirge Gigantengebeine gefunden (Plülostratosfler.
p. G69; II p. 138 ed. Kays. Lips.).
') Auch in den Hymnen wird Pindar an der Stelle, wo er
nach Quintilian VIII G. 71 und Strabon VII fr. 58 (Bergk fr. 50 f.)
den Zug gegen Troia und die Meroper erwähnte, des Alkyoneus
gedacht haben Eine dieser Stellen hat der Scholiast zu Apol-
lonios' Argonautika I 1289 im Auge. Schon Pindar nannte,
wenn ihm wirklich das fragmentum adespoton 84 gehört, den Al-
kyoneus r'iyut'TMt' Tiofnßiimor. Auf das von Pindar berührte
Abenteuer beziehen sich vermuthlich auch die Stellen des Sido-
nius Apollinaris, an denen derselbe unter den Gegnern des He-
rakles auch den „gigas^ aufzählt: 1X92, XIII 11. XV 141.
Archäolog. Ztg. Jahrgang XLU.
deren Stelle (Nem. IV 25 ff.) sagt er ausdrücklich,
Herakles habe den Alkyoneus überwunden
ov zETQanQiag ye nglv dvwdexa nsTqit)
ijgojng t eTT£i.ißeßaöJtag Innndä^invg flev
ölg xnanvg.
Wie soll man das mit dem heimlichen Ueberfall
vereinigen? Auch abgesehen von der ausführlichen
Erzählung des Kampfes, welche der Scholiast giebt,
lässt sich von dem Felsen schleudernden zu dem
schlafenden Alkyoneus schlechterdings keiil Ueber-
gang ersinnen; ebensowenig aber ist es denkbar,
dass nach der den Vasenmalern vorliegenden Sage
der Riese beim Naben des Herakles erwaclite und,
sieb aufraffend vom Schlafe, den Gegner angriff,
der sclion im Begriff war, den Pfeil von der Sehne
zu schnellen. Es ist weder wahrscheinlich, dass
es eine Sage gegeben habe, die so die beiden ein-
ander ausschliessendeu Motive des heimlichen Ueber-
falls und des Kampfes verbunden hätte, noch ist
es glaublich, dass die Kunst, wenn es eine solche
Sage gegeben hätte, gerade das vorübergehende
und ganz bedeutungslose Motiv zur Darstellung ge-
bracht haben würde').
Otto Jahn hat, als er vor nunmehr dreissig Jah-
ren die Alkyoneus-Vasenbilder besprach, sich be-
gnügt zu constatiren, dass die bildende Kunst hier
Traditionen gefolgt sei, die uns nur zufällig ander-
weit nicht überliefert seien (a. a. 0. S. 137). Natür-
') Wenn auf einigen Vasenbildern (A 1, 5 und 6) der Riese
inj Erwachen dargestellt zu sein scheint, so könnte das lediglich
auf Rechnung der Ungeschicklichkeit oder Flüchtigkeit des Ma-
lers zu setzen sein; aber es ist zu bemerken, dass gerade auf
diesen Vasenbildern die Flügelfigur nicht fehlt, während umge-
kehrt da wo dieselbe fehlt, wie auf A 7, B 1 und 2, das Schla-
fen (trotz der offenen Augen bei B 2) sehr deutlich zum Aus-
druck gebracht ist. Nur A 3 zeigt den Alkyoneus wach und in
lebhafter Bewegung, ohiie dass die Flügelfigur anwesend ist;
aber dieses Gefäss, das in jeder Hinsicht aus der Reihe der
übrigen herausfällt, ist sicherlich etruskisches Machwerk, das
nur von ferne in einigen Zügen — man vergleiche z. B. den
Kopf des Alkyoneus mit den Kentaurenköpfen Annati d. 1. 1863
luv. E — an chalkidische Vasen erinnert. — Dass Jahn irrte,
als er (a. a. 0. S. 143 f.) die Darstellung auf der Rückseite der
einen Münchener Schale (B 2) und die auf einer s. f. Amphora
des Museo Borbonico (abgebildet bei Jahn Tafel IX) auf den
Alkyoneus-Mythos bezog und so auf die von den übrigen Vasen-
bildern dargestellte Scene noch einen Ringkampf folgen liess,
hat bereits Stephani (a. a. O. S. 592 ft.) und neuerdings wieder
Klein (Euphronios S. 53f) bemerkt.
3
35
F. Koepp, Herakles und Alkyoneus.
36
lieh verstand Jahn unter diesen Traditionen solche
die „ausserhalb des Kreises der Künstler entstan-
den" waren, d. h. eine andere Version des Mythos.
Denn der Künstler, welcher diese Sage zuerst dar-
stellte, konnte durchaus nicht, wie Stepliani (a. a.O.
S. 590) raeint, 'einen solchen Zug' — nämlich das
Motiv des heimlichen Ueberfalls — Mn seine Auf-
•
fassung aufnehmen, ohne dass er ihn ausdrücklich
überliefert fand'. Wo wäre je ein griechischer
Künstler, sei es der grösste sei es der geringste, so
willkürlich mit den überlieferten Mythen umgegan-
gen dass er aus einem gewaltigen Kampfe einen
heimlichen Ueberfall hätte machen können? Ein
Dichter konnte wohl eine alte Sage umbilden, wie
Pindar den Pelops-Mythos, Stesichoros die Helena-
Sage, niemals ein Künstler, der vielmehr höchstens
kleinere Züge ändern durfte, wenn er nicht darauf
verzichten wollte, verstanden zu werden.
Aber die Sache liegt nicht so einfach. Pindar
selbst scheint an den beiden in Rede stehenden
Stellen nicht eine und dieselbe Tradition vor Augen
gehabt zu haben. Denn so gut sich die erste der-
selben mit der Darstellung der Vasenbilder ver-
einigen lässt, so wenig gestattet sie uns meiner
Ansicht nach, an einen gewaltigen Kampf zu den-
ken, wie ihn die zweite Stelle schildert. Auch der
Scholiast weiss nichts von einem solchen Kampfe.
Pindar selbst giebt uns, meine ich, des Räthsels
Lösung. 'Den furchtbaren Alkyoneus', sagt er an
jener Nemeen-Stelle, 'überwanden Telamon und He-
rakles vereint, nicht bevor er ihnen zwölf Vier-
gespanne zerschmettert mit einem Felsblock und
doppelt so viel reisige Helden;
insiQo/itüxcxc hov xs (favslrj
Xnynv n (.ir^ ^vvtsig' snei
QfCoi'Ta XI xal nnttüv snixev.
Was soll dieser Zusatz? 'Ettci ^rjziüg ovx E^ijyysilsv
6 nlrdagog, erklären die Scliolien, ort h'ixÖTo n
'H(>axlr^S, all' a/.iffißnl(i)g avtn TfMQSÖr'jlwasv o /Uj}
avruig %nv%n o )Jyo), cfr^alv, ort o' Hgcxl/jg iXslcfd-i],
aneiQng fxäyrjg av el'/j oviog. In der That, nicht
nur 'kampfcsunkundig' wäre derjenige, welcher des
Dichters Worte nicht so verstehen würde, auch ohne
besonders aufmerksam gemacht zu werden. Man
hat deshalb den Worten noch einen tieferen Sinn
geben wollen: sie sollen andeuten, dass auch Ti-
masarchos, der Held dieses Siegesliedes, erst nach
einer Niederlage den Sieg errang. Das ist nicht
wahrscheinlich, und warum sollte der Dichter, wenn
es der Fall gewesen wäre, auf diese Niederlage
anspielen? Ich glaube vielmehr, dass Pindar von
der geläufigen Sage abwich, weil er den ruhmlosen
Sieg über einen Schlafenden seines Helden unwür-
dig erachtete: sntl QeLovzä ri xal 7xa!)elv l'nixev.
Der allbekannte Mythos, welcher dem Pindar vor-
lag, und dem er auch an jener anderen Stelle folgt,
war kein anderer als der, welcher auch der Dar-
stellung der Vasenbilder zu Gi'unde liegt; zur Ehre
seines Helden hat der Dichter aus dem unrühm-
lichen Ueberfall eines Schlafenden einen gewaltigen
Kampf gemacht. Wohl musste er da den Hörer
aufmerksam machen : anaiQnfxäxag f^v xe q>avsit]
knynv o urj ^vrieig.
Es bleibt die Frage: hat Pindar diesen Kampf
ganz erfunden, oder hat er damit nur eine weniger
bekannte Sage ans Licht gezogen? Für letzteres
könnte zu sprechen scheinen, dass der Scholiast
von dem Kampfe ausführlicher zu erzählen weiss.
Nur sieht diese Erzählung müssiger, aus den Wor-
ten des Dichters herausgesponuener Scholiasten-
erfindung zu ähnlich, soweit sie nicht einfache Um-
schreibung der Pindarischen Worte ist"). Einzig
die Worte xal q>rjai ((paai'?) xeia&ai tov liitnv iv
Tiö 'lodfiiii könnten Vertrauen erwecken zu der
W^eisheit des Scholiasten. Wenn sie nur nicht
eigens zu diesem Zweck hinzugefügt sind! Jeden-
falls weiss Pindar von jenem Kunststück des He-
rakles nichts, so wenig als die Schollen zu der
*) Ovjoq 6 l4kxvorevs (i? rüir Fiyarjoiv Kytitu nfQ\ i6)'
'laft/JÖv itjc KonlvO^ov (soll heissen: iijq ]lttkki')vriq) avußiß)]-
xivai 'jlgaxXu, ov in? ßnv; 'H()ay.i.i]g t'i 'Eovlntitg ncint'iletvrf
xitl lijg ,uß/i)C ciuTti ttUCu iy^vtjo rij ßovXy tov Jiog' noXi-
fxioq yäo ijj' 70h rCyaaiv. Ol) TtoöttQOV o<3i', tfrjad', tiviTXt rov
l/tXy.vovia '/iQctxXijs, JtQiv ic Houttia ttvioii V7i6 Toü HXxvo-
v(os ßXi]!)fivai ■ ,uf rr< yctQ i6 awinnpitt nvTOv ätoilxit KQfjaia
xui tXxooi Tfaanijag ävägm Xi'Hiit ufyinjoi t6 TlXtvTctioi' xaj'
ttvjov 7ÖV XCUov iQnnj/iv, ov TW ()07iiiX.o> uTioanaiifiH'og outaig
unixrtivi lov 'AXxvovftt. xaC (frjai (ifaatl) xiJaliai 761' XlSoy
Iv KJi 'lait/Aiü. Xfytiui öi TOTt avftnaQtXvai iiö 'lloaxXfl xa'i
TÖV TlXtc/jiii'a.
37
F. Koe])p, Herakles und Alkyonens.
38
Istbmicu- Stelle: nv fftlnatn y.EQGi liaQiKiitnyyoio
vevQÖg sagt dort der Dichter; mehr wissen auch
die Schollen nicht zu erzählen.
Einen Rinderhirteu nennt Pindar den Alkyonens,
schwcrlicli desliall), weil Herakles die Rinder des
Geryoneus bei ihm vorübertrieb, wie die Schollen
an der einen Stelle erzählen"), sondern deslialb,
weil er selbst Rinder hütete, die ii:in Herakles ab-
naliin: hoq' nü zag^Hluw ßnvg dni'jXaae sagen die
Scholicn an der anderen Stelle, und in der pseudo-
apollodorischen Hibliothek lesen wir: oving Ss xat
rag 'Hki'nv ßi'iag ii. 'Eovtfei'ag IjXaae'"). Jene erste
Erzählung, nach der Alkyonens den mit der Rindcr-
heerde des Geryoneus vorüberziehenden Alkiden
überfiel, ist lediglicli ein Comproiniss zwischen der
Alkyoneus-Sage und dem bekannteren Geryoneus-
Mylhos. Aber ein solciier Compromiss verdunkelt
das wirkliche Verhältniss. Beide Sagen gehen ne-
ben einander her. Alkyoneus ist ein alter Doppel-
gänger des Geryoneus. Beide haben die Rinder
des Sonnengottes geraubt, und Herakles, der Held
des Lichts, nimmt sie ihnen wieder ab"). Es ist
bedeutungsvoll, dass Herakles den Alkyoneus schla-
fend trifi't; Pindar freilich wusste nicht, wie unrecht
er dem Jlythos tliat, da er ihn dieses ciiarakteristi-
schen Zuges entkleidete").
') Dieselbe Erzälilung hatte auch der Scholiast im Sinne, der
zur aeliten Pythischen Ode (V. ]7), indem er Porphyrion und
Alkyoneus verwechselt, die weise Bemerkung macht : to dt /ktÜ
ßlag ityöfmni' ■/■.(ni.'iiiq «ii om/tüI' fnii, minü il't finff uii Itoij-
tci'i'iv.
">) Hercher hat diesen Satz als Interpolation aus dem Text
entfernt. Der Alkyoneus, der mit den Giganten gegen die Göt-
ter kämpt'tu, war freilich nicht mehr der Kinderhirt. Aber es
triö"t sich liier, dass die Interpolation — wenn wir überhaupt
in diesem Buch, zu dem die verschiedensten Zeiten beigetragen
haben, von Interpolation reden dürfen — älter ist als ihre Um-
gebung: sie stammt aus der alten Alkyoneus-Sage Was sonst
der Mythograpb von Alkyoneus zu berichten weiss^,^ scheint von
Antaios auf jenen übertragen zu sein.
") Plew (zu Preller's Mythologie II S. 204, -J) hat mit Un-
recht bestritten, dass auch die Kinder des Geryoneus als ur-
sprüngliches Eigenlhum des Helios zu denken und eine Entfüh-
rung derselben durch den Riesen anzunehmen sei. Der Sinn
des Mythos fordert es, und die Analogie iler Alkyoneus-Sage
erhebt es über allen Zweifel.
'') Preller, Griech. Mythologie 11' S. 207 Dilthey niacht
mich auf die Analogie der Gorgonen-Sage aufmerksam: auch
die .Medusa wird ja von Pcrseus schlafend angetroft'en.
Ein Rinderhirt war Alkyoneus auch nacli der
Tradition, welcher die Vasenmaler folgten. Das
konnte Otto Jahn noch nicht wissen; denn die Va-
senbilder, welclie ihm bekannt waren, zeigen ausser
Herakles und dem Riesen nur zuweilen Athena
(A 2 und 4; B 4) oder Hermes (B 1 und 3) und zur
Hälfte die kleine FlUgeltigur, von der alsbald die
Rede sein soll (A 1 — 3; B 4). Jetzt aber besitzen
wir die ausführlichere Darstellung der Schale aus
Corneto (A 8), die auf unserer Tafel 3 zum ersten
Male publicirt wird'^).
Wie die Geryoneus- Schale des Euphronios,
gleichfalls einzig in iiirer Art, uns auf der einen
Seite den Kampf des Herakles, auf der anderen
") Durchmesser der Schale 0,28; HShe 0,11. Die Zeich-
nung ist üusserst flüchtig. Weisse Farbe ist ziemlich reichlich
angewandt; gelb sind die Gürtel der Wagenlenker.
A. Unter einem Rebstock, der seine traubenschweren Zweige
weithin ausbreitet, ist Alkyoneus in der gewohnten Weise auf
einem Felsen gelagert. Der Kopf des Schlafenden ist auf die
linke Schulter herabgesunken, wie auf der einen Miinchener
Schale (B 2) und der Pariser Amphora (A 7). Die Rechte hält
die Keule auch noch im Schlafe fest; auf dem linken Arme
scheint die Last des Körpers zu ruhen, die linke Hand ist unter
den Rücken gCM-hoben. Ueber der r. Schulter des Kiesen kauert
die kleine FlügelHgur, die so flüchtig gemalt ist, dass man
kaum mehr als Flügel und Kopf deutlich erkennen kann. Von
links tritt Herakles weit ausschreitend heran, bekleidet mit dem
Löwenfell, dessen Rachen über den Kopf gezogen ist, in der
vorgestreckten Linken den Bogen, in der gesenkten Rechten,
die gleich zum todtlichen Streiche ausholen wird, die Keule.
Ihm folgt ein bärtiger Mann, bekleidet, wie es scheint, mit Chi-
ton und Panzer, den Helm auf dem Haupte, über dem linken
Arm die Chlamys statt eines Schilden, in der Rechten das
Schwert, das in der Scheide steckt: so tritt er dem Herakles
zur Seite, nicht zum Angriff, sondern zur Vertheidigung ge-
rüstet, bereit, wenn der Riese erwachen sollte, den wuchtigen
Hieb seiner Keule zu pariren. Zu Häupten des Alkyoneus tritt
Athena von rechts heran, bekleidet mit Chiton und Himation,
am Helm kenntlich; sie streckt die Rechte vor, die Linke soll
wohl die Lanze halten, die nur aus Nachlässigkeit des Malers
weggelassen zu sein scheint. Rechts von Pallas schreitet ein,
wie es scheint, jugendlicher Mann von der Scene hinweg, indem
er sich umblickt und beide Arme erhebt; um den Kopf trägt
er eine Binde, über dem einen Arm (man kann nicht sehen, ob
es der rechte oder der linke sein soll) hängt die Chlamys.
B. Unter Rebzweigen fahren zwei Viergespanne von rechts
nach links. Auf den Wagen befindet sich je ein Lenker in
langem gegürteten Chiton, eine Binde im Haar, in der Hand
das Kentron; der vordere Wagenlenker ist bärtig. Neben jedem
Gespann galoppirt ein Stier, ein dritter folgt dem zweiten Wagen.
I. Bärtiger Dionysos, ganz in seinen Mantel gehüllt und
bekränzt, auf einem Klappstuhl nach rechtshin sitzend, in der
vorgestreckten Hand ein Trinkgefäss haltend. Im Grunde Zweige.
3*
39
F. Koepp, Herakles und Alkyoneus.
40
die Wegtreibung der Rinder vorführt, so sehen wir
auf der Cornetaner Schale einerseits die gewohnte
Darstellung des Alkyoneus-Abenteuers, andererseits
die Entführung der Heerde durch die Gefährten
des Herakles. Durch die beiden Schalen wird so
die Parallele der beiden Mythen gewissermassen
illustrirt. Zugleich aber wird die Uebereinstimmung
der Vasen-Tradition mit der Pindarischen in einem
wichtigen Punkte erwiesen, was für die Beurthei-
lung der vorgetragenen Vermuthung über die Be-
handlung unserer Sage seitens Pindars nicht gleich-
giltig ist.
Mit der Schale aus Corneto kann sich die Pa-
riser Amphora, deren Bild auf Tafel 4 veröffent-
licht wird (A 7), an Bedeutung nicht messen. In-
dessen bat sie vor jener eine sorgfältige Zeichnung
und die beigeschriebenen Namen voraus'*). Sie
führt uns nur die beiden Hauptpersonen vor: unter
einem Baum, der seine Zweige weit ausbreitet, die
Riesengestalt des Alkyoneus, auf einem Felsen ge-
lagert, und dem Riesen gegenüber Herakles im
Chiton und Löwenfell, Köcher und Schwert an der
Seite, eben im Begriff aus nächster Nähe den Pfeil
abzuschiessen.
Die Alkyoneus -Vasen gehören, soweit sich ur-
theilen lässt, alle der späteren schvvarzfigurigen
oder der früheren rothfigurigen Technik an; keine
brauclit meiner Ansicht nach älter, keine jünger
als das fünfte Jahrhundert zu sein. Von dem etrus-
kiscben Gefäss (B 3) müssen wir natürlich absehen.
Die Reiiie der sebwarzfigurigen Vasen chronologisch
zu ordnen, ist bei der grossen Verschiedenheit in
der Sorgfalt der Ausführung nicht wohl möglich.
Die Pariser Amphora und die Münchener Oinochoe
(A 7 und 1) sind von einer ganz anderen Mache
als die roh und flüchtig gemalten beiden Peters-
burger Gefässe (5 und 6) oder die Schale aus Cor-
neto (8). Von dem Stil des Vasenbildes A 2 kön-
nen wir uns nach der Tischbcin'sclieu Zeichnung
überhaupt keine Vorstellung machen; die übrigen
'■') Das Schlafen ist besonders deutlich zum Ausdruck ge-
bracht, nicht nur durch den seitwärts geneigten Kopl' mit dem
geschlossenen Auge, sondern auch durch die schlali' herabhän-
genden Arme; die Keule steht neben dem Kiesen angelehnt. Ueber
die Namen vergleiche man Anmerkung 2.
sind nicht publicirt. Die rothfigurige Technik wird
stattlich repräsentirt durch die beiden Mflnchener
vSchalen, die eine von Pliiltias gemalt, dessen Zeit
und Standpunkt durch die drei erhaltenen Gefässe
hinreichend fixiit ist, die andere einer um einige
Jahrzehnte jüngeien Zeit angehörig.
Allen Vasenbildern gemeinsam ist die Gruppe
des Herakles und Alk3'oneus, deren Darstellung in
den Hauptzügen unter dem Banne einer festen Tra-
dition steht. Immer tritt Herakles von links auf
den Riesen zu, der stets in der Richtung von rechts
nach links (d. h. mit dem Kopf nach rechts) ge-
lagert ist, fast immer auf einem Felsen, der nur
auf der Schale des Philtias nicht sehr passend
durch ein Kissen ersetzt ist, während er auf dem
Tischbein'schen Vasenbild (A 2) weggelassen ist,
so dass der schlafende Riese sich in sehr unwahr-
scheinlicher Weise nur auf seine Hand stützt. Im-
mer, ausser auf demselben Tischbein'schen Vasen-
bild, hat Alkyoneus das rechte Bein angezogen,
das linke ausgestreckt'*). lu der Kleidung und
Bewaffnung des Herakles variiren die Vasenbilder.
A 1, und vielleicht A 5, weicht in der Kleidung
von der Gewohnheit der Vasen schwarzfiguriger
Technik ab, indem hier Herakles nackt erscheint,
das Löwenfell nur zum Schutze des vorgestreckten
linken Armes benutzend; so zeigt ihn auch von den
rothfigurigen Vasen 2 und 4, während er auf der
Schale des Philtias (B 1) und der Vase in Sarteano
(B 5) noch nach der alten Weise bekleidet ist'").
Das sind mehr oder weniger geringfügige Va-
'^) Eine Keule hält er in der Hand auf A 2; 4; 8, vielleicht
auf A 5, im Arm auf B 2; sie ist neben ihm angelehnt auf A 7
und vielleicht auf A5; sie fehlt ganz auf A 1 und G, wie auf
B 1, 4 und 5.
'6) Auf B 2 und A 1 hält er in der Rechten das Schwert,
aber B4 (und A 5) beweist, dass auch bei dieser Art der Be-
kleidung die Keule vorkommt. Das Schwert führt er auch auf
A4, die Keule dagegen auf A5; 6; 8, wie auf Bl; 4 und ü.
Mehrmals (auf A 5 und 8, B 2 und 5) hält er in der vorgestreck-
ten Linken den Bogen, auf A 4 hat er Bogen und Köcher über
den linken Arm gehängt, während die Keule zu seinen Füssen
liegt. Den Bogen gebraucht er auf A2 und 7; dabei trägt er
das Schwert, im letzteren Falle auch den Kocher, an der Seite.
Auf A 9 (wenn hier wirklich das Alkyonens-Abentener darge-
stellt ist) Süll Herakles den Kiesen mit der Linken bei den Haa-
ren gefasst haben, während er in der Rechten die Keule schwingt.
41
F. Koppp, Herakles und Alkyonciis.
42
rianteii. Wichtiger könnte scheinen, dass Alkyo-
neus, wie ich bereits erwähnt iiabe (s. Anmer-
kung; 7), auf einigen Vasenbildeni im Erwachen
dargestellt zu sein scheint. In der Tliat Hess sich
Otto Jahn durch diesen Umstand zu der Annahme
verleiten, es sei auf den Ueberfall noch ein Kampf
gefolgt, und auch Stephaui liat demselben noch zu
grosse Bedeutung beigemessen, da er ihn zum Prin-
cip der Gruppirung machte"). Es ist zu bemerken,
nicht nur dass auf den am sorgfältigsten gemalten
Bildern, unter den schwarzfigurigen der Pariser
Amphora (A 7), unter den rotlifigurigen denen der
beiden Müncheuer Schalen (B 1 und 2), das Schlafen
unzweifelhaft deutlicli zum Ausdruck gebracht ist,
sondern auch dass auf denjenigen Bildern, auf
welchen Alkyoneus erwacht und in Bewegung zu
sein scheint, besonders auf A 1 und A 6, die Flü-
geitigur anwesend ist, die ohne Zweifel das Vor-
haben des Herakles begünstigt '").
Diese Flügelfigur finden wir auf allen schwarz-
figurigen Gefässen ausser der Londoner H3'dria
(A 4), der Pariser Amphora (A 7) und der Amphora
Lunghini (A 9), wenn anders diese letztere über-
haupt hierher gehört. Dagegen finden wir sie auf
keiner der rothfigurigen Vasen ausser der einzigen
Pariser Schale (B 4), die deshalb in hohem Grade
interessant ist ''). Man hat in der Figur bald das
") Stephani unterscheidet nach zwei Gesichtspunkten vier
Gruppen: 1. 'Alkyoneus schläft, die kleine FlügelHgur ist nicht
beigegeben' (A4; Bl u. 2); U. 'Alkyoneus richtet sich eben
vom Schlafe auf; die Flügelfigur ist nicht beigegeben' (nur B3,
das für mich nicht in Betracht kommt); III. 'Alkyoneus richtet
sich eben vom Schlafe auf, während eine kleine FlügelHgur über
seinem Knie oder Haupt schwebt' (AI; 5 und 6); IV. 'Al-
kyoneus hat sich aufrichten wollen, wird aber von einer kleinen
Flügelfigur niedergedrückt' (A 2, s. hierüber die folgende An-
merkung).
'*) Deutlich ist das Schlafen auch auf der Coruetaner Schale
(A 8) und, der Beschreibung nach, auf der Londoner Hydria
(A 4) und der Vase Lunghini (B 5). Bei A 5 kann man zwei-
feln (obgleich Stephani die Vase zur dritten Gruppe gerechnet
hat), bei B4 lässt uns die Beschreibung im Unklaren; bei beiden
fehlt die Flügelfigur nicht. Auf A 2 hat Alkyoneus die Kopf-
haltung eines Schlafenden ; es ist nur die Flüchtigkeit des Ma-
lers, der den Felsen vergessen hat, welche zu dem Irrthum füh-
ren konnte, der Riese richte sich eben auf. Von B 3 war schon
die Kede.
") Hätten wir diese letzte, leider noch unpnblicirte Vase
nicht, so würden wir annehmen, dass die Flügelfigur nur den
Vasen der älteren Technik eigen sei, sicherlich ist es aber kein
Schattenbild {sl'öiülnv) des Alkyoneus, bald die Ker
oder Tlianatos, bald Hypnos erkennen wollen. Die
richtige Deutung kanu nur eine einheitliche für alle
Vasenbilder giltige .sein; eine solche hat Stephani
mit Kecht gefordert (a. a. 0. S. 590f.). Das Tisch-
bein'sche Vasenbild (A 2) ist von den übrigen nicht
zu trennen, wenn auch die Flügelfigur hier in leb-
hafterer Bewegung erscheint; wie auf den anderen
Vasenbildern ist sie auch hier sicherlich männlich °°),
das beweist hier wie sonst die schwarze Farbe der
nackten Körpertheile, während die Anordnung der
Haare bei einer Tischbcin'schen Zeichnung nichts
dagegen beweisen kann. An die Ker ist deshalb
in keinem Falle zu denken"'). Die Deutung auf
Zufall, dass sie auf diesen sich so viel häufiger findet als auf
den rothfigurigen Ich werde hierauf zurückkommen. Auf A 1
hat Benndorf den bekannten unheilvoll hemmenden Gestus' des
'Binders' durch die über dem Knie gefalteten Hände erkannt
(Griech. und Sicil. Vasenbildcr S. 89); der Verfertiger des vor-
liegenden Vasenbildes scheint freilich den Gestus nicht verstan-
den und deshalb undeutlich zum Ausdruck gebracht zu haben.
Auf A 2 sehen wir allerdings die Flügelfigur in ungewöhnlich
lebhafter Bewegung, bemüht, wie es scheint, den Kopf des schla-
fenden Riesen niederzudrücken. Von A3 wissen wir nur, dass
die Flügelfigur sich dort über dem Schenkel des Alkyoneus be-
findet. A 5 dagegen zeigt sie auf dem Kopf des Riesen sitzend,
wodurch am deutlichsten ausgesprochen wird, dass Alkyoneus
sich in der Gewalt dieses Genius befindet — man wird erinnert
an die Worte des Properz (11,4): et caput impositis pressil
Amor pedibus. Auf A 6 wiederum scheint die kleine Figur,
diesmal in einen Mantel gehüllt, auf dem Knie des Riesen zu
sitzen, während sie auf der Cornetaner Schale (A 8) auf seiner
Schulter kauert. Auf der rothfigurigen Schale endlich soll sie
über seiner Brust schweben.
2°) Dies hat Heydemann hervorgehoben (Drittes Hallisches
Winckelraannsprogramm 1879 S. 80, n. 206) und Robert mit
Unrecht bezweifelt (Thanatos S. 17 n. 8). Auch Brunn hat die
Figur jetzt für männlich erklärt (Troische Miscellen III S. 188),
während sich Benndorf a. a. 0. für die Ker entschieden hat.
'") Es ist mir sehr zweifelhaft, ob wir überhaupt eine Dar-
stellung der Ker besitzen : sie müsste doch einigermassen der
Beschreibung entsprechen, die Pausanias beim Kypseloskasten
giebt, und einer Gorgo ähnlicher sehen als unserer Flügelfigur;
über das von Klein (Euphrouios S, 53, 4) angeführte Schalen-
fragnient in Palermo, das angeblich 'eine gesicherte Darstellung
der Ker' bietet, lässt sich freilich nach Klein's Beschreibung
nicht urtheilen. Sicherlich ist die Flügelfigur auf der schwarz-
figurigen Lekythos bei Benndorf, Griech. und Sicil. Vasenbilder
Tafel XLII 2 keine Ker, wie Benndorf S. 89 und Robert, Tha-
natos S. 17 meinen. Sie ist mänulich und darf methodischer
Weise nicht anders gedeutet werden als dieselbe Figur auf den
gleichartigen Darstellungen der Amphora Piot (Robert, Thanatos
S. 8, 1) und der Neapeler Vase (ebenda S. 16); auf diesen beiden
Gefässen ist sie aber deutlich als Eidolon charakterisirt.
43
F. Koepp, Herakles und Alkyoneus.
44
das Eidoloii des Alkyoneus hat Otto Jahn selbst
a. a. 0. S. 140{'. zurückgewiesen, nachdem er sie
früher (Arch. Beiträge S. 131), in Uebereinstimraung
mit de Witte (^«wa/i V S. oliff.)' gebilligt hatte.
Es bleibt also nur die Wahl zwischen Thanatos
und Hypnos.
Stephani Hess die Frage offen, ob die Ker oder
Thanatos dargestellt sei; dass es eine Todesgottheit
sei, hielt er für sicher. Für die Ker entschied sich
ausser Benndorf und Robert auch Julius Lessing
{de Mortis ajutd veleres fignra p. 51), für Thanatos
Heydeniann (a.a.O. und, wenngleich hier bereits
zweifelnd, Ainiali dcll' Iiislilnto 1880 S. 97). In
Wahrheit ist an Thanatos so wenig zu denken wie
an Ker. Julius Lessing und Robert haben gelehrt,
wie selten und in welcher Gestalt die griechische
Kunst und die Vasenmalerei insbesondere den Tha-
natos darstellte: wer heute noch die kleine Flügel-
figur der Alkyoneusbilder für Thanatos hält, hat
die Resultate ihrer Arbeiten nicht beherzigt wie sie
es verdienen'''). Sichere Darstellungen des Thana-
tos haben wir nur auf den Sarpedon -Vasenbildern
und den von diesen abhängigen attischen Lekythen.
Als Jüngling erscheint Thanatos allerdings sowohl
auf der Amphora Piot als auf der Pamphaios-Schale
— von dem Krater Cauipana können wir nicht
reden, da hier die entscheidenden Theile ergänzt
sind — , aber der Beruf, welcbfer dem Thanatos
nicht nur hier, sondern wo immer er auftrat, in der
Alkestis-, in der Sisyphos-Sage, obliegt, würde es
dem Künstler verboten haben, ihn als einen kleinen
Flügelknaben darzustellen, wie wir ihn auf den
Alkyoneusbildern sehen. Ja noch mehr! Ich halte
es nicht für zufällig, dass auf der einzigen Vase,
auf der in der That Memnon, wie sonst Sarpedon,
von Hypnos und Tlianatos getragen wird, auf der
schwarzfigurigen Schale in Athen (Robert, Thana-
tos S. 17), wie dann auf den Lekythen, Thanatos
■■") Heydeniann hätte auch bei den beiden geflügelten Knaben
der Cornetaner Pani|)haios-Schale Mon. d. I. XI t XXIV (1880)
nicht an Hypnos und Thanatos denken sollen (^Annali S. 97).
Es sind vielinclir Eroten, deren Dar.<tellung gerade um diese
Zeit in der Vasenmalerei recht in Schwung kam, und die des-
halb öfter in der Mehr/uhl, und auch da wo sie mit der Dar-
stellung nicht in Beziehung stehen, auftreten.
bärtig erscheint, während er auf den Sarpedon-
bildern gleich Hypnos als Jüngling dargestellt ist.
Weil Homer an jener Stelle der Ilias Hypnos und
Thanatos Zwilliugsbrüder nennt, stellte auch der
Künstler sie als solche und natürlich jugendlich
dar; als dann aber die Kunst diese Darstellung,
in welcher sie weit mehr als gewöhnlich von der
Diclitung abhängig war, von Sarpedon auf Memnon
und gar auf sterbliche Menschen übertrug, da eman-
cipirte sie sich von der Homerischen Vorstellung
und bildete den Thanatos so wie er in der Phan-
tasie des Volkes lebte und ohne Zweifel nicht nur
im Alkestis- und Sisyphos-Mythos sondern in zahl-
reichen Mährchen erschien. Wir wissen freilich nur
von diesen beiden, aber wir kennen ja auch fast
nur diejenigen Sagen, welche die Dichter behandelt
haben: für uns haben in Wahrheit 'Homer und He-
siod' die Götter der Griechen geschaffen; als He-
rodot das von den Griechen selbst sagte, da waren
die Homerischen Vorstellungen, so weit sie auch
verbreitet waren und so tief sie wurzelten, doch
nur ein Theil dessen, was in der Phantasie des
Volkes lebte und webte.
Ich kehre somit zu der Deutung Otto Jalm's
zurück, die auch u. A. Furtwängler (Eros S. 13) und
Klein (Euphronios S. 53) angenommen haben: nur
darin weiche ich von Jahn's Ansicht ab, dass ich
die Deutung auf das Tischbein'sehe Vasenbild (A 2)
auszudehnen wage. Jahn hat bereits einige Monu-
mente beigebracht, welche die Darstellung des Hyp-
nos als eines geflügelten Jünglings oder Knaben
sicher stellen. Heute kann man auf die näher lie-
gende Analogie der Sarpedonbilder und besonders
der Lekythen verweisen. Und wenn auch Hypnos
da, wo er einen Todten zu Grabe trägt, in ent-
sprechender Grösse gebildet werden musste, so
steht doch nichts der Annahme im Wege, dass er
sonst auch als kleiner Genius dargestellt wurde,
was von Thanatos durchaus unglaublich ist.
Im Schlaf wird Alkyoneus von Herakles über-
rascht, der Schlafgott selbst ist anwesend und lie-
fert den Riesen in die Gewalt des Alkiden, ja er
hilft thätig mit, ihn zu verderben. Wenn die Sage
berichtet hätte, dass Alkyoneus beim Nahen des
45
F. Koepp, Herakles und Alkyoncus.
46
Herakles erwaclit sei, so könnte auf den Vasen-
bildern, wo dieses Erwachen vorgefiilnt ist, Hypnos
nur im Eiitwciciien dargestellt sein. Aber er er-
wachte nicht: Hypnos hindert ihn daran, sei es durch
seine blosse Anwesenheit, sei es durcli den hemmen-
den Gestus, wie auf A 1, sei es durch thätiges Ein-
greifen, wie auf A 2, wo er den Kopf des Kiesen,
wie zu tiefcrem Schlafe, niederzudrücken scheint.
Deshalb fehlt, wie ich mehrfach hervorgehoben habe,
gerade auf denjenigen Vascnbildern, auf welchen
Alkyoncus erwacht zu sein scheint, die Flügelfigur
nicht. Es ist doch hier in gewissem Sinne richtig,
was Jahn (S. 142) sagt, dass 'die ältere Kunst
durch eine symbolische Figur das auszudrücken
sucht, was die freier entwickelte durcii die leben-
dige Darstellung der Situation selbst erreicht'. Man
darf freilich die Analogien zu diesem Hypnos nicht
in den Tersonificationen psychologischer Affecte'
finden, die in der späteren Kunst uns so häutig
begegnen , sondern vielmehr in Figuren wie dem
Eros, der den Zeus bei der Verfolgung des Gany-
medes mit dem Kcntron stachelt, auf der scliwarz-
figurigen Lekythos Aiinali delC Inst. 187() laß. cTagg.
A (vgl. Koerte S. 49 ff.), oder der Eris, die öfters
auf Kampfdarstellungen älterer Vasen zwischen den
kämpfenden Parteien dahineilt.
Doch es ist nicht allein die Anwesenheit des
Hj'pnos, die dem Herakles den Sieg verbürgt. Auf
mehreren Vasenbildern begleitet den Helden seine
Schutzgüttin Pallas, so auf A 2; 4; G; 8 und auf
B 4. Auf B 1 eilt von rechts, den rechten Arm
vorstreckend, in der Linken das Kerykeion, Her-
mes herbei: offenbar nur der Symmetrie zu Liebe
auf dieser Seite und in dieser Haltung, die uns
fast zu dem Irrtliiim verleiten könnte, der Gott
wolle den Herakles in seinem Vorhaben hindern.
Nur auf der Cornetaner Sciiale sind noch andere
Personen anwesend: hinter Herakles der Genosse
•
in voller Rüstung, den wir trotz Pindar eher lolaos
als Telamon nennen können, wenn wir ihm über-
haupt einen Namen geben wollen; hinter Athena
ein .Jüngling, von dem nicht einmal klar ist, ob er
zu den Heglcitern des Herakles gehört; endlich auf
der Gegenseite die Gefährten zu Wagen. Auf der
Londoner Hydria (A 4^ erinnert noch eiu Vier-
gespann an diesen Wagenzug.
Nachdem wir in der Flugelfigur der Alkyoneus-
bilder den Schlafgott selbst erkannt haben, nach-
dem wir gesehen haben, dass auf mehreren der-
selben Athena iliren Scliützling begleitet, so dass
über das Gelingen seines Anschlags kein Zweifel
sein kann, darf ich zum Schiuss noch einmal
hervorheben, was diesen Vasenbildern ihr hervor-
ragendes Interesse verleiht: dass nach der Tralition,
welche ihrer Darstellung zu Grunde liegt, Herakles
den Alkyoncus im Sciilaf erschlagen haben niuss,
weil auf den von den Vasenbildern dargestellten
Moment unmöglich ein Erwachen und ein Kampf
gefolgt sein kann.
Biebrich am Rhein.
Fkiedkich Koepp.
47
48
DIE OSTMETOPEN DES PARTHENON.
In der Darstellung der Gigantomachie bezeichnet,
wie in der Geschichte der bildlichen Typen über-
haupt, die Mitte des fünften Jahrhunderts einen be-
deutungsvollen Wendepunkt. Wer sich ernsthaft
mit der Entwicklungsgeschichte dieser Darstellung
beschäftigt, über die wir bis jetzt eine Eeihe brauch-
barer Vorarbeiten, aber noch keineswegs eine ab-
schliessende Untersuchung besitzen, wird hier un-
mittelbar vor die Frage gestellt, inwieweit die
monumentalen Schöpfungen dieser höchsten Blüthe-
zeit ihren Reflex auf die Arbeiten des Kunsthand-
werks werfen. Bei attischen Werken, namentlich
den Vasen, wird man unwillkürlich an die Einwir-
kung jener Darstellung der Gigantomachie glauben,
mit der Pheidias die Innenseite des Schildes seiner
Parthenos geschmückt hatte, und eine so gross-
artige Schöpfung, wie die der aus dem Boden auf-
steigenden, für das Leben ihrer Söhne flehenden
Erdgöttin, die uns zuerst auf der Schale des Ari-
stophaues und Erginos entgegentritt und dann,
von späteren Vasendarstellungen abgesehen, auf
dem so vielfach attischen Einfluss verratbenden
Altar von Pergamon wiederkehrt, müclite man
gern keinem Geringeren zutrauen. Doch die hier
angedeutete Frage lässt sich nur im Zusammen-
hang der ganzen Entwicklung des Typus behandeln,
und selbst dann werden die für die Composition
des Schildes sich ergebenden Resultate sehr pro-
blematische sein. Um so grössere Beachtung ver-
dient aber darum eine ungefähr gleichzeitige Dar-
stellung, an der Pheidias, wenn er auch nicht ihr
eigentlicher Schöpfer sein sollte, doch sicherlich durch
seinen Rath einen wesentliclien Antheil gehabt haben
wird; ich meine die Ostmetopen des Parthenon, die
einzige vollständig erhaltene monumentale Darstel-
lung der Gigantomachie aus dem fünften Jahrhun-
dert. Wenn diesem Werke bisher nicht die Wich-
tigkeit beigemessen worden ist, die ihm gebührt,
so ist der Grund dafür wohl vorzugsweise darin
zu suchen, dass wir uns für die Erklärung und Be-
urtheilung desselben auf eine höchst unzuverlässige
Grundlage, nämlich auf zwei von unten ohne Leitern
und Gerüst angefertigte Zeichnungen und auf eine
Anzahl von Beschreibungen, die unter ebenso un-
günstigen Umständen gemacht worden sind, ange-
wiesen sehen. Nur von einer, der VII. Metope,
existirt ein Gipsabguss. Die übrigen Platten schienen
bei ihrer sehr weit vorgeschrittenen Zerstörung die
Mühe und Kosten des Abformens nicht zu lohnen. Bei
dieser Sachlage werden die folgenden Darlegungen
nothwendiger Weise sehr problematisch sein; möchte
es mir nur gelingen die Ueberzeugung zu erwecken,
dass die hier vorliegenden Fragen wichtig genug
sind, um nicht ewig Problem zu bleiben, sondern
durch genaue Feststellung des Thatbestandes der
endgültigen Lösung entgegengeführt zu werden
verdienen, ehe es zu spät ist, sei es auch mit grossem
Aufwand von Mühe und Kosten. Ein Gleiches gilt
natürlich von den Westmetopen und ganz besonders
auch von den noch am Gebäude befindlichen Me-
topen der Nordseite. Compositionen, die unter Phei-
dias' Augen entstanden sind, mögen sie auch noch
so trümmerhaft sein, durch Abgüsse oder wenig-
stens durch Zeichnungen, die aus unmittelbarer
Nähe mit Hilfe von Gerüsten herzustellen wären,
uns in gewissem Sinne wieder zu erwerben und
den künftigen Geschlechtern zu erhalten, lohnt sich
wahrlich der Mühe.
Solange wir aber solcher sicheren Grundlage
entbehren, sind wir auf folgende Hilfsmittel ange-
wiesen:
1) Die Zeichnungen bei Stuart.
2) Die in Laborde's Auftrag angefertigten und
von ihm veröffentlichten Zeichnungen (L.).
3) Die von dem Zeichner Robert für Michaelis
gefertigten Zeichnungen, bei denen Laborde's
Publikation benutzt worden ist (M.).
4) Die Beschreibungen und Notizen von Leake,
Stephani, Cockerell u. A.
Auf dieser Basis sind bisher nur zwei Erklä-
rungsversuche der ganzen Composition unternommen
worden, von Michaelis und Petersen. Die Resultate
derselben zeigt die folgende vergleichende Tabelle:
Michaelis.
I.
II. Dionysos.
III. Ares.
IV. Hera (oder Demeter oder Artemis).
V. Wagen des Poseidon?
VI. Poseidon?
VII. Athena auf dem Wageu des Zeus?
VIII. Zeus?
49
C. Kobt'i-t, Ostnietopen des Parthenon.
50
IX. Apollon?
X. Aitemi.s auf dem Wageu des Apollon?
XI. —
XII. Demeter (oder Artemis).
XIII. —
XIV. —
Petersen.
I. Hermes (oder Ares).
II. Dionysos.
III. Poseidon?
IV. Athena.
V. Nike auf dem Wagen der Athena.
VI. Herakles.
VII. Iris auf dem Wagen des Zeus.
VIII. Zeus.
IX. Hera.
X. Leto auf dem Wagen des Apollon.
XI. .\pollou.
XII. Artemis.
XIII. Ares.
XIV. Nyx?
beide Erklärer kommen also nur bei II (Dio-
nysos) und VIII (Zeus), sowie, abgeselicn von der
Benennung der Wageuleuker, bei VII und X zu
demselben Resultat.
Zweifellos ist zunächst die Deutung von II auf
Dionysos, der durch Pautiier und Schlange bestimmt
ist. Mit nicht geringerer Sicherheit aber scheint
mir Michaelis auf III Ares erkannt zu haben. Die
beiden Schilde sind sowohl bei L. wie bei M. ganz
deutiicli, und dadurcli die Deutung auf Ares völlig
gesichert, weil Athena so entfernt von der Mitte
unmöglich ihren Platz gehabt liaben kann, die
andern Götter aber den Schild nicht führen. Ebenso
gewiss scheint mir die zuerst von Petersen vorge-
schlagene Deutung von I auf Hermes. Die Chlamys,
der ^'ergleicil mit der Berliner Schale (Gerhard
Griech. u. etr. Trinkschalen X, Overbeck Kunstmyth.
Atlas IV 12) sowie der Vase von Melos, endlich der
für Hermes besonders passende Platz am Ende der
Darstellung unterstützen diese Ansicht in hohem
Grade.
So fänden wir an der linken Seite drei Söhne des
Zeus die Composition abschliessend. Allein der
eigentliche Kernpunkt der Frage liegt in der Auf-
fassung und Erklärung der Metopen VI, VIII, IX,
wo wir erwarten dürfen, die Ilauptkämpfer zu finden.
Fast alle Zeugen stimmen darin überein, dass auf VI
drei Figuren zu erkennen sind, also ein Gott und
zwei Giganten, von denen der eine rückwärts nieder-
gesunken den linken Arm wie Gnade flehend empor-
Arcliiiolojr. Ztg. Jahrgang XLU.
streckt, während sein neben ihm stehender Genosse
noch Widerstand zu leisten seheint. Auf keiner
andern Metope kämpft ein Gott mit zwei Gegnern.
Gewiss also haben wir hier eine bestimmte Absicht
des Künstlers zu erkennen; er will den Gott be-
sonders hervorheben und vielleicht gewissermassen
dafür entscliädigen , dass er ihm nicht den vor-
nehmsten Platz auf VIII gegeben hat. Den Gott
besclireibt Michaelis folgendermassen: „Eine nackte
Gestalt mit fliegendem Mantel und ausgestrecktem
Arm befindet sich links halb knieend auf einem
ziemlich hohen Fclsblock"; er benennt ihn zweifelnd
Poseidon. Petersen schreibt: „Von links .... stürmt
eine nackte männliciie Figur über am Boden lie-
gende Gegenstände weg, auf die er mit stark ge-
bogenem Knie seinen linken Fuss setzt, mit dem
linken Arm älinlich wie Zeus vorgreifend nach
Kopf oder Nacken seines Gegners, gegen den die
Rechte den Streich führen musste"; er denkt an
Heiakles, bei dem aber doch sicher das Löwenfell
nicht fehlen wurde. Aus einer vergleichenden
Prüfung beider Zeichnungen und Erwägung der Be-
schreibungen scheint sich mir vielmehr für den Gott
folgende Stellung zu ergebeu: das liuke Knie setzt
er auf den gefallenen Gegner, während er gleich-
zeitig die linke Hand dem noch wider.strebenden
Gegner entgegenhält'); das rechte Bein muss nach
links ausgestreckt, der rechte Arm erhoben gewesen
sein: im Rücken flattert der Mantel. Es ist eine
ungemein stolze, siegesbewus:ste Bewegung, und
ich brauche es wohl kaum auszusprechen, dass ich
hier Zeus erkenne; die Rechte hielt natürlich den
Blitz, die Linke führte entweder wie auf den Vasen
das Scepter oder war wie auf dem pergamenischen
Altar in die Aegis gewickelt.
Abweichend von der hier vorgeschlagenen Deu-
tung erkennen Michaelis und Petersen vielmehr auf
VIII Zeus, aus keinem anderen Grunde, als weil die
Figur männlich sei und an diesem vornehm>teu
Platze nur der höchste Gott dargestellt sein könne.
Allein, so weit ich sehe, spricht für die Männlich-
keit der Figur nur der scharf hervortretende Con-
tur des rechten zurückgesetzten Beines, und die-
ser könnte sich bei dem mächtigen Ausschreiten
auch durch den Chiton hindurch ebenso scharf
abzeichnen; man vergleiche nur die Göttin auf
XII. Ueberdies zeigt die Zeichnung zwischen
den lieineu sehr charakteristische Reste, die straff"
') Möglich, ila.<s dieser ein Felsstück schwaiij,', woran auch
Petersen denkt. Die Aehnlichkeit und somit Abliängigkeit der
pergamenischen Zeu.-gruiijie ergiebt sich von selbst.
51
C. Robert, Ostmetopen des Partlienon.
52
gespannten Steilfalten täuschend ähnlich sehen,
und ebenso glaubt man am unteren Eande Spuren
des Gewandsaumes zu erkennen. Der deutlich sicht-
bare Schild wird bei L. von dem Giganten gehalten,
während ihn bei M. der Gott oder die Göttin am
linken Arm trägt. Die Zeichnung des letzteren
mit dem nyamv wirkt unmittelbar überzeugend;
sie trägt die Gewähr der Richtigkeit in sich selbst.
Auch ist es kaum denkbar, dass ein Gott in so
derber Weise den Schildraud des Gegners anpackt,
wie wir es bei L. sehen. Das ist barbarische
Kampfweise, wie sie allenfalls für einen Giganten
sich schickt. Michaelis, der wie billig sich dafür
entschieden hat, dass der Schild dem Gotte gehört,
und doch an der Benennung Zeus festhält, verweist
auf den behelmten und beschildeten Zeus der
ionischen Vase M. d. I. VII 78. Jetzt lässt sich
auch der Zeus aus dem Giebelfeld des Megarer-
schatzhauses zum Vergleich heranziehen. Allein
diese Beispiele aus dem 6. Jahrhundert sind für
die Zeit des Pheidias schwerlich beweiskräftig:
Chiton und Schild scheinen mir hinlänglich charak-
teristisch, um in der Gestalt Athena und zwar in
der Stellung der Promachos erkennen zu lassen,
die so an den ihr gebührenden Platz in der Mitte
kommt. Wie der Künstler es verstanden hat, den
nun nothwendig an die zweite Stelle kommenden
Zeus durch Verdoppelung des Giganten hervorzu-
heben, haben wir oben gesehen.
Weit grössere Schwierigkeiten macht die Deutung
von IX. Der langen flatternden Haare wegen be-
nennt Michaelis die Figur Apollon, Petersen Hera,
wobei „das starke Hervortreten der Beine" und
„das unweibliche Heben des linken Beines" durch
die Hypothese motivirt wird, dass „die Bewegung
der Figur keine freiwillige" und „die Hebung des
linken Beines durch Anpacken und Zerren des
Gegners (Porphyrion) bewirkt sei". Abgeselien
davon, dass eine Hera mit solchem frei herabhän-
genden Haar sich schwerlich nachweisen lässt,
darf man wohl die Frage aufwerfen, ob eine solche
Scene, Porpliyrion die Götterkönigin am Schenkel
fassend, überhaupt möglich sei. Es müssten starke
Gründe sein, jedenfalls stärkere als die bisher vor-
gebrachten, die uns zu der Annahme einer solchen
die aldiog und die evaeßeia ebenso sehr, wie den
künstlerisciien Geschmack verletzenden Situation,
und noch dazu an heiligster Stätte, bewegen könnten.
Man vergleiche die Darstellungen von Leto und
Tityos, ja selbst die lascive Satyrvasc des Brygos,
ob dort auch nur etwas annähernd Aehnliches sich
findet. Gegen die Deutung auf Apollon liegen so
schwere Bedenken nicht vor; doch hiergegen er-
innert Petersen (S. 216 Aum. 1) mit Recht, dass
Locken in solcher Länge für einen Apollon un-
erhört wären. Aber sind es überhaupt mensch-
liche Haare, setzen sie dafür nicht viel zu tief im
Rücken an? Ich kann in diesem Reste Nichts
anders sehen , als die flatternde Mäiine eines
Lövvenfells, dessen Protome der Gott über den
Kopf gezogen hat, und kann also diesen nur für
Herakles halten; auch über der rechten Schulter
und zwischen den Beinen scheint das Löwenfell
sichtbar zu sein. Sonst lässt sich nur noch er-
kennen, dass der linke Arm gesenkt war. Freilich
verhehle ich mir nicht, dass auch bei dieser Be-
nennung noch gar Vieles räthselhaft bleibt; vor
Allem ist das hohe Auftreten des vorgestellten Fusses
und weiter die darunter sichtbare Gewandmasse
(nach Michaelis der zum Boden geglittene Mantel
des Apollon) mir völlig unverständlich.
Sollte es mir gelungen sein, meine Ansicht über
diese drei Haupt-Scenen zu einem gewissen Grad
von Wahrscheinlichkeit gebracht zu haben, so er-
giebt sich die richtige Benennung der übrigen
Götter fast von selbst und ist auch in den meisten
Fällen schon ausgesprochen worden. In der Göttin
auf IV werden wir jetzt unbedenklich mit Michaelis
Hera erkennen. Sie nimmt den ihr gebührenden
Platz zwischen ihrem Gatten Zeus (VI) und ihrem
Sohne Ares (V) ein. Den Gott auf XI findet Michae-
lis einem bogenschiessenden nicht unähnlich, Peter-
sen benennt ihn direkt Apollon. zweifellos richtig.
Daraus ergiebt sich ohne Weiteres, dass die Göttin
der Nachbarmetope XII, die über den 1. vorgestreck-
ten Arm die Chlamys geworfen, mit erhobener Rech-
ten zum Stoss ausholend vordringt, Artemis ist, ein
Schluss, der sciion von Petersen gezogen ist.
Es bleibt nun noch die sehr zerstörte Gestalt
auf XIII übrig, von der sich nur soviel erkennen
lässt, dass sie die gesenkte Linke in ein Gewand ge-
wickelt und die Rechte erhoben hatte. Michaelis
lässt die Figur unbeuannt, Petersen räth zweifelnd
auf Ares. Wir dürfen nun schon die Frage so
stellen: welcher Gott kann in einer Darstellung
der Gigantomachie am Parthenon unter keinen
Umständen gefehlt haben? Die Antwort kann nicht
zweifelhaft sein: Poseidon. Dafür spricht ebenso
die grosse Rolle, die Poseidon von Alters her in
dem Gigantenkampf spielt, wie die hohe Bedeutung,
die sein Cuit gerade für die Akropolis hat. Dem
gegenüber können die Ansprüche des Uepiiaistos,
53
C. Robert, Ostiiictopen des Parthenon.
54
des einzigen noch übrigen liervoriagenden Gigan-
tenkämpfers , nicht in Betracht kommen. Dazu
stimmt vortrelflicii, dass auf der folgenden Metope
XIV ein Gespann ersclieint, unter dem duicii Fische
Wasser angedeutet ist. Petersen meint, der siegreiche
Gott von XIII könne nicht vvoiil sclion auf dem eben
auftauciienden Wagen gekommen sein. Aber taucht
der Wagen wirklich erst auf? Ist es niciit denk-
bar, dass das Gespann des Poseidon im Wasser
stehend dargestellt war und die Pferde sich, auf-
geregt durch das Geräusch des Kampfes empor-
häumeu, gerade wie das Gespann des Poseidon
im Westgiei)el, das auch sonst manche Verglei-
chungspunkte liietet? Auf dem Wagen stand uatüi-
lich Aniphitrite.
Dies fuhrt uns weiter zu der bisher noch nicht
berührten Frage, welchen Göttern die Wagen in
der Mitte auf V, VIT, X gehören. Die griechische
Kunst pflegt zwar im Allgemeinen die Streitwagen
den Kämpfenden zugewendet zu stellen, wie im
Westgiebel des Parthenon, doch fehlt es auch nicht
an Beispielen für das umgekehrte Verfahren, wonach
der Wagen den Kämpfern zunächst, und die Pferde
abgewaudt stehen; so auf der Kyknosvase des Pam-
phaios (M. d. I. XI 24). Ein festes Princip lässt
sich also nicht bestimmen. Michaelis sucht in
allen Fällen die Besitzer vor den Pferden; so
gehört nach ihm V als Gespann des Poseidon zu
VI, das Flügelgespann auf VII mit Athene als
Wagenlenkeriu dem „Zeus" aufVIII; das Gespann
auf X zu „Apollon" auf IX. Petersen hingegen
stimmt zwar hinsichtlich VII, abgesehen von der
Benennung der Wagenlenkeriu, mit Michaelis über-
ein, nimmt aber tür V und X das umgekehrte
Princip an, in dem er ersteren der „Athena'" auf IV,
letzteren dem „Apollon" auf XI zutheilt.
Prüfen wir zunächst X. Nach der übereinstim-
menden Ansicht von Michaelis und Petersen hätten
wir hier das Gespann des Apollon vor uns, nur dass
beide Interpreten den letzteren auf verschiedenen
Metopen suchen. Die Wagenlenkeriu hält Michaelis
flir Artemis, diese haben wir aber nach Petersen's
Vorgang auf XII constatirt. Mit dieser Deutung
fällt aber überhaupt die Möglichkeit fort, die Figur
unter der erwähnten Voraussetzung zu benennen;
denn ein anderer Wagenlenker für Apollon als Arte-
mis ist nicht denkbar. Petersen's Deutung auf Leto
ist nichts als ein Nothbehelf. Da auch nach unsrer
Ansicht auf XI A))ollo dargestellt ist, so können
auch wir unter der Voraussetzung, dass X zu XI
gehört, mit dem Wagenlenker nichts anfangen.
Ziehen wir aber X zu IX, so hätten wir den
Wagen des Herakles vor uns, vielleicht mit loiaos,
der den langen Chiton der Wagenlenker trägt.
Wenn wir nun V der Hera auf IV zutheilen
würden, so müsste entweder Zeus oder Athene ohne
Wagen sein, was beides gleich unmöglich ist. Ich
erkenne daher auf V den Wagen des Zeus, etwa
mit Iris oder Nike als Lenkerin; auf VII in dem
Flügelgespann den Wagen der Athena; war doch
auch der Helm der Partiienos, wie wir jetzt
wissen, mit Flügelrossen geschmückt. In der Wagen-
lenkerin würde man am Liebsten Nike erkennen,
aber von Flügeln zeigt dir Abguss keine Spur.
Ungeflügelt erscheint auch Athenas Wagenlenkeriu
in dem Westgiebel bei Carrey; doch ist hier freilich
die Möglichkeit eines Versehens nicht ausgeschlossen
(vgl. Michaelis S. 184). Endlich finden wir auch
auf der FranQoisvase auf demsell)en Gespann mit
Athena eine ungeflügelte Göttin, deren Namens-
beisehrift aber leider verloren ist. Die für diese
letzte Figur vorgeschlagene Deutung als ungeflügelte
Nike, also als Athena selber, ist eine mythologische
Ungeheuerliclikeit, die einer Widerlegung nicht
bedarf. Mir sciieint unzweifelhaft, dass die Göttin
Themis ist, die als eigentliche Urheberin der Hoch-
zeit von Peleus und Thetis im Götterzuge schwerlich
fehlen und keinen passenderen Platz erhalten konnte
als neben Athena. Aber diese Deutung darf schwer-
lich auf die Wagenlenkeriu der Metope übertragen
werden. Möglich wäre hingegen, dass Aglauros
gemeint ist, diejenige von den drei Kekropstöchtern,
in der die kriegerische Seite der Burggöttin, deren
Hypostase sie ist, am stärksten hervortritt, wenn
ich auch kein Zeuguiss dafür gefunden habe, das
sie mit der Kossezucht in Verbindung bringt.
Wir sind also der Hauptsache nach zu dem-
selben Resultate gekommen, wie Michaelis, dass
nämlich die Gespanne nach einem einheitlichen
Princip stets dem kämpfenden göttlichen Besitzer
zugewandt dargestellt sind. Dieses Ergebniss wird,
wie ich hofl'e, eine sehr gewichtige Bestätigung
erhalten, wenn wir jetzt die Composition als Ganzes
in's Auge fassen. Icli stelle zunächst die vorge-
schlagenen Deutungen übersichtlich zusammen:
I. Hermes. II. Dionysos. III. Ares. IV. Hera.
V. Wagen des Zeus mit Nike oder Iris. VI. Zeus.
VII. Wagen der Athena mit Aglauros. VIII. Athena.
IX. Herakles. X. Wagen des Herakles mit lolaos.
XI. Apollon. XII. Artemis. XIII. Poseidon. XIV.
Wagen des Poseidon mit Amphitrite.
Aus dieser Uebersicht ergiebt sich sofort, dass
4*
55
C. Robert. Ostmetopen des Parthenon.
56
die Metopen paarweise zusammengeliören. Es folgen
sich von links nach rechts 1) Hermes und Dionysos
2) Hera und ihr Sohn Ares 3) Zeus und sein
Wagen 4) Atliena und ihr Wagen 5) Herakles
und sein Wagen 6) die Letoiden 7) Poseidon und
sein Wagen, und zwar sind es stets die über
demselben Intereoluninium befindlichen Metopen-
paare, die in dieser Weise zusammengefasst wer-
den; die Säule markirt den Abschnitt, und hierin
liegt zugleich die RechtCertigung für dies so oft
getadelte Verfahren, welche freilich den The-
seionmetopen nicht zu Statten kommt, wo die
beiden Geryoneus- Metopen sich aurdas IV. und
V. Intercolumnium vertheilen. Dieses Compositions-
princip wird aber zerrissen wenn mau mit Petersen
IV mit V und X mit XI verbindet. Auch bei
den Metopen der drei andren Seiten finde ich das-
selbe Princip mehr oder minder streng festgehalten.
Sehen wir uns zunächst nach weiteren Darstellungen
von Streitwagen um, so finden wir auf der Süd-
seite XV den Wagen des auf XVI befindlichen
Kriegers; auch hier stehen beide Metopen über
demselben lutercolumuium; dass auf der Nord-
seite der Wagen von I zu einer Figur auf II
gehört, versteht sich von selbst. Es ist ferner doch
schwerlich zufällig, dass auf der Westseite, soweit
sich die Darstellungen erkennen lassen, immer zu
Pferd und zu Fuss kämpfende Amazonen abwechseln,
so dass sich auch hier I und II, III und IV,
IX und X, XI und XH, XIII und XIV, also
jedesmal die über einem Intercolumnium ste-
henden Metopen gruppenweise zusammenordnen.
Auf V war sicher, auf VIII vielleicht eine Reiterin
dargestellt, aber da VI und VII fehlen, lässt
sich nicht entscheiden, ob das Princip auch in der
Mitte festgehalten war. Bei den Kentaurenkämpfen
der Nordseite war nach der Natur des Gegenstandes
eine strikte Durchführung des Princips ausge-
schlossen. Wenn Michaelis (S. 127), wie ich nicht
zweifle, mit Recht XXI zu den Kentaurenkämpfen
zieht, so schliessen beiderseits je 12 Bletopen mit
Kentaurenscenen 8 Metopen mit andern Darstellun-
gen ein; der Abschnitt fällt also auf beiden Seiten
wieder über eine Säule. Von den acht Metopen
der Jüttc aber gehören wenigstens 6 wieder paar-
weise zusammen, nämlich XV und XVI, XVII
und XVIII, XIX und XX, und für das noch
übrige Paar XIII und XIV ist dasselbe minde-
stens wahrscheinlich.
Kehren wir nochmals zur Ostseite zurück, so ist
klar, dass die drei mittleren Metopenpaare eng zu-
sammengehören; hier finden wir Zeus, Athena und
Herakles, jenen göttlichen Dreiverein, der, seit der
Nationalstolz der Derer ihrem Stammheros einen
hervorragenden Platz in der Gigantomachie ange-
wiesen hat, zunächst in der peloponnesischen und
dann unter deren Einfluss bald aucli in der attischen
Kunst fast typisch den Mittelpunkt des Giganten-
kampfes bildet. Von älteren Darstellungen sei hier
an den Giebel des Megarerschatzhauses in Olympia,
die schwarzfigurigeu Vasen bei Gerhard A. V. I 25,
und Overbeck Kunstmyth. Atlas IV 3. 6. 9, endlich
an die Berliner Schale strengen rothfigurigen Stils
(Gerhard Trinkschalen X — Overbeck Kunstmyth.
Atlas IV 12) erinnert. Von Monumenten, die jünger
sind als der Parthenon, genügt es die Pariser Gi-
gantenvase zu nennen •).
Auch darf es bei dieser Gelegenheit einmal mit
Entschiedenheit ausgesprochen werden, dass der-
selbe Dreiverein auch für die Mitte der Ostseite des
pergamenischen Altars postulirt werden muss, und
dass dort Herakles wahrscheinlich links neben Zeus
gekämpft hat. Die untergeordnete Stelle, die man
bis vor kurzem dem Herakles neben niederen Göttern
(den Kureten oder Deimos und Phobos) angewiesen
hat, steht weder mit dem festen Typus des Gigan-
tenkampfes im Einklang, noch entspricht sie dem
Range, den Herakles gerade in Pergamon als
Vater des Stadtgründers Telephos einnimmt. Jetzt
ist zum Glück durch eine neue Zusammensetzung
von Freres endgültig festgestellt worden, dass der
vermeintliche Herakles ein Gigant ist (Beschreibung
der pergamenischen Bildwerke 6. Aufl. S. 14). Der
alte Typus zeigt Zeus, Athena und Herakles, alle
drei von demselben Wagen herab kämpfend. Der
Künstler der Metopen konnte dies Motiv natürlich
nicht brauchen und gab daher jedem der Kämpfer
seinen eigenen Wagen. Athena stellte er, wie es
ihr an ihrem eigenen Tempel zukam, in die Mitte
und gruppirte zu beiden Seiten streng symmetrisch
Zeus und Herakles. An dieses Centrum von drei
Metopenpaaren schliessen sich dann zu beiden Sei-
ten je zwei Metopenpaare mit den übrigen Gigan-
tenkämpfern an.
Die hier vorliegende Composition ergiebt sich
so natürlich aus der gestellten Aufgabe, dass ich
ein, allerdings seltsames, ZusammentrefiVn für zu-
fällig halten muss. Wir finden nämlich auf dem
Ostfries diejenigen Götter, welche der Fries mit
den Metopen gemein hat, liis auf Poseidon in der-
- Vgl. Overbeck Kunstniylholoyie Illj.531'.
0/
0. Rossbach, 13. Südmetope des Parthenon.
58
selben Reihenfolge dargestellt, wie auf den Me-
topen.
Auf dem Fries folgen :
Hermes, Dionysos, Demeter, Ares, Hera,
Zeus, Athena, Hepliaistos, Poseidon, Apollon,
Artemis, Aplirodite.
Auf den Metopen :
Hermes, Dionysos, Ares, Hera, Zeus,
Athena, Herakles, Apollon, Artemis, Po-
seidon.
Berlin. Juli 1883.
C. Robert.
DIE DREIZEHNTE SÜDMETOPE DES PARTHENON.
Von den 32 Metopen der südliclien Längsseite
des Parthenon sind die mittleren 14 in Zeich-
nungen von .1. Carrey überliefert '). Nacli dem Ge-
genstande ist es sofort klar, dass von der west-
liehen Ecke an 12 Metopen, von der östlichen an
11 Scenen eines Kampfes zwischen Lapitlien und
Kentauren sind , während in den 9 mittleren kein
Kentaur vorkommt. Leider gehöien aber die letz-
teren gerade zu denen, welche nicht im Original
erhalten sind, und bieten auch saciilich so viele
Schwierigkeiten, dass man weder weiss, ob sie
alle zu einem Mythos gehören-), noch was sie
darstellen. Nur einen Schritt ist man in der
Erklärung derselben weitergekommen. Michaelis
hat nämlich (Parthenon S. 135) vermuthet, dass
noch Jletope 21 zu dem Keutaurenkampf zu ziehen
sei und Petersen (Kunst des Pheidias S. 219tf.) hat
diese Vermuthung, auf welche er unabhängig von
Michaelis gekommen war, zur Gewisslieit erhoben.
Beide haben besonders auf die grosse Aehnlichkeit
mit der Schlussgruppe des Frieses von Bassai hin-
gewiesen, wo zwei Frauen, die ein Kentaur an-
greift, gleichfalls bei einem alterthiimlichen Cijytter-
bilde Schutz suchen. Ausserdem konnte noch ein
rothfiguriges , nach Stil und Buchstabenform einer
Beischrift der Uebergangszeit aus der strengeren
in die freiere Manier angehöriges Vasengemälde
(Archäol. Ztg. 1883 T. 18 = Laborde rases de
Lamberij I 25. 26 = Passeri pict. Elr. I 11. 12 =
Inghirami pill. di vasi Etr. I 91ff. ^) angeführt wer-
') Xiir die 1-'. Metope ist 1833 wiederjjel'umien worden.
-) Nainenilich stöiend wirkt unter den anderen friedlichen
Gruppen die Küinpfscene von 16, mit welcher sich höchstens
das Zweigespann mit Wagenlenker von 15 verbinden lässt.
^) Das bei Inghirami tav. 93 abgebildete, auftauend ähn-
liche, aber etwas kleinere Vasenbild wage ich nicht heranzu-
ziehen, da es wegen einiger Details, welche last den Eindruck
machen, als ob sie denen der grösseren Darstellung missver-
ständlich nachgebildet wären, mindestens einer starken Restau-
ration verdächtig erscheint. .So sitzt z. B. ein Lapith statt auf
einem gestreiften Kissen auf einem Schild mit drei Griften, und
den, wo dieselbe Scene sich bei einem Altar und
der ThUr eines Thalamos abspielt. Die in die-
sen Darstellungen hinzukommenden Personen des
Angreifers und Vertbeidigers hatten in der Me-
tope natürlich keinen Platz und werden durch die
beiden vorhergehenden Reliefs genügend repräsen-
tirt, in welchen ein Kentaur eine Frau in der Rich-
tung von der Gruppe fortschleppt (12) und einem
anderen, der aul' sie zusprengt, ein Lapith entge-
gentritt (23).
In ähnlicher Weise kann mau nun, wie ich
glaube, auch Südmetope 13 erklären,, welche auf
die letzte einen Kentauren mit einer geraubten
Frau darstellende Metope des westlichen Theiles
der Südseite folgt und zu den fremden Darstellun-
gen gerechnet wird, trotzdem kein Grund vorliegt
sie auch nur mit 14 in Zusammenhang zu brin-
gen'). Wir sehen (Laborde Parth. T. 11 Fig. 13
= Bröndsted Reisen und Untersuchungen Gr. II T.47
Fig. 13 = Michaelis T. 3 Fig. 13) neben einander
ein geöffnet daliegender Kranz der grösseren Vase ist auf der
kleineren als eine Art Henkel mit einem Sitz verbunden. —
Gleichfalls nach einem Altar flüchtet eine Frau in dem Kentan-
renkampf eines glockenförmigen Kraters freien Stils (Benndorf
Gr. u. sie. Vasenb. T. 35); nach einem im Hintergrund befind-
lichen Tempel streckt auf der ähnlichen D.ir.-tellung einer Bronze-
münze des Antoninus Pius eine von einem Kentauren geraubte
Frau den Arm aus (Decamps setect. nwnm. t. 25 ^- Miliin ffal.
mytk. pl. CV 437). Nebenbei will ich noch bemerken, dass die Be-
nennung des Angreifers in der Gruppe von Bassai als Theseus
auf sehr schwachen Füssen steht, da das an dem Baum hängende
Fell ebensogut dem mit ihm kämpfenden Kentaureu gehören kann.
Denn Stackeibergs Einwand (Apollotempel zu Bassae S. 75), dass
hier alle Lapithen ein 'Schutzgewand' hätten, erweist sich als
nichtig, s. T. 21. Auch wird das betrcflende Fell ein Panther-
und kein Löwenfell sein, da es keine Spur von einer Mähne hat;
Faniherfelle tragen aber die Kentauren auf Vasen, s. Conze
VorUgebl. IV 4, Inghirami nm^. Chius. tav. 80. Die Deutung
des Protagonisten im Amazonenfries als Theseus hat wegen der
Löwenhaut, Keule und Bogen Klügmann Amazonen S. 61
Anni. 9S mit Recht angezweifelt und ihn Herakles genannt.
*) Die Wendung des Kopfes der 1. Gestalt gilt der r.
59
0. Rossbach. 13. Siidmetope des Partlienon.
60
stehend zwei lauggewandete Gestalten. Die linke ist
entschieden eine Frau, welche ihren Chiton in Busen-
höhe aufnimmt. Sie ist in einer Bewegung begrifi'en,
welche Michaelis (S. 133) als Fortgehen deutet, erhebt
den linken Arm und wendet den Kopf einer rechts
neben ilir stehenden, schon zu Carreys Zeit kopf-
losen Figur zu. Dieselbe hat den Rücken ge-
krümmt, wodurch sie nur scheinbar kleiner wird
als die andere, und hält ihr Gewand, welches den
Oberkörper frei lässt, mit beiden Händen fest. Bis
jetzt liegt, soviel ich weiss, nur eine Erklärung
vor, die von Bröndsted (S. 209). Er legt das
Hauptgewicht darauf, dass die Gewänder beider
Gestalten in einen Bausch zusammengenommen
sind, und dass die rechte nach den Formen der
Brust auf der Carreyschen Zeichnung ein Mann zu
sein scheint. Deshalb sieht er in der Darstellung
'Demeter, welche ihren Zögling Triptolemos im Säen
der milden Frucht unterriciitet'. Doch ist ihm schon
selbst (S. 211) aufgefallen"), dass man statt dieser
Scene der Triptolemossage die andere, namentlich
auf Vasen derselben Zeit so unendlich oft darge-
stellte erwarten sollte, wie er auf dem geflügelten
Schlangenwagen sitzt und entweder in Gegenwart
der Göttinnen kurz vor der Abfahrt ein Trankopfer
bringt") oder schon durch die Lüfte fahrend die
göttliche Gabe verbreitet'). Hierüber setzt er sich
jedoch hinweg, indem er auf einige, wie er meint,
der von ihm angenommenen Deutung entsprechende
Monumente verweist*). Aber die Aehnlichkeit des
Pariser Onyx ist nur gering, dann sind auch
die anderen von ihm herangezogenen Denkmäler
aus viel späterer Zeit, und selbst wenn man bessere
Beispiele fände, so wäre unsere Metope doch niclit
so zu erklären. Denn zunächst würde die linke
Gestalt bei der für einen derartigen Zweck höchst
ungeschickten Lage des xnlring. die Saatkörner ver-
schütten. Misst man aber die Schuld hiervon dem
Zeichner bei, so ist nocii immer die Haltung des
rechten Armes derselben Frau beim Säen unmög-
lich, und noch mehr das Gewandmotiv der kopf-
losen Gestalt. Wird nämlich wie hier der obere
Theil des Gewandes völlig abgenommen, um darin
die Körner zu tragen , so gleitet es vom Rücken
') Vgl. Petersen S. 228.
«) Conze Vorlegebl. IV 7.
') Gerhard A. V. 143 ff., Lenormant et de Witte äite ci-
rumnijr. III 65, 67.
") Monge/, iconogr. rom. pl. XXIV 3 ^= Miliin r/al. myth.
pl. 48, 220, Montfaiicon aut. expl. I. XLV, Zocga bassiril. ant. II
94 = Miliin gal. myth. pl. 26, 92.
herab und hindert nicht nur die vorschreitende
Bewegung, sondern die ganze Function. Die rich-
tigere und viel einfachere Haltung beim Säen ist
vielmehr die, dass das auf dem Körper befindliche
Gewand in einen weiten Bausch zusammengenom-
men wird, wie z. B. auf der von Bröndsted selbst
angezogenen Gemme Triptolemos seine Chlamj^s
verwendet'). Ist es jedoch wirklich so sicher, dass
die rechte Figur der Metope weiblich ist? Michaelis
drückt sich mit Recht darüber sehr vorsichtig aus'°).
Hätte man nämlich z. B. in Metope 22 nicht noch
andere Kriterien, so würde man nach Carreys
Zeichnung aus den Formen der Brust, die denen
der Figur in der 13. Metope ganz ähnlich sind,
kaum auf ein Weib schliessen können. Und wie
leicht ähnliche L'rthümer bei schleclit erhaltenen
Darstellungen vorkommen können, zeigt Stuarts
Verzeichnung bei der Demeter im Fries und die
des Anonymus im Westgiebel bei der Aphrodite'').
Aber noch ein zweiter Umstand spricht dafür, dass
die Figur weiblich war. Unter den von Newton
bei Michaelis (S. 141) beschriebenen Metopenfrag-
menten ist das unter 305 aufgeführte 'ein rechter
weiblicher Unterarm vom Ellenbogen bis fast an
den Knöchel, quer an einem theilweise bekleideten
Stück von der rechten Seite des Körpers liegend'.
Das ist ein Gewandmotiv, wie es unter der ganzen
Reihe verlorener Südmetopen bei keiner anderen
vorkommt als der unsrigen, und deshalb sagt Newton
mit Recht, es scheine zu der Figur rechts auf Südmetope
13 zu gehören. Auchmüsste man, um das Stück einer
verlorenen Metope einer anderen Seite zuschreiben
zu können, bei seiner genauen Uebereinstimmung
mit der Zeichnung eine völlig ähnliche Situation
voraussetzen.
Zu einer richtigeren Deutung kann man nun,
wie ich glaube, gelangen, wenn man die Haltung
des Gewandes der beiden Gestalten schärfer fasst.
Mir scheint sie bei beiden Figuren der in Metope 21
sehr ähnlich zu sein, namentlich ist die Lage des
linken Armes der beiden links stellenden Frauen
^) Bekanntlich wird entweder auf diese Weise gesUt oder
aus einem zweihenkligen, an dem einen Arme hängenden Korb,
wie es die Nikosthenesschale des Berliner Aiitiiiuariums dar-
stellt Panofka Bilder ant. Lebens T. 14, G.
'") Er sagt S. 133: 'Eine grosse vollständig bekleidete Figur
mit (drohend ? verwundert?) erhobener K. wendet im Fortgehn
ihr Gesicht nach einer kleineren, etwas gebückten Figur mit
nacktem Oberkörper, die nach den Formen der Brust — der
Kopf fehlt — männlich zu sein scheint.'
") Ueber eine andere Verzeichnung Carrej's s. Robert
Archäol. Ztg. 1875 S. 101 Anm. 3.
61
A. V. Sallc't, Zur Athciia Tarthenos.
62
fast die gleiche. Ich selie deshalb hier wie dort
ein Aul'uehuieii der auf der Flucht in Uuorduung
gerathenen Gewänder"). Dann ist auch der erhobene
Arm der linken Frau viel eher die Geberde des
Htilt'efleliens oder der Furcht als der Verwunderung
oder des Droiieiis. Ferner drückt die Bewegung
der Flüsse kein Fortgehen oder Vorschreiten aus,
sondern nur die Unruhe nach der Flucht. In der
Nachbildung des Labordeschen Facsimile bei Mi-
chaelis ist dieselbe nieiit treu genug wiedergegeben.
Auch die Beugung des Körpers der rechten Gestalt
ist für das Uebernehmen eines Gewandes charak-
teristisch. Ferner erhalten wir durch diese Erklä-
rung eine gute Respousion mit Metope 21, indem
so beide Seiten der Kentauromacliie gegen die frem-
den Mitfelscenen iiin durch je zwei geflüchtete
Frauen begrenzt werden. Ganz identisch konnten
freilich beide Darstellungen nicht sein und deshalb
fehlt hier das Götterbild, aber der Künstler konnte
namentlich für eine Zeit, welche ein unmotivirtes
Entblössen des weiblichen Körpers in bildlichen
Darstellungen noch nicht kannte, die Situation nicht
besser charakteiisiren als durch die in Unordnung
gerathenen Gewänder, welche auch für die anderen
Meto|)en mit frauenraubenden Kentauren typisch
'-) .Vuch Michaelis a. a. O. sagt von der v. Figur, sie
'fasst (las GewanJ an, als ob sie es über die .Schulter werfen
wollte'.
sind. Daher war auch keine Gefahr vorhanden
dass ein antiker Beschauer, dem noch dazu der
Gegenstand der Mittelscenen bekannt war, sie zu
diesen zielien konnte.
Die 32 Äletopen vertheilen sich also jetzt in
der Weise, dass links 13, rechts 12 Metopen der
Kentauroniachie 7 fremde Sceneu cinschliesson. Das
ist allerdings keine völlige Symmetrie, und die
andere Eintheilung, welche 8 fremdartige Metopen
annimmt, gewinnt auf beiden Seiten je 12. Aber
das darf uns von unserer Deutung nicht zurück-
schrecken. Die Symmetrie, welche wir auf jene
Weise erreichten, wäre immer nur eine Zahlen-
symmetrie , die in Kunstwerken herauszufinden
allerdings recht interessant ist, die man aber
nie hineintragen soll. Dem Auge des Beschauers
konnte es an der sich weithin erstreckenden Längs-
seite kaum auffallen, dass auf der einen Seite 12,
auf der anderen l3 Metopen der Kentauromaehie
angehörten, und einem Entsprechen der blossen
Zahlen ist doch wohl der gleiche Abschluss, wel-
chen wir auf beiden Seiten gewonnen haben, vor,
zuziehen. Ebenso finden wir auf der Nordseite keine
völlige Regelmässigkeit, indem von 12 und 11 aus
anderen Mythenkreisen entlehnten Scenen 9 Ken-
taurenmetopen eingeschlossen werden ").
Berlin. Orro Rossbach.
'■■) Bröndsted II 274, l'eiersen S. 230.
MI S GELLEN.
ZUR ATHENA PARTHENOS.
Herr Th. Schreiber sagt im 41. Jahrgang der
Archäol. Ztg. S. 282 von der ciliciscben Münzcopie
der Athene des Phidias, über die ich (Zeitschr. f.
Num. X. S. l.')2) gesprochen: „man kann sich den
Baum" (der nämlich der stützenden Säule des Mar-
morfigürchens genau ents])richt) „als an der Seite
der Göttin freistehend" u. s. w. „denken" . . . „eine
Uebereinstimmung mit der Stütze am athenischen
Marmorbilde liegt also nicht vor". Wer sich die
photographischen Abbildungen der Münze (Imhoof,
momiaies grecques pl. G, XV) und der Marmor-
tigur (Mitth. des archäol. Inst. VI Taf. I) ansieht,
wird sofort bemerken, dass beide Figuren bis
ins kleinste Detail völlig identisch sind, dass die
Säule der Marmorfigur nur durch das Bäumchen
der Münze, das gewiss nicht frei steht, ersetzt ist
und dass die Uebereinstimmung beider Figuren nur
dann möglich war, wenn der im „weit entlegenen"
Cilicien wohnende Stempelschneider die Figur des
Phidias oder eine Nachbildung derselben gesehen und
genau copirt hat.
A. V. Sallet.
63
64
BERICHTE.
ERWERBUNGEN DER KÖNIGLICHEN MUSEEN IM JAHRE 1883.
I. Sammlung der Skulpturen und Abgüsse.
Mit Berufung darauf, dass die im Jalirbuclie der
k. preussischen Kunstsammlungen zum Drucke ge-
langenden Vierteljahrsberichte eine Uebersicbt über
die gesammte Thätigkeit bei der Abtheilung ge-
währen, verzeichne ich hier die gemachten Erwer-
bungen. Dieselben beschränkten sich zumeist auf
Gipsabgüsse.
An Originalen wurde im Pariser Kunsthandel
das Bruchstück einer bemalten attischen
Grab Stele aus dem 5. Jahrhundert, mit dem Kopfe
eines Jünglings, angekauft.
Sonst sind nur die Originaiproben zu nennen,
welche von der im Auftrage der k. Akademie der
Wissenschaften nach Kurdistan unternommenen
Reise der Herren Humann, Puchstein und von Lu-
sehan heimgebracht wurden. Das anselmlichste
Stück darunter ist das Relief assj^risirenden
Stils, eine Löwenjagd darstellend (vgl. Puchstein,
Sitzungsberichte der preuss. Akad. d. Wiss. 1883,
I S. 3U), aus Saktschegözü (zwischen Amanus und
Euphrat gelegen).
Unter den Gipsabgüssen verdienen obenan
genannt zu werden die gleichfalls von der ge-
nannten Expedition hierhergeschalften Abgüsse einer
Anzahl von Skulpturen, zum Theil mit Schrift-
zeichen, aus Nordsyrien und namentlich einiger
Hauptstücke der Kolossalskulpturen am Grab-
male des Königs Antiochosl. vonCommagene
auf dem sog. Nemrud-dagh (veigl. Puchstein a. a. 0.
S. 44ff.). Dem k. Museum wurden alle diese Ori-
ginalstUcke und Abgüsse von der k. Akademie der
Wissenschaften überwiesen.
Eine andere ansehnliche Erwerbung waren die,
so weit Formen gemacht sind vollständigen. Ab-
güsse der durch die österreichische Expedition nach
Wien gebrachten Reliefs vom Grabmale zu Giöl-
baschi (Benndorf, Archäol.-epigr. Mitth. aus Oester-
reieh VI, 188i^ S. 185 flf.).
Aus Kleinasien gingen uns ferner als Geschenk
des amerikanischen archäologischen Instituts einige
Abgüsse der neugefundenen Tempelreliefs aus
Assos zu.
In Athen wurden angekauft die Abgüsse zweier
thessalischer Grabstelen (Mitth. ath. Inst. VII,
Taf. I. II), eines Reliefs im Museum des Piraeeus
(a.a.O. VII, Taf. XIV), des Plutosknaben aus
der Gruppe des Kephisodotos (a. a.O. VI, Taf.XIlI, 1)
und eines jüngst im botanischen Garten ge-
fundenen Grab reliefbruch Stücks.
Aus dem britischen Museum wurden folgende
Abgüsse angeschafft: Todtenmahl mit gefälschter
lateinischer Inschrift, Grabrelief des Arztes la-
sen (Panofka 91us. PourL Taf. XXVI), römischer
Portraitkopf (Anc. m. XI, Taf. XXXI).
Durch Tausch bekamen wir den Abguss des
Niobekopfes Yarborough (Michaelis anc. m. in
Gr.-Brit. S. 227).
Von andern Einzelerwerbungen verdienen ge-
nannt zu werden Abgüsse ausgewählter Stuck-
reliefs aus dem Farnesinischen Hause zu
Rom, ferner zweier Köpfe griechischer Her-
kunft, ein Geschenk des k. k. Österreich. Museums
für Kunst und Industrie, eines Kybelereliefs
(Treu Rat. der Sammlung der kais. Kunstakademie
in Petersburg (russ.) n. 382), des Panskopfes
Borghese (Braun Ruinen u. M. Roms S. 537, n. 10),
auch eines Militärdiploms Domitians in Pesth,
Geschenk des Herrn Mommsen, endlich eines
männlichen Kopfes vom kleinen pergame-
nischen Friese, dessen Original sich im Besitze
des Herrn Hofrath Fiedler in Dresden befindet.
Welche von diesen Abgüssen zugleich in Formen
für das k. Museum erworben, also bei demselben
käuflich sind, darüber giebt ein im Herbst 1883
ausgegebener Nachtrag zum Verzeichnisse der im
k. Museum käuflichen Gipsabgüsse Auskunft.
CONZE.
65
66
II. Antiq
A. Grabfunde.
Fund aus einem Grabe bei Vulci {lomba a cas-
soiie): eine prachtvolle goldene Fibel und zwei
feine kleine goldene Spiralen mit menschlichen
Masken au den Enden; ferner eine Anzahl Vasen,
welclie der italisch -geometrischen, protokorinthi-
schen, italiseh-protokoriutliischen und italisch -ko-
rinthisclien, der altkoiiuthischen und der Bucchero-
Gattung angehören (in meinem neuen Vasencatalog
die No. 234. 235 a. 246 a. 338 a. 996. 1054a. 1082 a.
1138a. 1201. 1210a. 1222. 1222a. 1273. 1274. 1503).
— Fund aus einer tomba a ziro bei Chiusi: grosser
Thronsessel aus Bronzeblech mit gepressten Relief-
figuren von geflügelten Stieren, Spliinx u. a.; nie-
derer Tisch aus Bronzeblech mit vier Füssen;
Aschenurne aus Brouze, die auf dem Thron stand;
eine zweite grosse Bronzevase; kleine Bronzekanne
anscheinend griechischer Fabricatiou; Bronzetibeln
mit geometrischen Ornamenten; zwei Augen von
Hörn mit Pupille von Bernstein; FibelstUcke aus
Glasfluss; eiserue Lauzenspitzen und Messer; Klei-
nigkeiten aus Bronze (zahlreiche kleine Ringe und
Knöpfe von einem Gewände u. a.); Schüsseln aus
schwarzem und rothem Thon.
B. Bronzen.
Wangenschirm eines Helmes, aus Griechen-
land, getriebenes Bronzerelief auf einer Unterlage
von Blei: wahrscheinlicli Piiiloktet darstellend (vgl.
die Münze von Lamia Arch. Ztg. 1871, S. 79, No. 1),
freilich fehlen sowohl Wunde als Bogen. Auf einem
Felsen der bärtige Held, mit schmerzvollem Aus-
druck die R. an die Stirne legend und hinaus-
blickend; vorzügliche Arbeit, an Schönheit den
Siris Bronzen in London zu vergleichen. — Urne
aus Capua, beschrieben Bull. d. I. 1871, p. 118, 5,
mit einem Hornbläser und drei Pferden auf dem
Deckel. — Schwebende weibliche Figur, mit wallen-
dem Gewand, wie es scheint bogenschiessend (Ar-
temis?), Statuette. Rom. — Statuette eines Jünglings,
den Discus auf der R. Etrurien. — Hündchen. Rom. —
Herakles-Statuette und Stempel in Form einer Fuss-
sohle mit: ZHNCÜNOCI6P6GÜC. Constantinopel.
— Drei Löwenmasken rohen Stiles, wolil von Thüren
(zwei grosse, eine kleine). Syrien.
C. Terracotten.
Kleinasien. Eine Anzahl wahrsclieinlicli aus
der Necropole von Myrina stammende Stücke: das
schönste ist eine grössere Gruppe von Pan und einer
Archäolug. Zt^' .lahrgang XLU.
uar ium.
Nymphe (abgebildet bei Fröliner, calal. de la coli.
Leciiyer, 1883, pl. 18 und coli. Lecinjer pl. X'). —
Sehr interessante und schöne Reliefplatte mitCharon,
Hermes und einem (verstorbenen) Mädchen. — Knabe
auf einer Bank neben kleinem Altar, mit Früchten
und Hahn. — Knabe mit Traube sitzend, eine Gans
würgend. — Silen mit FülUiorn. — Bogenspannendcr
Eros (Motiv wie bei den Statuen). — Eilender Sklave
mit Maske der Komödie, Schwert, Feldflasche und
Reisesack tragend; ziemlich gross und von trefflicher
Ausführung. — Herakleskopf archaischen Stiles, als
Gefäss verwendet; in der Technik ganz wie die übri-
gen Terracotten dieser Reihe (abg. coli. Leciiyer,
pl. K^). — Karikatur des Herakles (abg. coli. Le-
cuyer, pl. K'). — Sitzende Frau am Grabe (abgeb.
bei Furtwängler, S. Sabouroff, im Text zu Taf. XV).
— Frau das Trigonon spielend. — Vortreffliche kari-
kirte Maske. — Sitzender bärtiger Schauspieler(?).
Griechenland. Archaische Frau aus Böotien;
stehend, Krotalon in der Hand. — Sitzendes weib-
liches Idol; Farben gut erhalten. — Mehrere we-
niger bedeutende Statuetten aus Athen und Böotien.
— Kleine massive Figuren: Gruppe vou zwei Ka-
rikaturen; tragische Frau. — Schönes Relief (von
einem Gefässe?) mit dem auf einem Bocke reiten-
den Eros, dem Papposilen vorangeht (Replik im
Louvre, abg. Heuzey, fig. de terrecuite, pl. 38, 4). —
Kleiner Thronsessel „mykenischer" Technik. —
Sitzender Affe in ein Mäntelchen gehüllt.
Tarent. Sehr schöner fast lebensgrosser Jüng-
lingskopf mit kurzen Haaren, aufschauend, etwa
aus dem 4. Jahrh. — Weiblicher etwa halblebens-
grosser Kopf strengeren Stiles. — Stirnziegel mit
gehörntem Kopf mit Ohrringen und Halsband, freier
Stil. — Zwerg mit grossem Wasserkopf. — Treff-
licher Porträtkopf eines älteren bartlosen Mannes.
D. Vasen.
Kanne in Form eines weiblichen Kopfes mit der
Inschrift des Charinos (in meinem Vasencat. No.2190).
— Archaischer Teller aus Kameiros mit dem Bilde
des bartlosen laufenden Perseus (abg. bei Salzmanu,
tiecrop. de üamirus T. 55, 2). — Archaischer Teiler
korinthischer Fabrik ebenfalls vou Kameiros, mit ei-
nem geflügelten härtigen Dämon. - Kleinere schlanke
Amphora von Kameiros, mit Zickzack- und anderen
linearen Ornamenten; eigene rbodisch-kleinasiatische
Gattung. — Altattische Anii)hora mit Ringergruppen
aus Etrurien. — Aitattisclio Lekytiios mit Amazonen-
kampf aus Athen (eine Schlange aus dem Schilde
5
67
Sitzungsberichte.
68
des Griechen berausspringend). — Eine Anzahl
Scherben sog. prähistorischer Art, mit verschiedenen
Ornamenten, aus Dimini und Sesklo in Thessalien.
Geschenk des Herrn Dr. LoUing. — Grosse Schüssel
aus Korinth mit Lotos und Palmetten aussen und
einem Pferde innen (Vasencat. No. 1661). — Meh-
rere Gefässe des spärteren local-böotisehen Stiles
aus Böotien.
E. Gemmen und Edelmetalle.
Schönes goldenes Armband mit Gazellenkopf am
Ende. Griechenland. — Bommeln aus verziertem Gold-
blech mit rotheu Steinen. Griechenland. — Silberner
Teller mit dem Flachrelief der auf einem Hirsche rei-
tenden Artemis. Kom. — Onyx-Cameo, in Hannover
gefunden, spätrömischen Stils, zwei wohl weibliche
Brustbilder darstellend mit auf Land und Wasser
bezüglichen Attributen. — Fünf Siegelsteine primi-
tiver Art aus Nordsyrien (von der Expedition nach
dem Nemrud-dagh mitgebracht). — Carneolgemme
mit einem Löwen und indosassanidischer Inschrift.
— Abgüsse von sog. Inselsteinen aus den Samm-
lungen zu Breslau und Kopenhagen.
F. Varia.
Bleiplatte aus dem Lech bei Augsburg: byzan-
tinisches Kaiserpaar unter einem grossen Kreuz, 1.
Obelis!;, r. Schlangensäule; darunter ungelesene
Inschrift. — Mehrere gläserne Siegel; kleine bunte
Glasköpfe. A. Furtwängler.
SITZUNGSBERICHTE.
Festsitzung des deutschen archäologischen Instituts in Kom.
In der am 25. April 1884 zum Gedächtniss der
Gründung Roms abgehaltenen Sitzung sprach Herr
Professor Jordan (Königsberg) über das in der
Zeit vom October 1883 bis März 1884 aufgedeckte
alriuin Vestae, und zwar erörterte er zuerst die
Frage der Erbauungszeit an der Hand der zahl-
reichen noch in situ befindlichen Ziegelstempel,
welche er gemeinsam mit Herrn Dr. Dressel ge-
sammelt und letzterer abgeschrieben und chrono-
logisch bestimmt hat. Das Ergebniss ist, dass die-
selben sämmtlich entweder sicher oder mit grösster
Wahrscheinlichkeit derZeitHadrians zuzuweisensind.
Im Gegensatz also zu den bisher ausgesprochenen
Vermuthungen, das Gebäude sei von Severus und
Julia Domna gebaut, ist der Bau desselben in die
Regierungszeit dieses Kaisers zu setzen, und so —
aber auch nur so — erklärt es sich denn auch, dass
die Gebälkinschrift der an der Seite des Eingangs
angebrachten gleichzeitigen Kapelle {senatus popnlus-
que roniariii[s] | pecimia publica faciendam curavil)
spätestens in der Zeit Iladrians geschrieben worden
ist. Die Veranlassung des gewaltigen Neubaues
ist wahrscheinlich der Bau des Tempels der Venus
und Koma. — Der Vortragende erklärte weiter-
hin die Einrichtung des Peristyliura. In der Mitte
desselben ist ein Kreis von legolini (welche holli
der nachdiocletianischen Zeit tragen und also einer
Ausbesserung angehören) und um diesen ein durch
Radien mit ihm verbundenes Achteck von Mauer-
werk erhalten. Innerhalb des Kreises haben tasti
keine Spur von Mauerwerk ergeben: man wird hier
eine Baumpflanzung anzunehmen haben. Ein in
der Nähe befindlicher lacus mit Abfluss und stark
geneigter Grundfläche wird, da ein Brunnen oder
Wasserleitungsrohr nirgend in der Nähe zu finden
ist, zur Aufnahme der aus den Quellen entnommenen
aqua iugis vel quaelibel praelerqnam quac per ßslulas
venil (Fest. 158. 160) gedient haben. Der Vortragende
schloss mit dem Hinweise auf die einstweilen noch
unlösbare Frage nach der Existenz der regia und
sprach die Hoffnung aus, dass die Niederreissung
der Kirche S. Maria Liberatrice die Entscheidung
bringen werde.
Herr Stevenson hatte einen Vortrag über Dar-
stellung der Stadt Rom und römischer Monumente
auf Zeichnungen, Siegeln und Gemälden des Mittel-
alters und der Renaissance vorbereitet. Da er jedoch
als Vertreter der römischeu Conimission bei der
Eröffnung der Turiner Ausstellung festgehalten war,
hatte Herr Gatti es übernommen, denselben zu
verlesen. Nachdem er über einige Darstellungen
gesprochen, welche ein Bild der Stadt gewähren
sollten, wie man sie sich im 14. Jahrhundert dachte,
zählte er diejenigen Abbildungen einzelner Gebäude
auf, welche auf späteren Gemälden vorkommen.
Der inhaltreiche Vortrag, welcher sich nicht wohl
im Auszuge mittheilen lässt, wurde durch eine an-
sehnliche Reihe von Photograpliien erläutert.
69
Sitzungsberichte.
10
Archäolog;ischc G
Sitzung vom 15. Januar. Naelulem der
Kassenbericht ev.xtattct und der vorjälirige Vorstand
wiedergewälilt war, legt der Vorsitzende an ein-
gegangenen Schriften vor: Lucy M. Mitchell,
Hislory of aucieiit sciilpliirc ; Scliliemann, Troja;
U. Nissen, Italische Landeskunde I; Ditten-
b erger, Sylloge inscriptionnm graecarum ; Gil-
bert, Topographie der Stadt Koni im Alterthum;
K. R. Rhangabe, Häusliches Leben bei Uoiner;
W lese 1er, GesciinitteneSteine des IV. Jahrb. n.Chr.;
V. Head, Cobis of Aeltia and Zaukle; Loeschcke,
Die Euncakrunosepisode bei Pausanias. — Herr
Couze sprach über die Ergebnisse der seit Mai v. J.
wieder aut'genomnieueu Ausgrabungen in Per-
gamon. Da Herr Huniann den grösseren Theil
des Sommers hindurch von der Expedition nach
dem Nemrud-dagh in Anspruch genommen war,
leitete in seiner Abwesenheit Herr Bohn die Ar-
beiten unter Assistenz des Herrn Fabricius, wel-
cher insbesondere die Copie der Inschriften be-
sorgte. Der Vortragende hatte im November per-
sönlich au Ort und Stelle von den Ergebnissen
Kenntniss genommen und hob drei Hauptresultate
der topographisch-monumentalen Untersuchung her-
vor: 1. die sehr geförderte Aufklärung über die
MauerumfassuDgen der Stadt in den verschiedenen
Perioden ihres Bestehens, 2. die Nach Weisung der
Lage der Agora oben am Stadtberge , und
3. in der Nähe derselben am Westabhange unter
dem Athenaheiligthume die Entdeckung des Tiieaters
der Köuigs/eit. Hand in Hand hiermit wurden zwar
keine Skulpturen selbständiger Bedeutung, wohl
aber sehr zahlreiche Ergäuzungsstücke zu den be-
reits hier im Museum betiiullichen Bildwerken ge-
funden; noch kurz vor der jetzigen Winterunter-
brechung der Arbeiten am 12. December die Figur
eines jungen hinten überfallenden Giganten aus dem
grossen Altarrelief. Die epigraphische Auslieute
wurde nicht nur durch die Ausgrabung selbst, sondern
auch durch Umschau in der modernen Stadt und
der Umgegend beieiciiert. — Herr Kobert legte
die Schrift von Milani vor: / frontoni di iin lempio
luscatiico scoperti in Lnni, ferner eine von Eicliler
gefertigte Zeichnung des im Garten von Pal Caß'arelli
befindliehen Sarkophags, auf den zuerst v. Duhn
aufmerksam gemacht hat (Ant. Bildw. inRom II2401).
Der \' ortragende stimmte v. Duhn bei, welcher
dieses Exemplar für den ältesten römischen Mar-
morsarkophag erklärt. — Herr Hübner sprach
esellschaft in Berlin.
über die in den letzten sechs Jahren gemachten Fort-
schritte unserer Kenntniss des röm ischen Grenz-
walls und der römischen Niederlassungen
und Strassen in Deutschland. Seit Kieperts
grosser Karte des Limes ist der bairische und
württenibergische Abschnitt desselben genau ver-
zeichnet und in der Feststellung der zwischen Mitten-
berg am Main und Hanau liegenden Strasse und
der älteren Befestigungslinie auf badischem Gebiet
ein erheblicher Fortscliritt gemacht worden. Für
die Taunusstrecke wird v. Cohausens demnächst
erscheinendes Werk neue Ergebnisse bringen; für
Erforsciiung der Strasseuzüge längs beider Ufer des
Stroms ist J. Schneider in Düsseldorf, für die rechts-
rheinischen Fortsetzungen der Strassen und der
Brücken E. aus'm Weerth, für Untersuchung der
Verbindungen rheinischer Strassenzüge mit den
Städten Galliens General v. Veith in Bonn und für
Erforschung der eigenthümlichen Cultur desTreverer-
Landes Hettner in Trier unausgesetzt thätig. Auch
in den grossen Städten schreitet die Aufdeckung
der römischen Bauten vorwärts: in Mainz sind ausser
bedeutenden Resten der röm. Brücke Inschriftsteine
in ziemlicher Zahl zum Vorschein gekommen (zu-
sammengestellt in Kellers Nachfrag zum Becker-
schen Katalog); in Regensburg und Köln (durch
Mertz) ist die ursprüngliche Maueranlage nach-
gewiesen. An zusammenfassenden Arbeiten besprach
der Vortragende besonders K. Bissinger's Ueber-
sicht über Urgeschichte und Alterthümer des badi-
schen Landes und die für englische Leser bestimmte
Schrift von Hodgkin in Neweastle: The Pfahlgraben
u. 8. w., welche Veranlassung gab, auf die eifrige
DurchforschuDg des römischen Walles in England
hinzuweisen.
Sitzung vom 5. Februar. Eingegangen waren:
Steffen, Karten von Mykenai; ^Eifrjftegis Öqx III 'i\
Treu, Sollen wir unsere Statuen bemalen?; Hirsch-
feld, Ausflug in den Norden Kleinasiens. ■ — Herr
Jacobsthal sprach über die Entwickelungsge-
schichte einer griechischen Ornamentform,
welche weniger durch Grösse oder feine Ausbil-
dung als (iurcJi die Häutigkeit ihrer Verwendung
auffällt und in der römischen Kunst, der Re-
naissance, ja selbst dem Mittelalter zu ornamen-
talen Bildungen eisten Ranges Anlass gegeben hat.
Das Ornament zeigt in seiner einfachsten Gestal-
tung eine meist ausgebuchtete, auch wellige oder
5*
71
Sitzungsberichte.
72
zackige Blattscheide, die oben sich ausbreitend den
Hintergrund für eine von dem untern Theil der
Scheide umfasste Bliithen- oder Frucbtähre bildet.
Der Vortragende gab zunächst an der Hand einer
reichen Sammlung von Zeichnungen einen Ueber-
blick über die allmälige, immer mannigfaltigere
Ausgestaltung dieses Ornamentes in der antiken
Plastik und Malerei, das schliesslich in der arabisch-
mittelalterlichen Kunst zu dem sog. Grauatapfel-
muster geführt hat, und wies dann in der Pflanzen-
familie der Araceen, namentlich in der Blütben-
und Knospenbildung des in den Oelwäldern Griechen-
lands verbreiteten und im Kephisosthale zu enormer
Höhe aufschiessenden Dracanculus vulgaris das
unmittelbare Vorbild des Ornamentes nach. — Herr
W. M. Ramsay legte in Abbildungen eine Reihe
von Denkmälern kleinasiatischer Kunst vor,
die er auf seinen Reisen entdeckt hat, darunter ein
Relief aus Ibriz (beiC^'bistra-Heracleia inLykaonien),
welches einen Gott mit Aehren und Trauben in den
Händen (15' hoch) und ihm gegenüber einen reich
gekleideten anbetenden Priester (9' hoch) darstellt,
und ein Felsmonument in der Nähe der Strasse
von Kutaya nach Kara Hissar. Ein isolirter Felskegel
aus weichem phrygischem Gestein, 80' hoch, ist auf
3 Seiten behauen. Die Vorderseite, oben mit einem
Kreuz- und Mäandermuster teppichartig bedeckt,
zeigt am Sockel zwei einander zugewandte Sphinxe,
die Ostseite einen aufgerichteten Löwen, die West-
seite einen schreitenden Greif. Den Hintergrund
der Kammer, zu welcher ein schmaler Durchgang
auf der Vorderseite führt, nimmt ein 8' hohes Bild
der Kybele zwischen zwei aufrecht stehenden
Löwinnen ein, die ibre Vordertatzen auf die Schulter
der Göttin legen. Zum Schluss legte der Vortragende
noch zwei kleinere griechische Denkmäler in Zeich-
nungen vor: einen kleinen weiblichen Kopf, 1820 in
Olympia gefunden, jetzt im Universitätsmuseum zu
Aberdeen, und ein kleineres in Smyrna in Privatbesitz
befindliches, in Pergamon gefundenes Relief, dar-
stellend in bekanntem Typus die Adoration des
reitenden Heroen, mit der interessanten Inschrift:
0 delc« ldnoX).\iüi'inv veioxÖQog ^&rj\väg Nixt](fÖQ\ov
r^QUJi IleQyä^Kt). — Herr H ü b u er besprach einen dem
Kronprinzen auf seiner spanischen Reise geschenk-
ten und von diesem dem köuigl. Museum über-
lassenen römischen Bleibarren (ca. 40kg.
schwer), welclier im Hafen von Carthago Nova ge-
funden ist und die in Charakteren der augusteischen
Zeit in die Gussform eingegrabene, auf dem Barren
also erhaben ersclieinende Inschrift trägt: M. BAI .
RVFI (Stempel mit Caduceus) FER, in welcher M.
Raius Rufus den Besitzer des Bergwerks bedeutet,
während das nicht sicher zu deutende FER (Ferox?)
vielleicht den Aufseher desselben bezeichnet. —
Zum Schluss gab Herr Engelmann von der
Cornetaner Vase {Eon. delV Inst. 1881 T. 33), die
von Körte auf Meleagers Auszug gegen die Ku-
reten gedeutet ist, unter Herbeiziehung der Inschrift-
vase Atmali 1860 T. J die Deutung auf Neopto-
lemos' Auszug nach Troja: vergebens sucht ihn
seine Mutter Deidameia zurückzuhalten, vergebens
klagen die anderen Lykomedestöchter. Artemis
ist als Beschützerin des jagdliebeuden Helden
zugegen, wenn nicht vielleicht der Maler jener
Sage gefolgt ist, welche Neoptolem zum Sohn der
unter Artemis' Schutze stehenden Iphigeneia macht.
— Das Vasenbild W^iener Vorlegebl. C 2 bezog der
Vortragende auf den von Homer (II. II 305) ge-
schilderten Vorgang in Aulis, wo eine Schlange das
Opfer der Griechen störte: auf dem Bilde erscheinen
Schlange und Platane in Stein verwandelt, nicht
bloss wie bei Homer die Schlange.
Sitzung vom 4. März. Eingegangen waren:
Holm, Das alte Syrakus; Studuiczka, Ver-
mutbungen zurgriechischenKunstgeschichte; Brunn,
Pausanias und seine Ankläger; Soutzo, Sysihmes
monetaires de l' Asiemineure et de la Grece ; der Auktions-
catalog Collection Alessandro Castellani u. A. —
Herr Trendelenburg sprach über das Verliält-
uiss der Laokoon.gruppe zum Gigantenfriese
des pergamenischeu Altars, indem er sich besonders
gegen die von Kekule geltend gemachte Auffassung
wandte, dass die Figur des Laokoon aus Motiven
des Frieses abgeleitet, die Gruppe also jünger sei
als der Altar. Einerseits sei die Uebereinstimmung
der Motive in der Figur des Laokoon und des
Athenagegners keineswegs eine so vollständige, wie
sie auf den ersten Blick erscheine, da der Kopf,
die Haltung der Beine und Arme, die Schlangen-
wiuduugen, vor allem aber die Stelle des Bisses
und sein Verhältniss zur Kopfneigung uiciit nur
verschieden, sondern zum Theil entgegengesetzt
seieu; andererseits sei die Haltuug des Laokoon,
namentlich das von K. für unerklärlich gelialtene
Herumwerfen des Kopfes, eine unumgängliche, der
Natur mit bewunderungswürdigem Scharfblick ab-
gelauschte Folge des Flankenbisses der Schlange,
da jeder intensive Schmerz in der Seite eine Zu-
sammenziehung des Körpers au dieser Stelle und
als natürliche Folse davon eine Dehnung der Gegen-
73
Sitzungsberichte.
74
Seite bewirke, die ilirerscits wieder den Kopf zu
einer Neig;ui]g nach der verwundeten Flanke hin
zwinge: ein Verhältniss, welches beim Giganten ins
Gegentheil verkehrt sei, insofern hier der Kopf nach
der linken Seite gerissen werde, die Wunde da-
gegen auf der rechten sich befinde. Könne unter
diesen Umständen eine Ableitung des Laokoon
aus Motiven des P'rieses nicht angenommen werden,
so werde damit auch die hierauf gegründete öchluss-
folgerung K's. über die Entstehung der Gruppe
nach dem Altar hinlällig, eine Folgerung, die auch
durch eine Vergleichung beider Werke in Bezug
auf ihren künstlerisciien Charakter ausserordentlich
unwalirseheiulich gemaclit werde. Wenn zwischen
beiden ein Zusammeniiang existirc, was anzunehmen
ein zwingender Grund durchaus nicht vorhanden
sei, so könnlon nur die in Verarbeitung fremder
Jlotive nicht eben wählerischen Verfertiger des Altar-
frieses als Entlehnende angesehen werden; man
miisste denn gerade zu der Annahme sicii verstehen
wollen, dass in diesem einen Falle die Copie an
lichtvoller Composition und strenger Beobachtung
aller der Plastik eigentlüimlichen Gesetze dasOriginal
ebensoweit übertrefl'e, wie sonst Copien hinter dem
Original zurückzustehen pflegen. — Herr Dessau
sprach über den Ursprung und die Bedeutung des
von Dionys von Ilalikarnass (V 61) gegebenen
Verzeichnisses der 30 altlatinischcn Bun-
desstädte, von welcliem Niebuhr glaubte, dass
es einer alten Urkunde (vielleicht dem von Sp. Cassius
mit den Latinern abgeschlossenen Bündnissvertrage)
entnommen sei, gegen welche Annahme von seinen
Gegnern die auf antiken Denkmälern sonst nicht nach-
zuweisende alphabetische Anordnung geltend gemacht
worden ist. Nun giebt es aber mindestens noch ein bis-
her überselienes Beispiel alphabetischer Reihenfolge
auf einem öfi'eutlichen, zu Anfang der Kaiserzeit in
Caere von den etruskischen Bundesstädten errichteten
Denkmal, von welchem ein Fragment sich im Lateran
befindet {An7tali 1842 tav. C). liier erscheinen die
Schutzgottheiten dreier Städte nebeneinander in der
Reihenfolge Tarquinii, Volci, Vetulonia, wofür nur
die alphabetische Anordnung als Grund angesehen
werden kann. Indess dürfen aus diesem der Kaiser-
zeit angehörigen Denkmal nicht zu weitgehende Fol-
gerungeu für die ältere Zeit gezogen werden. — Herr
Hühner legte den Berieiit des Herrn F. Schneider
in Mainz über „die Krypta des H. Paulinus in
Trier" vor und besprach sodann einige amHadrians-
wall in England neu gefundene inschriftliche
Denkmäler, welche, von einer germanischen
Völkerschaft herrührend, neue Namen germanischer
Gottheiten kennen leinen, deren Deutung Prof.
Scherer gegeben hat. Die Gottheiten sind Mars
Thingsus fvon lliitig) und zwei weibliche, Alaesiagne
genannt (und zwar mit den Invidualbczeiclinungen
Beda und Fimmilena)\ die Weihenden nennen sieh
Tuihanli (das sind, wie Scherer sah, die Bewohner
der holländischen Landschaft Twentc) cires Germani
ex cuneo Frisionim Severiatii Alexandriuni. Auf dem
einen der Altäre und auf einem halbkreisförmigen
Relief, welches wahrscheinlich die Front einer
Aedicula schmückte, sind die Gottheiten in haud-
werksmässiger Ausführung dargestellt.
Sitzung vom 1. April. Nach Verkündigung
der Aufnahme der Herren Graf Perpoucher und
Dr. M. Schmidt legte der Vorsitzende u. A. vor:
Salinas, Sigilli di crela rinremiii a Se/*«M«/e (Siegel,
welche in Thon gedrückt und an Urkunden an-
gehängt waren ; die Urkunden sind im Brande unter-
gegangen, die Thonsiegel dagegen hart gebrannt
und mit iiiren zum Theil sehr anmuthigen Gruppen
— z. B. Aphrodite den Eros schiessen lehrend —
nur um so besser erhalten); ders., Ricordi di Seli-
nunte Crisüaua; Pottier, Elnde sur les lecijlhes blancs
altiques; de Molin, De ara apiid Graecns ; Höpken,
De thealro Allico saeculi a ehr. quinti; W ernicke.
De Pausa7iiae sludiis Ilerodoleis ; Berliner, Beiträge
zur Geographie und Ethnographie Babyloniens im
Talmud nndMidrasch; Röscher, Lexikon dergriech.
und röm. Mythologie Lieferung 1. 2. Ausserdem legte
Herr Engelmann die 1. Lieferung des „kulturhisto-
rischen Bilderatlas" von Th. Sciireiber vor, welchen
er als willkommenes Hilfsmittel zur Kenntniss der
kulturhistorischen Seite des Alterthums bezeichnete.
— Herr Seh rader berichtete über eine von Mr.
Ramsay in Cai)padocien aufgefundene Relief-
darstellung, über deren fünfzeiliger Keil-Inschrift
man das Bild der Sonnenscheibe sieht, rechts und
links davon je einen Kopf im Profil und darunter
einen thronenden Fürsten, welchem ein Staatsbeamter
flehend die Hände emporhebende Männer, offen-
bar Kriegsgefangene, vorführt. Hinter dem Für-
sten stehen zwei Wedel haltende Eunuchen. Die
untere Darstellung eriuneit an die bis in Einzelheiten
hinein genau übereinstimmende auf dem Sanherib-
Relief aus Kujjundschick-Niniveh und geht also auf
diese ninivitische oder eine analoge assyrische
als ihre Vorlage zurück, wogegen die Protilköpfe
an die Darstellungen griechisch - römischer Kunst
mahnen, ein Doppelcharakter, wie ihn allerdings
75
Sitzungsberichte.
76
auch kj'prisclie, pränestinisclie u. a. Denkmäler
zeigen. Ohne auf die Frage der Aechtheit des
Denkmals näher einzugehen, wies der Vortragende
noch darauf hin, dass der assyrische Typus der
unteren Darstellung dasselbe sehr bestimmt von den
unter dem älteren babylonischen Einfluss ent-
standenen Schöpfungen der sogenannten hethitischen
Kunst unterscheide. Im Anschluss hieran gab der
Vortragende einen Ueberblick über Hormuzd Eassam's
Ausgrabungen zu Abu Habba in Xordbabylonien,
dem babylonischen Heliopolis (Sipar-Sepharvaim in
der Bibel)- Er wies insbesondere auf die Dar-
stellung der Cella des Sonnengottes und einer die
Verehrung des Sonnengottes veranschaulichenden
Scene hin. welche nach der Inschrift in die Zeit
des babylonischen Königs Nabu-pal-iddin, eines
Zeitgenossen des assyrischen Königs Asur-nasir-
abal (885—860 v. Chr.), gehört. — HerrRhangabe
besjjrach zuerst die neuerdings in Samos auf-
gegrabene Wasserleitung, deren Herodot III 60
als eines der grössten Bauwerke Griechenlands er-
wähnt: ein Tunnel von 3' Breite, '60' Höhe und
4200' Länge, wahrscheinlich eines der von Aristoteles
dem Tyrannen Polykrates zugeschriebeneu Werke.
Er berichtete sodann auf Grund seines im December
v.J. ausgefüiirten Besuches von Eleusis über die dort
von der archäologischen Gesellschaft zu Athen vor-
genommenen Ausgrabungen. Am S.O.-Abhang des
eleusinischen Berges befindet sich ein 220' breiter,
178' tiefer viereckiger Einschnitt, dessen drei
Wände unten in 9 aus dem Felsen gehauene
Sitze auslaufen. Der innere Raum ist mit 4 Reihen
von je 7 dorischen Säulen besetzt, aus gelblichem
Porös ohne Kanelierungen oder sonstigen Schmuck
roll gehauen und nicht bestimmt , bei Tages-
licht gesehen zu werden. Es war dies also die
Kryi)ta zu dem von Iktiiios hcrriilireiiden Oberbau,
zu welchem aussen an beiden Seiten oberhalb der-
selben Stufen hinaufführten. Dass der Tempel hoch
lag, beweist auch das oben auf dem Felsen ge-
fundene Stück eines dorischen Marmorgesimses und
die vonPlutarch erwähnten „oberen" Säulen. Oestlich
stiess an das unterirdische Gemach die von Demetrios
von Phaleron zugesetzte Säulenhalle, die in ihrer
ganzen Breite aufgedeckt ist. Gewaltige polygone
Substructionsmauern, die gleiclifalls aus Licht ge-
zogen sind, gehören dem alten, von den Persern ver-
brannten Tempel an. — Zum Schluss erläuterte
Herr Curtius das von Herrn Gurlitt im Saale aus-
gestellte, von Herrn Ast gearbeitete Thonmodell
einer aus Myrina stammentlen und jüngst für das
königl. Museum erworbenen Terrakotta: Zeus als
Adler eine jugendliehe Gestalt entführend.
Es ist der Typus des Ganymedesraubes, wie er in
der venezianischen Gruppe und der Sabouroff'schen
Spiegelkapsel vorliegt, nur dass das lang herab-
fliessende Haar, die weichen üppigen Formen und
das weite, lange Gewand die ganze Gestalt noch
mehr ins Weibliche gezogen erscheinen lassen. Die
Terrakottagruppe ist ihrer ganzen Autfassung nach
von der des Leochares bestimmt unterschieden, da
hier eine zärtliche Liebes-Umarmung dargestellt ist,
während Leochares den Adler nur als Diener des
Zeus aufgefasst hat.
Sitzung vom 6. Mai. Der Vorsitzende Herr
Curtius legte zunächst die eingegangenen Schriften
vor: Wiedemann, Winckelmanns Urtheil über die
aegyptische Kunst; R. Förster, Aualekteu zu den
Persephonedarstellungen und berichtete dann ans
einer Nummer der ^cpaiqa über die Auffindung eines
Dionysostempels im Peiräeus, wobei eine ßeihe
von Inschriften zu Tage gekommen ist. Die inter-
essanteste darunter ist eine Weihinschrift an Dio-
nj'sos in drei Distichen. — Herr Weil bringt den
unlängst ausgegebenen 14. Band des 'E?.Xi]riKdg
ifikoloyixng avlloyog in Constantinopel zur
Vorlage, der in einem Beiheft eine Aufnahme der
von Constantin errichteten , dann unter Tlicodosius
und Heraklius verstärkten Landbefestigung Con-
stautinopels enthält. Für die Geschichte des an-
tiken Mauerbaus ist diese Arbeit von hervorragen-
der Bedeutung, indem hier ein Beispiel der drei-
fachen Ummauerung vorliegt, welche nach dem Be-
richt des Appian auch bei der im Alterthum so viel
gerühmten Befestigung Kartliago's angewandt war.
Sodann behandelte Herr Weil den im vorigen Jahre
bei Karystos auf Euboia gemachten Müuzfund, der
ein bis dahin unbekanntes athenisches Tetradrach-
mon enthält, auf dem neben dem AHE des Stadt-
namens statt des zu erwartenden Magistratsnameus
0 AEMOii; beigefügt ist. Da in dem Fund aucii die
im mithradatischen Krieg vorkommenden Reihen
athenischer Münzen vertreten sind, kann das Te-
tradrachmon frühestens geprägt sein, als Sulla im
Winter 86 — 85 zum zweiten Mal seinen Aufenthalt
in Athen nahm, und in Folge dessen eine Re-
stauration des athenischen Gemeinwesens eintrat.
Von Wichtigkeit ist der Fund auch darum, weil
er die bisher noch immer bestrittene Annahme, dass
Athen seine Silberprägung über die Zeit des mithra-
datischen Kriegs hinaus sich bewahrt habe, bestätigt.
77
Sitzungsberichte.
78
— Herr Fiirtwiliigier niaclitc Mittlieiluugeii über
seine wegen der Auction der Sammlung- AI. Ca-
stellani nach Rom unternommene Heise. Er be-
dauerte die dureli die Umstände hervorgerufene ge-
ringe Zuverlässigkeit des Cataloges in Bezug auf
Provenienzen; für die sehr bedeutende Sammlung
architektonisch verwendeter Terracotten hob er die
untcrsclieidenden Kriterien der aus Caere, der aus
Carapanicn und der aus Tarent stammenden her-
vor. Als gesciiickte Fälschung, die ihren Be-
sitzer selbst getäuscht hat, erklärte er nament-
licli den bekannten angeblich aus Sicilien stam-
menden grossen weibliclien Marmorkopf. — Herr
Robert legte die Photographie eines im vorigen
Jahre in der Nähe von Rom gefundenen Sar-
kophags mit Darstellungen aus dem Theseus-
mythus vor, auf dessen linker Seite das typische
Schema der Abschiedsscene in nicht allzu glücklicher
Weise auf Theseus und Aigeus (oder Minos?) über-
tragen ist, während die rechte Hälfte zwei Scenen :
Theseus Ariadne verlassend und Theseus nach ße-
siegung des Minotauros enthält. Sowohl Theseus
wie Ariadne tragen PorträtzUge. Der Sarkophag
gehört etwa in die Mitte des 3. Jahrhunderts. Dann
macht der Vortragende einige Mittlieilungen über
Farbenspureu, die sich an den beiden im Besitze des
Advokaten Aquari in Rom befindlichen Sarkophagen
erhalten haben. Herr Trendelenburg sciilug für
zwei Scenen des Theseussarkophages eine abwei-
chende Erklärung vor. In der Eckgruppe rechts,
welche aus Theseus (mit den Porträtzügeu des Ver-
storbenen), Hermes und einem bärtigen, iiandwerker-
mässig gekleideten Mann mit eigentliümlich wildem
Gesichtsausdruck besteht, und welche Herr Robert
auf das Minotauros- Abenteuer bezogen hatte, er-
kannte er Charon, Hermes Psychopompos und den
Verstorbenen, der zögernden Sclirittes jenen beiden
folgt; die Abschiedsscene aber deutete er allegorisch:
der unter Tlieseus Bilde dargestellte Verstorbene
entscheidet sich bei der Wahl zwischen 'Hdnvrj und
^QEtrj für letztere. Jene wird angedeutet durch
Aphrodite, welche die Entscheidung erwartend den
Finger ans Kinn legt, und Eros, welcher den Jüng-
ling auf seine Seite zu bringen trachtet; diese durch
die bekannte Figur der Virtus , durcii Athena und
die mit einem Lorbeerkranz geschmückte Personi-
fikation des Ruhmes. Die Entscheidung ist durch
die Handbewegung des Jünglings veranschaulicht:
er nimmt von seinem Vater Abschied, um der
Virtus zu folgen. Herr Robert glaubte diese Deu-
tungen als im Theseusmythus nicht begründet ab-
lehnen zu müssen, wogegen Herr T. geltend machte,
dass die mythische Darstellung hier nur dazu
diene, Ereignisse aus dem eigenen Leben des im
Sarkopiiage Beigesetzten unter dem Bilde des
Theseus zur Anschauung zu bringen.
Berichtigung.
Jahrgang XLI (1883) Sp. 321, 31 ist nach 'er-
hoben' folgender Satz ausgefallen: 'In 16 (Quarz,
Dm. 0,027, Taf. 16, 7) ist derselbe Typus durch
Doppelung zu einer wappenartigen Scene auf einem
rundenSteinevereinigt'. EbendaZeile26 ist'Taf. 16, 7'
zu streichen. Ferner ist Sp. 336, 14 'am unteren
Rande' und Zeile 21 'den oberen Rand' zu lesen;
ebenso Sp. 341, 22 'neben dem 1. Hinterbein'.
79
SO
Bericht
über die Thätigkeit des kaiserlich deutschen archäologischen Instituts vom 1. April 1883 bis 1. April 1884.
Von Eom aus bereiste im abgelaufenen Rech-
nungsjahre Hr. Heibig behufs arciiäologischer Er-
kundung die Maremmengegend und nahm Aufent-
halt in Corneto und Chiusi, desgleichen Hr. Mau
für eine längere Zeit behufs eingehender Bericht-
erstattung in Pompeji. Von Athen aus wurde eine
Bereisung von Sanios durch Hrn. Fabricius veran-
lasst, Hr. Dörpfeld auf Wunsch der Direction der
dortigen Ausgrabungen auf kurze Zeit nach Perga-
mon entsandt, Hr. Lolling mit Leitung von Ausgra-
bungen am Arteniision auf Nordeuböa beauftragt.
Die periodischen Publikationen des Instituts
in Rom, Athen und Berlin haben ihren regelmässigen
Fortgang genommen, von der Epliemeris epigraphica
ist das erste und zweite Heft des 5. Bandes er-
seliieuen.
Von den sogenannten Serienpublikatiouen ist in
diesem Jahre erschienen nur das 1. Heft der Fort-
setzung der Gerhard'schen etruskischen Spiegel
von den HH. Klügmann und Körte. — Für die
Sammlung der römisciien Sarkophage beginnen
wir wenigstens mit einer Anzalil fertig gestellter
Probetafeln der Herausgabe näher zu treten ; nach
der Anordnung des Hrn. Robert sind diese Tafeln
von Hrn. Eiehler und in der kaiserlichen ßeichs-
druckerei hergestellt. — Der Vollendung nahe ist
der 2. Band der antiken Terrakotten von Hrn.
Kekule unter künstlerischer Mitwirkung des Hrn.
Otto. — Gefördert ist die Fortsetzung der Heraus-
gabe etruskischer Asehenkistenreliefs durch
Hrn. Körte. — Neu auf sich genommen hat das
Institut die Sorge für Fortfüiirung der Sammlung-
griechischer Grabreliefs, deren attischen Theil
die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien
zu veröfifentlichen im Begrifle ist. — Auch das Reper-
tori um, mit besonderer Richtung auf die Vorarbeiten
zur Herausgabe der antiken Statuen, ist von Hrn.
Michaelis weitergeführt worden. — Von den atti-
schen Karten sind nach früherem Erscheinen der
ersten vier Blätter unter Leitung der HH. Curtius
und Kaupert sieben neue, davon fünf fast vollendet,
zur Herausgabe vorbereitet, drei andere werden ge-
zeichnet, andere drei aufgenommen. — Die Technik
der Herren vom grossen Generalstabe ist, wie diesen
Karten, so auch den in diesem Jahre von Hrn.
Steffen unter Mitwirkung des Hrn. Lolling heraus-
gegebenen Karten von Mykenai und Umge-
gend zu Gute gekommen.
In Erfüllung testamentarischer Verpflichtung
haben wir das 6. und 7. Heft der Darstellungen
aus der heiligen Geschichte von Alex. Iwanoff
erscheinen lassen.
Die Plenarversammlung der Centraldirection
wurde vom 9. bis 12. April 1883 abgehalten. Den
erwählten HH. Fabricius, Kroker, Meier, Wolters
und Moritz wurden durch das auswärtige Amt die
fälligen Stipendien verliehen.
Auch eine grössere Anzahl von Mitgliedern
wurde dem Institute in diesem Jahre wiederum zu-
gesehrieben. Es wurden zu Ehrenmitgliedern
gewählt Seine kaiserl. königl. Hoheit der Erzherzog
Rainer von Oesterreich und Seine Durchlaucht der
regierende Fürst Johann von und zu Liechtenstein;
zu ordentlichen Mitgliedern die Herren Sidney
Colvin (London), R. Mowatt (Paris), F. Barnabei
(Rom), ü. Semitelos (Athen), W. Goodwin (Athen),
E. Graf von Vasonikeö (Wien), N. Dumba (Wien),
Leblant (Rom); zu correspondirenden Mit-
gliedern die Herren E. Fabricius (Athen), G. Wis-
sowa (Breslau) J. Undset (C^hristiania), A. Tardieu
(Herment), G. Tooilescu (Bukarest), L. Revon
(Amecy), F. Baumgarten (Athen), G. Soteriu (Samos),
Sophus Müller (Copenhagen), R. Koldewey (Ham-
burg), A. von Doniaszewski (Wien), A. de Lorenzo
(Reggio), Ch. Waldstein (Cambridge), D. Philios
(Athen), L. Hauser (Wien), F. Bulic' (Spalato),
A. Klitsche Baron de la Grange (Civitavecchia),
L. Viola (Taranto), E. Pais (Caliari). Conze.
ETRUSKISCHER KRATER AUS CAERE.
(Tafel 5. 6.)
Der Krater, dessen Darstellungen ich auf Wunsch
der Redaction, für einen andern Bearbeiter ein-
tretend, kurz /AI erläutern unternehme, wurde im
Jahre 1877 von mir für das Antiquarium des kgl. Mu-
seums 7-u Berlin erworben. Er stammt aus Cervetri,
dem alten Caere, und gehört seiner Technik, Form
und Decorationsweise nach zu jener Gattung von Ge-
fässen etruskischen Fundortes, welche von A. Furt-
wängler in den Atmali dell Itislitufo 1878 S. 80if.
ausführlich besprochen und als theils von Athen aus
importirt, theils in Etrurien selbst in Nachahmung
attischer Gefässe verfertigt erwiesen sind. Derselbe
hatte die Güte, mir bezüglich des vorliegenden
Exemplares noch besonders zu bestätigen, dass es
nach seiner Erinnerung dem von ihm in den Mon.
d. Inst. X. 51 publicirten Krater von Nazzano nahe
verwandt sei ').
Die Darstellung der Vorderseite besteht ge-
mäss dem speciell für Krater dieser Vasenclasse
üblichen Schema aus zwei Reihen von Figuren, von
denen die eine vielfach in die andere übergreift;
die Mittelfigur, weichein einem beträchlich grösseren
Maassstab gehalten ist als die übrigen, nimmt fast
die ganze Höhe des Bildstreifens ein. Dem Ge-
brauche dieser Gefässe entsprechend sind alle Figuren
ausser der mittleren mit Perlenschnüren (theils mit
nur einer, theils mit zwei sich kreuzenden) oder mit
angehäugten Verzierungen ähnlicher Art um die Brust
geschmückt, die Gewänder meist mit reich ornamen-
tirten Rändern und eingestickten kleinen Kreisen
verziert.
') Furtwängler's Güte verdanke ich auch folgende Angaben
überdasGefäss; Inv. No. 2583. H. 0,425 ; Durchm. 0,465. Eigen-
thümlicher, glatt glänzender, doch nicht tiefschwarzer Firniss.
Thon blttssröthlich, viel (meist verblasstes) Weiss aufgesetzt.
Arcbiiolog. Zt^. Jahrgang XLll.
Den Mittelpunkt des Ganzen bildet ein nach
linkshiu sitzender, unterwärts mit dem Himation
bekleideter, bärtiger Mann, der die L. an die Be-
krönung eines Scepters gelegt hat (die R. ruht im
Schoosse) und den Kopf einem rechts oben sitzen-
den Satyr zuwendet. Dieser ist bärtig, kahlköpfig
und nur mit einem am Halse zusammengeknoteten
Fanther-Fell bekleidet. Ueber seinem Kopf kommt
eine eigenthümlich gezackte Ranke zum Vorsehein,
welche von einem Kranze herzurühren scheint, von
dem an der Vorderseite nichts zu sehen ist. Er
spielt mit den Fingern der Linken in den Saiten
einer Schildkrötenleier {ipülleiv), während er in
der R. das Plektron zum Schlagen derselben [xqoveiv)
hält. Sein Blick ist nach linkshiu gerichtet, einem
links von der Mittelfigur ihm gegenüber stehenden,
unterwärts mit dem Himation bekleideten Jüngling
zu. Derselbe ist von auffallend weichlichen Formen
und hat langes Haar mit mehreren zierlich ge-
ringelten, in den Nacken und an den Schläfen
herabfallenden Locken ; vorn am Kopf sieht man das
Ende eines Lorbeer-Kranzes. Er setzt den 1. Fuss auf
eine (nicht angedeutete) Erhöhung des Bodens und
streckt, den Oberkörper vorbeugend, den erhobenen
rechten Arm und den auf dem Knie ruhenden 1.
Unterarm gegen den Satyr aus, als sei er unge-
duldig, die Leier aus der Hand desselben zu em-
pfangen, um nun seinerseits seine Kunst zu zeigen.
Es folgt auf derselben Seite ein nach linkshiu
sitzender Satyr, wie sein Genosse nur mit einem
Fell bekleidet, der den Kopf nach jenem zurück-
wendet und mit der R. eine Flöte gegen ihn erhebt,
als wollte er ihn auf dieselbe aufmerksam machen,
während er in der L. eine zweite Flöte hält; vor sei-
nem Kopfe ist ein (Epheu-?) Blatt von einem Kranze.
6
83
G. Körte, Krater aus Caere.
84
Ihm entspricht auf der rechten Seite hinter dem
die Leier spielenden ein dritter Satyr, der ganz
nackt, beliränzt, den r. Fuss auf eine Bodenerhö-
hung setzt und die Rechte mit nicht völlig klarer
Geberde (des Beifalls oder der Besorgniss?) erhebt.
In der unteren Reihe sieht man zwischen diesem
und dem ersten Satyr einen Jüngling, welcher ste-
hend nach oben hinschaut, als verfolge er auf-
merksam den dort sich abspielenden Vorgang. Er
ist bekränzt und mit der Chlamys bekleidet, an seiner
1. Schulter lehnen zwei Speere. Es folgt zwischen
ihm und den Füssen der Mittelfigur ein (ursprünglich
mit aufgesetzten Farben gemalter) Eros, der mit
dem einen Bein am Boden knieend zu spielen
scheint — ein aus zahlreichen Vasendarstellungen
des „schönen" Stils bekanntes Motiv. Weiter links,
auf der anderen Seite der Mittelfigur sitzt auf einer
felsigen Erhöhung des Bodens nach rechtshin eine
mit dem Doppelchiton bekleidete Frau, welche sich
in einem Spiegel beschaut, den sie in der L. hoch-
hält, während die Rechte nach hinten ausgestreckt ist.
Rechts von dem Jüngling endlich sieht man ein Reh ^
(nach rechtshin). Dasselbe schnuppert hinauf nach
zwei Lorbeerzweigen, die ihm ein über dem rechten
Henkel des Gefässes mit den Beinen nach aussen
sitzender, mit grossen entfalteten Flügeln versehener
und bekränzter Eros hinreicht. Ihm entspricht über
dem 1. Henkel ein Kentaur, von ähnlicher Gesichts-
bildung wie die Satyrn, welcher im r. Arme ein
grosses Füllhorn trägt. Er liebt mit stark über-
triebener und naturvpidriger Bewegung den linken
Vorder- und den Hinterfuss derselben Seite und
weist mit dem gleichfalls erhobenen Arm nach der
Mitte hin. Ehe wir an eine Deutung dieser Dar-
stellung gehen, wird es gut sein, zunächst die
Rückseite zu betrachten.
Die Mitte nimmt ein bärtiger nackter Manu
ein, der auf einem untergebreiteten Gewand nach
linkshin sitzt. Das Haar, welches in zwei zier-
lich gedrehten Locken auf die Schultern herabfällt,
schmückt ein Kranz aus Epheublättern, die 1. Hand
liegt an einem an der Schulter lehnenden Scepter,
dessen Bekrönung ähnlich ist wie an dem von der
Mittelfigur der Vorderseite gehaltenen, dessen Schaft
jedoch aus einer Narthexstaude besteht. Auf dem
Zeigefinger der vorgestreckten Rechten balaucirt er
einen Blitzstrahl. Die gewellten Linien, welche
oben und in der Mitte zu beiden Seiten hinauf-
laufen, sollen offenbar loderndes Feuer darstellen ^).
Vor ihm steht eine Bacchantin in langem Chiton
mit Ueberschlag, welche auf beiden in Brusthöhe er-
hobenen Händen je ein Tympanon hält und den
Blick der Mittelfigur zuwendet. Von ihrem 1. Arm
hängt eine lange Tänie herunter. Von der anderen
Seite naht sich in tanzender Bewegung ein Jüng-
ling, der bis auf ein über die Arme herabhängendes
Gewand nackt ist. Wie die Mitteifigur so trägt
auch er zwei sich kreuzende Perleuschnüre um die
Brust. Das Haar ist ebenfalls in mehrere zierlich
gedrehte Locken geordnet, der hörnerartige Gegen-
stand über der Stirn wird als das Ende eines Kopf-
schmuckes oder Kranzes zu fassen sein; der An-
nahme, dass wirkliche Hörner gemeint seien, wider-
streitet die Form und Gabelung der fraglichen Linien.
Die Mittelfigur, nach deren Bedeutung wir zu-
nächst fragen, vereinigt in merkwürdiger Weise die
Attribute des Zeus und des Dionysos. Diesem
gehört das Narthexscepter und der Epheukranz im
Haar und auch die ganze Art wie die Figur auf
dem untergebreiteten Mantel sitzt, erinnert sehr an
Darstellungen des jugendlich gebildeten Dionysos
in der jüngeren Vasenmalerei. Dabei balaucirt die
Figur in geradezu spielender Weise das Attribut des
höchsten Gottes auf dem Zeigefinger der Rechten.
Weist uns schon dieses Motiv darauf hin, dass wir
es mit einem Product etruskischer Kunst zu thun
haben, so wird diese Annahme bestätigt durch die
Art der Kränze, welche die Mittelfiguren beider
Seiten tragen. Dieselben bestehen otfenbar aus
Blättern, die an einen Faden gereiht sind, und
solche coronae sutiles ') kommen in der griechischen
Vasenmalerei, soweit meine Beobachtung reicht,
nicht vor, während sie auf etruskischen Vasen und
Spiegeln häufig sind.
'') Aelmlich auf Spiegeln, /,. 15. Gerhard Tal'. Sl, 2; 284,
1; 325; 346; auch auf Vasen wie der r. f. llvdria aus Gela.
ArehUol. Zeitg. 1870, Tat". 31, no. 23.
3) Vgl. Uecker, Gallus III-, S. 319 fif.
85
G. Kürte, Krater aus Caere.
86
Es fragt sich nun, ob unsere Figur als Zeus mit
Attributen des Dionysos oder als Dionysos mit dem
Blitze des Zeus aufzulassen sei. Die Frage wird
dadurch complicirter, dass in der etruskischen Vasen-
malerei, natürlich der des Verfallstils, Dionysos
zwar gewöhnlich unbärtig, jedoch auch bärtig dar-
gestellt wird^), und zwar, wie es scheint, mit An-
lehnung an den Dionysostypus der streng rothfigu-
rigen Vasen, dem, wenn auch in freierer Weise,
die künstlich gedrehten Locken entnommen sind,
welche zu dem im Uebrigeu mehr als freien Stile
dieser späteren Vasen in entschiedenem Gegensatz
stehen*). Andererseits wird auf etruskisciien Spie-
geln, wo Dionysos (Fufluns) stets unbärtig er-
scheint*), mehrfach Zeus in Verbindung mit dem
dionysischen Thiasos gesetzt oder iu seiner äusseren
Erscheinung dem Dionysos augenähert. So ist Ger-
hard 81, 2, wo Zeus eine Lasa umarmt '), ein kleiner
Satyr mit Flöten zugegen; ein Narthexscepter hält
er, ebenfalls einer Lasa gegenüberstehend, auf
Taf. 281; mit dem Epheukranz ist der unbärtige
Tinia geschmückt Taf 74. Ebendahin gehört es,
wenn auf den von mir publicirten Vasen aus der
■*) Mo», d. Inst. X, 51; Annali d. Inst. 1878 tav. d'agg.
H; Geihaid, Trinkschalen u. Gef. 11, 29; I, 10, 3 (von G.
irrig als Ikarios und Erigone erklärt, offenbar Dionysos und
Ariadne; der Technik nach etruskisches Localproduct). — Uebri-
gcns dürfte die liärtigkeit des Dionysos auf Vasen dieser
Gattung kein sicheres Kriterium etruskischen Ursprungs sein;
auch auf sicher griechischen findet sich Dionysos bärtig darge-
stellt. Hierher gehört der aus Böotien stammende Kantharos im
Varvakion (Collignon n. 563), welcher nach meinen vor dem Ori-
ginal gemachten Bemerkungen ganz den Charakter dieser späteren
Vasen zeigt, namentlich einen gelblichen Thon imd theils mit
breitem theils mit ganz feinem l'iusel (die Anwendung der Feder
in der Vasenmalerei halte ich nach den Aussagen eines sehr ge-
schickten Nachahmers griechischer Vasen in Corneto nicht für
wahrscheinlich) ausgeführte Zeichnung. Auch Cowpte-rendu
1861, 4 und Arch. Zcitg. 1873, 14 sind hier zu nennen.
') Dies ist auch in unverkennbarer Weise auf dem Krater
von Nazzano, .Wo», d. I. X, 51 der Fall; besonders auffällig ist
der Contrast Gerhard Trinksch. u. Gef. II, 29. Auch für die
in der vorigen Anmerkung angeführten griechischen Vasen gilt
die Beobachtung.
') Die einzige Ausnahme Gerh. Taf. 305 ist nach Klügmann's
Bemerkung von verdächtigem Aussehen, und die.<er Verdacht wird
zur Gewissheit durcli die Thatsache, dass die Zeichnung der
Taf. 87 fast genau (im Gegensinn) entspricht, nur dass dort Fufluns
unbärtig ist.
') S. Etrusk. Spiegel V Taf. 1 — 3. S. 10 f.
Gegend von Orvieto °) Hades ein Scepter führt,
welches völlig die Gestalt eines Thyrsos hat.
Nicht als ob diesen äusserlicheren Annäherungen
des Zeus und Hades an den Typus des Dionysos
tiefe mythologische Gedanken und Bezüge zu Grunde
lägen: vielmehr führte wohl das starke Hervor-
treten bacchisciier Darstellungen in dieser jüngeren
etruskischen Kunst die Künstler mehr unbewusst zu
einer Uebertragung bacchischer Züge auf andere
Göttergestalten '). Während aber in allen diesen
Darstellungen die walire Bedeutung des betreffenden
Gottes klar erkennbar ist, so bleibt in unserem Falle
dieselbe zunächst zweifelhaft.
Wenden wir uns, bevor wir eine bestimmte Ent-
scheidung versuchen, wieder zu der Hauptdar-
stellung zurück. Dieselbe erinnert in ihrer Gesammt-
heit auf den ersten Blick au Darstellungen des
bacchischen Thiasos mit dem jugendlich gebildeten
Dionysos als Mittelpunkt '"). Die Mehrzahl der
Figuren gehört dem bacchischen Kreise an, dem
auch Aphrodite und Eros (die Erstere dürfen wir
ohne Weiteres in der sich spiegelnden Frau er-
kennen) nahe stehen. Stellt aber die Mittelfigur
wirklich den Dionysos dar? Bei näherer Betrach-
tung wird man diese Frage entschieden verneinen
müssen. Allerdings führt Dionysos auch sonst ge-
legentlich das Scepter (z. B. Man. d. I. X, 51), aber
nicht ohne durch anderes, ihm ausschliesslich eigen-
thümliches Beiwerk näher bezeichnet zu sein. Sol-
ches fehlt hier durchaus, während es dem Künstler
ein Leichtes gewesen wäre, dem Gott z. B. einen
Kantharos in die freie Hand zu geben. Dies hat
er nicht nur unterlassen, sondern diese Gestalt an-
scheinend mit Absicht von der bacchischen Um-
gebung unterschieden. Sie allein trägt keine Perl-
schnüre um die Brust, ihre Haltung ist majestätisch
und ebenso wenig für einen Dionysos passend, wie
es das den ganzen unteren Theil des Körpers um-
hüllende Himation ist. Ist aber nicht Dionysos, so
8) Mon. d. Inst. XI, 4. 5.
') Dies ist der Sinn der Anmerkung Ann. d. I. 1879.
p. 303, 1, deren zweiter Theil durch uncorrecte Wiedergabe
meines Manuscripts das Gegenthcil zu besagen scheint, wodurch
die ganze Anmerkung sinnlos wird.
'») Vgl. z. B. Mon. d. Inst. X, 3; Denkm. d. a. K. I[. 585.
6»
87
G. Körte, Krater ans Caere.
88
kann nur Zeus gemeint sein, den das Seepter als
König der Götter genügend cliaraiiterisirt.
Schon oben haben wir aus der Beschreibung der
einzelnen Figuren gesclilossen, dass eine bestimmte
Handlung dargestellt sei. Der Satyr rechts und der
Jüngling links von Zeus wetteifern im Leierspiel,
die Gegenwart des Zeus verbietet, an eine gelegent-
liche Uebung innerhalb des dionysischen Thiasos
zu denken. So drängt sich die Deutung auf
Apollo und Marsyas unwillkürlich auf. Erst bei
dieser Deutung findet die Geberde des Satyrs zur
Linken, welche so offenbar einen besonderen Sinn
hat, eine genügende Erklärung. Er scheint seinem
Genossen zuzurufen: das ist unser Instrument
(die Flöte nämlich), warum versuchst du dich im
Wettstreit auf einem fremden (der Leier), in dem
du unterliegen musst!
Es ist wahr, dass auf einem anderen etruski-
schen Monument, dem Spiegel Gerh. Taf. 308, beide
Instrumente in Gegenwart des Dionysos und der
Ariadne (?) "), von je einem Satyr gespielt werden
in einer Weise, dass man an eine Art Wettstreit den-
ken kann. Wer aber beide Darstellungen mit ein-
ander vergleicht, wird der grossen Verschiedenheit
derselben leicht inne werden und erkennen, dass auf
der Vase nicht nu einen Wettstreit zwischen den
beiden Satyrn mit Leier und Flöte zu denken sei.
Die übrigen Figuren fügen sich leicht der gegebe-
nen Deutung.
Der Jüngling in der Chlamys, welcher mit so ge-
spannter Aufmerksamkeit den Vorgang verfolgt, ist
Olympos, des Marsyas Schüler"). Aphrodite und Eros
sind auch auf der Vase von Ruvo Arch. Zeitung 1869
Taf. 17 bei dem Wettstreit zugegen. Als Richter
fungirt Zeus selbst, wie er auf der oben citirten
ruveser Vase in der Mitte der oberen Reihe zu-
gegen ist. Ihn erkenne ich auch in dem bärtigen
Manne mit Seepter, der von Stephani Comple rendu
1862 Taf. VI, 2 publicirten Vase, welchen der
") Gerhard meint, dass die Frau geflügelt sei; mir scheint
eher, dass sie die L. innerhalb eines Obergewandes erhebe.
''•') Ohne phrygische Mütze oder sonstiges Kennzeichen des
Asiaten erscheint derselbe auch auf den Vasen Mon. II, 37 und
Arch. Zeitg. 18ÜM, Taf. 18, sowie auf mehreren pompejanischen
Wandgemälden.
Herausgeber als einen „Bewohner von Nysa" deutet
(S. 116) "). Dass der Mythus den etruskischen
Künstlern nicht unbekannt war, zeigen die Spiegel
Gerhard Taf. 295 und 296, welche die Vorberei-
tung zur Schindung des Marsyas darstellen.
Zugegeben werden muss freilich, dass der von
uns als Apollo gedeutete Jüngling vom Künstler
nicht völlig deutlich als solcher gekennzeichnet ist,
wenn auch das Aeussere desselben zu dieser Deu-
tung recht gut stimmt. Ihn etwa als Olympos zu
deuten, verbietet der Jüngling links unten, welcher
dann unerklärt und überflüssig bliebe. Auch glaube
ich, dass durch die Gegenwart des Zeus und durch
die Motive der übrigen Figuren die Deutung auf den
Wettstreit zwischen Apoll und Marsyas genügend
gesichert ist. Unter den übrigen Darstellungen
dieses Mythos steht der unsrigen die Vase Mon. d.
Inst. VIII, 42 am nächsten. Michaelis '^) hat er-
kannt, dass es sich dort um einen Wettkampf auf
der Leier zwischen Apoll und Marsyas handele.
Unsere Vase gewährt ein zweites Beispiel dieser
von der gewöhnlichen Ueberlieferung abweichenden
Darstellung des Mythos. Dass diese auf einer be-
sonderen Form der Sage beruhe, wonach Apollo
von dem Satyr eine Probe im Leierspiel verlangt
habe, glaube ich freilich nicht. Vielmehr scheint
mir die Abweichung von der gewöhnlichen Sagen-
form lediglich auf Rechnung des Künstlers zu setzen,
dem nur im Allgemeinen die Vorstellung von der
Künstlerüberhebung des Marsyas und seiner Gegner-
schaft gegen den Gott des Leierspieles vorschwebte
und dem die nicht seltenen Gestalten leierspielender
Satyrn geläufig waren. Es scheint mir, dass diese
Auffassung durch den etruskischen Ursprung un-
serer Vase an Wahrscheinlichkeit gewinnt.
Was endlich die Deutung der Rückseite betrifft,
so werden wir in der Mittelfigur auch hier den
Zeus zu erkennen haben. Die Verschiedenheit
seiner äusseren Erscheinung von dem Zeus der
Vorderseite erklärt sich durch den verschiedenen
Cliarakter beider Darstellungen und die verschiedene
") Die Abbildungen einer anderen von Stephani citirten
Vase mit einer ähnlichen Gestalt (Gerhard, Ant. 15ild\v. 27;
lil. (;&. II. t)4) sind mir nicht zur Hand.
'*) Arch. Zeitg. 1869, S. 42.
89
A. roiizo, Goldsclinmok.
90
Rolle, welche Zeus dabei spielt. Dort ist er der
Richter in einem wichtigen und denkwürdigen Wett-
streit, hier der fröhliche Genosse baccliischer Lust.
Ob diese Gegenüberstellung vom Künstler beabsich-
tigt sei, lassen wir dahingestellt sein; dass er den
Zeus auch auf der Rückseite darstellen wollte,
scheint doch der Blitz zu beweisen; denn sichere
Beispiele der Ucbertragung dieses Attributes auf
andere Götter, ausser auf die im Gigantenkampf ge-
dachte Athene, sind mir nicht bekannt ' ■■). Auch diese
") Auf dem Rande eines Spiegels von Palestrina, im Besitze
des Herrn Dutuit in Ronen {Gaz. urchiol. 1878, pl. 17. 18),
sieht man in der oberen Hallte ein Gelage von 5 männlichen
Figuren, von denen 4 unbärtig sind; einer der Zecher trinkt aus
einer Phiale, so dass die untere Hälfte des Gesichts verdeckt ist.
Er hält im 1. Arm den Blitzstrahl. Was man vom Gesicht
sieht und die Umgebung würde eher zum Dionysos als zum
Zeus passen. Am 1. Ende der Darstellung bläst eine jugend-
liche, ganz nackte männl. Figur die Doppelflöte, ihr Kopf scheint
vorn kahl. Wahrscheinlich ist es ein jugendlicher Satyr.
Darstellung gehört also unter die oben angeführten
Beispiele der Annäherung des Zeus und Hades an
den Dionysos ^ für das umgekelirte Verfaiiren fehlt
es eben an Beispielen. In dem tanzenden Jüngling
zur Rechten möchte ich den Gott des Weines selbst
erkennen; an sich istesaucli möglich, einen mensch-
lichen Thiasoten in demselben zu sehen.
Schliesslich möchte ich darauf hinweisen, dass,
wenn der vorstehende Deutungsversuch in manchen
Punkten der völligen Sicherheit entbehrt, dies eben
in dem etruskischen Ursprung des Gefässes seinen
Grund hat. Ist es schon an sicii schwer, in dem
Bestreben, den Gedanken der Künstler nachzu-
gehen, die richtige Grenze inne zu halten, so gilt
dies besonders von den etruskischen Erzeugnissen,
deren Verfertiger sich den Gestalten- und Gedanken-
kreis einer fremden Kunst in mehr äusserlicher
Weise angeeignet haben.
Rostock. G. Körte.
G0LD8CHMUCK KLEINASIATISCHER FUNDORTE.
(Tafel 7.)
Wir haben auf Tafel 7 nach Zeichnungen Karl Hu-
manii's die Abbildung eines Goldschmucks gegeben,
welcher sich im Jahre 1882 noch vollständig im
Besitze des Herrn Lawson in Smyrna befand, nach
dessen Angabe er am Golf von Eläa gefunden ist. Im
Winter 1883 sah ich nur noch das Diadem bei Herrn
Lawson und konnte so die Zeichnung Humann's,
zu deren Controle auch noch eine Photographie auf-
genommen wurde, mit dem Originale vergleichen.
Mit den übrigen Gegenständen war das nicht mehr
möglicli; sie waren bereits in anderen Besitz, un-
nachweisbar wohin, übergegangen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das
Ganze aus einem Grabe als Schmuck einer weib-
lichen Verstorbenen stammt. Leichte Waare, zum
Gebrauch im Leben ungenügend, eigens für den
Todtenschmuck augefertigt, hat es diesem Zwecke
über Jahrtausende hin entsprochen.
Das Diadem (n. 1) ist aus dünnem Goldblech ge-
macht. Es hat an jedem Ende einen Schlitz zur Durch-
fuhrung eines Bandes und zur Befestigung am Kopfe
der Todten. Das zierliche Palmettenornament ist
von der Rückseite eingepresst; es wiederholt sich
nach beiden Seiten hin symmetrisch, doch mit
derjenigen Freiheit, welche das griechische Orna-
ment vor Langweiligkeit bewahrt. Auf den bei-
den Seitenvoluten der Mittelpalmette sitzen, ein-
ander entsprecliend, nach aussen gekehrt, zwei
geflügelte weibliche Wesen; von ihrer Bekleidung
mit einem langen Chiton sind Spuren an den
Beinen noch eben kenntlich. Sie hatten eine jede,
das eine Mal in der rechten, das andere Mal in der
linken Hand, eine brennende Fackel mit breiter
Manchette, ein Geräth, über welciies wir ßötticher
eine Zusammenstellung in dieser Zeitung XVI, 1858,
Taf. CXVII, S. 199ft". verdanken. Den Ursprung
91
A. Coiize, Goldschnmck.
92
dieser hier ornamental verwendeten Gestalten möchte
ich im dionysischen Kreise mit Bezug- auf dessen
nächtliche Feiern suchen.
Als aus noch dünnerem Goldbleche wie das
Diadem gearbeitet bezeichnet Humann die neun
viereckig eingerahmten Plättchen, n. 2 — 7 unserer
Tafel, von denen n. 5 doppelt, n. 7 dreifach vor-
handen war; Huniann meinte, dass auch n. 2 und 4
Wiederholungen aus derselben Form sein könnten.
Unregelmässig eingeschlagene Löcher dienten offen-
bar zum Aufheften dieser Plättchen auf irgend-
welches Kleidungsstück, ein Verfahren, für welches
uns die südrussischen Gräber so besonders zahl-
reiche Belege geliefert haben (vergl. z. B. Compte
rendu pour fannee 1864, S. 181 f. zu Taf. V, 6 — 9.
1865, S. 49 zu Taf. II, 7—9). Von den eingepressten
Köpfen erkennt man n. 5 und 7 leicht als tra-
gische und komische Maske, n. 6 vielleicht als
Silen, während ich n. 2 und 4 wie n. 3, zumal
allein nach der Zeichnung, nicht zu bestimmen
wage.
Den Schmuck der Todten vervollständigte ein
Halsgehänge, von welchem die unter n. 8—12 ab-
gebildeten runden Goldplättchen herrühren, welche
mit einer Oese zum Aufreihen auf einer Schnur ver-
sehen sind. Humann giebt an, dass sie etwas
stärker als die Plättchen n. 2 — 7, und dass ihrer
neun waren; er bezeichnet diejenigen nicht, welche
von den fünf abgebildeten etwa wiederholt vor-
handen waren. Audi hier bildet jedes Mal ein eiu-
gepresster Kopf oder vielmehr ein Brustbild den
Zierrath, kenntlich n. 9 als Helios, n. 10 anschei-
nend als Athena, n. 12 als Eros.
N. 13a und 13b sind ersichtlicher Weise die
Ohrringe, in der Zeichnung anders gestellt, als sie
im Ohre hängen würden. Nacii Humann's Angabe
waren auch sie von Gold und in den dünnen
Theilen massiv, in den phantastischen Tiiierköpfen
hohl gearbeitet.
Endlich n. 14 zeigt einen massiv goldenen Finger-
ring, auf seiner Platte erhaben einen Athenakopf
mit dreibuschigem Helme.
Das Diadem ist auf unserer Tafel ein wenig
verkleinert; es misst 0,33 M. in der Länge, inmitten
in der Höhe 0,075 M. Die übrigen Stücke sind in
ihrer wirklichen Grösse abgebildet.
Ausser diesem allem Anscheine nach zusammen-
gehörigen Schmucke sah ich im Besitze des Herrn
Lawson noch vier kleine Diademe, etwa 0,15 bis
0,19 M. lang, mit Löchern an beiden Enden zur
Befestigung, wohl von Kinderleichen lierrtthrend.
Dem dünnen Blatt ist jedes Mal etwa dasselbe ein-
fache Epheuornament eingepresst, wie es hierneben
skizzirt ist.
Wir haben die Gelegenheit benutzt, mit die-
sem Lawson' sehen Goldschmucke, den Humann's
Zeichnungen noch gerade vor seiner Zerstreuung
als ein Ganzes bewahrt haben, ein ähnliches
Todtendiadem der Aufmerksamkeit der Archäo-
logen näher zu rücken. Es wurde in der Samm-
lung Calvert an den Dardanellen, als aus Abydos
herrührend, von Stark bemerkt (Nach dem griech.
Orient S 379), von Alois Hauser daselbst im Jahre
1873 gezeichnet und von ihm in Teirich's Blättern
für Kunstgewerbe B. V, Heft 4 herausgegeben. Da-
nach ist untenstehende Abbildung verkleinert herge-
stellt. Hauser's Zeichnung ist in natürlicher Grösse
gehalten, 0,285 M. lang, in der Mitte 0,06 M. hoch;
Stark giebt die Länge auf 0,29, die Höhe auf 0,03
an. Das in das Blech eingepresste Ornament zeigt
reiche figürliche Bestandtheile. Wie ich bei dem
grösseren Lawson'schen Diadem nur vermuthen
konnte, wozu aber auch der Epheuschmuck der
kleineren Diademe daselbst passt, sind hier die
Haui)tfiguren deutlich dem an Beziehungen zum
Todtenkultus ausgiebigen bacchischen Kreise ent-
nommen. Dionysos und, um einen geläufigen Namen
zu gebrauchen, Ariadne, beide, er in seiner rechten,
sie in ihrer linken Hand mit dem Thyrsos, neben ihm
der Pantlier, sitzen auf dem Blattkelch in der Mitte,
in ornamentalem Sichentsprechen gru])pirt, nicht
ganz unähnlich wie die beiden Mittelgestalten auf
dem Sarkopliage Casali (Matz-Duhn, n. 2344, jetzt
93
ü. Löschcke, TganiZm.
94
in Kopenliagener Privatbesitz). Jederseits sitzen
weiterhin auf dem Ranivenwerk entlang in etwas
einförmiger Anordnung- vier weibliche Gestalten,
alle musicirend, je drei auf dem Trigonon, je eine
auf der Kithara. Von der Rolle zum mündlichen
Vortrage, welche nach Stark's Angabe je eine beider-
seits halten soll, sehe ich nichts.
Die Si'immtlichen hier zusammengestellten Todten-
schmucksachen rühren gewiss aus hellenistischer Zeit
her; dafür spricht die Formenbildung.
A. C.
TPAPEIAI.
Die einzigen Grabmäler, die Demetrios von
PhaleroL gestatten wollte, waren nach Cicero
Legg. II 26, 66: „eine kleine Säule, nicht höher als
3 Ellen" oder „ein Tisch" oder „ein kleines Becken."
Die columellae müssen entsprechend den columnae^
von denen unmittelbar vorher bei der solouischen
Gesetzgebung die Rede ist, als kleine aifjXai ge-
fasst werden, also schmale Platten, deren Höhe auf
3 ni]X£ii:, knapp l'/, Meter, beschränkt wird.
Was sind aber tnensae und laheUa?
Ich nehme als selbstverständlich an, dass De-
metrios keine neuen Formen für Grabmäler erfunden,
sondern die Anwendung der vorhandenen auf die ein-
fachsten und deshalb — trotz allem Luxus — ohnehin
schon verbrfeitetsten I)eschränkt hat. Es ist daher zu
erwarten, dass mensae und labeltu in unserm Vorrath
sepulcraler Sculpturen des IV. Jahrhunderts einen
breiten Raum einnehmen.
Becker-Goel 1 ') erklären die mensae für Würfel
oder andere viereckige Steine, die oben eine glatte
Fläche darboten, während an den Seiten sich vielleicht
Reliefs befanden. Uebereinstimmend hiermit glaubt
sie Herr St. Kumanudes'O iu oblongen, kasten-
oder tischartigen Grabaufsätzen mit Sockel und Sims
wiedererkennen zu dürfen, wie sie mehrfach bei
') Charikles 111 S. 147.
■) 'fCTiiyn. (jtnvußioi \<. XVI. Ein Exemplar ist abgebildet
Curtius u. Kaiipert, Atlas von Athen Bl. IV hinter 111.
Hagia Triada ausgegraben worden sind^). Aber
bei seiner Inventarisirung der Antiken Athens hat
L. V. SybeP) nur 11 derartige Monumente vor-
gefunden, und diese vertheilen sich nach Ausweis
der Inschriften auf drei Jahrhunderte; drei von
ihnen gehören überdiess derselben Familie an. Jene
tisch artigen Aufsätze sind also nur eine vereinzelt
auftretende Form des Grabmals, was sich bei ihrem
schwerfälligen , lastenden Charakter leicht erklärt.
Ja ursprünglich waren sie, wie es scheint, nicht ein-
mal als selbständiger Grabschmuck gedacht, sondern
dienten nur als Untersatz für marmorne Grabvasen.
Bei den Nummern 3348 — 50 Sybel's sind die Füsse
dieser Vasen noch auf der Oberfläche erhalten, bei
2486, 2502, 2514 ist als Ersatz für die nie auf-
gestellte Vase an der Seite eine Amphora in Contur
eingerissen. Andere, künstlerisch mehr selbständige
Reliefs finden sich an diesen Monumenten nie: sie
machen einen fast ärmlichen Eindruck.
Dies Alles steht nicht im Einklang mit dem was
^) Stark und B lii mn er zu Uerniauns Lehrbuch d. Griech.
Privatalterthümer S. 3S;3 verweisen auf Becker, Kumanudes und
V. Sybel, ohne Eigenes zu bieten. Blass, Att. Beredsamkeit II
S. !)1 denkt an Tische oder tafelförmige Untersütze mit Statuen.
Aber dann wären doch die Statuen die Hauptsache und man
würde das Ganze nicht iitiinfLai, mensae genannt haben. Ziemlich
das Richtige steht bei Cavedoni, Bullet, dell' Inst. 1857 [). 140
und in l'assows Wörterbuch s. v.
*) Skulpturen z. Athen S. XI.
95
G. Lösehcke, Toänt'Cat.
96
wir sonst über rgänsCat als attischen Grabsclimuck
wissen. Wir sind darüber verliältnissmässig gut unter-
richtet durch die kostbaren Bruchstücke der vielleicht
vonPolemon revidirtenGräberperiegese des Diodoros,
die sich in den Lebensbeschreibungen der 10 Redner
erhalten haben. Aus ihnen ergiebt sich, dass die
TQaneCa, wie ich schon aus dem Gesetz des De-
metrios glaubte folgern zu müssen, wohl die ver-
breitetste Form des Grabmals im IV. Jahrhundert
gewesen ist. Männer- undFraueu-, Staats- und Privat-
gräber sind damit geschmückt, und manche wohl-
habende und gebildete Familie wählt sie ausschliess-
lich als uvfj^ta für ihre Angehörigen. So standen
zgäne^lai auf den Staatsgräbern des Lykurg und
seiner Söhne '^), sechs zgänsCai auf den Gräbern
der Angehörigen des Isokrates, und auch dessen
Grab hatte eine eigene rganeCa, obgleich es ausser-
dem noch durch die Säule mit der Sirene aus-
gezeichnet war'^). Figürlicher Schmuck war an
ihnen häufig. Die auf den lykurgischen Gräbern
aufgestellten heissen a. a. 0. nsnmtjintvai „kunst-
voll gearbeitet", und welcher Art die Darstellungen
waren, zeigt das schon erwähnte Grabmal des
Isokrates, auf dem man den Redner sah umgeben
von den hellenischen Dichtern und von seineu
Lehrern — unter diesen Gorgias auf eine Himmels-
kugel blickend — , also den Verstorbenen im Eiysium
in Mitten seiner Geistesverwandten, genau wie wir
ihn in Mitten seiner Blutsverwandten auf den uns
erhaltenen Grabreliefs dieser Epoche zu sehen ge-
wohnt sind').
Ich brauche es wohl kaum auszusprechen, dass
ich in diesen Grabreliefs, speciell den von minder
5) Vit. X. or. p. 842 E.
6) a. a. 0. p. 838 C.
') Mit mehr Recht als auf die Vase der Myrrhine, die
Benndorf in den Mitth. d. Inst. IV S. 183 schön erklärt hat,
hätte sich Ravaisson für seine Annahme, dass die attischen
Grabreliefs Scenen im Eiysium darstellen, auf die rgecTif^« des
Isokrates berufen können und auf die Dichterstatuen beim Grabe
des Theodektes (Vit X. or. 837 D). Aber gerade diese Dar-
stellungen auf den Gräbern von „Geisiesheroen" des IV. Jahrhun-
derts, charaktcrisiren sich als Ausnahmen von altattischer An-
schauung und Vorläufer hellenistischer Denkweise. Auch in for-
meller Beziehung scheint sich das Grabrelief des Isokrates von den
gewöhnlichen, an phidiasischer Tradition festhaltenden Grabreliefs
unterschieden und einen für seine Zeit modernen, dem hellenisti-
schen sich nähernden Charakter getragen zu haben. Wenigstens er-
innert die Darstellung der o(/ «('yn iimi>oXoyiyt.ij unmittelbar an das
hellenistische Relief aus ScherschelArch. Zeit. 18G2 Taf. CLXVI, 1.
Ob der Umstand, dass Isokrates, wie es scheint, in Eleusis ge-
weiht war, auf den Schmuck seines Grabes von Einfluss gewesen
ist, lässt sich noch nicht sicher entscheiden.
gestreckter Form im Gegensatz zu den schlanken
an^lni die Denkmälergattung sehe, die Demetrios
und die Periegeten als TganeCai bezeichneten und
der auch wir diesen Namen wiederzugeben haben.
Fast möchte es selbstverständlich scheinen, dass
ein Schmuck, der — ein Höchstes in seiner Art —
uns noch heute durch stillen Zauber die Metoiken-
gräber an der Piräischen Strasse weiht, dem vom
Volke geschmückten Hügel eines Eteobutaden nicht
gefehlt hat. Aber auch wer für solche Argumentation
unzugänglich ist, wird durch die bezeugte weite
Verbreitung der TgänsLai und durch die Art ihres
Bildschmucks gedrängt, sie mit jenen Reliefs zu
identificiren. Und ihre Benennung igansl^vti d. h.
nicht, wie Cicero übersetzt hat, metisae sondern
iabulae, nicht „Tische" sondern „Tafeln", steht damit
in bestem Einklang. Denn neben den Tischen
älterer Form mit vier hohen Füssen, verwendete
man in Athen auch starke oblonge Platten, die un-
mittelbar auf den Fussboden gelegt wurden, als
Tische*). Brauchte man sie nicht, so standen sie
') Ein gutes Beispiel aus dem IV. Jahrhundert bietet der
Deiuos der Sammlung Saburoff, herausgegeben von A. i'urt-
waengler Taf. LVII. Vergl. auch die Kindertischchen bei
Ileydemann G. Vb. XII 9. 10. Für frühere Zeit wird diese
Form des Tisches bezeugt durch die Gestalt des Altars auf der be-
kannten Lekythos Mi Hingen, Arte, mied, mon. pl. 29 = Welcker,
A. D. III Taf. XVII, 1 : Nike mit Scepter und Aphlaston in den
Händen vor einem ganz niedrigen Altar stehend, auf dem als
Opfergabe ein Apfel liegt. Ich glaube übrigens, dass dieses
Vasenbild uns über die Form des Altars der Athena-Nike auf
dem Pyrgos belehrt. Der Apfel weist deutlich auf die Cultstätte
dieser Göttin hin (Kekule, die Reliefs a. d. Balustrade d. Athena-
Nike S. 25) und ein höherer, mehr würfelförmiger Altar würde
den ohnehin so beschränkten Raum vor dem Tempel noch mehr
beengt haben. Da die Nike in ihrer abgeschlossenen Composi-
tion und mit ihren ungewöhnlichen Attributen ganz den Ein-
druck macht nach einem statuarischen AVeihgeschenk für einen
Seesieg gezeichnet zu sein, so legt es der Stil des Bildes nahe
als Vorbild an die eherne Nikestatue zu denken, die nach
Paus. IV 36, 6 die Athener zum Andenken an die Land- und
Seekämpfe bei Sphakteria auf die Burg weihten. Sollten die
sinnlosen Buchstaben an dem Altar: KO0V^ (der fünfte
ist unsicher) durcheinander geworfene Elemente des Namens
KiiQvij i'iaiov sein? Gelegentlich mag noch an eine andere Vase
erinnert werden, auf der eine Figur der Grosskunst copirt zu
sein scheint: die Florentiner Oenochoe mit der reitenden Selene,
publicirt von Ileydemann, Mittheil. a. d. Antikensammlungen
in über- u. Mittelitalien Taf. III, 2. Das Vorbild war hier die
Selene in der Pandorageburt an der Basis der Parthenos, deren
Pferd, nach Ausweis der Lenormant'schen Statuette, ganz wie es
das Vasenbild zeigt, den Kopf bis zur Erde neigte. Dies schöne
Motiv, das die Composition so leise ausklingen lässt, löst die
Schwierigkeit, Selene nicht scheinbar gegen den seitlichen Rand
anreiten zu lassen, in einer des Phidias würdigen Weise und
vollendet die Responsion mit dem steil aufsteigenden Gespann
97
G. Lösclickc, l\jdntZ(u.
98
vcrniutlilicli, g-anz wie es bei eutspreclienden Tiscb-
platten aucli licute in Griecbenlaud landesüblich ist,
auf der sclinialen Kante gegen die Wand gelehnt und
forderten in dieser Aufstellung den Vergleich mit
den Iteliefiilatfen der Griiber gleichsam heraus.
Zuerst wird man die Grabsteine mit horizontalem
Abschluss, wie dasKeliefdessalaminischenJüngliugs,
der mit Katze und Vogel spielt (v. Sybel 7()) oder
das Gemälde auf dem Grabe des Agathon (Curtius-
Kaupert Atlas Bl. IV, VI), als iqämtai bezeichnet
haben. Aber auch bei den mit flachem Giebel ab-
schliessenden Steinen, von Hegeso und Dexileos
bis Demetria, ist die Grundform doch so ausge-
sproclien tafelförmig, dass man leicht versteht, wie
sie unter den Namen iQam'Cai einbegrifi'eu werden
konnten. Es ist nun ganz unglaublich, dass Demetrios
die Grabreliefs gestattet, die noch anspruchsloser
auftretenden Grab v äsen verboten haben sollte.
Vielmehr scheinen sich diese unter den von Cicero
erwähnten /n6e//a zu verbergen. Becken und Schüsseln
sind nie als häutiger Schmuck auf die Gräber gestellt
des Helios. Wir haben am Fusse dieses Axifsatzes die Figur der
Oenochoe, nach Ileydemanns Publikation verkleinert, und die ent-
sprechende der Lenormant'schen Basis, nach dem Berliner Gips-
abguss neu gezeichnet, zum Vergleich nebeneinander gestellt.
Ueber Darstellungen der reitenden Selene vergl. ausser Heyde-
mann a. a. O. Furtwängler, Sammlung Saburoff Taf. XLIIl.
und Tirocinium philoloi/um sod. sein. Bonn. (1883) S. 71, wo der
auch von Furtwängler besprochene Londoner l'yxisdeckel von
F. Winter herausgegeben ist.
worden, sonst müssten sie sich in unserni Denk-
mälervorrath finden''). Es bleibt also wohl nur die
Annahme übrig, dass Cicero ebenso wie bei den
mensae ungenau übersetzt hat. Bedenkt man, dass
ihm die Namen griechischer Gefässe schwerlich so
geläufig waren wie dem modernen Archäologen, so
dürfte die Annahme doch vielleicht nicht zu gewagt
erscheinen, dass im Gesetz XnvxQocpnqoi als Grab-
schmuck erlaubt wurden, Cicero diese aber als
labella auffasste, als Gefässe, die zum Invead^ai
dienten. Vielleicht findet ein Anderer eine gefälligere
Lösung der Schwierigkeit; so viel scheint mir aber
schon jetzt deutlich, dass Demetrios, weit entfernt
von dem Versuche in bilderstürinerischer Barbarei
die schönen Grabreliefs und Grabvasen des IV. Jahr-
hunderts unterdrückeu zu wollen, sie im Gegen-
theil neben einfachen Stelen als würdigsten Schmuck
empfohlen hat.
Dorpat. G. Loeschcke.
^) Ein zerbrochener, beckenartig ausgehöhlter Block, der bei
Hag. Triada liegt und wohl gelegentlich dort als lahellum ge-
zeigt wird, kann in seiner Vereinzelung nichts beweisen. Von
den bei L. v. Sybel a. a. 0. S. X aufgezählten Schalen sind keine
nachweislich auf einem Grabe, drei sicher am Südabhang der
Akropolis gefunden worden.
'") Dass die loviijoifonoi thönerne, später auch in Marmor
nachgeahmte Amphoren waren, hat A. Milchhoefer erwiesen
in den Mitthl. d. Inst. V S. 176. Vergl. auch Herzog, A. Z.
1882 S 131 ft'. und Furtwaengler, Sammlung Saburoff zu
Taf. LVni und LIX.
Archjiolog. Zt^'. Jahrgang XLH.
99
100
ARCHAISCHER
(Tafel
Die drei vorliegenden Tafeln enthalten eine
Eeihe von Goldsacheu, die ich wegen ilirer hohen
Alterthümlichkeit und der grossen Seltenheit ver-
wandter Gegenstände habe zusammenstellen lassen;
sie stammen alle bis auf den grossen Brustschnmck
Tat". 10,2 aus Griechenland und befinden sich
mit Ausnahme von Taf. 9,5 und der dem kgl. Mu-
seum zu Kopenhagen gehörigen Stücke Taf. 9,1.2
im kgl. Antiquarium zu Berlin.
Die auf Taf. 8 vereinigten Stücke wurden zu-
sammen erworben als aus einem Funde in einem
Grabe bei Korinth stammend. Sie bestehen aus
gelbem Golde.
No. 1 ist ein ganz dünnes Goldblech mit ein-
gestempelten Figuren. Die Abbildung ist wie die
der säuimtlichen Stücke dieser Tafel in Original-
grösse ausgeführt. Zu oberst läuft ein etwas un-
regelmässiges Zickzackband. Dann folgt ein Fries
mit der Richtung nach links. Zunächst 1. drei Ken-
tauren mit Menschenbeinen; das Original ist hier
sehr zerknittert ; die Abbildung giebt nur das völlig
Sichere. Sie halten Baumäste in den Händen. Es
folgen zwei Reiter; der Hinterkopf des ersten ist
mit einem Busch ausgestattet, den wir bei den fol-
genden Figuren noch mehrfach finden werden, und
der doch wohl einen Helmbuseh bedeuten soll.
Dann kommen wieder zwei Kentauren mit Baum-
ästen; dieselben haben indess pferdeförmige Vor-
derbeine, bei der Kleinheit und primitiven Ausfüh-
rung freilich mit minimalem Unterschied von den
menschlich gestalteten. — Es folgt nun ein langer
Zug von Menschen, die, das eine Bein etwas he-
bend, alle nach 1. schreiten und sich die Hände
auf die Schultern zu legen sclieincn, oder wohl eher,
obwohl dann die Arme sehr kurz gerathen wären,
sich die Hände reiclien, wie zu einem Chorreigeu
verbunden; sie haben, soweit kenntlich, alle jenen
Busch am Hinterkopf. Der vorderste I. trägt eine
Lanze, der fünfte einen Gegenstand, der ein Bogen
sein dürfte. Unterbrochen wird der Zug an einer
GOLDSCHMUCK.
S. 9. 10.)
Stelle von einer Gestalt, die ein gehörntes Thier
mit langem Schwänze herbeiführt und in der an-
deren Hand etwas hält, das ein gekrümmtes Messer
sein könnte. Eine Gestalt r. davon ist nach r. ge-
wandt wie ein Anführer der folgenden Zugabthei-
lung. Es scheint ein Opferfest gemeint zu sein.
Zur Füllung dient über dem Thiere ein kurzer Stab
mit zwei Aesten. — Dasselbe Motiv dient auch
auf dem folgenden, unteren Friesstreifen zur Fül-
lung. Er wird eröffnet zur Linken durch zwei
Reiter nach r. ; dann folgt ein Mann, der sein Ross
nach r. am Zügel führt; ein Busch am Hinterkopf
ist gezackt. Ihm entgegen kommen zwei Reiter;
dann ein Mann mit einer Lanze, der wieder ein
gehörntes Thier führt, hinter dem ein Mann mit
Buscli sehreitet, wenn er nicht, wie es eher scheint,
darauf reitet. Die Füllung des Raumes ist ausser
durch das obengenannte Motiv auch durch ein Ha-
kenkreuz und einen fliegenden Vogel (?) hergestellt.
Nun folgt wieder ein langer Zug von Gestalten, der
in zwei Theile zerfällt: voran acht Figuren, die sich
wieder wie die oberen gegenseitig an den Händen
fassen und den Busch tragen, der vorderste hat eine
Lanze; dann 16 Gestalten, welche den einen Arm an
die Hüfte des Vordermanns legen und den anderen
hoch erheben. Sie tragen keinen Busch; vielleicht
sind hier Frauen gemeint im Gegensätze zu den
bewaffneten Männern. Sämmtliche Figuren heben
den einen Fuss etwas und sind im Schreiten, oder
besser wohl im Tanze begriffen.
Ueber die Bedeutung des Ganzen, das sich etwa
als Leichen-Feier und -Opfer ansehen liesse, wird sich
schwerlich etwas Sicheres sagen lassen. Besonders
interessant ist gewiss das Vorkommen der Kentau-
ren, die mit den Reitern ') gemischt erscheinen. Sie
tragen den Ast, der in ältester Kunst ihr gewöhn-
liches Attribut ist. Dass die Kentauren in der Ty-
pik der aus abgeprägten Formen hergestellten älte-
I) Kelter auch aul der Viise lios späteren „l)i|i_vl(iiistiles"
Jjerlin 56 (t'iirtw.).
101
A. Furlwängler, Arcliaisclier Goldselimuck.
102
stcn Relief'kuiist besonders zu Hause sind, liat Milcli-
liüfer nacliscwiescn"). Das vorliegende Stück tritt
als Bestätigung hinzu; es wirft ebenso ein Licht
auf die Herkunft der in den sog. Buccherogefässen
erscheinenden Typik; denn die Verwandtschaft un-
seres Reliefs mit den ältesten gepressten Flachreliefs
der Buccherotechnik ist unverkennbar; mehr frei-
lich noch die mit den gepressten Tiionreliefs von
Rhodos''). Indess hat der Stil unseres Reliefbandes
noch bestimmtere nähere Analogien auf griechischem
Boden. Das sind die geometrischen sog. Dipylon-
vasen; die eigenthüralicli schematische Autfassung
des menschlichen und des Pferdekörpers ist hier
wie dort diesell)e, und wir dürfen das Relief jenem
grösseren Kreise von Metallarbeiten griechischer
Provenienz zuzählen, die jenem so ausgeprägten
Stile folgen. —
Wir schliessen hier gleich die Besprechung von
Taf. 9, 1, dem einen der in Kopenhagen befindlichen
Stücke, an, da dasselbe in genau demselben Stile ge-
halten ist. Es stannnt aus Athen und soll in einem
jener ältesten Grälter am Dipylon gefunden sein.
Es ist ein dünner Streif von Blassgold. Zwei Dar-
stellungen sind auf dem erhaltenen, indess theil-
weise lückenhaften Stücke je zweimal abgestempelt,
mit einander abwechselnd; jede ist von der anderen
durcli ein l)reites lineares Ornamcntbaud getrennt.
Die eine Darstellung zeigt 1. zwei mit den Köpfen
einander zu-, mit den Beinen, wie es scheint, ab-
gewandte Männer, die sich in derselben Weise wie
in dem vorigen Relief die eine Hand zu reichen
scheinen und in der anderen einen an der einen
Seite gezackten Stab, wohl einen Ast, halten. Dann
folgt ein springendes Ross mit lose herabhängen-
dem Zügel; über seinem Rücken erscheint der Ober-
körper eines Mannes mit Helmbusch nach r., der
eine Waffe erhebt; ein stehender Mann sticht von
r. mit der Lanze nacii seiner Hüfte. Offenbar ist
gemeint, dass ein Reiter von hinten verwundet
wird, die Zügel verliert und sich nach dem Gegner
umwendet: ein auffallend complicirtes Kampfmotiv,
-) Anfüiige il. Kuiibt S. Tu f.
^) Srtlzmann, ti^cro//. de Caminis pl. "27; Milcliliiiler, Anfänge
.S. 7:!l.
das hier freilich in primitivster Weise ausgedrückt
ist. Bei der Wiederholung dieser Gruppe r. am Ende
folgt nicht das Ornament, sondern ein den Speer
werfender Reiter; doch ist das Vordertheil des Rosses
nicht mitabgepresst, ein Beweis von Nachlässigkeit,
wie er in dieser mechanischen Kunstthätigkeit nicht
auffallen darf. — Die andere Darstellung zeigt einen
Kentauren mit menschlichen Vorderfüssen und mit
dem Aste in der einen, einem kürzeren Zweige in
der anderen Hand. Dann eine beide Male frag-
mentirte Männergruppe. Als Füllung tritt hier wie
im vorigen Relief der kleine Stamm mit zwei Sei-
tenästen auf Dass die beiden Stücke aus einer
Fabrik stammen, ist nicht zu bezweifeln. —
Taf 9,4 zeigt in Originalgrösse ein aus Athen
stammendes kleines Diadem von gelbem Golde;
die Ornamentation besteht nur aus drei Reihen
eines unregelmässigen Zickzackbandes. Die völlige
Uebereinstimmung mit Taf 8, 1 in Zeichnung und
Ausführung weist das Stück demselben Kreise
zu. —
Eine etwas verschiedene Gattung von gepress-
ten Bändern finden wir durch Taf. 9,2 repräsentirt.
Es ist ein Diadem, im Museum von Kopenhagen
befindlich, das ebenfalls aus Athen stammt und aus
etwas blassem, doch gelberem Golde besteht als
Taf. 9, 1. Die Enden sind in der Abbildung weg-
gelassen, da sie nur die Fortsetzung des eigenthüm-
lichen Mäanderbandes enthalten, das die ganze Breite
des Streifens füllt; dasselbe besteht aus drei über-
einander gesetzten einfach gebrochenen Mäander-
linien; die drei Reihen sind aber durch kurze Quer-
stäbchen untereinander verbunden, was dem Gan-
zen den Anschein des Complicirten giebt. Unter
No. 5 derselben Tafel habe ich noch ein anderes
Diademband aus blassem Golde abbilden lassen, das
ebenfalls aus Athen stammt und im Privatbesitz
befindlich ist; es gehört wohl derselben Fabrik
an. Es zeigt in zwei Reihen das einfache Mo-
tiv ^1 ; durch Querstäbchen sind die Reihen
verbunden. Das Diadem ist vollständig (die Abbil-
dung giebt nur das r. Ende wieder) und hat die
Länge von 0,37; an beiden Enden je ein Loch. —
Doch zurück zu dem Kopenhagener Stück, das
7*
10c
A. Furtwängler, Archaischer floldsehmnc
104
iu der Mitte eine bildliche Darstellung aufweist.
Dieselbe wiederholt sich zweimal mit geringen Va-
rianten. Ein Löwe hat mit seinem Rachen den
Kopf eines waffenlosen Mannes erfasst, der sich
vergebens wehrt, indem er das eine Vorderbein des
Löwen und die Schnauze desselben erfasst; ein
zweiter Löwe kommt von r. und setzt ihm die
Tatze auf den Eücken. Die Scene ist durch ihre
Neuheit und Originalität in ihrem Kreise sehr über-
raschend. Sie schliesst sich an keinerlei geläufigen
Typus an; sie will einen wirklichen Vorgang wie-
dergeben, den Ueberfall eines wehrlosen Mannes,
etwa eines Hirten, durch zwei Löwen; aber die Dar-
stellung ist ungeschickt und hat wenig Wahrschein-
lichkeit; denn es sieht fast aus, als ob der Mann
den Kopf absichtlich in den Rachen des Thieres
stecke. Indess ist die Gruppe doch nicht völlige
Neuschöpfung, sondern schliesst sich offenbar an
den Typus an, der statt des Menschen einen Stier
zeigte, der sich mit den Hörnern gegen den einen
Löwen wehrt, während ein zweiter ihn von hinten
anfällt. Im Jahrgang 1883 dieser Zeitschrift Taf.10,2
habe ich eine archaische griechische Lekythos mit
diesem Typus veröffentlicht und zugleich (S. 159 ff.)
Einiges über die Darstellung von Kämpfen zwischen
Löwen und Menschen in ältester griechischer Kunst
gesammelt, worauf ich hier verweisen kann.
Die anderen mir bekannten, dem vorliegenden
gleichartigen Goldbänder, die man am leichtesten
an der constanten Einfassung aus kleinen Stäbchen
erkennt, und die alle denselben etwas weichlichen
breiten Stil zeigen, bringen keine menschlichen Fi-
guren, sondern nur Friese von Thieren, namentlich
Löwen und Hirschen. Von einigen derselben ist
es sicher constatirt, dass sie in den ältesten Grä-
bern mit den geometrischen Vasen am Dipylon bei
Athen gefunden wurden*). —
•*) Gemeint ist das aus zwei Stücken bestehende Band aus
Blassgold in Berlin, bei Curtius, d. arch. Bronuerelief (Abb. d.
Akademie 1879) Taf. III, 4. 5 abgebildet (Hirsche und löwen-
oder pantherartige Thiere nach r.); ferner das im Louvre s.
Uaremberg, dirA. de l'unliqu. p. 788 No. 933 und vgl. Annali d. I.
1880 p 130 (Furtw.); zur Auffindung Annali 1872 p. 136. 154
(Ilirschfeld). — Ein hierher gehöriges Band besitzt mich das
British Museum (mit der Be/.eichnung 3,4); es zeigt vier löwen-
Einen durchaus in diese Gattung gehörigen
Goldstreifen, eine neue Erwerbung des Berliner An-
tiquariuins aus Athen '*), publiciren wir auf Taf. 10, 1.
Es ist ein vollständiges Diadem, an beiden Enden
mit einem kleinen Loche zum Umbinden versehen.
Das Merkwürdigste an dem Stück ist die fabrik-
mässige Rohheit der Herstellung, in die es einen Ein-
blick gewährt. Es ist nämlich geschnitten aus einem
grösseren, mit abgedrückten Stempeln bedeckten
Goldbleche, fast ohne Rücksicht auf die bildlichen
Darstellungen, die mehrfach durchschnitten werden.
Zunächst sehen wir einen schmalen Fries, iu dem
Löwe und Hirsch nach r. abwechseln; darüber und
darunter erscheinen aber Reste des nächsten Strei-
fens mit Kreisornaraenten. Dann folgt ein kleines,
in der typischen Weise umrahmtes Feld mit einer
rohen Figur, die wohl ein Greif sein soll. Gegen-
über im nächsten Felde sitzt eine ebenso rohe
Sphinx nach 1.; beide haben die vom Kopfe aus-
gehende ornamentale Locke, die auf den ältesten
Sphinxdarstellungen in Griechenland ") selten fehlt.
Der Greif hat offenen Schnabel ; Ohren sind nicht
angedeutet. Beide, Greif und Sphinx, sind flügel-
los, worauf bei der Rohheit der Darstellung indess
kein Gewicht zu legen ist. Unter diesen Feldern
sind wieder Stücke der darunter folgenden zu se-
hen; 1. unter dem Greif erkennt man den Obertheil
einer Antilope. Es folgen dann ganz nachlässig und
schief geprägte Stücke eines längeren Frieses nach
1., anscheinend wieder Löwe und Hirsch. —
In den Kreis der „geometrischen" Decoration
gehören noch einige andere Stücke unserer Tafeln.
Vor allem die zwei kreisrunden Scheiben aus Ka-
meiros Taf. 9,6.8, die mit einem von einem Loche
durchbohrten Ansatzstück zum Anhängen versehen
sind. Sie bestehen ebenfalls aus ganz dünnem
Blech, und zwar von blassem Golde. Die Abbil-
artige Thiere, je zwei einander gegenüber mit gehobenen Schwän-
zen; dazu ein Feld mit Spiralornanienten, zwei unter sich ver-
bundene Reiben, in der Art wie auf den mykenischen Grabsteinen
(Schliemann, Mykenae Fig. 140), nur loser auseinandergezogen:
ein interessantes Factum, da sonst nur die eckig gebrochenen Or-
namentmotive in dieser Gattung erscheinen.
■■■) Invent. No. 7901. Länge 0.25. Höhe 0,03.
'') V(,'l ■/.. B. das Glaspl'attchpn aus Mcnidi: Kuppclgr. bei
Meuidi Taf. V, 44 u a. Später mit Lotosblütbe am Knde.
105
A. Fiirtwiiniiler. Archaischer (lohlschinuck.
106
düng zeigt sie stark verkleinert"), doch i.st ihre
Ornanicntation deutlich; cinCacii ist No. G; reicher
No. 8, wo die ölitte von einem radförniigen Motiv
eingenommen wird ; der Streif von kleinen Stäb-
chen der dies umgiebt, ebenso wie die Kerbungen
auf dem einen Streifen des das Ganze umschliessen-
dcn Fieclitbandes, sind ganz gleich dem typischen
Kahmenmotiv der soeben besprochenen Diademe.
Es folgt nun ein Streif von primitiven Wasser-
vögeln nacli r. ; der Raum über ilirem Rücken ist
je durch eine Kugel ausgefüllt; dann Zickzack und
das Flechtband. Verwandt ist die Decoration der
Scliilde aus den Gräbern Italiens vom Typus Re-
gulini-Galassi (Mvs. Gregor. I. 18, 2; 19, 2); docli un-
serer No. G ganz besonders ähnlich ist eine Silber-
scbeibe aus einem Grabe dieses Typus in Prae-
neste; dieselbe zeigt auch das gleiche Ansatzstück,
und war mit anderen ähnlichen Scheiben zu einem
Halsbande vereinigt (Archaeologia ro/. 41, pl. 8,4;
vgl. 12,2). — Zusammen mit diesen No.6 und 8 ward
Ko. 7 in Kameiros gefunden, das in Origiualgrösse
abgebildet ist, ein kleines Anhängsel in der als
Amulet bekannten Form des Halbmondes. Zweifel-
los gehörten die drei Stücke zu dem Halsbande
einer Leiche von Kameiros. —
Die darunter wiedergegebene Fibel No. 3 ge-
hört ebenfalls noch in diesen Kreis. Sie ist aus
schönem gelbem Golde gehämmert und vorzüglich
erhalten. Sie kam mit anderen archaischen Gold-
sachen aus Athen , ohne genauere Provenienz-
angabe"). Die Abbildung ist in Originalgrösse. Die
Oberfläche ist auf beiden Seiten in ganz gleicher
Weise mit feiner Gravirung verziert. Zwei Fibeln
desselben Typus, doch aus Bronze, sind von mir frü-
her publicirt worden; die eine aus Olympia mit rei-
cher gravirtcr Verzierung iu schematisch linearem
Stil (Bronzefunde v.Oiympia, Abh.d. Akad. 1879, Taf.
No. 7; S. 36); die andere aus Theben {Annali d. I.
1880, lau. d'agg. G; p. 122if.); letztere ist sehr gross
und auf der einen Seite mit einem Pferde iu „geo-
metrischem" Stile geschmückt; die Dreiecke in der
') Im Berliner Antuiuaiium, Inv. No. 6486 u. 87. Höhe 0.08.
Dm. 0,06.
*') Berl. Antiiiiuiriuni, Inv. No. 7902.
Ecke nach dem Bügel zu stimmen mit denen auf
unserem Exemplare genau überein. Ausser diesen
sind noch einige Beispiele aus Olympia bekannt
(a. a. 0. erwähnt); docli ausserdem meines Wissens
keine, und obwohl ich inzwischen viele Museen be-
sucht habe, kann ich kein anderes Exemplar zu
den damals von mir genannten hinzufügen. Die
Herkunft des Typus bleibt noch zu erforschen.
Wir wenden uns jetzt einem anderen ent-
wickelteren Kreise von Goldarbeiten zu, in dem
bereits Darstellungen griechischer Sage erscheinen.
Wir kehren wieder zu dem Goldfunde aus Korinth
auf Taf. 8 zurück. Wir sehen hier eine Reihe von
viereckigen, überaus dünnen Goldplättcheu, die wohl
auf die Gewänder des Todten gelegt waren; Lücher
zum Aufnähen sind indess nicht zu bemerken. Von
jeder Darstellung sind mehrere Exemplare erhalten.
Das interessanteste Stück ist No. 3 mit Theseus,
der den Minotauros ersticht; es sind vier ganze und
ein halbes Exemplar erhalten. Theseus fasst mit
der Linken den Gegner an dem einen Home (ein
zweites ist nicht dargestellt) und sticht ihm mit der
Rechten das Schwert in die Brust. Der Minotaur
fasst in das Schwert und fällt dem Helden in den
linken Arm, doch vergeblich. — Dieses Schema
ist von demjenigen, das wir bisher für das älteste
für jenen Kampf feststehende ansehen durften'),
von dem der chalkidischen und altattischen Vasen,
wesentlich verschieden. Zwar der nach r. schrei-
tende und mit dem Schwerte stechende Theseus
ist in der Hauptsache gleich, doch der Minotaur
steht dort nicht aufrecht, sondern ist in mehr
oder weniger heftiger Bewegung in das eine Knie
gesunken und dem Helden entweder zu- oder ab-
gewandt gebildet. Auch die Bekleidung des Theseus
ist hier noch nicht Chiton und Fell wie dort, son-
dein das eigenthümliche Schurzgewand, das wir
besonders deutlich an einer altkretischen Bronze ken-
nen {Annali d. I. 1880, /ni\S) und das in der ältesten
') Vgl. über denselben zuletzt Conze, Theseus unJ Minotaui .
Berl. Winekelmannsprogr. 1878, S. 8. Die chalkidische Vase i>t
Mon. d. I. VI, 15 abgebildet.
107
A. Fiirtwänder. Arcbaiscber Goldschmuck.
108
griechischen Zeit weiter verbreitet war'"); der Mino-
taur hat nur jenen breiten Gurt um, der eine
Verkürzung der Schurztracht zu sein scheint. Ob
Theseus auf unserm Kelief bärtig gedacht ist (wie
er es auf den aitattischen Vasen immer ist, die aber
hier nichts beweisen), kann bezweifelt werden; denn
das weit vorspringende Kinn zeigen auch die
Fraueuprofile von No. 2, und eine andere Andeu-
tung fehlt, wogegen die langen lose hei'abfallenden
Haare deutlich sind. Hinter Theseus steht nach
dem auch späterhin lange festgehaltenen Typus
seine Beschützerin Ariadne in langem gestreiftem
Gewände. Sie erhebt die Linke, scliwerlich um
Theseus zu bekränzen "), sondern wohl nur um ihn
zu ermuntern. In der Rechten aber liält sie deut-
lich den runden Knäuel, der den Weg durch das
Labyrinth weist.
Unser Relief ist indess nicht das einzige, das
diesen alterthiimlichen eigenartigen Typus des Kam-
pfes mit dem Minotauros zeigt; ich kenne wenigstens
noch eines, das als abgestempeltes Relief auch tech-
nisch in diese Reihe gehört, freilich nicht aus Gold,
sondern aus grobem Thone. Das Museum von Cor-
neto nämlich besitzt ein grosses Thonbecken mit drei
Löwenfüssen und zwei Henkeln. Auf dem oberen
Theil der Füsse befindet sich je ein quadratisches
Feld mit Relief''); auf zweien ist ein Kentaur ab-
gestempelt mit menschlichen Vorderbeinen, der einen
Ast schultert, an welchem ein Reh hängt. Das dritte
Feld aber ist das mit Theseus und dem Minotaur,
'») Vgl. was ich hierüber in der Archäol. Ztg. 1882, S 329 f.
gesaminelt.
") So fasste es Milchhüfer auf, der diese Darstellung An-
fänge der Kunst S. ISSAnin. erwähnt.
'-■) Die Reliefs sind mit weiss-gell'er Farbe bedeckt, darauf
sind einige rothe Details gesetzt (Punktros^tten u. dgl.).
wie es vorstehende flüchtige Skizze veranschaulicht,
die nur die Hauptconturen andeuten und nur die
Stelle einer Beschreibung, nicht einer Publication
vertreten soll. Der Minotaur scheint ungehörnt.
Theseus ist auch hier anscheinend bartlos; er hebt
im Angriffe das 1. Bein; so wird unten Platz ge-
wonnen für das merkwürdigste Detail dieser Dar-
stellung, den grossen Garnknäuel, dessen Faden
Ariadne in der Rechten hält, eine recht naive Deut-
lichkeit.
Gleiche Grosse und gleiche Umrahmung hat
No. 4 unserer Tafel, in fünf Exemplaren erhalten.
Die Darstellung ist einfach und nicht mythologisch;
ein Zweigespann von Rossen schreitet nach 1.; der
Lenker im langen gegürteten Gewände beugt sich
etwas vor und hält die Zügel und den Stock. Der
Held steht hinter ihm mit dem Rundschilde und
dem Helme; letzterer ist freilich nur durch den he-
rabfallenden Busch und einen vorn eniporstehenden
federartigen Schmuck angedeutet. Die tiefe Ein-
senkung des Wagenrandes oben in der Jlitte ist
als Besonderheit zu beachten; auf den altkorinthi-
sclicii Thontäfelchen der Berliner Sammlung ist die-
ser Rand, wie sonst gewöhnlich, horizontal.
Ferner sind noch drei etwas kleinere Compo-
sitionen ebenfalls auf quadratischem Felde erhal-
ten: No. 2 zeigt einen Chor von Frauen, die
sich bei den Händen fassen; zwei blicken nach 1.
und zwei nach r.; ihre langen gegürteten Gewän-
der sind reich verziert und haben unten einen brei-
ten Saum. Es sind zwei Exemplare erhalten.
No. G, in zwei, jedoch sehr zerstörten Exem-
plaren vorhanden, stellt einen Zug von drei ge-
rüsteten Kriegern nach r. dar; man erkennt nur
Spuren der Köpfe mit langem Haare; die Beine
sind nackt.
Einen nicht unbekannten Typus finden wir auf
No. 5, wovon ebenfalls zwei Exemplare da sind.
Es ist der Mann, der die zwei Löwen bändigt, die
in wappenhaft strenger Symmetrie sich zu beiden
Seiten aufbäumen. Der Typus stammt bekanntlich
aus der orientalischen Kunst, wo er sehr häufig
ist, namentlich auf den geschnittenen Steinen; immer
sind die Tliiere hoch aufgerichtet, doch nicht immer
109
A. Kurtwänirler. Arcliaisclier Goldsclimiu'k.
110
sind es Löwen, auch Hirsche, Sphingen u. a. dä-
monische Ungeheuer. Ein anderer und wie es
scheint älterer Typus ist der, dass der Mann nur
einem aufgerichteten Löwen gegenüber ist, den er
mit dem Schwerte ersticht; dieser ist von der grie-
cliischen Kunst nicht aufgenommen worden, wohl
aber jener andere, der ein decorativ so treffliches
Schema bot. Der Mann ist auf' unserem Relief oliue
alles Charakteristische, bartlos, in kurzem Gewände.
Eine Wiederholung dieser Darstellung mit geringen
Varianten finden wir auf No. 7, wo die Köpfe der
Löwen niciit ab-, sondern zugewandt, und die
Schwänze statt gehoben gesenkt sind. Die Figur
dieses auf den Hinterbeinen stehenden Löwen ward
von der archaischen Metallindustrie auch einzeln
wiedergegeben; so ersclieint sie auf einem Brouze-
relief Olympia's'^) und mehreren anderen aus den
italischen Gräbern des Typus Regulini- Galassi'*).
No. 7 ist das Stück eines längeren Frieses und zu
beiden Seiten sind noch Reste der folgenden qua-
dratischen Felder erhalten, jedes mit einem Zuge
beschildeter Krieger. Als fortlaufende Einfassung
oben und unten ist ein Spiralband benutzt.
Im Privatbesitze in Athen sah ich 1882 meh-
rere Goldstreifen , die aus demselben Funde bei
Korinth herrühren sollen wie die unsrigen ; darun-
ter war namentlich ein längeres Stück, das in der
Mitte eine Rosette zeigt, r. und 1. davon in ein-
gerahmtem Felde je eine Frau ohne Attribute, in
langem verziertem Gewände, das jedoch das eine
Bein nackt heraustreten lässt; dann folgen wieder,
durch einen Rahmen getrennt, auf jeder Seite drei
Krieger mit Schilden, auf denen je eine Rosette
ist; sie tragen spitze, pilosartige Helme ohne Busch.
Der Stil schien mir noch alterthUmlicher als der un-
serer Reliefs.
Der Stil der letzteren ist jedenfalls ein sehr
eigenthUmlicher; besonders auffallend sind die Pro-
file der Gesichter. Zu dem Stile der altkorinthi-
schen Vasen und Thontäfelchen findet keinerlei
nähere Beziehung statt; ja ich weiss für jene Pro-
■ä) Ausgr. V. Ulympia II, Tat'. 31.
'*) S. Furtwäiigler, Bronzelunde v. Olympia (Abh. d. AkaJ.
1879) S. 69 unten.
file keine andere Analogie zu nennen als das kre-
tische Bronzerelief, das in den Aimali d. I. 1880,
tav. T abgebildet ist, wo der Steinbockträger dem
Typus unserer Reliefs überraschend ähnlich ist;
ein bedeutsamer Wink für die Herkunft der Sachen
oder wenigstens ihres Stiles.
Schliesslich erwähne ich noch die mitgefuude-
nen Kleinigkeiten: No. 8 ist ein vollständiges klei-
nes Band mit Zickzack, an Taf. 9, 4 erinnernd,
doch viel regelmässiger; au beiden Enden ist je
ein kleines Loch zum Aufnähen. No. 9 und 11 sind
verbogene Golddrähte mit Scheiben an den Enden,
auf denen ein eingeritztes Kreuz zu bemerken.
No. 12 sind die gebrochenen Hälften eines gleichen
doch längeren Exemplares. Vermuthlich war es
Schmuck für die Haare. — No. 10 ist eine Rosette
aus Goldblech mit aufgelöthetem gekerbtem Draht.
Auf den Höhepunkt archaischer Goldtechnik
führen uns die beiden prächtigen Gehänge, die auf
Taf. 9, 9. 10 in Origiualgrösse wiedergegeben sind.
Sie stammen von Melos") und sind beide in
blassem Golde gearbeitet. No. 10 ist vollständiger,
indem auch an 9 oben eine Scheibe zu ergänzen
ist, auf deren Rückseite sich wie an 10 der Haken
zum Anhängen befand; es sind trotz der Grösse
offenbar Ohrgehänge. Der Typus ist bereits von
Rhodos bekannt; Salzmann hat in seinem Werke
necropole de Caminis pl. I zwei Exemplare abgebil-
det, die aber viel einfacher sind als die unsrigen.
Ein ebenfalls recht einfaches Exemplar unbekann-
ten Fundortes befand sich in der Sammlung Ales-
sandro Castellani und ward 1884 in Rom ver-
steigert"'); auf den horizontalen Scheiben war eine
Rosette und in der Mitte ein Apfel aufgesetzt.
Die besondere EigenthUmlichkeit der Technik
dieser Stücke besteht darin, dass alles Detail aus
aufgelötheten feinen Goldpünktchen besteht, die frei-
lich die Feinheit der etruskischen Arbeiten noch
nicht erreichen. Die Greifenköpfe von No. 9 sind
'■'■) Tülken, Leitfaden lür die Sammlg. antiker Metallarbeiten,
1850, No. 61 und 63.
"') Im Auctionscatalog No. 820; blässliches Gold.
111
A. Furtwängler. Archaischer Goldschmnck.
112
getrieben iiiul hobl; die Zuuge und die Ohren sind
besonders angesetzt; ebenso natürlich der Knopf
oben, der sehr fein granulirt ist. Der Typus des
Greifs ist der beliannte archaisch griechische'').
Zwei ähnliche Greifenköpfe aus Blassgold besitzt das
British Museum aus der Sammlung Blacas. — Auf
der einen der Scheiben ist ein Zickzackornament,
auf der anderen nebeneinandergestellte Rauten aus
feinen Pünktchen gebildet.
An Ko. 10 ist der Stamm viel reicher, spiral-
förmig gedreht") und doppelt gebogen. Die hori-
zontalen Scheiben sind mit einer Rosette geziert,
über der sich eine zweite kleinere Rosette erhebt,
aus deren Mitte ein Granatapfel steigt; an kleinen
Kettchen hängen an mehreren Stellen kleine Gra-
natäpfel herab. —
Derselben Zeit und demselben Stile gehören
die beiden Stücke aus Delos an, No. 11 und 12'^);
sie sind aus gelbem Goldblech gearbeitet, die Köpfe
aus Formen gepresst mit aufgesetztem Detail von
feinen Pünktchen; die Rosetten sowie die Ränder
sind aus geflochtenem Draht aufgesetzt. No. 11 ge-
hörte zu einem grcssen Gehänge; oben befindet sich
eine Oese und unten sind Reste von Kettchen er-
halten, auch eine verbogene Bommel. Man ver-
gleiche das aus dem ältesten Theil der Nekropole
von Kameiros stammende Gehänge in der Revue
archeol. 1863, n. s. vol. 8, pl.X, wo eine selir ähn-
liche rechteckige Scheibe, die mit zwei Köpfen ge-
ziert ist, den oberen Theil des Gehänges bildet,
an dem wiederum wie an unserer No. 10 Granat-
äpfel mehrfach verwendet sind; ein zweites Gehänge,
das ebendort abgebildet ist, zeigt ausser den mensch-
lichen auch Greifeuköpfe wie unsere No. 9 und wie-
der Granatäpfel. Die Technik dieser Stücke ist
durchaus dieselbe wie die der unsrigen. Der mensch-
liehe Kopftypus ist jener ägyptisirende, über dessen
Herkunft und Verbreitung ich in 'Die Bronzefunde
von Olynijjia' S. 71 Einiges bemerkt habe. — Das
Museo civico von Bologna besitzt'""') noch eine hier
'0 Vgl. Kurtwängler, Uronzefunde S. 51.
'*) In der AMnlJuny sind die Windungen zu rnndlicli ge-
rathen.
''■>) Beil. Antiquar. No. 3473. 3474.
™) Aus der Samml. Palagi, No. :,01.
erwähnenswerthe grosse Breche, die durchaus der-
selben Fabrik angehört wie das soeben Besprochene;
das Ganze hat die Form einer von oben gesehenen
rosenartigen Blüthe; auf dem äusseren Kreis von
kreisrunden Flächen wechseln je eine Rosette und
jener menschliche Kopf ab.
Es bleibt uns noch ein Stück zu betrachten
übrig, das einem ganz verschiedenen Kreise, dem
der altitalischen Kunst, angehört. Es ist der grosse
goldene, mit reicher gestanzter Decoration versehene
Brustsclimuck etruskischer Herkunft Taf. 10, 2. Der-
selbe gehurt dem alten Bestände des Berliner An-
tiquariums an; er war in mehrere Stücke zer-
brochen, und diese Stücke waren einzeln getrennt
aufgestellt; Tölkeu"') beschrieb dieselben als Frag-
mente eines Harnisches, „Bedeckung der 1. Achsel
mit Schnalle" u. s. w. Der Versuch, die Stücke zu-
sammenzustellen, ergab mir, dass es ein vollstän-
diges Ganzes sei und nichts fehle. Die Abbildung
zeigt dasselbe etwas verkleinert; Höhe und Breite
betragen 0,25. lieber die Herkunft ist Näheres
nicht bekannt. — Auf der Unterseite des dünnen
gelben Goldes sind mehrfach die deutlichsten Reste
einer ehemaligen dünnen Bronzeunterlage erhalten,
die dem feinen Goldblech als Fütterung gedient
hatte. Rings sind an allen Ecken kleine Löcher
zu bemerken, die zur Befestigung des Ganzen ge-
dient haben.
Seine nächste Analogie findet das Stück in dem
aus der sog. lomba del guerriero zu Corneto stam-
menden, jetzt in Berlin befindlichen, das Man. d.i.
X, tav. X b, 2 abgebildet ist. Es ist dies eine frei-
lich nur einfach rechteckige dünne Goldplatte, welche
die Mitte der Brust des Bestatteten zierte und noch
auf der .grösseren Bronzeplatte liegend gefunden
wurde, welche die Brust bedeckte. Auch dieses
Goldl)lecli hat eine Fütterung \ox\ dünnem Bronze-
blech; auf der Bronzeplatte lag es lose auf.
Die beiden Stücke sind sich indess nicht nur
verwandt, sie sind gleichzeitig und stammen wahr-
'-') Leitfaden für d. .Saninilg. antiker Metallaibeiten 8. 1,
No. 1.
113
A. Furtwjingler, Archaischer Giildschinuck.
lU
scheinlich aus derselben Fabrik, da zum Theil die-
selben Stempel benutzt sind. Dies ist der Fall bei
den schwimmenden Enten, die, theils nach r. theils
nach 1. iiiwaudt, in Reihen auf beiden wiederkehren,
und bei dem kreuzförmigen Ornament, das hier den
äusseren Saum ziert. Das Motiv des zwischen die-
sem und dem Entenfries liegenden Streifens ist da-
gegen auf unserem Stück etwas grösser und gleicht
einer vornüber gestürzten menschlichen oder einer
selir plumpen vierbeinigen thierischen Figur, wäh-
rend es auf der Coruetaner Platte kleiner ist und nur
eine Schlangenlinie darstellt. Auch die Kreise sind
beiden Stücken gemeinsam; dagegen zeichnet sich
jedes auch durch Ornamente aus, die auf dem an-
deren nicht vorkommen; so hier die grossen mit
einer einfachen Rosette gezierten Kreise, ferner das
Hakenkreuz und vor allem die menschlichen Masken,
die in der Mittellinie jeweils in die Ecke gesetzt sind.
Die letzteren geben übrigens zugleich mit der
Richtung der Enten die beabsichtigte Stellung des
Ganzen an; die auf unserer Tafel r. unten betind-
liche Ecke sollte unten die Mitte bilden. Der merk-
würdige Ausschnitt der gegenüberliegenden oberen
Ecke soll offenbar der Form des Halses entsprechen,
an den dieselbe anstiess. Die zinnenartige Aus-
zackung entspricht durchaus dem Gesanimtcharak-
ter der Ornamentik.
Im Miiseo Gregoriano zu Rom notirte ich mir
eine Reihe von kleinen goldenen Plättchen, die,
so viel ich weiss, unpublicirt sind; ich gebe ihre
Form beistehend. Sie sind rings mit Löchern zum
Befestigen auf dem Gewände versehen. Ihre Form
mit den Ausschnitten ist der unserer Brustplatte
überaus verwandt. Bedeckt sind diese Plättchen
mit unregelmässig vertheilten, gestempelten kleinen
Kreisen und einem X förmigen Ornament, das dem
des äusseren Randes unseres Stückes sehr ähnlich
ist. Dazu gehört eine Reihe ganz klcnner Plättehen
von der Form ""1 , die nui- mit kleinen Kieisen
verziert sind. Alles dies stammt wohl aus einem
Grabe des Typus der lomba del guerriero. — In der
Auction Castellani zu Rom sah ich ein Kreuz (mit
gleich langen Armen) aus Goldblech (Catalog No.836)
mit Vögeln und anderen Ornamenten derselben Art
bestempelt wie die soeben besprochenen .Stücke. Ein
kleineres Kreuz dieser Art, auch mit kleinen Löchern
am Rande, indess sehr einfacii verziert, ward in
Corneto gefunden ^^).
Eine Brustplatte wie die unsrige ist mir sonst
nicht bekannt; überhaupt besitzen wir ja nur ganz
wenige Proben so grossen Brustschmuckes : in
Griechenland nur aus ältester Zeit, aus den Myke-
nischen Gräbern, und in Italien, abgesehen von der
erwähnten Cornetaner Platte, meines Wissens nur
das Prachtstück aus dem Grabe Reguliui- Galassi
{Mus. Greg. I. 82) mit einfach rundem Halsausschnitt
und einem von dem unseren völlig verschiedenen
Decorationssystem, sowie ein Stück aus einem Prä-
nestiner Grabe ungefähr derselben Periode; das-
selbe ist jedoch viereckig, breiter als hoch, und mit
einem sehr breiten Halsausschnitte in rechtem Win-
kel versehen; die Decoration besteht aus grossen
Kreisen und einfachen linearen Füllungen"').
Ich breche hier ab, da es nur meine Absicht
war, den hier publicirten Gegenständen ihre rich-
tige Stellung in unserem Denkmälervorrathe anzu-
weisen, nicht aber die Schlüsse zu ziehen, die sich
zwar hier und dort aufdrängen, aber besser noch
zu weiterem Reifen zurückbehalten werden.
A. FURTWÄNGLEK.
") Abgebildet bei Fiorelli , Notizie degli scavi 1882, tav.
XIII bis, 25; p. 190, ungewiss ob aus den Gräbern al pozzo.
wahrscheinlicher aus den p. 191 beschriebenen etwas .«päteren
Gräbern.
-^ Ärihaeolofjia Vol. 41. \A. 13, 1.
Archiiolo?. Ztg. JiihriTung XLU.
115
116
RELIEFFRAGMENT MIT DARSTELLUNGEN AUS DEM niNAZ DES KEBES.
Die hier in Va wirklicher Grösse wiedergegebene
Zeichnung ist einem Sammelbande des Berliner
Kupt'erstichkabinets entnommen. Der Band,
durch Waagen in Italien erworben, enthält „meist
Zeichnungen des IG. Jahrliunderts, viele Sark()])hage
und Reliefs, meist dieselben, die auch im Cobur-
gensis, Pighianus, und den Sammlungen des Cassiano
dal Pozzo sich finden, doch auch Einiges, was dort
fehlt; daneben aucli einzelne Statuen, Alles fast nur
Römisches; nur zwei Sarkophage aus Pisa sind
darunter. Herr Dr. Schreiber in Leipzig hat sich
eingehend mit dem Sanmielband beschäftigt, glaubt
auch den Zeichner zu erkennen, von welcliem die
meisten der Zeichnungen herrühren, und will die
Resultate seiner Uutci suchungen veröffentlichen".
Ich verdanke diese Angaben, wie die Ueber-
lassung einer Uleistiftbause in Originalgrösse der
Güte von Herrn Professor C. Robert, von welchem
aucli die Aufforderung ausging, die Zeichnung hier
zu besprechen. Herr Robert hat über dieses „wie es
scheint verschollene Rclieffragment" in der Sitzung
der Arcliäologischen Gesellscliaft zu Berlin vom
10. Juni d. J. die Ansicht ausgesprochen „das Bruch-
stück scheint von einer Rcliel'lafel herzurühren, die, in
Composition und Stil den lahiilae iliacae verwandt,
eine Darstellung der Lehre von der Seelenwande-
rung enthielt" (vgl. D. Lit. Ztg. 1884, 26 Sp. 952 f.),
nachdem ich aber in No. 29 Sp 1068 f. der gleichen
Zeitschrift auf den Zusammenhang mit dem unter
Kel)es' Namen gehenden ///Vai aufmerksam ge-
macht hafte, diese Deutung anerkannt (ebenda
Ko. 30 Sp. 1109) und mehrere Briefe mit mir dar-
über gewechselt. Ich gebe im Folgenden die An-
schauungen wieder, die ich mir auf Grund der
Banse, wie jenes Briefwechsels gebildet habe, und
zwar stelle ich stets den Text der Stellen aus Kebes
(nach Drosihn's Ausgabe, jedoch mit Aufnahme
der nach meinen Handschriften-Vergleiehuugen nö-
thigen Aenderungeu und von Emendatioiien), so-
weit seine Anführung für die Erklärung nothwendig
erseheint, v(n-aus.
1. 2. 3 . . . ntgi'iioXng i^v ff avtiji tyiov nsQtßnlnvg
öio, luv fie.v (.itiLiü, TOI' de flazzw. //i' di xal nvXrj
fTii inv rroojiov nsQtßöknv riQne: df ifj nvh] o/Kng
adöxst >;f-nv nnXvg hfeaidrui . -^ai krdov öe tv ti^)
Tifoißn?.(i) ■n?.f!löc; ii yvictixt'n' fcagÜTn. gni öe
[n'i^ ttao()(iii\ T(i{ \TiQiinnv\ nvloirng \xcd nsQißnXov]
yiyiijf iig f-at-wg ifKfdCiiy fnolei, wg nunatuTiiDV ti
117
K. K. Mnll'^r. Rolieffragiiiciit nach Kcbes.
118
-f(;7 cwiövit o"/X(i). — IV, 2. 3 . . . ^Ogära, f(frj. rnv
TTiulßnXnv xoiiriv . . . xaksliai nvint; o inriog /iing.
xal o iiylng i> noXvg n naget ti]v nvkr)v ifpsatwg ni
(.lOXrivriQ stanngf.vea'hd slt; tov Tilnv nvini elaiv.
n öf: '/tgo>v n avui foit]x<i)g 'iyiuv yagirjv rivu fv T/j
X^igi- ""t Tfj tTeg<f Saneg ösdcvvidv ii, oviog jJai/tKov
■/.ttliüiai. — XXX, 1 — XXXI, \ . . . zi Tionaichiei.
tn Jai(.invinv zn'ig sianngsiwfievnig slg zriv Blnv
noitlv; — Qaggs'iv. tipr] . . . Ooäze. f'tpr], zi]v yv-
vaJxa . . ., i/i' xai agzi t'/ih' etnnv, nzi Pvyij xa).e7-
tat; . . . Tavzrj xeXtVEi, Sfprj, ftr] niazEvsiv. . . Die
drei bejahrten, hurtigen Gej^talteii links im Vorder-
gründe stellen den oylng vor; die beiden ers^ten
führen sieh dem Anscheine nach an der Hand, das
Verhältniss des zweiten zum dritten ist nicht klar,
vielleicht legte er die Hand in den reeiiten Arm
des letzteren. Der Grund für das Führen liegt
wohl in ihrer Blindiieit; blind aber sind sie darge-
stellt, weil erst durcii die Erklärung des Jaif^iwv
ihnen die richtige Erkenntniss zu 'J'heil wird. Dieser
JaifKov steht rechts vor ihnen, das Gesicht ihnen
zugewandt, in der erhobenen Rechten den xägzrig
haltend und zugleich nach der auf der Kugel
stehenden Figur, wie wir seilen werden, der Tvyri,
deutend; die Linke reicht er dem ihm zunächst
stehenden der drei Jlänner, welcher ihm ebenfalls
seine linke Hand entgegenstieckt. Oline diese letz-
tere Geste würde man, wegen des ausgestreckten
Zeigefingers, annehmen können, dass der JalfKov
seine linke Hand wie erklärend ausstreckt. Unter-
halb, docli so dass sich dieselbe auf den gleich zu
erwähnenden Trinkenden mitbezieht, steht die bis
auf ISION (statt BION) vom Zeichner richtig ge-
lesene, deutliche Insclirifr. Hinter der Gruppe er-
scheint der ntglßnlog mit der nvlrj^ dargestellt als
hohe Mauer und durch die Inschrii't über dem Thore
als Bing ausdrücklich bezeichnet. Die bildliche Dar-
stellung hält sich also im Allgemeinen an die Worte
des Textes; nur die Blindheit der ElanngEvni.ii.voi.
und die Aendcrung im Standpunkte des JaifKov
stammt vom Künstler hei-.
V, 1 — 3 . . . Ogäg Oliv [einej naga tr^v nvXr/v
■^gnvnv zivcc xti^iaint' xaid znv znnnv, xalf^' nv
slanngsiizai o ayt.ng, ecp' nv xdi)j]zai yvvi] ns-
nlaa/iitrr] Zi~ i]'>Et xai ntt^arrj q^aivo/.iivi], (tj) xai
Iv tjj y,Etgt t%Ei notrjginv ii; . . . J/näzt] xulelvai
. . . Toig EianngEvofiivovg Eig znv Biov nnziCsi zrjv
£ai'r/;c övvauir . . . zi iazi zn noznv; FlXdvng, scpr],
xai ^yrnict . . . llinvzEg zovzo nngsvovzai Ecg zov
Binv. Rechts vor dem Thore ausserhalb des negi-
ßo).og sitzt Andzt], der Schilderung im Texte ent-
sprechend gebildet'), gekennzeichnet auch durch
die unter ihr angebrachte, jetzt veistüiiimelte In-
schrift. Sie reicht mit der Rechten eine Schale,
das nnzrjginv, einem ihr zugewandten, gerade vor
dem Eingange stehenden Jünglinge, der, im Begrifi'e
daraus zu trinken, die Schale ebenfalls mit der
Rechten erfasst. .\n diesem Trinkenden fällt die
jugendliche Bildung gegenüber den drei ix'jahrten
Gestalten links auf; ohne Zweifel liegt hier, wie
Herr Robert bereits in seiner ersten Besprechung
erkannt hat, eine Bezugnahme auf die Scelenwande-
rung — Verjüngung durcli den Trank — vor; dazu
stinunt, dass auch innerhalb des Tieglßnlng die
Menschen stets als kleine, jugendliche Gestalten
erscheinen, neben ihnen aber sie bedeutend fiber-
ragende Figuren, in welchen wir stets eine Per-
sonifikation zu erkennen haben. Die linke Hand
der .kndzT} könnte man bei flüchtiger Betrachtung
als nach den zwei rechts stehenden Figuren ausge-
streckt auffassen; allein bei genauerem Zusehen er-
giebt sich, dass sie auf einer Stütze ruht. Vl^elcher
Art diese Stütze ist, lässt sich nicht deutlich er-
kennen; am passendsten wäre jedenfalls ein Spiegel,
aber die Form der Linien spricht nicht hiel'ür, son-
dern eher für eine Tafel; an eine Lehne des i^gövog
i.st wohl kaum zu denken. Der Text des Kebes
giebt keinen AnlialtNpunkt in dieser Beziehung.
Ich wende mich nun zu der nächsten sicher er-
kennbaren Gruppe.
\ II, \. 2 . . .'H öi yvvi) fxtivrj zig iaiiv rj wansg
TV(ph) [xai finirnttfi't]] rig tirai dnxninu xai eazrj-
xina F.nl Xii^nv ztvng azgoyyvXnv; — xaXEnat
(.liv, e'cpri, Tvyq- iaii ös nv (.irnnv zv(fl>]. alld xai
^iaivnf.ievrj xai xcoq'rj . . . IlaginnoEvezai naizaynv . . .
VIII. 1. 2 0 ÖS [zäjv avi)^gi6nwi'\ noXvg nyXog
nvzng n nsgi avzi]v sazrjxwg . . . tivsg xaXnvvzai ; . . .
^TignßnvkEvzni . . . d).).' ni ftev avzwv önxnvai
yalgeiv, ni ös aO^v/iinraiv exzszaxnzag zag ytlgctg; —
Ol fi fi' öoxnvi'tic, i'cfi]. yalgtiv xai yEkäv avzwv n't
EilrjipnxEg zi nag avzr^g eiai)' . . ., n'i de öoxniivTEg
xXals(v \xai txiEiaxniEg] Eiai nag i'jv arfsikezo,
a öeäojxE ngöztgnv . . . Die oben angeführten letz-
ten AVorte von Kap. V, 3 führten uns bereits in
den Bing-., mit Kap. VII befinden wir uns also im
ngüjzng neglßnlng. Dem entsprechend erblicken wir
rechts oberhalb der Andzi] die (wie der Kaigng
des Lysipp) auf einer Kugel stehende, nach rechts-
hin sich bewegende Tvyjj mit fliegendem Gewände
') Vgl, Dio Clirysost. Oc. IV, 114 (p. 177 U.). Koerte,
Personitikationen ]jsychol. Affekte in der späteren griech. Vasen-
malerei .S.o. 8 ff. 4Gff. soff, iinl die dort angeführte Litteratur.
119
K. K. Müller. Relieffragment iiacli Kebes.
120
und durch die starke Bewegung enthlüsstem Beiue.
Links hinter ihr drei Gestalten, mit ausgestreckten.
Händen bemüht, sie an ihrem Gewände festzu-
halten; rechts vor ihr zwei ruhig liegende Figu-
ren: die crsteren jedenfalls die dnxovvTsg xXalsiv,
die letzteren wohl die doxovvzeg yalgsiv. Das
Obertheil der Tv^t] ist nicht mehr erhalten; ob
und wie der Künstler also die im Texte ihr bei-
gelegten Eigenschaften ausgedrückt hatte, ob sie
mit den Händen ihre Gaben ausstreute und w.ie
diese charakterisirt waren (vgl. VIH, ?>. 4 Tlva nvv
saviv, a öldioaiv . . . ; TJXovtoq örjlnvöti xal ön^ct
xni Evyeveia xal tlxva xal xv^aviideg xal ßaai-
).elat xal zd'f.Xa oaa tnvioig noQaih'ioia, vgl. auch
XXXVI, 1): darüber giebt uns die Zeichnung keine
Auskunit. Im Uebrigen deckt sich die Darstellung
des Künstlers mit der bei Kebes").
Soweit ergiebt sich die Deutung der einzelnen
Gruppen und Figuren von selbst aus dem Ver-
gleiciie der Zeichnung und des Textes. Aber die
nächste, links hinter der Tvxi] befindliche Gruppe
giebt zu verschiedeneu Erklärungen Anlass. Die
Hauptperson ist eine ruhig stehende Figur, von
welcher ebenfalls nur noch die untere Hälfte er-
halten ist; was sie that, entzieht sich also unserer
Kenntniss. Herr Eobert hält dieselbe für männlich
und nimmt mit Bezug auf die darunter stehende
Inschrift an, dass sie eine Persouiiikation des Blog
sei. Mir machen die Formen der Figur eher den
Eindruck von weiblichen; dazu kommt, dass wir
nach den AYorten des Textes „xakeizai ovzng n zn-
nng Ding'' eine persönliche Darstellung des Blog
nicht unbedingt erwarten dürfen. So wenig ich
leugnen will, dass der Künstler den Inhalt des ihm
vorliegenden Textes weiterbildend eine neue Figur
') ^^is^' l*iicuviuä bei lihetor. ad Herenn. II, 22, ot). Scaen.
Rom. poes. Jragm. sec. cur. recens. Ribbeck I S. 124 ft". R i b -
beck, Riim. Tragödie il. Republ. S. 251 f. l'lutarch, De Fort.
Rom. IV. Dio Chrysost Or. LXIII, 7. LXV, 12 (II p. ,327.
.345 R.). Galen. n(H,7()f77T. ;.(i;'. II ir. (I S. 3 rt'. Kühn). Ar-
temidor , Onirocril. II, 37. Isidor. Peius. I. 3 epist. 153
(cf. Broukhiiys (!(/ TibuU I, 6,34 lesp. 5,70). Ovid., ex Ponio
IV, 3, 31. 2Vii7, V, 8, 7. O Müller, Handb. § 398. Köhler,
Descriplion ä'un Camie 1810 S. 41ff. = Ges. Schriften V S. 63ff.
Zoegii, Abhandl. S. 3Gft', .Jahn, Ber. d. sächs Ges. d. \V. V
(18.53) S. 56. Anlichith di ErcoL, Bronzill S. 91ff. Müller-
Wiese 1er, Denkm. II, 924. Kngelhard, De personi/icalionibus
quue in poesi alijue arte Romanor. inveniuntur (<jOtt. 1881. Diss.)
S Uff. 43. 48. (JO f. Krsch und Gruber, .v. v. Fortuna.
Schul/., Aiinali d. Inst. XI (1839) S. 120. Rhode, Griech.
Roman S.276ff. — Bei Ilclbig, Wandgem. findet sich keine der-
artige Darstellung; s. No. 17—19. 73—75. 78 79. 942— 943b;
vgl, 453. 471.
frei erschaffen konnte, so sciieint es mir, mit Rück-
' sieht auf die sonstige Treue in der Nachbildung —
kleine Aenderungen an gegebenen Figuren ausge-
nommen — doch nothwendig, zunächst an die bei
Kebes bereits vorhandenen Personifikationen sich
zu halten. Ehe wir jedoch unter diesen nach einer
entsprechenden suchen, müssen die jene Figur um-
gebenden Gestalten betrachtet werden. Rechts von
ihr erscheint eine nur mit dem Oberkörper über die
Mauer hervorragende Gestalt; der rechte erhobene
Arm stützt den Kopf; auf dem linken, dessen unterer
Theil flach ausgestreckt ist, ruht der Körper: es
ist die Haltung eines beschaulicher Ruhe pflegen-
den Menschen. Auf der linken Seite zeigen sich
zunächst der stehenden Gestalt drei Köpfe über
oder hinter einander, von denen der unterste und
der oberste vielleicht den Blick nach aufwärts
richten. Daran reiht sich eine knieende, wie sänimt-
liche übrigen kleinen Gestalten — soweit sieh dies
unterscheiden lässt — gänzlich unbekleidete, aber
wohl weibliche Figur; dieselbe hält ihren rechten
Ann vor dem untersten der drei Köpfe nach unten
zu, wie um die Hand dieser Gestalt zu ergreifen;
den linken Arm streckt sie liinter den gleichen
Kopf aus, vielleicht um damit die Hand des Fol-
genden zu erfassen, oder auch um den Hals der
erstgenannten Gestalt von hinten zu umfassen. Be-
trachtet man diese Gruppe, so fällt sofort in die
Augen, dass sie das Pendant zu der Gruppe rechts
ist: jedesmal eine über die anderen liervorr:igende
Hauptfigur, zu beiden Seiten umgeben von zwei
unter sich verschiedenen Gruppen. Wie dort Tv^ri,
so ist hier die noch unbestimmte stehende Figur
der Mittelpunkt für die rechts und links vertheilteu
Gestalten, Nimmt man nun an, diese Figur stelle
den Bing vor, so fällt sie bei der Erklärung der
um sie gruppirten Gestalten vollständig hinweg;
für den Beschauer behält sie ja immerhin jene Be-
deutung, Hält man sie aber für weiblich, so muss
sie nicht bloss äusserlich nach der Auffassung des
Künstlers, sondern schon nach der .\bsiclit des
Schriftstellers auch innerlich den Mittelpunkt der
Gruppe bilden.
Wir haben bisher gesehen, dass der Künstler,
soweit möglich, an den Text sich anschloss; man
wird also auch hier zunächst das gleiche Verhält-
niss vorauNset/.en. Nun fehlt zwischen Änairj
(Kap. V) und Tvxrj (Kap. VII. VIII) der Inhalt von
Kap. VI, der sich ja der Reihenfolge nach gut hier
einfügen würile: . . . ezi di nix ^Q^S tvdnv zFjg
nvXqg nXrjiJng zi yvi'aixiüv [izSQCOv] narznöanag
121
K. K. Miillci-. l?clieffra}:meiit nach Kebes.
122
uoQCfdi; fxnvGÜiv ; . . . Aviai tntviiv Jn^at x«t
'Errt'h'fiiai xal Hönval xaXnvvzat. mav nvv
tlannoivtjzai h öx^ng, avanr^öiüaiv avzai xal nXs-
xoviai ngng "xuainv, eita anaynvai . . . .Ii tiiv
f:ig To aioteaOai, e(frj. ai de stg tn äuöf.hiai/ai . . .
liier ist finc iiauptpcixm nicht gegeben; die Deu-
tung der steheuden Figur als Bing Hesse sich also
mit dieser Stelle wolil vereinigen. Allein — ab-
geseiieu davon, dass icii die Kiguv als weiblich au-
nebnie — scheint mir auch die Darstellung wenig
den Worten des Textes zu entspreelien. Sowohl
die eine Figur rechts, wie jedenfalls die beiden
unteren der drei Köpfe machen den Eindruck von
Menschen; so bliebe für die Jo'Eiai, 'Eni^vfitai,
'Hdmai nur die eine knieeude Gestalt übrig. Die
Bewegung derselben kann man ja als nki-xsaiyai
nqng iiva auliassen; aber der weitere Inhalt der
Worte wäre gar nicht angedeutet. Dass aber der
Künstler eine der vom Schriftsteller völlig gleichge-
stellten JnSai, 'EniÜvfiicti^ 'Hdnrai zur Hauptti:;ur
(gleich der stehenden) erhoben hai)en sollte, will mir
wenig wahrscheinlich dünken. Dazu konnnt ein,
allerdings ausserhalb dieser Gruppe liegender An-
stoss. Die Tvyjj wendet sich nach rcchtshin, also von
denen ab, welche von den Jn%ai u. s. w. — angenom-
men, dass die linke Gruppe diese darstelle — zu ilir
kommen würden; ich würde erwarten, dass sie diesen
entgegengeht. Ausserdem befinden sicli rechts vor
ihr die dozoriTtg yaiqeiv, links hinter iiir die ön-
xni'i'isg xlaluv, welchen sie gegeben und bereits
wieder genommen hat; also wäre doch, was früher
vorgegangen ist, eigentlich auf der rechten Seite zu
suchen. Sieht man sich nun, unter Berücksich-
tigung der eben erörterten Punkte, bei Kebes wei-
ter um, so iiietet sich vollkommen ungezwungen
Kaj). IX dar.
IX, 1 — 4 ^Ogüg . . . allnv neoißolov xal
yvi'aixag e^co zov nsQißnXnv iozrjxinag xexoaf^irj-
fiavag oianeg eialgai euod-aai; . . . fj f.isv ^xgaaia
xaXtlzai, f] Si ^acozla, i) di Änkrjazia, i] de Kola-
xsla ■ . . Ilaqazr^Qnvaiv , s(pi], znvg eilrjrfozag zi
nagd zrjg Tv'/rjg . . . ^taniiöcüai xal GVfinltxnvTai
avxolg xai xnXaxevnvai . . . edv nvv zig netat^f] vn
avzüiv elaeXiWiv slg tfv' Hdvuüiteiav, (.iiygi fiivzivng
Tjöe'ta önxtt tivui rj öiazgißi) . . . '('nav avaliüorj
näi'za, '(loa tlnßs nagd zfjg TvyiiQ, ctva; xatszai
zaizaig taig yvfaiSi dnvXsvsiv . . . Danach iiätten
wir in der grossen Stehenden Gestalt die 'i;/()i'.Tay£i«
zu erkennen, in der knieenden links eine der yvval-
xeg, in dem ruliig sitzenden Meusclien rechts das
Stadium der Glückseligkeit, in den Gestalten links
das der Knechtschaft. Allein auch gegen diese
•Anschauung lässt sich geltend machen, dass nur
eine der ywalxeg, in dem erhaltenen Stücke wenig-
stens, mit Sicherheit nachzuweisen w.'ire. Vielleicht
iulirt uns die Erörterung eines Punktes, welchen
ich bisher absichtlich überging, zu einer befrie-
digenden Lösung der Schwierigkeit.
Zwischen den Füssen der stehenden Figur er-
scheinen einige gerade Linien, die kaum zu dem
Gewände gehören; was bedeuten diese? Auf die
Gegenübeistellnng der beiden Gruppen innerhalb
des negißnlng lialie ich i)ereits aufmerksam ge-
macht. Sollten wir nicht diese Gegenüberstellung
im Aeu.sseien auch auf den Inhalt beziehen dürfen?
Dann würden auch jene geraden Linien ihre Be-
deutung erhalten. Ich denke an Kap. XVIII, 1. 2:
Ovxnvi' nagd zrjv nvhjv riQÖg, e'rpt], ort yvvrj zig
fozl xaA/j xal xad^eazijxvla zö rrgoaionnv, (.liarj
de xal xEXQii.iivq rjdrj zfj rjXixia, azo).ijv de eynvaa
anlr^v te xal dxaX?.(ümaznv ; eazrjxs öe nvx snl
azgnyyvlnv Xid^nv, ulf' enl zszgaycuvov, dacpalwg
xEt/.ievnv xal /.tsza zavtrjg alXai övn elal Üvya-
zf'geg ttvic doxnvaai ehai . . . /; i^tev ev zw /^leaoj
Ilaideia iazlv, rj de ^Xtj^tia, rj de Tleti^tö. Aller-
dings steht die hiernach als flaideia anzusprechende
Figur nicht auf dem Xilrng zezgäycovng, der durch
jene Linien angedeutet wäre, sondern dieser liegt
zwischen ihren Füsseu. Allein dies scheint mir
darin begründet, dass der Künstler auf den Raum
Rücksicht nahm; sie hätte sonst zu weit in die
obere Relieftläche hineingeragt. In der kleineren,
knieenden Figur könnte mau eine der ^vyaiegeg
erblicken wollen; aber die zweite fehlt, und dann
ist im Texte gar nichts davon gesagt, dass jene
zwei d^vyazegeg irgendwie in die Handlung ein-
greifen. Jene knieende Figur im Bilde ist aber
mit einer oder zwei der übrigen Gestalten völlig
beschäftigt. Ziehen wif den Inhalt der voraus-
gehenden Kapitel bei, dann ergiebt sich auch hie-
für eine meines Erachtens annehmbare Vermuthung:
XV, 3 — XVI, 4 Ovxnvv xal ßovvng zig vifjTjX.og . . .
xal dväßaaig azevfj nävv xal xgrjfivovg eynvaa . . .
ßa&elg . . . ^iizt] znivvv eazlv rj ndng, ecpt], rj
ayovaa ngng t)]v aX.rjitivrjV Tlaideiav . . . enl zov
ßnvvnv ogcig nezgav zivd fieydXrjv xal vifjrjX^v xal
xvx?.(i) dnnxgi'i^ii'ni'; . . . 'Ogüg nvV xal yvvaixag
di'o fazrjxinag enl zijg nezgag Xinagdg xal evexznv-
aag rü aioi.iazi, lug ixzszoxaai zag yelgag ngnitv-
(XMg . . . 'H ,M6i' Eyxgäziia xaXtlzai. e(pr]. rj de
Kagzegia . . . llagaxdlnviuv . trprj. znvg naga-
yiyvo/nevnvg . . . !/aggeh' . . . nidg avaßannvciiv; ngiä
12c
K. K. Müller. Reliefframiieiit nach Kebes.
124
yao ndnv (pionvaav nvd£,i(iav sn' nvxäg. — ^vzai
unn znv xgrjivov ngoxaraßannvai, xal f'?.xovaiv
avrnig aiio . . . Die Thätigki-it der knieendeu
Fi.sur läs^t sich ja voilkoninien als flxetv bezeich-
nen, wir hätten in ilir also entweder 'Eyxoaveia
oder KttQzEoia zu sehen, die mit jeder Hand einen
Menschen auf den i^oiii/og lieraufzieht; ob der dritte
Kopf, der eine ziemlich unerklärliche Haltung liat,
vielleicht der anderen jener yvvalxtg angeliört,
lässt sich kaum bestimmen. Auf diese beiden
yvvaixsg und ihre Charakterisirung als siexrovaag
T(ü oiü^icai würde auch die bildliche Darstellung der
kuieenden Figur in voller IS'acktheit'') sehr gut
passen. Die ruhig: sitzende Gestalt rechts würde
entweder ein bei der 'Eyxgäzaia und Kaozegia aus-
ruhender Mensch sein (vergl. XVI, 4 eiza xelevnvaiv
avTovg diavanaiaaa&ai), oder eher ein zur Ilai-
öela bereits vorgedrungener, der schon die sni-
on\i.tr} xov ^trjöiv av tzots dsivov naitslv sv tcjj
Bi(o (XVIII, 4) von ihr empfangen.
So würde sich Alles befriedigend erklären lassen;
aber — nach Kebes ist die Tlaidtiu erst im drit-
ten, nicht im ersten nsQißolng. Dürfen wir
glauben, dass der Künstler so weit von seiner
litterarischen Vorlage al)wich? Ich wies schon oben
bei dem Jalua'v darauf hin, dass der Künstler seine
Motive theilweise aus Kap. XXX entnommen habe.
Wie, wenn derselbe sieh überhaupt wesentlich an
die Kap. XXXff. gegebene Rekapitulation des haupt-
sächlichsten Inhalts gehalten und aus der vorher-
gehenden ausführlichen Darstellung nur die zum
Verständnis« des Ganzen nothweudigen Gruppen,
sowie die Charakterisiruug im Einzelnen entlehnt
hätte? Die eben angeführten Kapitel handeln zu-
nächst von Jai/iinviov und Ti'x';, gehen dann aber
sofort zur üaiöila über (Kap. XXXII) und er-
wähnen die Jn^ai u. s. w. gar nicht, die 'Hdimn^'^sia
mit ihren Genossinnen, sowie die '■Utvöonaiösia
nur als Durchgangspunkte, um zur rintdela zu ge-
langen. Die alartnqsvcftsvoi, der Jalfdov, die Jlnazi]
und die gleich zu besprechenden übrigen Figuren
mussten Aufnahme finden, weil ohne sie die ricli-
tige Entwickelung gefehlt hätte; die Anordnung in
drei neQ/ßnlni aber war dann nicht mehr möglich,
3) Vgl. die oben citiiten Stellen V, 1. VI. 1. IX, 1. XVIII. 1 ;
ferner unten X, 1. X, 3 und XII, 2 yvrri . . . niirv xalhiiiio; y.iu
ivTaxiOi. XIV, 1 yvraixi; . . . o/.ioitti iiof nixuiuig. XX, "i/oyoj'
yvvttixiiiv üjg fit/JVrf öoxovniv thcii xiü tinrtxioi xiii nioXIiv
(iiQiqfoov y.d'i ÜTiXfiv 'i/ovniii . . . oig !in).itnjiii . . . oi'Ja-
fjiüg xhxuD.wninufrtii . XXI, 3 yvvrj \_xii!ltaiyixviu^ tvnörj-;
TIS . . . xtxonfi)ju(it] lltvItOjoii XIÜ <<7ifoi^(iyiog
und nur der erste und grösste, den Bing im
Ganzen umfassende wui'de dargestellt; höchstens
konnte der Evdaif.invia für sieh ein besonderer
Kreis zugewiesen werden (vgl. unten). Es konnnl
noch etwas Anderes hinzu: konnte der Künstler
überhaupt die vielen von Kebes vorgefahrten ein-
zelnen Gruppen — vom Räume ganz abgesehen —
genügend charakterisirt zur Darstellung bringen?
Ich möchte dies bezweifeln''). Auffallen könnte nur
die Auslassung der '^svdonaidsia mit ihren An-
hängern (Kap. XIII), die ja durch Attribute leichter
zu kennzeichnen waren. Allein vielleicht waren
diese hinter resp. oberhalb der Tvxr] dargestellt,
ebenso hinter der Tlaiöela die 'Eniaztj/m] mit den
übrigen ^qezai (Kap. XX), so dass auch hier wieder
zwei sich entsprechende Gruppen dem Beschauer
sieh darboten. Die Krönung des Ganzen aber bildete
die Evöatfiofia, welche den zu ihr durchgedrunge-
nen Menschen als Sieger mit dem Kranze belohnt
(Kap. XXIff.^).
Ehe jedoch hierüber mit annähernder Sicherheit
sich urtheilen lässt, bedürfen die noch nicht bespro-
chenen Figuren der Erklärung. Rechts neben der
JinäzT] stehen zwei Gestalten , die grössere leicht
(oder gar nicht?) bekleidete rechts, über deren Rücken
ein Band wie von Ringen oder Kugeln sich hinzieht,
sicher männlich, die andere in ihr Gewand gehüllte
nicht sicher bestimmbar. Icli hielt dieselben Anfangs
für die Personifikationen des Trankes der Änäzi],
nlävng und Jiyvnia, weil ich glaubte, Jlndzi] strecke
ihre linke Hand gegen sie aus. Allein Herr Robert
machte mich aufmerksam, dass die Reihe von
Kugeln, welche die eine Figur auszeichnet, als
Blumenguirlaude zu fassen sei und diese Bekrän-
zung i'ür den /ZAavog sich nicht erklären lasse; zu-
gleich wie.s er darauf hin, dass die von der Evdai-
(.invia Bekränzten wieder dahin zurückkehren, von
wo sie ausgegangen waren, um die Schicksale der
übrigen Menschen kennen zu lernen (Kap. XXIV f.).
Ich sehliesse mich dieser Deutung vollkommen an
und sehe dann in der anderen Gestalt einen der
aazeffävuizoi, welche ebenfalls wieder dahin ge-
langen (Kap. XXVII f.). In diesem Falle mttsste
man auch diese Gestalt als männlich betrachten.
Dass beide Figuren grösser als die Menschen im
■') '^'s'. hierüber auch: Caylus, Sur le Tableuu de Cibes . . .
= Hisloire de rAcinl. r. d. Inscript. XXIX (1764) S. I49ff. = Ab-
handl. /.. Gesch. u. z. Kun.st II S. 184 ff. Böttiger, Hercules in
hivio S. 20. Kl. Schriften II S. 311.
■') Liosse sich nicht das bekannte Relief des Arelielaos /.um
VerL'lciche hier beixiehen?
125
K. K. Mal
l?clieffi-agmeut nach Kebcs
126
n£gißn?.ng — aber uiclit so gross wie die Persoui-
liivatioiicn — dargestellt sind, findet seine genügende
Eiklüiung wohl darin, dass beide ja bereits an
das Ziel des Lebens gelangt sind.
Es erübrigt nocli, die beiden unterhalb dieser
Grujjpe aui'tauebenden Köpfe zu besprechen. Der
grössere rechts gchiirt unzweifelhaft einer weib-
liciien Figur an, dci- kleinere links unten einer
niäniilichcn. Wo befinden sich diese nach Kebes?
/^Trar?; mit den zwei anderen (k'stalten nimmt otfcn-
liar einen erhöhten, gegen das Tlior resp. den l^latz
(ia\or und gegen den liauni, aus dem jene iieiden
Köpfe hervorragen, abfallenden Platz ein; die Linie,
welche untei-halb der Jlnärrj sichtbar ist und hinter
dem w('il)lichen Ko])fe sieb w(dd fortsetzte, deutet
die vordere liegrcnzung desselben an. Ebenso füllt
der Ort, den die tlcnngevö^iemi mit dem Jaificov
einnehmen, nach rechtshin schroff ab. Jene beiden
Köpfe resp. die zugehörigen Figuren weilen also in
einem zwischen diesen Erhöhungen liegenden tiefe-
ren Jiaunie. Aulfällig könnte nur erscheinen, dass
dann L4naTTj dem Trinkenden ihr 7Tnxi]Qinv über
eine Kluft hinüber reicht. Denn dass man diesen
tief gelegenen Raum auch nach dieser Kichtung
bin ausgedehnt denken muss, macht das schraffirte
Stück waluscheinlich, welches Herr Robert für eine
Tbiir hält. Diese Deutung führt dann auch auf
die Erklärung des Ortes und der dort befindlichen
Personen. Von der 'HöviätJEia und ihren fle-
nossiniien (Kap. IX; vergl. oben) \\ird der Mensch
der TifKDQin üliergeben: "Oinv nvi- Trärra airni^g
fnüünfj, TjciQadidnviai i ij Ti/iitjoia
X, 1 — XI, 1 Tlni'a ÖS iariv avit]; — 'f>Q{<g nnlato
it, \ttf'y],\ rtincür cnio üantQ th'ginv \/iiixQnr] xai
znnoi' arsri))' Tiva xai axnrstrni'; Oi'xovv xai yi'-
rnJxEQ aiayigai xoi gimagal xai qänrj i]f.tififaiüvai . . .
ytvioi ... 1] fifv xr^v fiönriya eynvna xctleiiat Ti-
fiioQta . r df xfjv xE(fakr]v ev znlg yniaaiv e'ynvaa
ytvnrj^ tj ds rag rgr/ag tlllnvaa faiizr^g 'Oövvt] . . .
n nagtatrixwg avraig dvaeidijg ztg xai Xemog xai
yi'fifog xai /ist avTo7^ tig . . . ahr/Qu xai Xenzi] . . .
0 itsv Oöt'Qiiing . . . ij öf JUfviiia . . . Tnvinig nii
nagadiöoiai xai fieza znvuor ov/Lißirn ziiicogov-
ftarng. Ena fvTnv!)a ttciIiv sig zur i'ngor ntxnv
Qinztzai €ig i if Kaxrtdatitnvli(r xai (uÖE znv himnv
ßtnv -xaTuaruf^ffei . . . av /.lij i- Mcidinia avim fniTvyij
\fx rrgoaigfatiDg] avvavzTjOaaa . . . 'ESaigti avinv
fx z(T)v xaxwv . . . Dass der Kunstler diesen bei
Kebes hinter und olierhalb der 'Hdvnädeta befind-
lichen Kaum anderswohin verlegt, darf bei ge-
nauerer Ueberlegun:;' der Möglichkeiten der Dar-
stellung kaum Wunder uehmeu; dass dann in der
Tiefe, also im unteren Theile des Keliefs, der rich-
tige Platz war, ist ebenfalls klar; liess sich doch
der Zusammenhang mit dem Biog vermittelst des
xh'ginr gut herstellen. Die weitere Frage, ob der
Künstler den nixog der Tifuogia und ihrer Gefähr-
ten, wie den der Kaxndtti/.tr)vi'a oder nur einen von
beiden zur Darstellung gebracht hatte, lässt sich
bei der weitgehenden Verstümnielung nicht ent-
scheiden; möglich ist ja, dass unterhalb der £tff;ro-
gainuEvot dieser Kaum sich noch weiter nach links
erstreckte. In dem männlichen Kopfe hätten wir
so einen der Tifiwgt'a oder der Kaxodaifinrta ver-
fallenen Menschen zu erkennen. Wem der weib-
liche Kopf angehört, ist fraglich; das meiste spräche
für Mszävnia"), worauf auch Herr Robert hinwies;
doch kann auch Kaxndai/itnvla in Betracht kom-
men; bei den übrigen Personifikationen entspricht
die Charakterisirnng, wie sie in den Worten des
Textes gegeben ist, nicht der bildlichen Darstel-
lung.
So wäre wohl für die noch erhaltenen Theile
des Reliefs eine im Allgemeinen befriedigende
Deutung erreicht; dass im Einzelnen Jlanclies frag-
lich ist, daran trägt der verstünmielte Zustand die
Schuld.
Versuchen wir eine Ergänzung des Ganzen, wie
sich dieselbe nach den vorhergehenden Auseinander-
setzungen ergiebt, so haben wir im untersten
Streifen (der gegen unten vielleicht ebenfalls mit
einer Mauer abgegrenzt war): die Darstellung der
durch eigene Schuld dem Unglück verfallenen Men-
schen — eine Art Unterwelt — ; im zweiten
Streifen: die ^'orstellung des Eintritts in das
Leben und der diesen begleitenden Umstände; im
dritten Streifen: die verschiedenen Phasen des
Lebens; vermuthlich im vierten und letzten
Streifen: die Bekränzung des an's Ziel gelangten
Menschen durch die Evöaiiiovta.
Ich habe das Relief nach den \\'orten des Kebes
erklärt. Xach den Worten der Einleitung des
nivai ('Eii'yyavnfitii TTtginarninitg fr zui rni
Kgnvnv leoiji. f-v uj nnkXa fiev xai a)j.a ava!lrii.iai a
^ifeiugrivuai ' uvtxtiin df xai nirai ztg . . ., iv w
fp' yqacpt] ttg . . .) wäre die Frage erlaubt, ob
nicht der umgekehrte Weg der riclitige sei, ob nicht
eine künstlerische Darstellung dem Schriftsteller
') Vgl Lucian. cal. non rem. cred b. Jahn, Ber. d. .<üclis.
Ges.d.W. V (1853) S 57f Curtius, Arch.Ztg. XXXIU (ISTÜ)
S. 6. Förster. Uli. Mus. XXXVIIl (1883) S 434. Blümiier.
De locis l.uciani ml nrlem spertantibus S. 4'-' ff'
127
K. K. Müller. Relieffrasment nach Kebes.
128
als Vorlage gedieut habe. Die Abweiclmngeu bei-
der Darstellungen aber lassen keinen Zweifel, dass
unser Relief wenigstens nicht diese Vorlage war;
ganz abgesehen davon, dass die allgemeine Ana-
logie der 'tabiilae iiiacae dafür spricht, dass dort
eine Fiktion vorliegt') (vgl. auch oben Sp. 124).
Zum Schluss mache ich noch darauf aufmerksam,
dass das vorliegende Fragment auch deswegen Be-
deutung hat, weil die Nachbildung durch die
Plastik uns zeigt, dass zu irgend einer Zeit der
unter Kebes' Namen gehende fllvai: eine grössere
Verbreitung und Anerkennung gefunden hatte. Diese
Zeit wird wohl von jener der 'labulae iiiacae' nicht
') Vgl. Jahn, Ber der sächs. Gesellscli. der Wissensch, V
(1853) S. 58 Anm. Matz, De Philostratorum in describ. imaginib.
fide p. 5. Brunn, N. Jahrb. f. Philol. 103 (1871) 8.3. Matz,
Phüulorjus XXXI (1872) S. 59-.>f.
ferne liegen *). Es ist damit ein Anhaltspunkt ge-
geben, wann der TllvaS. jedenfalls vorhanden war;
bekanntlich gehen ja über Verfasser und Zeit der
Entstehung des Tllvai die Meinungen noch sehr
auseinander'). Die Behandlung der Frage vom
archäologischen Standpunkte aus niuss ich Anderen
überlassen.
Würzbur"'.
K. K. Müller.
8) Vgl. Jahn, Griech. BilderchroniUen S. VI. 78U'. 81 ft'.
87 ff. Robert, Bild und Lied S. 46ff.
•') Vgl. Drosihn, die Zeit des IlCvai Keßrijog. (Neustettin
1873.) Zeller, Philos. d. Griech. II, V S. 206. Sauppe, Gott,
gel. Anz. 1872 S. 777. Wilamowitz - Möllendorl'f, Anti-
gonos V. Karysl. S 293 f. Kord'vir);, 'F.<fr}ufi)ii lojj' (fiXofjn,'lii)r
XXVI (1878) S. 183fr. Ceb.Tab.bi/ Jerram (Oxf. 1878): Intro-
duction.
Herr Müller hat mir freundlichst gestattet die-
jenigen Punkte, über die eine Eiuigung zwischen
uns nicht erzielt worden ist, hier gleich im An-
sehluss an seine Besprechung zu formuliren.
1) Der Jai'^uov reicht nicht dem Vordersten der
ins Leben Eintretenden die Hand, sondern erhebt
sie mit ausgestrecktem Zeigefinger; es ist der
charakteristische Gestus des nqngiaTxeiv (l 2, 3;
XXX 1: log ngogTävTcuv tt. ti nqni^iäxTEi zö Jai-
növiov). Der Künstler ist von dem Texte des Kebes
insofern abgewichen, als er den Daimon nicht mit
der einen Hand die Rolle halten, mit der anderen
zeigen, sondern mit der erhobenen Rolle zeigen
lässt; dadurch gewinnt er die Möglichkeit, die
andere Hand für den Gestus der Belehrung zu
verwenden. Ein schlagender Beweis dafür, wenn
es dessen bedürfte, dass das Relief nach der Schrift
gearbeitet ist und nicht umgekehrt.
2) Die über dem Thor stehende Figur kann ich
nach wie vor nur für den personificirten Biog hal-
ten. Jede andere Benennung setzt sich in zu star-
ken Widerspruch nicht nur mit dem Wortlaut,
sondern auch mit der Tendenz der illustrirten
Schrift, da dann die EigTtoQSvöi.i£voi nicht zuerst
in die Gewalt der Tvyjj, sondern einer anderen, von
Kebes erst später namhaft gemachten Macht ge-
rathen würden. Den Bing aus eigener Erfindung
personificirt einzuführen lag dem Künstler sehr
nahe, und es w-ar fast nothwendig, wenn, wie wir mit
Wahrscheinlichkeit voraussetzen dürfen, an der ent-
sprechendi'M Stelle über dem Eingang des zweiten
Peribolos die Wevdnnaiöela, üljcr dem des diitten
die Ilaidela dargestellt war.
3) Ueber der Mauer des IIsQißokog des Bing
erscheinen, den ins Leben Eingehenden auflauernd,
die Jo'^ai, 'Erji9v/.nai und 'Hdnvai, als kleine
nackte Weiber gebildet. Zu diesen rechne ich die
über dem Thorbogen rechts neben dem Blog und
die beiden rechts neben der Tv^ri erscheinenden
Gestalten. Alle drei lehnen den linken Arm in
bequemer Stellung auf die Mauerbrüstuug; zwei
derselben erheben den rechten Ann, wie man
der Zeichnung glauben möchte, um das Haupt zu
stützen, nach der Absicht des Künstlers wohl, um
den ins Leben Eingehenden zuzuwinken. Endlich
gehört in dieselbe Kategorie wohl auch die knieeude
Figur ganz links, welche einen der ins Leben Ein-
getretenen an sich heranzieht {avanrjd(üaiv amai
xal nlixnvtai TiQog tKaaxnv). Die von der Tv^'?
mit Geschenken Bedachten (o/ dnxnvvrig %aiQeu)
denke ich mir weiter oben rechts über den beiden
gelagerten 'Enii^vfitai dargestellt,
4) Was endlich die schwer zu deutenden Figuren
an der rechten unteren Ecke des Fragments be-
trifft, so bin ich nach vielfachem Schwanken jetzt
zu der Annahme gelangt, dass sich hier der Künst-
ler eine Erweiterung der bei Kebes gegebenen Be-
schreibung insofern erlaubt hat, als er auch das
Jenseits in den Kreis seiner Darstellung gezogen
hat. Vielleicht hat er die Motive aus dem 10. Buch
der Platonischen nnlitsia entlehnt, und wir dürfen
in dem nach rechts gewandten, mit einem Schleier
129
K. Lange, Zur Partliciios.
130
geseliniiicktcn Fraueiikopf den der Jlvnyxii oder der
y/äxsatg erkenuen, vor der die zur Rückkehr ins Da-
sein bestimmten Seelen standen. Dann liätten wir
liier den Ausgangspunkt der ganzen Darstellung:
von hier aus wandeln auf gewundenem Felsen-
pfad die Menschen zum Thore des Lebens. Nur die
drei vordersten des langen Zuges sind erhalten
und von einem der hintersten (ganz unten) der nach
Jiväyyir) zurückgewandte Kopf. In derselben Schlan-
genlinie setzte sich vermuthlich die Bewegung über
die ganze Tafel fort. Von rechts nach links
schreitend, dann wieder nach reciits umbiegend,
gelangen die slgnogsunfAsini zum Tliore des Lebens;
hier gerathen sie, nach rechts weiter gehend, in die
Gewalt der Tiyj]-, dann umkehrend wenden sie sich
nach links zur 'Hdtmä!/tta, die also etwas ober-
halb des Bi'og am linken Rande der Relieflafel dar-
gestellt war, und so fort. Ich gebe diese Recon-
structiou natürlich nur als Möglichkeit, glaube aber,
dass wenigstens an der Darstellung der drei Fltol-
ßnloi durchaus festgehalten werden muss.
C. ROBEKT.
ZUR PARTHENOS.
Es ist nicht meine Absicht, die Polemik Über
die Athena Parthenos des Phidias hier von neuem
aufzunehmen und in der Ausführlichkeit, mit der sie
Schreiber beliandelt'), fortzusetzen. Wenn Schreiber
die Methode meiner Parthenosstudien der seinigen
in lebhaften Ausdrücken gegenüberstellt, so kann
ich mich darüber trösten: der Werth einer Methode
bestimmt sich nach den Resultaten, die durch sie
•erzielt werden, und diese haben, soviel ich sehe,
für die meinige entschieden. In der Annahme,
dass die Handstütze dem Original angehöre, stim-
men so viele Faebgenossen mit mir überein,
dass ich mich in dieser Beziehung durchaus nicht
in der Defensive fühle. Ich halte es darum keines-
wegs für nöthig, die theil weise recht seltsamen
GegengrUnde, die Sehr, neuerdings gegen dieselbe
vorbringt, näher zu beleuchten. Auch hinsichtlich
der hohen Bedeutung, die ich der Varvakion-
copie beigelegt habe, fühle ich mich mit Allen, die
das Original kennen, in vollkommener Uebereiu-
stimmung: ist doch auch durch die stilgerechte
Publikation der Goldmedaillons der Eremitage'^)
meine Ansicht in viel höherem Grade bestätigt
worden, als ich selbst geglaubt hätte. Dieselbe
Publikation hat auch wieder einmal deutlich gezeigt,
dass die Minercc au coliier im Louvre, die Schrei-
ber bei der Reconstruction des Helmschmuckes der
Parthenos vorzugsweise zu Grunde legt, hierfür
vollkommen gleichgiltig ist, und dass vielmehr die
jüngeren attischen Tetradrachmen und die Aspa-
siosgemme diejenige Wichtigkeit in dieser Frage
') Schreiber, Neue rartbenosstiidien, Arcli. Ztg. 1883 S.
193 ft". u. 277 ff.
'■') Mitlh. des arcli. Instit. 1S83 Taf. XV (Kieseritzky).
Arcliilolog. Ztg. .fahrgani; XLU.
haben, die ich ihnen gleich von vornherein beilegte.
Damit wären die drei wichtigsten Punkte, in de-
nen unsere Ansichten von einander differiren, erledigt,
üeber die anderen weniger wichtigen ist das Ma-
terial, wie mir scheint, jetzt so vollständig zusam-
mengetragen, dass man die Entscheidung rnliig dem
Leser überlassen kann. Nur um einer gewissen
Verwirrung vorzubeugen, die in der polemischen
Behandlung der Parthenosfrage einzureissen droht,
sei es mir gestattet, einige Fälle aufzuzählen, wo
Schreiber meine Ansicht sehr energisch bekämpft,
wo ich aber durch einfaches Citiren meiner Worte
nachweisen kann, dass icii vielmehr mit ihm voll-
kommen übereinstimme.
Zu den Worten des Pausanias II. 27, 2: xäl>ijai
de (^axlrjnidg) int DqÖvdv ßaxTtjQiav xquimv be-
merkt Schreiber:') „Es ist seiner vorgestreckten
Hand eine Stutze untergestellt, würde man mit
Lange intei'pretiren müssen." Wo icii diese Inter-
pretation vorgeschlagen haben soll, ist mir uner-
findlich. Sehr, scheint die Stelle nur so weit gele-
sen zu haben, wie er sie ausschreibt, sonst hätte
er daran unmittelbar anschliessend die Worte ge-
funden: T^'v öi eiägav tüv xeiQwv hnsQ xefpalrjg
eyji inü ÖQciy.nying. Auf diese bezog sich meine
Bemerkung, dass der Asklepios in Epidauros „ob-
wohl er offenbar in der ausgestreckten rechten
Hand nur eine Schale hielt, doch eine Schlange als
Stütze unter derselben hatte". Und ich glaube
damit den Pausanias ebenso aufgefasst zu haben,
wie ihn alle Archäologen, und wohl auch Schreiber
selbst, bisher auffassteu.
■') Abb. (1 kyl. siicbs. Ges. d. Wissensch. VIII S. G17.
9
131
K. Lange, Zur Partheiios.
132
Mein Uitlieil über die Copien der Pavtlienos
hatte ich (Mitth. d. arcli. Inst. VI. S. 61) so forniu-
lirt: „Neben der Varvakionstatuette (A), der Lenor-
niantschen im Cultusministerium (B) und dem Torso
im Akropolismuseum (C) haben jetzt besonders die
iHhierce au collier im Louvre (D), die Atliena des
Antiochos in der Villa Ludovisi (E) und die in
Jladrid (F) eine erhöhte Bedeutung- bekom-
men, die man bisher, offenbar wegen des Fundorts
von BC, diesen gegenüber etwas unterschätzt
bat." Es ist räthselhaft, wie Schreiber gegenüber
diesen vollkommen unzweideutigen Worten behaup-
ten kann (Arch. Ztg. 1883 S. 199): „Lange hat
die Keibe der römischen Copien als untergeord-
net und nichts beweisend bei Seite gescho-
ben."
Indem ich die Copien je nach ihrer Wichtigkeit
theils mit grossen, theils mit kleinen lateinischen,
theils mit griechischen Lettern bezeichnete und diese
Gruppirung ausführlich durch den Nachweis der
den einzelnen Copien gemeinsamen von dem Origi-
nal entlehnten Züge rechtfertigte, glaubte ich dasje-
nige gethan zu haben, was in einem solchen Falle
getlian werden muss. Und darin kann mich nur
die Beobachtung bestärken, dass die erste Classe
der Copien, die Schreiber aufstellt, genau die-
selben Exemplare enthält wie die von mir
an die Spitze gestellte Gruppe, vermehrt um
diejenigen römischen Exemplare, die Schreiber neu
publicirt hat, und die ich nur summarisch anführen
konnte, da sie bisher nirgends abgebildet waren.
Trotzdem ist Schreiber über mein unmethodisches Ver-
fahren sehr aufgebracht und meint unter anderem,
„aus welchen Gründen er diese und die übrigen von
ihm neu publicirteu Statuen unter die sicheren Re-
pliken verwiesen habe, sei mir nicht klar geworden"
(Anm. 6) oder gar ..ich scheine seine Aussonderung
einer Gruppe eigentlicher Copien jetzt adoptirt zu
haben!" (Anm. 21). Die Belehrung, dass die ganz
freien Repliken der Parthenos, die ich nach dem Vor-
gang von Overbeck und Michaelis unter der dritten
Classe mit aufgeführt hatte, keine eigentlichen Copien
seien, war überflüssig, da dies meines Wissens Nie-
mand behauptet, und auch keiner sie neuerdings zur
Reconstruction des Originals verwerthet hatte. Auch
hier stimmen wir also vollkommen ttberein.
Nur in der Werthschätzung der einzelnen Copien
dieser ersten Classe weichen unsere Ansichten
von einander ab. Während ich nämlich die Var-
vakioncopie, da sie aus Athen stammt und noch
dazu aus hadrianischer Zeit, unbedingt als Codex A
betrachte — was sich wie gesagt jetzt vollkommen
bestätigt hat — rangirt Sehr, diese genaueren Co-
pien nach der Grösse. Denn er ist der Jleinung,
dass „die Copien, je mehr sie sich in der Grösse
dem Original annähern, auch um so mehr Einzel-
zOge desselben enthalten können, und umgekehrt
je kleiner, um so unvollständiger, auszugartiger sein
werden" (Abb. d. sächs. Gesellsch. VIII. S. 585).
Schon die unbestimmte Formulirung dieser Regel
zeigt, wie es um ihre Richtigkeit steht. Es ist
kaum nöthig, hinzuzufügen, dass das vorliegende
jMaterial ihr stricte widerspricht: die Lenormantschc
Statuette ist die kleinste aller vorhandenen Copien
und hat, obwohl unvollendet, doch eine Andeutung
der Schildreliefs, die Varvakionstatuette, die bei-
nahe dreimal grösser ist, obwohl vollendet, einen
(bis auf die Gorgone) vollkommen glatten Schild.
Trotzdem führt Sehr, beide Beispiele zur Begrün-
dung seiner Regel an.
Dass die Varvakionstatuette auch in Bezug aut
den Helmschmuck der Göttin unvollständig sei,
hatte ich ausführlich nachgewiesen. Mit Entschie-
denheit hatte ich betont, dass die jüngeren attischen
Tetradrachmen und die Aspasiosgemme mit ihren
zahlreichen als Helmschmuck angebrachten Thieren
auf die Athena Parthenos zurückzuführen sind. Diese
Zurückführung, die wie gesagt jetzt vollkommen
bestätigt ist, hatte ich mit den Worten begründet:
„Denn was in aller Welt sollte einen Stempel- und
Gemmenschneider veranlassen, diese reichen Details
in seinem kleinen Maasstabe zu geben, wenn das
Original sie nicht hatte?" Und nach Aufzählung-
aller mir bekannt gewordenen Spuren derartiger
Thiere an den Köpfen der erhaltenen statuarischen
Copien kam ich zu dem Schlüsse: „Das ist eine
Uebereinstimmung, der gegenüber die Einfachheit
unseres Helmes nicht in Betracht kommt." ^)
Ich denke , das ist deutlich genug. Dennoch be-
hauptet Sehr. (Arch. Ztg. 1883 S. 199): „Dieser
ganzen Schlussfolgerung stellt L. nun freilich die
Autorität der Varvakionstatuette entgegen, in wel-
cher der vordere Stirnschmuck nicht dargestellt ist.
Was in der athenischen Figur nicht vorhan-
den, soll auch im Original nicht vorausge-
setzt werden dürfen, der neue Fund als eine
Musterleistung hadrianischer Plastik in jeder Be-
ziehung Urkunde für uns sein." Auch hier kann
ich vielmehr nur vollkommene Uebereinstimmung
meiner Ansicht mit derjenigen meines verehrten
') Mitth. d. arcli. Inst. VI. S. S3.
133
II.
Die ..Monokucmos" des Apclles.
134
Gegners constatircu. Nur das ausgeprägte Streben
desselben, neue Resultate an die Stelle der meini-
geu zu setzen, macht seinen Irrtluun erklärlich,
(las als das seinige zu betrachten, was im wesent-
lichen schon von mir gefunden war. Und so ist
denn auch nicht zu verwundern, wenn er am
Schlüsse seiner Auseinandersetzung glaubt, in Be-
zug auf den Ilehnschnnu'k „die Reconstruction
der Parthenos einen kleinen Scliritt gefördert zu
haben." Das einzige, was in dieser Richtung noch
zu tliun war, die Vergleichuug der schon früher
publicirteu Medaillons in der Eremitage, hat auch
Sehr, nicht gethan; dagegen ist es ihm gelungen,
durch die ausfiibrliciie Behandlung der Mhierce au
Collier im Louvre und der nach ilir angefertigten
Zeichnungen die ganze Frage gründlich zu verwirren.
Die Form und Katur dieser ornamentalen Tliiere
ist jetzt durch die Goldmedaillons vom Koul-Oba
entschieden: Die Göttin trug auf der Mitte des
Helmes eine Sphinx und zu ihren Seiten zwei Flü-
gelpferde, wie ich schon, ehe der Helmschmuck
der Varvakioucopie vollständig gefunden war, mit
Bestimmtheit behauptet hatte. Auf ihren Backen-
klappen waren in Relief springende Greife darge-
stellt, wie ich ebenfalls — auf Grund einer verein-
zelten Tetradrachme und in Folge mehrerer anderer
Erwägungen — • vermuthet hatte. Die Thiere au
ihrem Stirnschikl, deren Natur ich vorläufig dahin-
gestellt sein liess, weil die Münzen iiierfür nicht
ausreichten, haben sich als Greife, mit denen Rehe
abwechseln, erwiesen; und die Eule, die ich bei
Athena nicht gern missen wollte, ohne sie doch an
einer bestimmten Stelle unterbringen zu können,
hat sich auf der linken aufgerieliteten Backenklappe
sitzend gefunden. Ferner sind auch die Ohrringe
und das Halsband, die ich beide nach den Münzen
auch am Original voraussetzte, von neuem bestä-
tigt worden. Zum Ueberfluss hat sich endlich in Be-
treff des Speeres die Meinung von Michaelis, der aucli
ich mich mit neuen Gründen angeschlossen hatte,'')
dass derselbe nämlich nur au die Schulter gelehnt,
nicht von der linken Hand gehalten gewesen sei,
vollkommen bestätigt. Am erfreulichsten musste mir
aber der neue Nachweis sein, dass das runde breite
Gesicht und der ernste Ausdruck des Mundes, die ich
beide als charakteristische Eigenschaften argivischer
Kopftypen (ich erinnere nur an die Amazone und den
Doryphoros) auffasse, auch der Parthenos niclit
gefehlt haben. Denn die Tradition von Phidias'
Schülerschaft bei Ageladas, die man neuerdings
mit Unrecht verwirft, fand dadurch eine willkom-
mene Bestätigung.
Jena. K. L.\nge.
*) Siehe dagegen die abweichende Ansicht bei Schi'eiber,
Abb. der süchs. Gesellsch. VIII. S, 596 f.
MISCELLEN.
XOCn EINMAL
DIE „MONOKNEMOS" DES APELLES.
Franz Studniczka ist in seinen „Vermu-
thungcn zur griechischen Kunstgeschichte" (Wien,
1884) S. 370'. wieder einmal auf dies berüchtigte
Bild zurückgekommen, um zunächst die wirkliche
Existenz des Gemäldes gegen v. Wilamowitz»
Möllendorft', welcher dieselbe (Archäol. Ztg. 1875
S. 1G9) bestritten hatte, zu vertheidigen und andrer-
seits für die Identität des Bildes mit der Anadyo-
mene einzutreten. So vollkommen ich ilnn in dem
ersten Punkte beistimmen muss, so wenig kann ich
mich der zweiten Ansicht, obgleich dieselbe sehr
verbreitet ist, anschliessen.
Die in Frage kommende Stelle bei Petron c. 83
lautet bekanntlich in den Handschriften: iam vero
Apeliis, quam Graeci monocremon appellanl, etiam
adoraci. Abgesehen von einigen ohne weiteres ab-
zuweisenden sind vornehmlich drei Eraendations-
versuche zu der Stelle gemacht worden: 1) mo-
nochromon, laut Bücheler's Anmerkung schon in
einer Margiualnote der Ausgabe von Joannes Tor-
naesius (Leyden 1575); nach ßöttiger, Archaeo-
logie der Malerei S. 171, rührt diese Conjectur von
Gonzalez her. Gebilligt haben sie Dati, Vile tlvi
pittori p. 33, Böttiger a. a. 0., Sillig, Calalog.
9*
135
II. Bliimner, Die „Monoknemos" des Apelles.
136
ailif. p. 74; vou Neueren meines Wissens niemand.
2) movoc7iemon emendirte Jos. Scaliger; diese
Eniendafion, die aucli B Li cheler aufgenommen, bat
die meiste Zustimmung gefunden. 3) monoglenon
conjicirten Wustmann (Apelles S. 107 Anm. 14)
und Schreiber (Arcbäol. Ztg. f. 1875, S. 108 ff.);
doch ist diese Vermuthung von niemandem weiter
gebilligt worden, und mit Recht. Auch die erste
kann nicht mehr in Frage kommen; vgl. Brunn.,
Griech. Klinstier II. 205.
Indessen auch bei Annalime der zweiten
Emendation gehen die Meinungen über das Bild
auseinander. Die einen halten es für identisch
mit der. Anadyomene: dieses Bild war nach Plinius
XXXV. 91, nachdem Augustus es den Koern abge-
kauft und im Tempel des Caesar aufgestellt hatte,
in den unteren Theilen schadhaft geworden, und da
niemand gewagt, es zu restauriren, so auch geblieben;
daher stamme der Name ^wvöxrr^ftng. So Brunn
a. a. 0. und Studniczka bemerkt weiter, dass, da
nach der gleichen Quelle unter Nero, also zur Zeit
des Petron, das schadhafte Gemälde aus dem Cae-
sartempel entfernt und durch eine Copie von der
Hand des Dorotheos ersetzt worden war, dasselbe
sich offenbar eine Zeit lang im Privatbesitz eines
Günstlings des Nero mit anderen Kunstwerken auf
dessen cumanischer Villa befunden habe, wo es der
petronische Encolpius sah. — Zu einer andern An-
sicht ist Brunn gelaugt in seinem Artikel „Apelles"
in Meyer's Künstlerlexikon II S. 167. Hier identifi-
cirt er die ^lovö-AVT^iiog mit der vollendeten zweiten
kölschen Aphrodite des Apelles, an welcher nur
der Kopf und die oberen Theile der Brust ausge-
führt waren; da die Anlage {praescripta l'meamenta
Plin. XXXV. 92) theilweise in Untermalung, theil-
weise in blosser ümrisszeichnung bestehen mochte,
so seien die Worte des Petron wahrscheinlich auf
diese Aphrodite zu beziehen, an welcher der eiue
Unterschenkel vielleicht noch nicht einmal unter-
malt war. Der Beiname der „Einschenkligen"
habe dann zugleich gedient, um diese zweite
Aphrodite von der allgemein unter dem Namen
..Anadyomene" bekannten mit einem Worte be-
stimmt zu unterscheiden.
Treten wir zunächst der ersten der beiden
Ansichten näher. Da haben denn Wustmann und
Schreiber sicherlich Recht, wenn sie einwenden, die
Anadyomene könnte jenen Beinamen doch erst in
Rom erhalten haben, während das griechische Wort
und der Ausdruck Graeci appellant bewiesen, dass
er schou sehr frühzeitig, als das Werk noch in
Griechenland war, aufgekommen sein müsse.
Studniczka wendet dagegen ein, dass gerade Pli-
nius am besten lehre, dass mit solchen Ausdrücken
durchaus nicht immer die anerkannte öffentliche
Jleiuung der griechischen Kunstwelt, oft nur die
Angabe eines einzigen griechischen Gewälirsmannes
wiedergegeben werde. Allein es ist doch ein
Unterschied, ob Plinius, der seine griechischen
Quellen excerpirt, daraus einen griechischen Ter-
minus herübernimmt, oder ob Petron, der nicht auf
Quellen sich stützt, eine griechische Bezeichnung
eines Kunstwerkes anführt; es liegt auf der Hand,
dass letztere unmöglich eine vereinzelte Bezeichnung
sein kann, sondern ein allgemein bekannter und an-
erkannter Name sein musste. Und kann man es
wirklich wahrscheinlich finden, dass der zufällige
Umstand der Beschädigung der unteren Theile eines
Bildes den allbekannten und verbreiteten Namen
verdrängt nud jene seltsame Bezeichnung der
„Einsehenkligen" hervorgerufen haben sollte? —
Hätte nicht Plinius, der jenen „Spitznamen", als
welchen Studniczka den Namen fiov6xi.ir]^iog auf-
fassen will, eben so gut kennen musste wie Petron,
darauf Rücksicht genommen?
Ferner: die Verletzung der unteren Hälfte des
apelleischen Bildes war nicht die Veranlassung,
weshalb mau es aus dem Tempel des Caesar ent-
fernte; diese Verletzung hatte das Bild vielleicht
schon auf dem Transport nach Rom oder irgendwann
sonst erhalten. Aber: consennit haec tabula carte,
aUamque pro ea suhstiluit Nero, sagt Plinius; das
Gemälde war verblasst, war überhaupt undeutlich
geworden, und darum wurde es beseitigt, bis sich
unter Vespasian doch ein Maler fand, der es unter-
nahm, das Bild zu restauriren; ob er sich damit
begnügte, die Farben der sonst wohlerhaltenen
Theile wieder aufzufrischen oder ob er auch die
zerstörte untere Partie wieder renovirte, können
wir nicht wissen. In der Zwischenzeit, d. h. von
der Beseitigung durch Nero bis zur Restaurirung
unter Vespasian, wird das Gemälde irgendwo auf-
bewahrt, aber schwerlich in der Gemäldegalerie
eines neronischen Günstlings gewesen sein; zumal
es sich doch in einem offenbar sehr ruinösen Zu-
stande befand, in dem es gegen die anderen
Schätze jener Sammlung, die Zenxldos manus noti-
diim vetustatis inhiria viciae, die extremilales ima-
ginum tanla sublililate ad similitudiitem praecisae
etc. so bedenklich abgestochen hätte, dass zum
mindesten Encolpius, wenn er trotzdem „anbetete",
diesen Zustand des Gemäldes hervorheben und
137
C. I!<ibcrt. Zu TalVI •_'. 2.
138
iiiclit bloss, wie Htudniczka will, diircli das blosse
Nennen des Reinamens hätte eiratlien lassen müssen;
es war ja ein um so lioheier Triumph des Künst-
lers, wenn selbst seine ganz verblasston Gemälde
noch so zur Hewunderung reizten.
Was die zweite Bruun'sche Vermuthung an-
langt, so wäre hinsichtlich des Aufkommens einer
derartigen griechischen Benennung nichts eiu/u-
wenden, da die Bezeichnung ja scheu früh in
Griechenland selbst entstanden sein könnte. Aber
undenkbar ist, dass bei einem Gemälde, welches
zum Theil schon vollendet war, dessen Umrisse
(liiieame7ila) angegeben waren, gerade der eine
l'nterschenkel noch gar nicht einmal angelegt ge-
wesen sein sollte. War derselbe auch noch nicht
untermalt, so waren die Umrisse doch jedenfalls vor-
handen; das sagt ja Plinius ausdrücklich, und das
entsj)richt ja auch der Praxis der modernen Maler,
die erst die ganze Figur entwerfen, ehe sie an die
Ausführung der Einzelheiten gehen; und war die
Figur in den Umrissen vollständig da, dann konnte
sie nicht „einschenklig" genannt werden, denn
das Fehlen der Untermalung bewirkte noch immer
kein Fehlen des Schenkels selbst.
Ich bin etwas ausführlich gewesen, um zu be-
gründen, warum ich trotz des Vorhandenseins einer
von den meisten gebilligten Emendation eine neue
vorschlage. Ich gehe dabei nicht darauf aus, das
petronische Gemälde auf ein uns sonst bekanntes
zuriickzuluhreu. Warum wäre das auch nnthigV
Apelles hat gewiss noch viele andere Bilder gemalt
als die, welche Plinius und unsere sonstigen Quellen
uns anfülireu; und dass gerade eines der berühm-
teren, allbekannten in einer Privatgalerie sich befun-
den haben sollte, ist nicht einmal wahrscheinlich.
Es handelt sich also lediglich darum, eine leichte
und passende Verbesserung des verdorbenen Wortes
zu finden; und eine solche bietet sich uns, wie ich
glaube, in dem Worte /nofOKQrjnida. Die Emen-
dation sieht schwerer aus, als sie ist; nimmt mau
die Uebertragung in lateinische Buchstaben an, so
entfernt sich das handschriftliche monocremon nur
wenig davon, indem aus pida leicht nion werden
konnte, sobald erst einmal die naheliegende Ver-
derbniss von pi in m eingetreten war.
Was wäre das aber für ein Bild gewesen? —
Natürlich nicht lason, der bei Find. Pyth. IV 75
so beisst, sondern ebenfalls ein Aphroditeubild, und
zwar in dem uns aus statuarischen Nachbildungen
so bekannten Typus der Saudaleulüserin; ein Vor-
wurf, der sonstigen apelleischen Motiven durchaus
verwandt ist. War die Göttin, im Begriff sich zum
Bade zu entkleiden, so dargestellt, wie sie die
Statuetten zeigen, den einen Fuss bereits ganz von
der Sandale befreit, während sie eben vom andern
dieselbe löst, so konnte sie recht gut den Beinamen
l-iniöxgrjntg erhalten.
Zürich. H. Blümner.
ZU TAFEL, 2 2.
Im vorigen Heft dieser Zeitung hat R. Engel-
mann ein Bronzerelief des Brit. Mus. verötfentlicht,
das, wie er mit Piccht rühmt, zu dem Reizendsten
gehört, was uns aus dem Altertimm erhalten ist;
eine mächtige Okeanosbüste — diese individuelle
Benennung ist der von dem Herausgeber gewähl-
ten allgemeinen Bezeichnung als Seegott entschie-
den vorzuziehen und durch die gewaltigen Propor-
tionen und den majestätischen Gesichtsausdruck
hinlänglich gesichert — ist in äusserst glücklicher
Weise in das Rund der Bronzeplatte hineincompo-
nirt; zwei Delphine, deren Köpfe vor der Mitte seiner
Brust zusammenstossen und den unteren Abschluss
der Büste markiren, heben in kühn geschwungenen
Wellenlinien die Schwänze, deren Ende hinter dem
Kopf des Okeanos verschwindet, und rahmen.
wie Engelmann richtig sagt, die Büste gleichsam
ein. Vor oder richtiger an der Brust des Okeanos
erscheinen auf den Delphinen gelagert drei Mäd-
chen, zwei in enger Gruppirung, die eine im Schoosse
der anderen, zur Linken; die dritte rechts allein:
Nereiden nach der Meinung des Herausgebers, der
in der ganzen Darstellung .,ein Bild voll gemüth-
lichen Humors" erkennt und glaubt, dass die rechts
gelagerte Nereide den Seegott an einer seiner Bart-
locken zupfe, um seine Aufmerksamkeit zu erregen;
auf der Publikation ist nur zu erkennen, dass sie
den rechten Arm erhebt und die Hand durch den
Bart des Okeanos verdeckt wird. Befremdlich ist
bei dieser Autfassung die ruhige feste Stellung
der sitzenden Mädchen, die so gar nicht im Cha-
rakter der Nereiden ist und vielmehr an Lokal-
139
M. Fränkel, Hahn auf Grabsteinen.
140
gottlieiten erinnert, befremdlich der gewaltige Un-
terschied in den Proportionen des Seegottes und
der Nereiden; sonderbar auch die Wahl von nur
drei Nereiden, die sich zu einer symmetrischen
Composition schlecht genug zusammenfügen. Auf
Piiehtigkeit kann nach meinem Dafürhalten nur
eine Deutung Anspruch machen, die der Dreizahl
der Mädchen wie ihrer charakteristischen Grup-
pirung, ihrer Stellung wie ihrem Platz in gleicher
Weise Eechnung trägt. Drei Mädchen, die an der
Brust des Okeanos liegen, kann ich nur für die
Personificationeu der drei den Alten bekannten
Erdtheile halten. Der Künstler denkt sich die
Bronzeplatte als die Erdscheibe; dieselbe wird ganz
von dem Okeanos eingenommen, dessen die Erde
umfiiessenden Strom die Windungen der Delphine,
die gleichsam aus seinen nassen Locken hervor-
wachsen, symbolisiren; an seiner Brust trägt er die
drei Erdtheile, und zwar ihrer geographischen Lage
entsprechend gruppirt, rechts die Libye, links die
Europa im Schooss der Asia. Es wäre leicht, noch
weitere symbolische Bezüge in der Darstellung zu
finden, z. B. darin, dass Libye ihren rechten Arm
nach Asia hin ausstreckt, während ihre FUsse sich
mit denen der Europa berühren, darin, dass die
Windungen des Delphins zur Rechten und der linke
Arm des Okeanos vollständig sichtbar sind, wäh-
rend sein rechter Arm ganz, und die Windungen
des Delphins zur Linken theilweise von der Gruppe
der Europa und Asia verdeckt sind. Allein ich bin
nicht sicher, dass wir nicht damit willkürlich dem
Künstler Feinheiten unterschieben, an die er selbst
nicht gedacht hat. Vor der bisher allein bekann-
ten Darstellung der drei Erdtheile, dem pompeja-
nischen Bilde aus der casa di Meleagro (Heibig
No. 1113), hat unser Bild die ungleich grossarti-
gere Auffassung voraus. Wenn das Bild sich ein-
seitig auf die Wiedergabe der culturhistorischen
Stellung der Welttheile beschränkt, gibt uns das
Relief ein gewaltiges Naturbild mit Verzichtleistuug
auf alles äussere Beiwerk, wie Charakterisirung
der einzelnen Erdtheile durch Gesichtstypus, Ge-
wandung oder Attribute. Die Darstellung gehört
demselben Gedankenkreise an, wie die Antiocheia
des Eutychides, der vatikanische Nil und in ge-
wissem Sinne aucli die beiden pompejauischen Land-
schaftsbilder aus dem Hause des Cornelius Eufus
(Heibig 1018. 1020), aber die Aufgabe ist eine un-
gleich grossartigere, und die Lösung derselben eine
so glückliche, dass man dem Monument in der
That Weniges an die Seite setzen kann.
Berlin.
C. Robert.
DER HAHN AUF GRABSTEINEN.
In den Ernst Curtius zu seinem 70. Geburtstage
gewidmeten „historischen und philologischen Auf-
sätzen" S. 154 veröffentlicht Ludwig Gurlitt eine
Grabstele mit dem aufgemalten Bilde eines Hahnes
neben einem Sterne. Es ist eine Idee von nicht
geringer Wichtigkeit, die der Herausgeber aus dieser
einfachen Darstellung zu erkennen vermocht hat.
„Deutlicher", sagt er ,,(als der Sinn der Schlange
auf Gräbern) ist die Symbolik unseres Hahnes, der
durch den beigefügten Stern zum Träger einer tief-
religiösen Anschauung wurde. Der LichtverkUnder
auf dem Grabe dient ihm nicht zum Schutze allein,
sondern weist auch hin auf das Fortleben der Ver-
storbenen .... Der Ruf des Hahnes weckt die
Verstorbenen, gleich den Posaunen des jüngsten
Gerichts. So erscheint uns jetzt das Bild fast wie
eine Anticipation späterer christlicher Ideen, der
Hahn gleichsam als Verkünder des höheren Lichtes,
das fast ein Halbjahrtausend später den Menschen
aufleuchtete.'-
Wer den Stern zum Verkündiger des neuen
den Abgeschiedenen im Jenseits aufgehenden Tages
macht, kann unmöglich Widerspruch erheben, wenn
wir hier den Morgenstern erkennen wollen.
Durch welche Gründe Gurlitt aber zu der Ansicht
veranlasst worden ist, dass in der Vorstellung der
Alten der Morgenstern einen Hahn zum Ausdruck
so grosser Dinge befähigt habe, verschweigt er
gänzlich, obwohl es von selbst gar nicht einleuchten
will. Denn es scheint doch, dass die Griechen dem
Morgenstern neben dem Hahne, dem öf/Ogtog und
ai.iE()r)(fiovng, auch ohne an Auferstehung zu glau-
ben, einen recht passenden Platz einzuräumen meinen
konnten.
Dass der Hahn allein sich zum Träger einer
tiefreligiösen Anschauung schicke, behauptet Gurlitt
141
W. llolliig. Zur Parisami)Uoi'a.
142
zwar uicbt; er führt aber den bekannten Aus-
spruch des Sokrates an, als ob dieser seine Deutung
stützen könne. Aber durch den Tod zu gesunden
meint Jeder, der das Leben gering achtet, mit Un-
sterblichkeitsglauben und ohne denselben: wenn
also ein Sterbende)' dem Ootte der Gesundheit aus
Dankbarkeit einen Halm zu opfern befiehlt, so thut
er dies, weil er vom Leben erlöst wird, nicht weil
er unsterblich zu werden hofft.
Wenn wir erkennen wollen, wie die Griechen
ein Sj'mbol gedeutet haben, so wird es zweck-
mässig sein, sie vor allen Dingen selbst zu fragen,
da unser Scharfsinn geschichtliche Thatsachen höch-
stens eombiniren, sie hervorbringen niemals kann. In
unserem Falle machen die Alten, wenn man sich nur
an sie wendet, aus ihrer Anschauung kein Geheimniss.
Antipater Sidonius hat die Grabschrift einer
Frau gedichtet (Anthol. Pal. VII 424), auf deren
Denkstein ihr Mann unter anderen Symbolen einen
Hahn hatte meisseln lassen —
T«i' fiFv aviyQOjiievav fie nnx eioia vvxisqog oqvig
avöaasL
sagt die Verstorbene: also daran, dass die Frau
mit dem Hahnenschrei ihr Tagewerk zu beginnen
gewohnt gewesen ist, sollte der Hahn auf ihrem
Grabe erinnern, und der Dichter verräth keine
Kenntniss, dass diesem Thiere noch eine tiefsin-
nigere Grabessymbolik beigewohnt habe. Ebenso-
wenig Meleager, als er dem Verfasser des vorigen
Epigrammcs, auf dessen Ruhestätte gleichfalls ein
Hahn gebildet war, eine Grabschrift widmete (eben-
da 428); hier soll, sagt er, der Hahn auf den tönen-
den Gesang des Dichters deuten:
oQvig d' oxxi yEyiDvog ct^fJQ^ ^f"' ^'^v nsgl Kvngiv
ngärng x/'jv Movaatg nnixiXng vfivnDtxag.
Da nicht immer ein berühmter Dichter zu be-
graben war, werden wir uns vorzustellen haben,
dass unser Hahn eine fieissige Hausfiau, als sie
lebte, zu ihrer häuslichen Thätigkeit zu erwecken
bestimmt war, nicht als proleptische Posaune des
Gerichtes die Todten. Diese Deutung gewinnt da-
durch noch an Sicherheit, dass auch die antike
Traumauslegung sich genau der gleichen Vorstellung
vom Hahne bediente: sie Hess ihn nach Artemidor
(p. 147, 15 Hercher), da er das Gesinde zur Arbeit
wecke, den Herrn oder den Verwalter des Hauses
bezeichnen. Wie passend diese Symbolik ist und
wie trefflich sich für sie die Beigabe des Morgen-
sterns schickt, liegt auf der Hand; war dem Bilde
ehemals ein Epigramm hinzugefügt, so bot jenes
demselben einen sehr angemessenen Inhalt.
Max Fränkel.
ZUR PARISAMPHORA ARCHAEOL. ZEITUNG 1883 TAFEL 15.
Die in der Archäologischen Zeitung XLI (1883)
Taf. 15 i)ublicirte Parisamphora stammt nicht aus
Athen, wie daselbst S. 307 angegeben wird, sondern
ist im Jahre 1880 bei Corneto in den Ausgrabungen
der Gebrüder Marzi gefunden. Sie wurde von mir
unmittelbar nach ihrer Entdeckung in Corneto
untersucht und beschrieben: Bu/I. delt Inst. 1880
p. 50 f. In dem Erwerbungsberichte Arch. Zeitung
1881 S. 257 ist der Fundort richtig angegeben.
Rom. W. Helbig.
143
144
B E E I C H T E.
ERWERBUNGEN DES BRITISCHEN MUSEUMS IM JAHRE 1883.
Auszutr aus C. T. Neivton's Bericht sin das Parlament.
Sechs Wandgemälde: 1) Pluto Proserpina in
einem Viergespann entführend, 2. 3) Zwei Gruppen
je aus einer männlichen und einer weiblichen Figur
bestehend, 4) Geflügelte Frau einen Zweig haltend,
5) Mann einen Calathus haltend, 6) eine Blume. —
Diese Malereien, welche ursprünglich das 1674 in
der Via Flaminina entdeckte Grab der Nasonen
schmückten, waren länger als ein Jahrhundert ver-
schollen, bis sie von Herrn George Kichmond auf
einer Versteigerung angekauft wurden. Sie sind
merkwürdig durch ihre freie und kraftvolle Zeich-
nung und durch ihr reiches und zartes Colorit.
Sie bildeten einen Theil der von Bartoli in den
Pitture unliebe del sepulcro dei Nasoni (veröffentlicht
1680) gestochenen Zeichnungen. — Fragment eines
Wandgemäldes, ausgegraben im Colosseum zu Rom.
Cyprisehe AlterthUmer, entdeckt durch Aus-
grabungen des Herrn Ohnefalsch Richter: Eine Eeihe
von Terracotta-Statuetten aus verschiedenen Perio-
den, zusammen in einem alten Bauwerk zu Achna
bei Salamis gefunden und wahrscheinlich Göttinneu
oder Priesterinnen darstellend. Folgendes sind die
hauptsächlichsten Typen: 1) Weibl. Figur, gegen den
Busen in der R., 2) in der L. einen Vogel haltend,
3) Aehnliche Figur, zu deren Seite ein Hirsch steht,
4) Figur, in der L. ein Stück Wild haltend (s. Cesnola
Salamitda p. 223), 5) Figur, in der L. eine Leier
haltend (ebenda p. 193), 6) Figur, eine Frucht
oder Granatenblüthe haltend, 7) Figur, eine Hand
auf eine der Brüste haltend (ebenda p. 202), 8)
Sehr archaischer Typus, bei dem die Arme als
blosse Stümpfe angedeutet sind. Die Stelle, an
der diese Statuetten gefunden sind, mag ein Maga-
zin gewesen sein, in welchem die in einen Arterais-
tempel geweihten Gegenstände niedergelegt wur-
den; sie sind bemerkenswerth durch das Licht,
welches sie auf die Einzelheiten der weiblichen
Kleidung in Cyperu werfen. — Eine Reihe von
Thonvasen und allerlei andern Gegenständen von
Thon aus demselben Fundort; das wichtigste ist
das kleine Modell eines Altars mit einer Weili-
inschrift (s. Ancienl Gr. inscriptions in the Bril. Mus.
II 382). — Eine Reihe verschiedener Gegenstände
aus Stein, Glas, Blei und Silber. — 4 Fragmente
griech. Inschriften, das eine aus Achna, die andern
drei aus Larnaka, nahe dem Bamboula-Hügel (a.a.O.
No. 394, ,398 b. c. d.)
Marmor. Fragment eines Armes, der irgend
einer Figur vom Friese des Maussoleums angehört
habeu mnss. — Männl. Kopf, offenbar von einer
dem s. g. Apollo Choiseul-Gouffier ähnlichen Figur.
Gefunden auf der Insel Wight. — Kleiner Sarko-
phag, mit einer Widmung des öempvonius Servan-
dus. Aus Norris Castle (Insel Wight). — Kopf
eines Hirsches, aus Malta.
Bronze. Statuette des Eros, aus Athen. —
Jugendl. männl. Büste, vielleicht den Kaiser Nero
darstellend. — Delphin, aus Constantinopel. —
Hodeusack und Theil eines 1. Fusses, Reste einer
Statue, die an derselben Stelle gefunden sein soll
wie der Castellani'sche Bronzekopf einer Göttin im
brit. Museum.
Terracotta. Helle auf dem Widder, Relief. —
Statuette der Artemis Polymastos, aus Ephesos. —
Grotesker Kopf eines Zwerges. — Zwei dreieckige
Tafeln, auf der einen Seite den Abdruck einer den
Eros darstellenden Gemme zeigend, auf der an-
dern in Relief ein aus P, .A und F zusammenge-
setztes Monogramm. — Form einer Blume und eines
Blumenornamentes, dieses angebl. aus Smyrna. —
Archaische Statuette eines Pferdes, bemalt mit geo-
metrischen Mustern. — 6 Formen von Münzen, aus
einer Serie von 262 Stück, in Fayoum gefunden,
4 von Münzen Licinius' I, 2 von Münzen Con-
stantin's I.
Vasen. Archaische Lekythos, von dem ver-
storbenen Lord Lyons in Korinth erworben: Nessos
Deianeira entführend und von Herakles verfolgt. —
15 Gefässe der frühen braunen glasirten Waare,
wie sie besonders nahe dem Albanersee in Etrurien
gefunden wird. Angeblich zwischen Albano und
Marino, eingeschlossen in einer grossen jetzt in
Rom aufbewahrten Vase, gefunden.
Geschnittene Steine. 11 Steine mit archai-
schem Intaglio, aus Griechenland.
Geräthe. Bronzene Situla aus Offida in Mit-
tel-Italien, merkwürdig durch Grösse, Erhaltung
und Schönheit der Zeichnung. Sie ruht auf drei
140
Sitziiiiüsberichtc.
14G
L()\v(Mil rissen, auf deren jedem sich eine Gruppe
des Herakles mit dem Ncnieer Lüwen befindet; den
Körper der Situia umgeben zwei Reihen eines Geiss-
blatt-Ornamentes; unter dem Hcnkciansatz ist an
jeder Seite eine Harpyie, welche mit der liechten
einen von ihrer Linken cmporgehaltenen Jüngling
packt. — Zwei bronzene Kchnelhvagen, die eine,
beschrieben Bl^PJOXfOY, mit den Markirungen
von 4 Tlieilzeicben verselien, die der Ptolemäischcn
Mine entnommen zu sein scheinen, aus Smyrna;
die zweite beschrieben /\, mit 3 Theilzeichen, deren
Einheit wahrsciieinlicli die Eümisctie Libra ist, aus
Sardes. — Bleigewicht, die Kyzikcnische Mine dar-
stellend; auf der einen Seite in Kelief die Inschrift
KYZT 1\1N^. — Rronzehclm mit Wangenschirmen,
über dem Stirnthcil mit einem Satyrko))fe in Relief
verziert, aus Athen. — üundes Ornament und Haar-
nadel, beides ans Bronze, die Haarnadel auf dem
Felsen von St. Trifon, Canton Vaux in der Schweiz,
gefunden. — Halbkugelförniiges Marmor-Gewicht,
auf dem Grunde eingeschrieben: |+; durch den
oberen Theil ein Bronzering zum Aufhängen, aus
]Jom. — Bronzegewicht, Zwölfdrachmenstück, zu
Korinth erworben.
SITZUNGSBERICHTE.
Archä oloffische Gesellschaft in Berlin.
Sitzung vom 10. Juni. Herr Professor Droy-
sen, dessen seitdem erfolgten Heimgang die Wissen-
schaft beklagt, hat seinen Austritt angezeigt. Ein-
gegangen sind u. A.: Röscher, Mythol. Lexikon
Lief. i3; Förster, Physiognomik der Griechen;
Trendelenburg, Die Laokoongruppe und der per-
gamenische Gigantenfries; Curtius, Eleusinion und
Pelargikon; Lange, Die Königshalle in Athen;
Partsch, ]5eitriige zur Kliniatologie Griechenlands.
— Herr Robert legte zuerst einen Aufsatz von
jNIorvat über eine Bronzebüste des Jlcrcur vor,
an welcher sieben Glocken als Apotropäa befestigt
sind, lind besprach dann zwei Handzeiehnun-
gen des Berliner Kupferstichkabinets, von
denen die erste eine vor den Ergänzungen genom-
mene Abbildung des Pariser Pasiphae-Sarkophages
ist und die Zugeliörigkeit der im Louvre (Clarac
112, 242) und in der Villa Borghese (Nibby IG) be-
findlichen Reliefs zu diesem Sarkophage beweist.
Ueber die zweite s. oben S. 115. Endlich gab der
Vortragende die oben S. 137 abgedruckte Erklärung
von Archäol. Ztg. 1884 Tat". 2, 2, gegen welche Herr
Engelmann eine Reihe von Einwendungen machte,
die sich theils auf die Zahl der Erdtheile, theils
auf die Lage der drei Mädchen und die Gleich-
artigkeit ihrer Erscheinung bezogen. Der Vortra-
gende konnte sich von der Stichhaltigkeit dieser
Einwendungen nicht überzeugen und hielt seine
Deutung aufreeh*. — Herr Trendelenburg unter-
zog die Figur der ,.Schlangentopfwerferin-'
des pergamenischen Altarcs einer Besprechung
und kam zu dem Resultate, dass dieselbe dem Kreise
Archiiolog. Zt;.'. Jiitirfr.ang XLIl.
der Heilgötter angehören müsse. Dahin führen die
Attribute: die Haarbinden, der Steinmörser, welchen
sie als Waffe führt, die grosse Schlange, welciie ihr
im Kampfe beisteht, und vor allem die Schlange,
welche sich um den Mörser ringelt und durch
ihre Kleinheit als eine dem Asklepios heilige zu
erkennen giebt, wie sie in den Heiligthümern die-
ses Gottes gehalten zu werden pflegten. In der
Schilderung des Asklepieions, welche Aristojjhanes
im I'lutos giebt, werden alle diese Attribute der Reihe
nach erwähnt. An die jungfräuliche Hygieia bei
dieser Figur zu denken, verbieten die niatronale
Gewandung (Kopfsehleier) und die ungewöhnlich
vollen und kräftigen Arme derselben, deshalb bleibt
nur die Deutung auf Asklepios' Gemahlin Epione
übrig, welche im Friese ihre Gegenbilder an den
ähnlich wesenlosen Gestalten einer Dione, Asteria,
Enyo und Tliemis findet. — Zum Schluss sprach
Herr Curtius über eine zu Olympia gefundene
Inschrift mit dem argiviseiien Künstlerpaar An-
dreas und Arisfomachos, in welcher er ein Zeug-
niss des Wiederauflebens des Erzgusses nach Olym-
pias 156 erkannte, von dem Plinius 34,8 spricht.
Denn die ars slnluaria könne an dieser Stelle nur
auf den Erzguss bezogen werden, der aus Mangel
an Nachfrage iu Abnahme gerathen sei, weil die
Errichtung von Siegerstatnen nach Alexander viel
seltener wurde. Erst seitdem Italien mit Hellas
in engere Verbindung trat, sei auch für die olym-
pischen Ehren ein neues Interesse erwacht, und die
Firma Andreas und Aristomachos bezeuge den
neuen Aufschwung der argivischen Ateliers.
10
147
Sitzunfrsberiohto.
148
Sitzung vom 1. Juli. Zur Vorlage kam der
Prospect des grossen Werkes über die Alterthü-
mer von Pergamon, herausgegeben im Auftrage
des Preuss. Cultusministeriums; Heibig, das ho-
merische Epos aus den Denkmälern erläutert. —
Herr Furtwängler legte eine Serie von 44 Folio-
Tafeln vor, die demnächst, von einem Textbande
begleitet, unter dem Titel: „Jlykenische Vasen,
vorhellenische Thongefiisse aus dem Gebiete des
Mittelmeeres" im Auftrage des archäologischen In-
stituts erseheinen werden, und schied an der Hand
der Abbildungen die Hauptgruppen, in welche diese
Gattung zerfällt. Die zur Decoratiou der Gefässe
benutzten Elemente sind vorwiegend der organischen
Katur entlehnt, aber in merkwürdiger Weise um-
gebildet worden. Diese Vasengattung ist Trägerin
einer ganz originalen überaus reichen vorgriechi-
schen Decoration, deren Entwicklung sich fast in
allen Stadien genau verfolgen lässt. Für die Fra-
gen nach der Zeit, der Herkunft und den Trägern
der gesammten „Mykenischen" Cultur verwies der
Vortragende auf das demnächst erscheinende Werk
selbst. — Herr Trendelenburg sprach zunächst
über die Anwendung von Farben im pergameni-
schen Gigantenfries und erläuterte die Gründe,
welche ihn zu der Annahme bestimmen, dass das
Hochrelief der Gigantomachie in gewissem Sinne
polychrom gewesen sei. Der Umstand, dass sich
an verschiedenen Stellen dieses Frieses Löcher zum
Einsetzen bronzener Ornamente finden, dass die
Augen des Zeusgegners ausgehöhlt, also zur Auf-
nalmie farbiger Steine bestimmt sind, dass bei den
andern unverletzten Köpfen die Augentiächen ver-
schieden starke Corrosion zeigen, also ein Theil
der Fläche gegen Verwitterung besser geschützt
war als der andere, alles das berechtige zu der
Schlussfolgerung, dass Farbenwirkuug auch bei
diesen Reliefs nicht ausgeschlossen war. Diese
Wahrnelimungen sind nun durch eine ganz kürz-
lich erfolgte Entdeckung bestätigt worden, da sieh,
wie der Vortragende einer Mittheilung des Herrn
Couze entnalim, an einem nocli in Pergamon be-
findlichen Kopfe deutlich — selbst auf einer hierher
gesandten Photograpliie sichtbar — die Spur des
gemalten Augensternes gezeigt hat. Sodann legte
der Vortragende die sechste Tafel aus dem bei
E. Wasmuth demnächst erscheinenden Werk über
den Gigantenfries vor und knüpfte daran eine
Besprechung der beiden hier dargestellten Göttin-
nen, deren Zugehörigkeit zur Hekategruppe er im
einzelnen nachzuweisen suchte. Die eine derselben
ist als eine untergeordnete Gottheit und mehr als
Repräsentantin einer ganzen Klasse subalterner Dä-
monen denn als selbständige Persönlichkeit cha-
rakterisirt, weshalb er für diese den Namen Ge-
netyllis vorschlug, einer Gottheit aus dem Gefolge
der Hekate- Artemis, welcher der — im Friese sie
begleitende — Hund heilig war. Die andere ist eine
an Hera erinnernde matronale Erscheinung, die iu
auffallender Weise mit der Hekate selbst überein-
stimmt und deshalb nach der Meinung des Vor-
tragenden als Mutter derselben aufgefasst und mit
dem Namen Asteria belegt werden kann, der un-
ter den Altarinschriften erhalten ist. ■ — Herr Weil
machte Mittheilungen über die jüngst hierher ge-
langte Münzsammlung, welche die Doubletten der
bei den Ausgrabungen in Olympia gefundenen
Münzen bilden.
BEITRAEGE ZUR GRIECHISCHEN IKONOGRAPHIE.
(Tafel 11. 1-2.)
I. Anakreon.
Die auf Tafel 11,1 nach dem Gipsabguss des
l^erliner Museums abgebildete Marmorstatue ist
1835 bei Monte Caivo im Sabiniscben zugleicli mit
einer anderen, die einen sitzenden Dichter darstellt,
gefunden worden und befindet sieb jetzt in Villa
Borghese. Die Erhaltung ist eine verhältnissmässig
glückliche, nur die Arme und ein Theil des rechten
Beines sind ergänzt, und zwar ohne Zweifel richtig.
Die einzige Beschädigung, welche der Kopf er-
litten hat, betrifft die Augen, die ehemals beson-
ders eingesetzt, jetzt, wie so oft, verloien sind.
Als Emil Braun über den Fund berichtete
(Bnllettino 1836 S. 9), war für diese Statue noch
keine Deutung versucht, später wurde sie, es ist
ungewiss von wem, als Tyrtaios bezeichnet. An
Stelle dieser Benennung, zu welcher wirklich kein
Grund vorhanden ist, wie in der Beschreibung der
Stadt Eom III, 3 S. 247, 1 richtig bemerkt wird,
suchte Braun später (Biillelthw 1853 S. 20. Archäol.
Ztg. 1852 S. 241* Ruinen und Museen Roms S. 549,
23) die auf Alkaios zu setzen, an welcher auch Heibig
(Bullettino 1867 S. 135. Avchäol. Ztg. 1867 S. 53*)
gegenüber dem inzwischen von Brunn (Biillellino
1860 S. 3. Archäol. Ztg. 1859 S. 131*) vorgeschlage-
neu Namen Piudar festhielt. Wir sind jetzt in der
glücklichen Lage die sichere Deutung geben zu
können: der Dargestellte ist Anakreon. Aller-
dings glaubte man bis jetzt, als das Bild des Ana-
kreon das zugleich mit der fraglichen Statue gefun-
dene eines sitzenden Dichters erkennen zu müssen.
Die Vermuthung, die gleich Anfangs aufgestellt
wurde (Bnlletliiio 1836 S. 11), hat zuerst Braun
(Ruinen und Museen Roms S. 543, 15) dadurch zu
Archiioloj:. Ztir. Jahrgang XLIl.
beweisen versucht, dass er die schon von F. Jacobs
mit einer von Rausanias erwähnten Statue in Ver-
bindung gesetzten Epigramme des Leonidas von
Tarent und das diesen nachgeahmte des Eugenes
(Anth. Pal. XVI 306—308) auf diese Statue bezog
und annalim, dass wir in ihr jenes von Pausanias
und den Epigrammatikern beschriebene Werk be-
sässen. Brunn ist ihm in seiner feinen Besprechung
der Statue {Annali 1859 S. 155) gefolgt. Aber wir
müssen uns gegenwärtig halten, dass zunächst
die Identität der von Pausanias und von Leonidas
berührten Statue nicht zu beweisen und Welckers
Zweifel daran (Kleine Schriften I S. 258) nicht un-
begründet ist. Weiter aber ist schon von Meineke
{Deleclus poelarum anthologiae graecae S. 121) richtig
bemerkt, dass der Anakreon der Epigramme un-
möglich gesessen haben könne, und 0. Jahn (üeber
Darstellungen griechischer Dichter auf Vasenbildern,
Abhandlungen der k. Sächsischen Gesellschaft der
Wissenschaften VIII S. 726) hat das genauer aus-
geführt. Meinekes Ansicht allerdings, es handele
sich in den Epigrammen um ein Relief, ist trotz
der Dunkelheit gerade der betreffenden Stelle sicher
zu widerlegen: das vnegi^E ll!>ov (XVI 306, 2)
lässt sich doch nur von einer Basis verstehen. Ob
allerdings dem Leonidas ein wirklich existirendes
Kunstwerk vorgeschwebt habe, ist mir zweifelhaft.
Es ist bei den Epigrammatikern nur allzusehr be-
liebt, die Verse auf berühmte Männer, besonders
auf litterarische Grössen, scheinbar an das Grab
oder eine Bildsäule des Betreffenden anzuknüpfen,
und die Auffassung, die sich hier bei Leonidas zeigt,
entspricht zu genau der, welche sich in den
Epigrammen Anih. Pal. VII 23 — 33 findet. Zu
11
151
P. "Wolters, Beiträge zur griechischen Ikonographie.
152
vergleichen ist auch XVI 309. Auf keinen Fall
bieten uns die Epigrauime eine äussere Bestätigung
der Benennung Auakreon. Ein glücklicher Fund
der jüngsten Zeit zwingt uns nun, sie völlig aul'zu-
geben.
Im Januar 1884 wurde bei einer von Lanciani
geleiteten Ausgrabung in den Resten eines antiken
Gebäudes in Trastevere eine 0,55 hohe Büste aus
penteiischem Marmor gefunden, welche durch die
Inschrift als Bildniss des Anakreon gesichert wird.
Die Büste, welche sich jetzt im Capitoliuischen
Museum befindet, ist im Biillettiiio della commissione
arclieologica cotnunale di Borna XII Tat". 2 8. 25
phototypisch abgebildet und von C. L. Visconti be-
sprochen worden. Eine Zeichnung, die nacli jener
Abbildung gefertigt ist, findet sich auf unserer
Tafel 11,2. Die Inschrift heisst nach der Abschrift
im Bulleltino ANAKPeCüN AYPIKOC; der uu-
gleichmässigeu Vertheilung der Buchstaben und
der Analogien wegen ist man aber versucht anzu-
nehmen, sie habe ursprünglich Idva-xqkov h hwi-Aog
gelautet.
Visconti glaubt, dass die neu gefundene Büste
die hergebrachte Bezeichnung für den sitzenden
Dichter in Villa Borghese bestätige; zwar liege ein
etwas verändertes Original zu Grunde, doch sei die
Aehnlichkeit beider Köpfe beweisend. In der That
zeigt die Büste, wie sie Visconti abbildet, einige
Verwandtschaft mit dem Borghesischen Sitzbilde:
das ist zunächst die Folge davon, dass beide Bild-
nisse Schöpfungen derselben Zeit, vermuthlich sogar
desselben Meisters sind; dazu kommt noch, dass
man zur Ergänzung der bei der Büste verlorenen
Nase eben die jener anderen Statue benutzt hat. Es
würde nielit schwer sein, manche Unterschiede zwir
sehen beiden Köpfen nachzuweisen. Die Büste ist
offenbar Replik des stehenden Dichters aus Villa Bor-
ghese; ein Vergleich mit dem Taf. 11,1a noch ein-
mal grösser abgebildeten Kopfe dieser Statue zeigt
das unwidersprechlich. In jenem stehenden Dichter
haben wir also Anakreon zu erkennen, nicht in dem
sitzenden. Denn zu dem Auskunftsmittel können
wir nicht greifen, beide Statuen l'ür verschiedene
Auffassungen und Darstellungen derscU)cn Berson
anzusehen. Wir dürfen zwar nicht erwarten, über-
haupt ein anderes Bild des Anakreon z,u besitzen,
als ein in späterer Zeit entstandenes, günstigsten
Falles an irgend eine wirkliche oder vermeintliche
ältere Darstellung des Dichters anknüpfendes Pro-
dukt der künstlerischen Phantasie, aber selbst bei
solchen erfundenen Bildnissen werden die einmal ge-
schaffenen Züge als Grundlage jüngerer Schöpfun-
gen beibehalten sein. Vor allem widersprechen
aber jener Annahme die Fundumstände der beiden
Statuen, die offenbar als Theile eines geschlossenen
Kreises gearbeitet waren, wie sich auch aus der
gleichartigen Technik bei den Augen ergiebt; wir
müssen also zwei verschiedene Personen in ihnen
voraussetzen. Die der zweiten durch Vermuthung
zu bestimmen, wage ich niclit.
Auch über das Original dieser Statue des Ana-
kreon vermögen wir nicht zur Gewissheit zu kommen.
Auf den Münzen von Teos findet sich häufig ein
sitzender, die Leier spielender Mann, in dem man
mit Recht Anakreon erkennt. Auf eiuer anderen
Münze (Numismala antiqua, collegit Thomas Pem-
brockiae et Motitis Gomerici comes II Taf. 80, da-
nach bei Jahn, Darstellungen griechischer Dichter
Taf. 8,7; vgl. Mionuet, Descriplion des niedailles
antiques III S. 2()I, 1489) ist Anakreon unserer
Statue sehr ähnlich dargestellt. Wo sich diese
i\Iünze jetzt befindet, vermag ich nicht anzugeben.
An ihrer Echtheit ist um so weniger zu zweifeln, als
der auf ihr genannte Stratege Verecundns sich auch
sonst findet: vgl. Imhoof-Blumer, Monnaies grecques
ö. 297, 133a. Jahn glaubte auf zwei verschiedene
Statuen in Teos schliessen zu müssen: zwingend
ist der Schluss durchaus nicht. Dass sich aller-
dings ein Bild des Anakreon in Teos befunden
habe, dürften wir auch ohne die Autorität Theokrits
(Anth. Pal. IX 599) annehmen, aber es liegt kein
genügender Grund vor, die Münztypen auf ein
statuarisclies Vorbild zurückzuführen. Von der
Statue auf der Akropolis zu Atiien aber wissen
wir nichts anderes, als was Pausanias sagt, sie
zeige einen wie im Rausche singenden Mann. Um
unsere Statue auf dieses Original zurückzuführen,
müssten wir also mindestens bei Pausanias einen
153
P. Wolters, Beiträge zur griechisclien Ikonugraijliie.
154
ungenauen und übertreibenden Ausdruck voraus-
setzen. Ist dagegen unsere Auflassung richtig, dass
wir in den beiden Dicliterstatuen der Villa Borghese
die Reste eines grösseren, von einem oder mehreren
Ktinstlern gemeinsam geschaffenen Statuenvereines
— etwa der grossen Lyriker — besitzen, so wer-
den wir jene Beziehung bestimmt ablehnen müssen;
denn Tansanias spricht nur von dem einen Anakreon,
und die Annahme, ausser diesem hätten sich auch
andere Lyriker auf der Burg befunden, würde ganz
willkürlich sein. Irgend etwas aber über das Ver-
hältniss der Statue von der Akropolis zu dem
Original der erhaltenen zu niuthmassen, wäre eitle
Mühe.
II. Herniarchos.
Gl, sc.
Die trefflich erhaltene, hier zum ersten Mal ab-
gebildete Büste aus parischem Marmor ist nach
einer Mittheilung von Stamatakis beim königlichen
Marstall in Athen, nordwestlieh vom Scbloss ge-
funden. Die Zeichnung hat Ludwig Otto nach einer
vom Original genommenen Photographie gemacht,
geschnitten ist sie in Dresden unter der Leitung
von Professor Bürkncr. Ich benutze ausserdem
den Gipsabguss des Berliner Museums. Heydemann
(Die antiken Marmorbildwerke zu Athen N. 742)
und Sybel (Katalog der Skulpturen zu Athen N. 375G)
beschreiben den Kopf als in der Epliorie der Alter-
thümer befindlicli; jetzt ist er im lünften Saale des
Patissiaitiuseums aufgestellt. Der einzige Scliaden,
welcheu er erlitten hat, ist eine geringe Verletzung
des linken Ohres. Die Büste ist ganz ausgearbeitet,
aber unterhalb des Bruststückes ist noch eine etwa
0,10 m. dicke roh bearbeitete Platte stehn geblieben,
die eine AufstiUung des Kopfes ermöglicht; einen
eigentlichen Büstcnfuss hat derselbe nie gehabt.
Heydemann und Sybel haben keine Bestimmung
des Dargestellten versucht, neuerdings gilt die Büste
als Bildniss des Epikur und so wurde auch ihr Abguss
im BerlinerMuseum bezeichnet (Arch.Ztg. 1S83 S.96).
Irre ich nieiit, so stammt diese Deutung von Milehhöfer
(vgl. Die Museen Athens S. 44. Literarisches Central-
blatt 1881 S. 1G()0). Eine gewisse Verwandtschaft
mit dem Bilde jenes Philosophen ist offenbar, aber
es finden sich Unterschiede, welche die Deutung
unmöglich macheu. Ich bediene mich zum Ver-
gleiche eines Gipsabgusses des Ancient marbles II
Taf. 34 abgebildeten Marmorkopfes im Britischen
Museum. Zunächst ist das Gesicht bei diesem
schmaler, die Wangen etwas eingefallen, während
die des athenischen Kopfes eine gesunde Fülle zei-
gen. Charakteristisch verschieden ist die Gestalt
des oberen Randes der Augenhöhle. Bei unserem
Kopf ist die Wölbung desselben ganz regelmässig,
beim Epikur erreicht er viel näher den Schläfen
seinen Höhepunkt und senkt sich dann nach der
Nase zu, indem er zugleich etwas überhängend
einen Theil der Augenhöhle verdeckt. Der Ausdruck
des Epikur wird dadurch weit ernster, strenger;
man sieht die Stirnhaut, wie wir es wohl bei inten-
sivem Denken thun, heraI)gezogen, so dass sie sich
an der Nasenwurzel zu Falten zusammenschiebt.
Das Auge ist bei beiden Köpfen schmal, aber das
des Epikur liegt tiefer und ist von mehr Falten
umgeben. Ein bedeutender Unterschied zeigt sich
in der Gestaltung von Stirn und Nase. Die Stirn
des athenischen Kopfes ist ziemlich glatt, kaum
mehr belebt als die des Praxitelischen Hermes,
au welchen ihr ganzer Bau erinnert. Nur eine
leichte Falte zeigt sich da, wo der untere vor-
gewölbte Theil derselben beginnt. .Auch die Nase
ist regelmässig und schön gebildet. l>ei Epikur
finden wir dagegen eine von Falten durchfurchte
11*
155
P. "Wolters, Beiträge zur griechischen Ikonographie.
156
Stirn und eine starke, auflallige Hakennase. Au
der Londoner Büste ist dieser Tlieil ergänzt, aber
richtig-, wie z. B. die sicheren Bildnisse des Epikur
bei Comparetti und De Petra, La villa Ercolanese
Taf. 12,5 — 7 lehren können. Endlich ist das Haar
bei dem athenischen Kopf weit lebendiger, frischer,
krauser als das schlichte, schlaffe Haar des Epikur.
Ich halte es danach für unmöglich, dass mit dieser
Büste Epikur gemeint sein könne, aber ein Epikureer
ist es, Hermarchos, der Schüler und Nachfolger des
Epikur.
Wir kennen sein Bild aus der schönen Bronce,
welche zuletzt Comparetti und De Petra, La villa Er-
co/a«ese Taf. 12, 8 abgebildet haben ; vgl. S. 263, 16.
Mit dieser stimmt unsere Büste so völlig überein, dass
kein Zweifel an der Identität möglich scheint. Sicher
werden sich unter den uns erhaltenen antiken Bild-
nissen noch andere Exemplare dieses Porträts er-
kennen lassen. Ein weiteres nachzuweisen bin ich
schon jetzt im Stande: es ist ein Marmorkopf un-
bekannter Herkunft im Berliner Museum, der im
neuen Katalog als N. 306 besprochen wird. Seine
Uebereinstimmung mit dem athenischen Kopf ist so
gross, dass wir beide sogar auf dasselbe Original
zurückführen müssen.
Die grosse Verwandtschaft der beiden Köpfe
des Epikur und Hermarch ist iu die Augen sprin-
gend, erst genauere Betrachtung Hess uns die Un-
terschiede finden. Auch das Bildniss des Metrodor,
das wir aus mehreren Büsten kennen (Visconti,
Icouographie yrecque Taf. 25,4 I S. 214. Comparetti
und De Petra Taf 12,2. S. 263,18) ist ganz ähn-
lich. Aber auch hier werden sich Unterschiede im
Einzelnen nachweisen lassen. Die Gleichheit der
Zeit, vor allem die der Lebensgewohnheiten, und
nicht zum mindesten die des Stiles, in welchem die
Künstler dieser Bildnisse arbeiteten, erklären die
Aehnlichkeit zur Genüge; innerhalb dieser allerdings
ist auch der ganze Ausdruck, in dem wir am
ersten das Wesen der Person erkennen können,
durchaus unterschieden. Man kann diese Verschieden-
heit kaum besser illustriren alsdurcii einen Ausspruch
Epikurs, den uns .Scneca (Brief 52,3) aufbewahrt hat:
Quosdam ail Epicurus ad cerilatem sine ulliiis adiiilorio
exisse, fecisse sibi ipsos riani. Hos maxime laitdat,
(jilibiis ex se impetiis füll, qui se ipsi prutulerunl.
Quosdam iudigere ope aiieiia, non iluros, si nemo
praecesseril, sed bene secutiiros. Ex his jtlelrodorum
ail esse: egregiiim hoc qiioqne, sed secuiidae sortis
Ingenium. . . . Praeter haec adlmc invenies genus
aliud hominum ne ipsum quidcm faslidiendiim eorum,
qui cogi ad rectum compellique possuiit, quibus non
duce tantum opus sit, sed adiutore et, ul ita dicam,
ruaclore. Hie tertius color est. Si quaeris hnius
exemplar, Hermarchum ail Epicurus talem fuisse.
Mit dem Bilde, das wir aus diesen Zeilen gewinnen,
stimmt der Eindruck der Bü.sten genau. Einen tiefen,
energischen Denker suchen wir nicht in Hermarch:
diese glatte, weiche Stirn zeigt keine Spuren auf-
reibender Arbeit, und die weichmüthige Neigung
des Kopfes, der wohlwollende, milde Ausdruck ver-
räth wenig Energie. Das ist der Schüler, den der
Lehrer zur Wahrheit zwingen musste. Anders ist
schon der Ausdruck des Metrodor: seine festeren,
energischeren, wenn auch nicht sehr geistreichen
Züge lassen uns den Mann ahnen, der die einmal
beschrittene Laufbahn unverrUckt verfolgte, dem
man nur den Weg zu zeigen brauchte. Mit dem
dritten, dem glücklichst ßeanlagten, der aus innerem
Drang sich der Wahrheit widmet, hat Epikur natür-
lich sich selbst gemeint; ich denke dass dieser oder
ein ähnlicher Ausspruch es gewesen ist, der dem
späteren Alterthum die Handhabe zu der immer
wiederholten Verläumdung bot, Epikur habe be-
hauptet, ohne Lehrer zu seiner Philosophie gelangt
zu sein, während doch der Einfluss seiuer Vorgän-
ger so ofi'en daliegt. Nicht die Unabhängigkeit
der Gedanken hat Epikur für sich in Anspruch
genommen, sondern die des Triebes nach Wahrheit.
Dieser brauchte nicht erst durch Andere geweckt
zu werden, ihn trug er in sich. Sowohl im Aus-
druck der selbstbewussteu Festigkeit als dem der
angestrengten geistigen Kraft überragt das Bildniss
des Epikur die seiner Schüler, wie er auch im
Leben hoch über ihnen stand. Für uns aber wird
dies Verhältniss ganz besonders durch einen Ver-
gleich dieser drei merkwürdigen Bildnisse klar und
anschaulich.
157
P. Wolters, Beiträge zur griechischen Ikonograiihic.
158
III. Autiochos Soter.
Der schöne, auf Tafel 12 in zwei Ansichten ab-
gebildete Kopf aus griechiseheni Marmor befindet
sich in der Münchener Glyi)tothek. Eine Aufnahme
nacli dem Original, welche durcli Brunn's freund-
liche Vermittelung angefertigt wurde, gelaug leider
der ungünstigen Aufstellung wegen nicht recht; die
Abbildung mnsste deshalb nach dem Gipsabguss des
Berliner Museums hergestellt werden. Bisher ist
der Kopf nur in BernouUi's Römischer Ikonographie
I S. 85 in ungenügender Weise abgebildet, und
nach älterer Vermutliung neben zwei ganz verschie-
denen anderen Bildnissen als Marius behandelt, ein
Name, auf den alle drei Köpfe gleich viel, das heisst
gar keinen Anspruch haben. Brunn (Beschreibung
der Glyptothek + S. 220, 172) bespricht den Kopf
als den eines Römers aus dem vorletzten Jahr-
hundert V. Chr.
Ergänzt ist an dem Kopf ausser der etwas plump
gerathenen Nase nur Weniges an dem linken Augen-
knochen und der linken Wange. Seine Herkunft
ist nicht mit Sicherheit anzugeben. Urlichs (Die
Glyptotliek S. 52), welchem Brunn folgt, giebt an,
diese Büste des Marius sei 1815 aus Palast Bar-
l)erini erworben ; das ist eine Verwechselung, wie
die von Urlichs selbst angeführte Abbildung des
Causeus beweist. Der berühmte Marius Barberini,
'die Krone des barberinischen Museums', wie ihn
Wagner nennt, ist nicht selten abgebildet, vgl.
Causeus de la Chausse, Romanum museum ^ (174G)
I, 2 Taf. 55. Tetius, Aedes Barberinae S. 201.
Gronov, Thesaurus graecarum auliquitatum III zu
Blatt 00. E. Q. Visconti, Icottograplde Romaine I
S. 70: es ist der neuerdings von BernouUi, Rö-
mische Ikonographie I S. 82 ebenfalls als Marius
abgebildete Kopf N. 216 der Glyptothek. Auf
diesen muss sich die Notiz des Bar])erinischen
Inventars vom Jahre 1738 (Doaimenli itiediti per
servire alla sloria dei miisei d'Ilalia IV S. 21) be-
ziehen ebenso wie der mehrfache Widerspruch
Winckelmanus gegen die grundlose Benennung
(vgl. Geschichte der Kunst XI, 1 § 23). Ueber den
Kopf N. 172 vermuthet Urlichs an anderer Stelle
(Die Glyptothek S. 10), er sei identisch mit einem
angeblich aus Palast Ruspoli erworbenen Kopfe,
der für Sulla galt; es scheint, dass uns die Mög-
lichkeit entzogen ist, diese Vermuthuug zu wider-
legen oder zu eriiärten , und dass wir uns also
bescheiden müssen , die Herkunft dieses Kopfes
nicht zu kennen. Das Wahrscheinlichste ist und
bleibt natürlich Rom. Brunn hielt den Kopf für
den eines Römers. Gesprächsweise wies er mich
dafür auf die Aehnlichkeit mit dem schon genann-
ten Barberinischen Kopfe N. 216 bin, und diese
Aehnlichkeit ist unleugbar vorhanden. Für den
letzteren wird man eine Entstehung in der Zeit
Cicero's gerne zugeben, auch dass der Dargestellte
Römer von Geburt sei, wird kaum Widerspruch
finden, obschon wir zugeben müssen, dass zwischen
dem Bifdniss eines Griechen und eines Römers der-
selben Zeit sich nicht immer tiefgehende Unter-
schiede werden nachweisen lassen. Zu einem Ver-
gleich mit dem unsrigen ist der Barberinische Kopf
auf jeden Fall seiner äusserlichen Aehnlichkeit
wegen sehr geeignet, aber dieser Vergleich scheint
mir zu zeigen, dass der erstgenannte bedeutend
älter ist. Mit Recht hebt Brunn bei ihm eine 'mit
der Wirklichkeit wetteifernde Behandlung des
Fleisches, der Hautfalteu, der Augenbrauen hervor,
aber im Vergleich mit dem Barberinischen Kopfe
erscheint er noch fast stilisirend. Allerdings ist der
Versuch gemacht, die Runzeln der Stirn natürlich
darzustellen, aber während wir bei dem Barberini-
schen Kopfe den harten Knochen zu spüren glau-
ben, über welchem die runzliche Haut sich zu Falten
zusammenschiebt, schneiden hier die Falten in eine
im übrigen glatte und scheinbar feste Oberfläche
ein. Aehnlich steht es mit dem Haar, das bei
unserm Kopf in einzelne grössere, flächenhaft und
fast hart begränzte Locken mit geringer Angabe
der kleinereu Einzelheiten aufgelöst und übersicht-
lich gegliedert ist, während es sich bei dem Bar-
berinischen Kopfe aus einer grossen Menge kleiner
und kleinlich gearbeiteter Löckchen zusammensetzt.
Doch könnte dieser Vergleich ungerecht scheinen,
da der letztere einen Mann mit spärlichem, ver-
schwindendem Haarwuciis darstellt, ersterer ein
starkes, üppiges Haar zeigt. Sicherer ist folgender
159
P. Wolters, Beiträge zur griecliisclien Ikonographie.
160
Punkt. Die Augen des besproelienen Kopfes sind
von ganz besonderer Grösse, sie sind ungewöhnlich
weit geöffnet, al^er im Verhäitniss dazu nicht der
Katur entsprechend gewölbt, vielmehr sind sie in
der Gegend des eigentlichen Augensternes etwas
abgeplattet. Durch diese, bei älteren Köpfen durch-
aus nicht seltene Behandlung erhält der Blick
scheinbar eine bestimmte Richtung, das Auge
Leben; selbst auf unserer Tafel hebt sich für ge-
nauere Betrachtung der Augenstern durch seine be-
sondere Beleuchtung vom übrigen Auge ab. Diese
stilisirende Behandlung ist bei dem Barberinischen
Kopfe schon durch eine ganz natürliche Wölbung
des Augapfels ersetzt. Alles das spricht für die
frühere Entstehung unseres Kopfes.
Dass wir in diesem Kopfe das Bildniss eines
ungewöhnlich bedeutenden Mannes besitzen, leuchtet
von selbst ein. Schon seit langer Zeit glaube ich
die Person des Dargestellten erkannt zu haben, es
ist Antiochos I. Soter. Um die Prüfung meiner
Verrauthung zu erleichtern, habe ich auf Tafel 12
das Bildniss des Königs nach drei Münzen des
Berliner Kabinets neben dem Kopfe wiederholen
lassen. Die oben abgebildete scheint mir für die Er-
kenntniss der Identität die wichtigste, sie giebt von
allen Münzen die ich sehen konnte das charakte-
ristischste Bildniss, und ihr schliesst sich die über-
wiegende Mehrzahl der andern an, während die
beiden andern, unten abgebildeten, gewissermassen
Varietäten darstellen. Vergleichen wir die beiden
Bildnisse, so finden wir zunächst eine übereinstim-
mende Haltung des ganzen Kopfes : erregt, spähend
ist er etwas vorgebeugt. Das hochgewölbte Auge
kehrt bei beiden Köpfen wieder; es ist allerdings
allen Herrscherköpfen der ersten Diadochenzeit,
aber, so viel icli sehe, vornehmlich dieser gemein.
Das Haar ist uiclit sorgfältig geordnet, frei fällt es
über die Stirn heral) und verdeckt sie zum grossen
Theil, vor dem Ohr hängt ein kleineres Haar-
büschel. Der Rand der Augenhöhle ist sehr stark
ausgedrückt, deutlich setzt sich die unten etwas
vorgewölbte Stirn von der Nase ab. Die Form der
Käse selbst, die bei der Büste ergänzt ist, lässt
sich nicht vergleichen. Die Oberlippe ist ziemlich
gross und in der Profilansicht merkwürdig gerade
gebildet, das Kinn ist klein, die Muskeln um den
Mund sehr stark ausgeprägt. Aber alles dies sind
Einzelheiten, mit denen sich eine Aehnlichkeit nicht
demonstriren lässt. Ist die Uebereinstimmung bei-
der Köpfe, die ich zu sehen glaube, vorhanden, so
wird man auch den Namen des Antiochos für den
Münchener Kopf in Anspruch nehmen dürfen;
täusche ich mich, und ist es nur die Aehnlichkeit
der Naturauflfassung, so bliebe wenigstens als Er-
gebniss des Vergleiches eine annähernde Datirung
übrig. Ich niuss diesen Zeitansatz um so mehr für
richtig halten, als auch ein Vergleich mit anderen
Werken der Plastik auf denselben führt. Zum
Vergleiche sind wir allerdings auf Werke wesent-
lich anderen Gegenstandes angewiesen, die sich
aber ohne Gefahr verwenden lassen, so lange wir
uns dieses Unterschiedes nur bewusst bleiben, ich
meine die Skulpturen der älteren pergamenischen
Kunst. Von den Figuren des Attalischeu Weihge-
schenkes lässt sicli der Perser aus Aix (Athenische
Mittheilungen I Taf. 7) für die eigenthümliche, die
Theile des Gesichtes scharf sondernde und fast von
einander trennende Bildung des Kopfes, besonders
der Stirn, vergleichen; der rückwärts nieder-
stürzende Gallier {Monumenli IX Taf. 18, 1) bietet
genau dieselbe Bildung der Augenbrauen und des
oberen Augenhöhlenrandes dar, auch die scharfe
Eintheiluug der Stirn durch vertiefte, eingerissene
Linien finden wir hier. Ja, man kann in dem
Kopf des sterbenden Galliers, in der harten, etwas
äusserlich durchfurchten Stirn, sogar in der Haar-
behandlung und vor allem in der Darstellung und
Führung der Augenbrauen Verwandtschaft mit un-
serem Kopf finden.
Es könnte auffällig scheinen, dass der Kopf
eines Herrschers des Abzeichens königlicher Würde,
des Diadems, ermangele. Ich glaube nicht, dass
dieser Umstand unserer Deutung im Wege steht.
Bildnisse anderer griechischer Könige besitzen wir
ausser auf Münzen kaum; diese zeigen natürlich
das Diadem durchgehends, da bei ihnen eine Be-
tonung der Herrschermacht geboten war. Die Köpfe,
in welchen die herkulauisclien Akademiker eine
161
F. Stiuliiiezka, Eule der Partlicnns.
162
Reihe von Ptolemäern zu erkennen glaubten (Com-
paretti und De Petra, La villa Ercolatiese S. 264),
sind (luicliaus nicht siclicr, so dass uns nur Alexan-
der der Grosse bliebe. Und bei dessen einzigem,
ganz sicherem Bildniss, der Herme Azära's, ist zwar
eine Rinde im Haar vorauszusetzen, aber ob diese
etwa aus Hronce gearbeitete Hinde nun die langen,
auf die ydiultern herabfallenden Enden, das Kenn-
zeichen des Diadems wie der Siegerbinde, gehabt
habe, können wir nicht mehr erkennen. Eine Ent-
scheidung darauf hin ist natürlich unmöglich. Aber
wir besitzen aus späterer Zeit eine lange Reihe von
Herrscherbildnissen, die der römischen Kaiser. Dass
man auch in Rom das lang in den Nacken herab-
hängende Baud als Abzeichen königlicher Macht
kannte und betrachtete, ist durch Sallet's Beobach-
tung [Commeiilaliones philologac in honorem Tlieodori
Mommseni scriptae S. 93), dass man diese Schleife
auf den Münzen Caesars vermieden hat, bewiesen.
Zu bemerken ist auch, dass sovvolil Ptolemaios von
Mauretanien {Revue archeologicjne XIV Tafel 317)
als sein Vater Juba II (Annali 1857 Taf E,2; vgl.
1861 S. 412) die königliche Binde mit langen En-
den tragen. Und doch möchte wohl kein Kaiser
sein, von dem es nicht Büsten mit völlig uube-
decktem Haupte gäbe. Ausserdem wissen wir
nicht, ob der Ko])f ursprünglich als Büste gedacht
war, bei einer Statue aber konnten die verschie-
densten Gründe die Anbringung der Binde verbieten.
Zufällig haben wir Kenntuiss von einem Bildniss
des Antiochos Soter. Johannes Malalas erzählt
(S. 276,5 der Bonner Ausgabe), dass Trajan im
Theater zu Antioehieu die Tyche der Stadt aus
vergoldetem Erz aufstellte, welche von den Königen
Seleukos und Antiochos bekränzt wurde. Die
Tyche war eine Kopie des Werkes von Eutychides,
vgl. Malalas S. 201,1; ob die Statuen der Könige
auch, vermögen wir nicht zu entscheiden. Da
Antiochos bei der Gründung von Antiochia noch
ein junger Mann war, kann diese Büste keinesfalls
auf jenes Werk des Eutychides zurückgeführt wer-
den. Den Vater Seleukos hatte Bryaxis porträtirt,
wie wir aus Plinius N. H. 34,73 wissen.
Berlin, im August 1884. Paul Wolters.
ZUR EULE DER PARTHENOS.
An dem ausgeführten Bilde, das wir seit dem
Fund beim Varvakion von der Parthenos des Phei-
dias zu entwerfen in der Lage sind, vermisste man
mit Befremden eines der Hauptattribute der Göttiu.
Alle anderen Thiere, die in irgend einer Beziehung
zu ihr stehen, sind iu dem reichen Helmschmuck
vereinigt, die Burgschlange ringelt sich neben dem
Schilde hervor, und die Eule sollte gefehlt haben?
Das dürften wir heute füglich als undenkbar be-
zeichnen, auch wenn das Gegentheil nicht ausdrück-
lich überlielcrt wäre. Denn wenn Dio Clirysostomos')
sagt: xal rrj^ ye Weidiov Tfxv>]g naQ Idd-rjvainig
arv/sv (ij yXav^) nvx anttS.uöaavxog avifjv avy-
xal^id Qvaai ifj v/scT, avi'dnxnvv xtü ö/jfio)' flegi-
yckea ds xal (xvxnv XaOiov enoirjosv, äg cpaair, snl
') r.>, G; vergl. Michaelis, der l'iirthenou S. 2G9, 28; 271
Anni. 1.
tr^Q aaniöng, so durfte man diese Eule nur zu einer
Zeit als von dem Tcmpelbilde unabhängiges Weih-
geschenk denken, da für ihre Verbindung mit demsel-
ben keine annehmbarere Vermuthung vorlag, als
die von Böttiger, Ross und Stark ^), Pheidias habe
den hässlichen Vogel mit dem formlosen Kopfe
in ganz kolossaler Bildung unter die Rechte
Athenas auf einen Felsblock gesetzt. Heute wissen
wir zum Ueberfiuss, dass dieser Raum von der Säule
eingenommen wurde.
Die scharfsinnige und eingebende Besprechung,
welcher neulich Kieseritzky das Goldmedaillon der
Ermitage unterzogen hat"), ergiebt eine ebenso über-
raschende als anmuthige Lösung der Streifrage. Mit
'-) Die Nachwfisungen bei Michaelis S. 271 Anm.
'j Mittheilungen des arch. Iiu>t. in Athen VIU S. 291 ff.,
besomleis 304.
163
F. Studniczka. Eule der Partlienos.
164
dem gleicben naiven Naturalismus, mit dem der
Meister eine der Aigissclilaugen zum Festlialten des
Speeres an der Scliulter verwandte^), setzte er die
Eule auf deu einen von den aufgerichteten Backen-
seliilden am Helm der Göttin, in der Natur ganz
nalie kommender Kleiniieit, wie wenn eines von
den zaliUosen Käuzchen, welche auf der Burg ihr
Wesen trieben"), vertraulich auf dem Haupte der
Beschützerin Platz genommeu hätte, ähnlich, wie
sich ein solches in dem bekannten Votivrelief auf
den Rücken ihrer gesenkten Hand gesetzt hat'').
So discret angebracht kann dieser, wenn man so
sagen will, scherzende Zug den grandiosen Ernst
des Werkes ebenso wenig beeinträclitigt haben, als
der überreiche Schmuck die Schlichtheit der Ge-
sammtaulage. Mau könnte ihn etwa mit einer
untergeordneten heiteren Episode einer Tragödie
vergleichen. Die alten Einwände gegen das Vor-
handensein der Eule überhaupt verlieren hier ihr
Gewicht: dieses im Verhältniss zum Ganzen win-
zige Käuzchen an dieser Stelle konnte Pausanias
noch leichter übersehen, als die Flügelrosse, wenn
nicht vielmehr die Lücke in seiner Beschreibung
eine darauf bezügliche Notiz verschlungen hat;
die statuarischen Eepliken durften auf seine schwie-
rige Wiedergabe verzichten. Ich sehe also keinen
Grund, der ältesten und treuesteu Nachbildung des
Parthenoskopfes gerade in dieser ganz singulären
Einzelheit den Glauben zu versagen. Wenn Kiese-
ritzky's hübsche Entdeckung dennoch auf Misstrauen
stösst'), so dürfte es nicht unzeitgemäss sein, auf
zwei bisher, so viel ich weiss, nicht herangezogene
Aristophanesstellen aufmerksam zu machen, welche
geeignet scheinen, sie zu stützen. V. 1092 ff. der
Kitter erzählt der Wursthändler, nachdem Kleon
desgleichen gethan hat, dem alten Demos eineu
Traum :
xat /.lovdöxei tj d^eng avxt)
sx nölsiog eld-eiv xai ylav^ avxfj 'nixuxf^ijaitai,
eIto xataanävdeiv kutu zq<i xerpairjc o:Qvßa/.)ji)
*) Vergl. Kieseritzky a. a. O. S, 308.
^) Vergl. Aristoph. Lys. V. 760.
'') Bei Schöne, Griech Rel. Nr. 87. Nach dem bekannten
Scholion zu den unten besproclienen Ver.'-en in den Vögeln
des Aristophant'S trug auch das Agalma der Athena Archegetis
eine Eule auf der Hand Vergl. dazu Müller-Wieseler, Denkiu.
d. A. K. IP T. XX N. 219, 219a und S. 155 ff.
') Oeffentlich ausgesprochen ist es meines Wissens bisher
nur von Furtwaengler in lioschers Lexikon der Mythologie lid. I
S. 689, jedoch ohne Kegriindung. [Zustimmend äusserte sich
inzwischen K. Lange, oben S. 134.]
aßßQoaiav %aia aoü, xaid zovzov (Kleon) de oxogn-
Dass hier ?; ^sog, von der liurg kommend, nur in
Gestalt der Parthenos gedacht sein kann, wird
Niemand in Abrede stellen, der sich die übermäch-
tige Herrschaft vergegenwärtigt, welche das ge-
waltige Werk, zumal so kurze Zeit nach seiner Er-
richtung, über die Phantasie des attischen Volkes
ausüben musste, von der ja auch die Urkunden-
reliefs vielfach Zeugniss ablegen"). Auch ist etwas
später (V. 1169) in ganz ähnlichem Zusammenhange
von trjg i)^Eov zf] yßiQi zijlecfaviiiri und von der
kolossalen Grösse ihrer Finger die Rede, in deu
Vögeln von dem reichen Goldschmuck der IlaQDarog
(V. 670). Nuu vermag ich wenigstens mir keinen
Grund zu denken, weshalb Aristophanes eine
lebende Eule auf der Göttin sitzen lassen könnte,
die mit der Handlung gar nichts zu schaffen hätte.
Da eben durch diese Handlung für die Anbringung
des Vogels die Hände ausgeschlossen sein dürften,
so bleibt hierfür nicht viel Anderes übrig als was
das Medaillon zeigt; er könnte höchstens noch auf
einer Schulter gesessen haben. Nehmen wir aber
einmal die Anordnung des Goldreliefs für das
Tempelbild au, dann ergiebt sich eine durchaus be-
friedigende Erklärung der Stelle. Wenn Kleon
prahlt, ihm sei t] ^edg avzi] erschienen, so muss
Agorakritos ihn auch darin übertrumpfen uud seineu
Traum noch weiter ausschmücken : ihm ist die
Göttin, um mit Epicharm zu sprechen, tti avzozäoa
avTtjg erschienen, sogar die kleine Eule konnte er
erkennen, die oben auf ihr sitzt; kein Zweifel, sie
war es leibhaftig, wie sie droben auf der Burg zu
sehen ist.
Unter deu Spuren der einstigen Weltherrschaft
der Vögel führt Peithetairos (V. 514 ff.) auch dies
an:
o ds dsivözazov y iozlv anaviiov, o Zevg yap o rvv
ßaaiXevwv
ccEZOV OQViv "azrjxsv syiov snl zTjg x£(fairjg, ßaaiksvg
itiv ,
fj d' av ■D^vyazrjQ yXavx , 6 d'ldnoXkwv waneg i)^£Qa7iwv
isQttxa.
Gewiss sind Statuen des Zeus, der Athena uud des
Apollon mit ihren heiligen Vögeln auf den Köpfen
— denn Eni zfjg xeq>ah~]g auf Zeus zu beschränken,
halte ich für unzulässig — für unser kunstmytholo-
gisches Wissen befremdliche Erscheinungen. Aber
dass wir deshalb berechtigt sind, die von deu
°) Vergl. die Darlegung Schöne's, Griech. Reliefs S. 22.
165
A. Conze. Siegelring aus Cypeni.
166
(hier ^uiiz liiUloseu) Scliolien bczeuiite Lesart zu
ändern, wie die meisten Herausgeber des Dicliters
vorselilag'en"), kann ich jetzt noch weniger glauben
.als l'riilier.
Für denjenigen, den die Uebereinstininnnig der
besprochenen Zeugnisse von der Dichtigkeit der
Folgerung Kieseritzky's überzeugt hat, ergielit sich
noch eine weitere von selbst. Unter den vermuth-
lich recht zahlreichen Eulenbildcrn auf der Akro-
polis '") kann nicht wohl ein zweites so ausge-
zeiciinet und populär, keines so scbr geeignet
gewesen sein, im Volksniunde sprichwörtlich zu
werden, wie dieses, und so werden wir es getrost
«nls die bekannte yXav^ iv nölei") in Anspruch
nehmen, welche unsere Ueberliel'erung vno 0aLÖQnv
oder Oaldov geweiht sein lässt, worin schon Meur-
sius eine Corruptel des Künstlernamens vermuthete.
") Nach Beiitlcy auch Kock, Meinekc, Blaydes; zuletzt noch
Sittl, Adler und Weltkugel als Attribut des Zeus, XIV. Suppl.
der Jahrb. f. l'hilol. .S. 15.
>») Vergl. Ross, Arch. Aufs. I S. 205, 207 Taf. XIV.
") Die Stellen bei Koss; Michaelis, Der Parthenon S. 282
Nr. 29; Pnusan. descr. arcis von Jahn und Michaelis p 10.
Auch für die sonderbare Geschichte, die Ausonius ")
von einer magischen, die Vögel anlockenden und
verderbenden Eule des Iktinos auf der Burg der
Minerva zu crzäiilen weiss, wird sich seliwerlicli
ein wahrscheinlicherer Ausgangspunkt denken lassen.
Wie leicht mag sich — erst sclierzhaft, später, wie
so mancher attische Spass, ernstlich geglaubt — die
Sage gebildet haben, die Goldeule sei von Pheidias
auf Anrathen des Architekten an der Parthenos
angebracht zum Anlocken und Einfangen der lästi-
gen geflügelten Gäste, denen die Tempelhüter auch
sonst allerhand Nachstellungen zu bereiten pflegten,
offenbar, weil sie die Reinhaltung der Heiligthümcr
sehr erschwerten ''). Dass man sich in der That
der Eulen zum Vogelfang bedient, führen Erklärer,
des Ausonius an.
Prag, August 1884.
Franz Ötudniczka.
'-") Mosella 308 ff. : rel in arce Minervae
Iclinus niagico cui noctua perlita fuco
Allicit 07nne genus volucres perimitque tuendo.
'"') Veryl. Aristoph. Vögel 525 ff. und 1115.
SIEGELRING AUS GYPERN.
Der hier abgebildete Ring befindet sich im Be-
sitz des Chef-Ingenieurs von Cypern, Herrn Samuel
Brown, mit dessen gütiger Erlaubniss Herr Ohne-
t'alsch-Hichter Zeichnung und Al)druck nahm und
uns zur Verfügung stellte. Herr Richter hat den
Ring etwa ÖOO Schritt vom Ostthore der Stadtruine
Kurioii in einem Grabe gefunden, welches ausser
gemeinen Thongefässeu ohne Bemalung und sehr
einfachen Thonlampen noch einen silbernen Ring,
mehrere silberne Armspangen, darunter ein Paar mit
Schhingeuköpfen, ein silbernes Becken mit elegant
geschwungenen Henkeln und einen Kandelaber aus
Eisen und Bronze, dessen Füsse in Pferdehufen
Arcliiiulog, Zt^'. .Iahr''anL: XLll.
endigen, enthielt, dabei sehr zerstörte Knochen von
mehreren Leichnamen. Der Ring ist von Silber, je-
doch sehr sclilecht erhalten; eine Angabe über das
Material des darin ursprünglich drehbar befestigten
Steines fehlt.
Die Figur der Athena, welche als Siegelbild
vertieft in den Stein geschnitten ist, beruht auf
freier Benutzung der Athena Parthenos des Pliidias.
Wie populär dieses grosse Werk war, wie sich
Nachklänge desselben bis in die untergeordneten
Kunstarbeiten verbreiteten, davon haben erst kürz-
lich wieder die Bleimarken, welche im Bulletin de
corr. hell. 1S83, Taf. II, 38. 48. IV, 111 zusammen-
12
167
A. Conze. Siegelring aus Cypern.
168
gestellt sind, und die, welche v. Sallet in der Zeit-
schrift für Numismatik X (1883) S. 152 niittheilte,
einen Beleg geliefert.
Auf dem Ringsteine von Cypern ist die Haltung
der ganzen Figur ziemlich so wie sie am Vorbilde
war geblieben; die linke Hand ruht auf dem Schilde,
und der Speer, obwohl vom Gemmenschneider nur
wie hinter dem Schilde hervorkommend angegeben,
erinnert genugsam an seine ursprüngliche Lage im
linken Arme. Die Schlange ist unter dem Schilde
weg zu besserer Sichtbarkeit auf die rechte Seite
der G()ttin gerückt. Die Hauptveränderung ist mit
der rechten Hand vorgenommen, welche, stärker ge-
hoben, statt der Nike ein cKilaoinv liält. Es ist
ein der attischen Göttin in gewissen Zeiten wohl
anstehendes Attribut, und der Ring kann auch viel-
leicht noch aus einer Periode stammen, in welcher
Athen zur See etwas bedeutete, aber bei dem pri-
vaten Charakter solcher Siegeisteine sind der mög-
lichen Beziehungen ailzuviele.
Wie viele andere Wiederholungen der Parthenos
des Phidias, so hat auch diese kaum einen Wertli
für die noch kürzlich wieder in dieser Zeitung
(XLI, 1883, S. 277 ff. Schreiber) erörterte Recon-
struction des Originals. Sie bringt nur einen neuen
Beleg für die Celebrität des Tempelbildes und für
die Freiheit, mit welcher man bei dessen Benutzung
im Kunsthandwerk verluhr.
Finden wir eine Variation der Erfindung des
Phidias im Privatbesitze nach Cypern getragen, so
erinnern wir uns des Nachweises von v. Sallet und
Imhoof-Blumer (Z. f.Numism.X, 1883, S. 152ff. Mon-
tiaies grccques S. 372 ff. Taf. G, 15. Archäol. Ztg.
XLII, 1884, S. 61 f.), dass eine kilikische Stadt eine
solche Variation als Münztypus benutzte. Oertlich
noch näher liegt es aber, an das Bild der Athena
des Phidias, und zwar wahrscheinlich ein Nachbild
derParthenos, zu erinnern, welclie nach dem Zeugnisse
einer Inschrift ein Athener auf Cypern selbst weihte.
Die Inschrift (Kaibel 794) ist lückenhaft erhal-
ten, und es ist auch dem letzten Bearbeiter (Stud-
niczka, Vermulhungen zur griechischen Kunstge-
schichte S. t5ff.) nicht gelungen, eine durchaus
sichere Ergänzung zu tinden. Herr Ohnefalsch-
Richter hat auf meine Bitte den Stein wieder auf-
gesucht; er hat ihn auch der Angabe von Ross ent-
sprechend in Neupaphos noch vorgefunden und
Abschrift und Abklatsch genommen; es hat sich
aber aufs Neue gezeigt, dass einer Copie von Ross,
die nach dessen ausdrücklicher Versicherung mit
möglichster Genauigkeit gemacht war, durch Nach-
vergleichung Etwas hinzuzufügen schwer ist. Herr
Richter hat sogar in Folge inzwischen vorgekom-
mener Beschädigung einige Buchstaben weniger als
Ross gefunden. Nur das Eine ergiebt sein Ab-
klatscii, dass am Schlüsse der Zeile 1 zwischen
dem 0 (von dem freilich der Abklatsch nur O er-
kennen lässt) und dem deutlichen /\ kaum für
mehr als zwei Buchstaben, danach also unter den
vorgeschlagenen Ergänzungen höchstens für fy[eia]a
Platz ist. Jedoch sprechen die vorhandenen schwa-
chen Spuren bestimmt gegen ein E an erster Stelle
in der Lücke. In einer Hinsicht nehmen wir es heute
freilich als mit etwas für das lebendige Verständ-
niss der epigraphischen Denkmäler Wesentlichem
genauer als zu Ross' Zeiten, nämlich mit der Be-
achtung der tektouischen Form der Inschriftsteiue.
Unsere Inschrift, welche den Buchstabenformen
nach, unter denen das geschwänzte R vorkommt,
um den Anfang unserer Zeitrechnung zu datiren
ist, steht auf dem Abacus eines profilirten, 0,3810
tiefen, 0,G35 breiten, 0,3429 hohen Blockes, der das
Kapitell einer Basis, auf welcher das Bildwerk ge-
standen haben wird, gewesen zu sein scheint. Ob
auf der Oberfläche des Steins noch Einsatzspuren
erhalten sind, liabe ich nicht in Erfahrung gebracht.
A. C.
169
170
ZU DEN WEBSTÜHLEN DER ALTEN').
Die \\'cl)crei der Alten ist schon t'rüli Ijcliandelt
worden. Salmasius^) machte den Anfang. Schnei-
der Saxo^) folgte mit einer .«ehr gründlichen, für
lange Zeit abschliessenden Untersuchung. Ein Er-
cigniss war 1872 A. Conze's') \'eröftcntlicliung- der
chiusinischen Va.sc mit dem Webstuhl der Penelope.
Endlich sind Marquardt^), Bliimner'^) und
.\hrens') /u nennen, jene mit den betreffenden
Abschnitten ihrer Handbücher, dieser mit einem eige-
ncuAufsatz „über die Webstühle der Alten". Ahrens
arbeitete, aufiallend genug, ohne Kunde von seinen
beiden letzten Vorgängern zu haben. Seine Ergeb-
nisse wichen denn auch von Marrjuardt und Blüm-
ner in wesentlichen Punkten ab, und es Ulsst sich
bis Leute nicht behaupten, dass der rechte Aus-
gleich zwischen ihnen gefunden sei, obgleicli da-
nach wenigstens Blümner") und Marquardt")
noch einmal das \\'ort genommen haben.
Leicht einigt man sicli über einige Vorbegrifie.
Das Weben ist ein Flechten'"). In den Aufzug
(oder die Kette) parallel ausgespannter Fäden wird
der Einschlag seitwärts eingefiochten, d. h. ab-
wechselnd von lechts und von links so eingeführt,
dass er das eine Mal vor den geradzahligen und
hinter den ungeradzahligen Aufzugsfäden hinläuft,
das andre Mal umgekehrt. Auf diese Weise ent-
steht ein glattes, nngemustertes (iewebe („Lein-
vvandbiudung"). Ueberspringt der Einschlag regel-
oder planmässig mehrere nebeneinander liegende
Kettenladen, so kommen Muster oder Figuren zu
i Stande.
') Ich bekenne mit Freuden, dass, so wie ich die Anrejjung zu
dieser kleinen Untersuchung meinem Freunde Hugo Magnus
verdanke, der sich bei seinen Üvidstudien vor die alte Sphinx,
die Scliilderung des Webens im 6. Buche der Metanioriibosen
gestellt »ah, ich auch unttr fortwährendem Meinunjisausiausch
mit ihm zu meinen Resultaten gelangt bin.
-') Ad scrijif. Iiixl. Aug. p. 177ft".
') Im Index Script, r. r. s. v. tela.
■■) Ann. d. Insl. 1872 p 187. ü/on. IX /<«•. XLII
■') Hiiui. l'riv;italt. II S. 85 rt'. Vgl. unten Anni. ',».
'^) Technologie I S. 120 ö'.
') Philologus XXXV S. 38ÖH.
*) Bursians Jahresbericht 1877 Abih III S. '-'37.
'■') Privatleben der Römer S 500 tt".
'"') Daher im ältesten Sprachgebrauch schwer zu unterschei-
lien (s. Victor Hehn, Kulturjjfi. u. Hausth.^ S. 460, U. Schrader,
Sprachvergleichung und Urgeschichte S. 400).
Ancii über die älteste Form des antiken Web-
stuhls ist kein Zweifel. 15ei dem homerischen
ebenso wie bei dem altnordischen hing der Aufzug
an einem auf zwei Pfosten ruhenden Querbaum;
straff gezogen wurde er durch kleine Gewicht-
steine. Als Weberschiffchen diente eine lange Na-
del ans Holz oder Knochen oder Metall, auf die
der Einscblagfadeii entweder wie auf eine Spindel
oder wie auf eine moderne Filetnadel aufgewickelt
war. Das Herandrücken des Durchschusses, das
dem Gewebe F'estigkcit giebt, geschah in ältester
Zeit mit einem Scheit (anäi/r]) aus Holz.
Aber wie geschah die Sonderung der Ketten-
fäden? Musste der AVebende sie jedesmal ab-
zählen ? Oder gab es schon im Alterthum etwas
unseren „Schäften" und unserem „Geschirr" Ver-
gleichbares, „wo ein Tritt tausend Fäden regt, —
ein Schlag tausend Verbindungen schlägt"?
Marqnaidt hat es aus dem homerisclien Gleicli-
niss 'F7()U wahrscheinlich gemacht, dass bereits den
homerischen Griechen eine mechanische Vorrichtung
zur Heraushebung abwechselnd der geraden und der
uugeraden Kettenfäden bekannt war. Sie bestand
darin, dass zwei Schäfte durch Schleifen mit je
einer Hälfte der Kette verbunden waren. Bei dem
äg3'ptischen aufrechten Kahnieuwebstuhli wir kennen
ihn leider nur aus einer Wilkinson'schen Ver-
öffentlichung {manners and cnsloms of ihe ancient
£(/(//)<. (1S78) II 171 nr. 387; danach bei Blümner I
]39), scheinen solche Schäfte am oberen Querbanm
aufgehängt gewesen zu sein. Wichtiger ist, dass
auch der isländische Webstuhl, der eine tela pen-
dula ist (die Kette durch Gewichtsteine gespannt),
mit zwei Schäften versehen ist.
\\'as Mar(|uardt weiter aus der Iliasstelle be-
weisen will und auf Plin. n. h. VIII U'G anwendet,
dass ttlrng das „Geschirr" heisse, pnlymiia also auf
eine grosse Zahl von Schäften schliessen lasse,
scheint mir unhaltbar. Wenn filiog „bei späteren
Schriftstellern" (Blümner, Technol. I, 131) der Fa-
den heisst, so ist diese Bedeutung doch zweifellos
nicht aus der Bedeutung „Schlinge", „Geschirr" ent-
standen, sondern sie ist die ursprüngliche. Und
was bedeutet es denn bei Homer? Die Weberin
zieht den Einschlag heraus nagen ftanv = an der
„Schleife", an dem „Geschirr" vorbei? Warum und
12'
171
0 Schröder. Zu den "Webstulilcii der Alten.
172
lieisst hier iiatiirlicli „aus den Kettenfaden, aus der
Kette". Und bei Plinius werden die alexaudrini-
scben polymila, plurijnis liciis textet, bunt gemusterte
Gewebe, bei denen eine grosse Auswahl von Fäden,
Einscblags- wie Aufzugsf'äden, erforderlicli war, den
geniäldeartigen babylonischen Buntstiekereien ent-
gegengesetzt (Babylonos picta superbae Texta Semi-
ramia quae variatiliir aca sagt Martial).
Die Annahme complicirter Geschirre verbietet
sieh aber schon aus rein praktischen Gründen.
Wenn Helena Schlachtenbilder, Minerva und Arachne
Landschaften und Göttergestalten mit täuschender
Farbenwirkung weben, so ist eine Herstellung sol-
cher Gewebe durch eine nocli so grosse Zahl von
Schäften, wie mir von sachkundiger Seite") ver-
sichert wird, schlechthin unmöglich. Schon um das
einfachste W'ellenlinienmuster auf mechanischem
Wege herzustellen, ist eine grosse Zahl von Schäf-
ten nötbig. Und es liegt auf der Hand, dass zu-
mal am senkrechten Webstuhl die Zahl der Scliäfte,
von denen jeder einzeln musstc angezogen werden
können, ohne einen der anderen uiitzureissen, eine
sehr beschränkte war.
Und wie verhalten sich die weitereu Denkmäler
und Schriftstellerzeugnisse zu dieser Frage? Der
chiusinische Webstuhl (aufrechte Kette, durch Ge-
wichtsteine gespannt; bei ßlüninerl S. 357) zeigt ein
fertiges Stück Gewebe, mit Kandornamenten versehen
und mit einem Streifen abenteuerlicher Thier- und
Menschengestalten abschliessend. Dabei entbehrt der
Webstuhl jeglichen Geschirres. Von dem Querstrich,
der durch einen Theil der Kette geht, muss ganz ab-
gesehen werden. Er könnte nur einen Fadenrest oder
eine Nadel bedeuten. Die beiden untersten Querhölzer
aber, die noch von Marquardt 1879 als Schäfte
gedeutet \vorden sind, würden eben nur genügen zur
Herstellung eines völlig ungemusterten Gewebes,
wenu man auch davon absähe, dass in der Zeich-
nung von den unentbehrlichen Schleifen nichts wahr-
zunehmen ist, dass vielmehr alle Aufzugsfädeu vor
den Querhölzern heruntergehen. Uebrigens sind es
ihrer drei; das dritte Querholz ist durch das Ge-
webe theilweise verdeckt. Wir haben in den drei
Querhölzern also wohl nichts andres zu selien, als
eine Art Lehnen für die liängende Kette (Conze)
") Herr Dr. Max Weigert, Fabrikbesitzer hierselbst, 1.S73
amtlicher Berichterstatter über Textil- und Bekleidungsindustrie
auf der Wiener Weltausstellung, auch Verfasser eines Aufsatzes
,über die Weberei der Alten" (Verhandlungen der polytech-
nischen Gesellschaft zu Berlin 18Gd/6ü p. 84 — 103) hat mich in
dankenswevthcster Weise vielfach mit seinem Käthe unler.'tiitzt.
oder als einfache Querleisten zur Befestigung des
Gerüstes (Ahrens'*).
Auch in der ausführlichen Schilderung des We-
bens bei Ovid (Met. VI 53 ff.) handelt es sich um
ein kunstvolles, färben- und figurenreiches Gewebe.
Der Webstuhl entspricht, wie sich weiter unten zei-
gen wird, im wesentlichen dem chiusinischen. Von
der Souderung der Kettenfäden aber heisst es sla-
men secernit harundo. Was bedeutet das"? Die
Zusammenstellung mit dem kuviÖv des homerischen
Gleichnisses 'F 760, wo in der Erklärung des Scho-
liasten wenigstens das Wort xälai-ing richtig sein
wird, liegt nahe. Allein es besteht ein wesentlicher
Unterschied. Der xavwv wird angezogen (ov z ev
l.iäla xtQoi xavvaarf)^ was bei Ovid nicht bezeugt
wird. Das homerische Gleichniss. dem Alltagsleben
entnommen, gestattet an ein einfaches, glattes Ge-
webe zu denken. Hier mögen also in der That
zwei Schäfte abwechselnd angezogen worden sein.
Bei Ovid aber würde die Weberin ebenso, wie auf
der chiusinischen Vase, mit einer Zweizahl von
Schäften, überhaupt mit „Schäften" in unserem
Sinne nicht weit gekommen sein. Was ist denn
ai)er harundo?
Ein einzelnei-, unbeweglicher Stab zur Spal-
tung der Kette ist bei dem wagerechten Webstuhl
der Beduinen in Gebranch (s. Burckhavdt bei Ahrens
p. o8G); das Gleiche ist bei dem senkrechten Kahmen-
webstuhl der orientalischen Teppichweber der Fall (s.
Max Weigert in dem oben (Anm. 11) erwähnten
'-) Es reizt mich, noch einen Augenblick bei der chiusini-
schen Vase zu verweilen, um zur Deutung der neun Pflöcke auf
dem obersten Querholz des Webstuhls einen Vorschlag zu machen.
Ich halte sie nicht mit Conze und Blümner für Griffe oder
Schrauben zur Festhaltung des fertigen Gewebes, denn drei von
ihnen (Nr. 3. 6. 8 von links) enthalten nichts, was einem GriB'e
oder dergl. ähnlich sieht; auch nicht mit Ahrens für eine Vor-
richtung zur Verlängerung der Kette, erstens weil ich wiederum
dann mit Nr. 3, (! und 8 nichts anzufangen weiss, zweitens aber
weil mir die ganze Annahme einer derartigen Anstückung der
Kette (zunial einer so fadenreichen Kette durch G bis 9 Knäuel)
unglaublich scheint. Ich acceptire aber aus dieser zweiten Er-
klärung die Deutung der sechs runden Gegenstände als Knäuel
und vermuthe hier eine Art Reservefonds von Einschlagfäden,
deren Verbrauch ja überhaupt, sowohl was das Volumen als was
die Länge betrifft, stärker sein musste als der von Aul'zugstaden.
(Jene hatten des Gewebes Fleisch und Epidermis zu bilden und
wurden d.aher locker und weich gewählt; diese das Gerippe, ihre
Feinheit wird gern hervorgehoben: <eHiu's /e/as Verg. Aen. VI! 14,
gradli stamine Uv. Met. VI 54. Was sich der Centonarius, dem
wir die Ciris verdanken, v. 17!) bei molles telas gedacht hat, mag
er selber wissen.) Jetzt erklären sich die drei nicht umwickel-
ten l^flöcke 3. 6. 8 auf das leichteste. Hier ist eben der Vor-
rath bereits verbraucht.
173
0. Sehriifler, Zu den Wcbsti'ilileii der Alten.
174
WienerAusstellungsbeiidit, Biaunscliweig 1874 p.50).
Hcir ür. Jfax Weigert erklärte mir die Hedeutuug
dieses Stabes bei geflochteneu Teppieheii, d. h.
solclicn, bei denen Einschlag und Kette das Muster
hervorrufen, auf meine Anfrage so, dass durch
den .stai) die Kette in zwei gleiche Theile (d. i. in
die geraden und die ungeraden Kettenfäden) getheilt
werde, um das Abzählen der Fäden, über oder un-
ter welche der 8chuss eingetragen werden soll,
ferner das Anknüpfen zerrissener Fäden zu er-
leichtern.
Solch eil) Regulator der Kettenfäden mag auch
der Stab sein, der in dem Rahmenwebstulil der
Circe (Abbildung des vaticanL^chen Vergilcodex)
quer durch die Kette gesteckt ist. Und dieses
scheint denn auch der Sinn der ovidischen harundo
zu sein.
(xerade bei kunstreich gemusterten und figureu-
geschniückten Geweben muss also von einer com-
plicirteren Gesehirrvorrichtuiig abgesehen werden.
Jedem Durchzug der Webernadel musste ein müh-
sames Fädeuabzählen vorangehen, nicht viel anders
als bei unserm Sticken.
Man könnte sich hierdurch versucht fühlen das acu
pingere, namentlich Ov. Met. VI 23, wo .,das Weben
nicht unerwähnt bleiben konnte", als synonym mit
ladio caetare (bei Silius Italiens Fun. XIV G58)
zu erklären. Allein acus scheint nie die Weber-
nadel zu bedeuten, vielmehr als speeifisches Stick-
werkzeug dem Webstuhl gegenübergestellt zu wer-
den. So bei Silius a. a. 0. (ifiO.
Uns Modernen, nur au wagerechte Webstühle
(d. ii. mit wagerechtein Aufzug) Gewöhnten, drängt
sich noch die Frage auf: „Kannte das klassische
I Alterthum nicht auch schon wagerechte Webstühle?"
Und hiermit kommen wir zu dem Hauptdifferenz-
punkt zwischen Ahreus und seinen Vorgängern.
Ahrens verneint die Frage durchaus. Marquardt
und Blümner bejahen sie und glauben von Ein-
richtung und Bezeichnung des wagerechten Web-
stuhls tler Alten mehr oder weniger sichere Kunde
zu haben.
In Ermangelung ausdrücklicher Zeugnisse sind
wir aul' Vermuthuugeu augewiesen. ludess, wenn
Artemidor. Oneir. JII 30 von einem ioTÖg "lyO-tog
spricht, der xivrjaiv xai aTindi]i.ilav atjuaivti (man
vergleiche das homerische latov F.noiyieaUni und
l'indars 'laziöv na?uftßäfiovg öönvg Pyth. IX 18) und
von einem fteQng tatng xatny/^g arjfiaiTixng,
f.jitidi] xa!f£Lniit£i'ai Iffaivovaif, wenn man dazu
nimmt die Xachricht bei Festus p. 277, dass die
tnincae reclae der Bräute und tirones in Rom a slan-
lihiis et in nlliliidhiem (d. h. vertikal) gewebt wur-
den, so wird man in Ovids stanles Iclae (Fast. III
819 und Met. IV 275) kaum ein blosses Epitheton
ornans selieu dürfen. Ueberall schimmert als Ge-
gensatz zu dem aufrechten Webstuhl die Vorstellung
des wagerecbten hindurch. Ja, bei Festus erscheint
der horizontale als der gewöhnliche, moderne, ge-
genüber dem nur noch vereinzelt in Anwendung
kommenden System des vertikalen Webstuhls.
Der Ausdruck in aUitudinem und unsere Ueber-
setzung „vertikal" bedarf noch einer besonderen
Beleuchtung. Denn wie ist es zu verstehen, wenn
derselbe Festus p. 286 — 289 meldet, die lunicae re-
gillae würden susutii versum a slanlihus gewebt?
Ich denke, wenn oben nicht in allilndinem ein durch-
aus fehlerhafter Ausdruck war, dann darf es auf
die Frage, ob von oben nach unten, oder von un-
ten nach oben gar nicht ankommen. Denn in alti-
tndiiiem heisst ja beides. „Vertikal und von Stehen-
den gewebt", das allein gehört also nach Festus'^)
zum Wesen der iuuica re.cla oder regilla; das susum
versum hat nur den Werth einer Xebenbemerkung:
„(und so natürlich) von unten nach oben", und kann
in keiner Weise zur Deutung des Ausdrucks reclus,
oQ^ing benutzt werden. Aber was bedeutet denn
„aufwärts weben"? Es soll hier doch wohl (bei
dem Feierkleid der Bräute und JUuglinge) eine ältere
Art des Webens bezeichnet werden. Lässt es sich
nun irgendwie wahrscheinlich machen, was Blüm-
ner (I 138) annimmt, dass „die ältesten Römer" an
einem Rahmenwebstubl gewebt, wie die Aegypter?
Und nun gar aufrechtstehend, während die Aegypter
bekanntlich sassen? Ich glaube nicht. Die Römer
webten, ehe sie den wagerechten Webstuhl einführ-
ten, oline Zweifel gerade so wie die Griechen und
wie die germanischen Vetteru im Norden, an der
alten tela pendula (vgl. auch Blümner I S. 122). Bei
diesem Webstuhl kann aber die Bezeichnung „auf-
wärts weben" nur nach der Richtung gewählt sein,
in welcher das Scheit {Gnäiirj) gegen den Einschlag
geschwungen wurde. Dazu stimmt im Inhalt und
'■■') ob die von Festus übcrliet'cite Erklärung sachlicb das
Kicliiige trifft, ist eine andere Frage W. Heibig, das home-
rische Epos aus den Denkmälern erklärt S. 134, vergleicht das
homerische iavi<rrf7ii.o; und den öi>!>oait(iSi(ig /timv der Kitha-
liiden, .denn offenbar war jene Tunica, wie dieser Chiton ein
nach archaischer Weise straff herabfallendes Ge-
wand, an welchem Griechen und Römer, wo religiöse Rück-
sichten in Betracht kamen, vielfach auch noch während der
späteren Zeit festhielten."
175
0. Schröder. Zu den Wcbstiililpii flcr Alten.
17fi
Ausdruck die Notiz Herodots (II 35): vtfcdravai
öe oJ i^uv a).?.oi avw ztji' xonxt]v ioi)i(ivi£g , ^lyv-
nrini de xäico. Wenn also Alireiis eiu obeu begon-
ueues Gewebe „aufwärts gewebt" nennt, so bewegt
er sich damit nur in der antiken Tenuinologie und
verdient Beifall, nicht aber die Belehrung, die ihm
Bliimner (in Bursians Jabresber. 1877 Abth.III S. 238)
zu Theil werden lässt ohne die Sache zu fördern.
Ein Verseben ist es allerdings, wenn Abrens sagt,
das (nach antiker Auffassung) „aufwärts" ausge-
führte Gewebe mehre sich immer uiei:r nach oben
zu. Ein ähnliches Versehen findet sich 8. 397 sei-
ner .Abhandlung. Daselbst ist Z. 7 der „ägyp-
tische'' statt „abendländische'' (Webstuhl) zu lesen.
Dass also die Alten den wagerechten Webstuhl
gekannt haben, ist mindestens wahrscheinlich. Auf
sehr unsicheren Füssen aber steht die am zuver-
sichtlichsten von Marquardt (Privatleben d. Rom.
S. 509 f.) ausgesprochene Veimuthung, in der lelu
iogalis des Cato (r. r. 10, 5 und 14, 2) hätten wir
die Bezeichnung für den wagerechten Webstuhl.
Wo ist der Beweis dafür, dass der wagerechte
Webstuhl der Alten oder auch nur der Aegypter
zur Aufhängung der Schäfte gerade wie bei uns
ein besonderes senkrecht auf dem Rahmen stehen-
des Gerüst gehabt, und dass dies xaz eSo'/fjV inc/mn
gebeissen? Marquardt ist in der Uebertragung heu-
tiger Einrichtungen auf die antiken so weit gegan-
gen, zu dem „Geschirr", das an dem hypothetischen
iuyum freischwebend angebracht wäre, auch noch
den „Kamm" zu fügen, der eine Vervollkommnung
des Holzscheites zum Festschlagen des Durchschusses
darstellt. Den Weberkamm kennt das Alterthum
(Ovid Met. VI 58 und Fast. III .S19f.) Aber wie
sali er aus?
Das äg'3'ptische Museum zu Berlin besitzt meh-
rere Kämme aus Holz, etwa eine Spanne bieit, mit
einem kurzen Stiel. Die Einschnitte gehen in der
Weise schräg durch das etwa 1 bis 1,5 Cm. dicke
Holz, dass die Zähne auf der einen Flachseite der
Kämme länger erscheinen als auf der anderen, ohne
jedoch irgendwo die Länge von 1 Cm. zu über-
steigen. Der Handgriff, die schräg durchgehenden
Einsclinitte, die Kürze der Zähne beweisen, dass
diese Kämme, wenn es Weberkämme sind ' '), nicht
") Aul' das Stück Flachs (« jiiece of Imv Wilkiiisun), das
sieb in den Zähnen eines dieser Kilmine gcl'unden haben soll,
ist kein Gewicht zu legen. Gebrauchsgegenstände sind diese
(jräberlun Je wohl kaum gewesen , sondern nur deren (viel-
leicht verkleinerte) Nachbildungen. Eines aber beweisen diese,
wie zahlreiche andere Ilol/käninie des ägjjitisclien Museums
dauernd in den Kettenfäden hingen, sondern ledig-
lich mit der Hand regiert wurden. Abgeschrägt
war der Boden der Zahnlücken vielleicht, um die
Kette beim Heranschieben des Durchschusses nicht
zu sehr anzugreifen.
Anders sieht der Kamm aus auf dem Bilde des
altägyptischeu Webstuhls, das sich in eiuem Grabe
zu Benihassan gefunden bat:
Ich gebe das Bild nach Lepsius, Denkm.
Abth. II Bl. 126, bemerke jedoch, dass die
Originalzeichnung, in die mir ein Einblick gütigst
gestnttct wurde, insofern nicht damit überein-
stimmt, als dort die Kettenfäden nicht, wie hier
und in den ,, Denkmälern" an einer dem Querholz
parallel laufenden Leine, sondern au dem Querbolz
selbst befestigt sind, und die Leine nicht gerad-
linig, sondern in mehreren Schlingen verlaufend die
Bestimmung zu haben scheint, das Querholz sammt
der Kette an die beiden Pflöcke heranzuholen. In
diesem Punkte stimmt die Abbildung bei Kosellini
(mo)inm. dell' Egilto e d. Niibia II tav. XLI G [lom.
II 25]) mit Lepsius' Originalzeichnuug. Die beiden
kurzen Pflöcke, durch Schlingen mit dem Garn-
baum verbunden, sind dem wagerechten Webstuhl
eigentliümlich, wie die weiteren Abbildungen bei
Rosellini a. a. 0. (vgl. bei Wilkinson II 170 nr. 380)
deutlich erkennen lassen.
Wie verhält es sich uun bei diesem wage-
rechten Webstuhl mit dem KanimeV Von den bei-
den gleich langen durch die; Kette gehenden Quer-
hölzern ist bei Lepsius das eine, dem Garnbaum
zunächst liegende als Kamm gezeichnet. Sehr auf-
fallend! Erstens da nicht dieses, sondern nur das
andere, dem Gewebe näher liegende Holz als Knnini
(soweit er zum Fcstschlagen des Durchseliussiadens
dient) funktioniren kann, und zweitens, da ein wei-
jeilenl'alls: üvids insecli (peitine) denies (iUet. VI öS) sind durch
Kiu.<chneiden hervorgebrachte Hol/.zähne, nicht in das Holz ein-
gesetzte Uohrsläbchen wie M Haupt wollte, indem er /nininclo
und peclen identiticirte, und wie auch lilümner anzunehmen
scheint, wenn er iiiserli zu schreiben vorschlägt (I 147).
177
Ü. ScIiWiilcr. Zu den Wrlistiilili'ii (In- Alten.
178
teres, doppelt so laiiires Querholz, nach der Hand-
haltunj;' ijcsondeis der re(;iits hockenden Weberin
zu urtlieilcn, als anäi^rj diese Funktion des Fest-
schlajjens zu hal)en scheint. Unsei- Zweifel mehrt
sicli, weiui wir Roselliiii verg-leiciien, der an Stelle
des Kammes einen mit Faden umwickelten Stab
darbietet. Und in der That: die Haltung der lin-
ken Hand bei der links hockenden Weberin scheint
die Auflassung- dieses Querholzes als Webernadel
zu bestätigen. Dagegen spricht aber wiederum das
zweite zwischen Durchscliuss und Gewebe nur stö-
rende Querholz, — wenn diesrs nicht etwa eine
Andeutung der Sehäffe sein soll.
Denn zwei Schäfte iiat dieser Wel)stuhl zweifellos.
Wie man sieht, werden sie durch Tritte abwechselnd
nach unten gezogen, so dass also in Wahrheit
„ein Tritt tausend Fäden regt". Um sie jedesmal
wieder nacii oben zu ziehen, niuss die Spannung
der Kette selbst ausgereicht haben. Denn sie schei-
nen einfach uiiterhalb der Kette an den Schleifen
zu hängen. Doch welches immer die Bedeutung
jener Querhölzer sei: von einem besonderen ober-
lialb der Kette angebrachten Stulilgestell zur Auf-
iiängung des Gescliins zeigt selljst dieser mit Tritten
versehene Webstuhl keine Spur.
Eine gewisse Stütze schien die besprochene Vor-
stellung von der tela iogalis, als eines wagerechten
Webstuhls mit senkrechtem Geschirrstuhl (= iugum)
in Ovids lelti inyo citicta est zu haben, und beson-
ders in der Art, wie diese Stelle von Seneca
citirt wird.
Seneca (ep. 90, 20) stellt dem alten Webstuhl
mit senkrechter Kette (rectum s/amen), mit Gewicht-
steinen (siispensis ponderibus) , mit dem einfachen
Scheit zum Festschlagen (spatka) — Schaft und
Webernadel nennt er niclit — den Ovidischen
(Met. VI 53 fi".) gegenüber und beginnt sein Citat
aufiallend genug mit den Worten tela iiigu iuncta
est (so statt rhicta est ob). Allein prüfen wir die
Ovidische Schilderung genauer.
Ovid lässt Minerva und Arachnc an ihre Web-
stühle treten: consislunt . . . Hier stock' ich schon.
Die Lesart consistiiiil") ist gar niclit die überlieferte:
constiliiimt ist die Ueberlieferung säinmtlieher Hss. ;
dazu stimmt des Planudes Uebersetzung laiäcjiv
und die Variante in den unbekannten codd. Bers-
uianni coiislilermit, während ronsistnnl sich lediglich
in dem interpolirten cod. Aniplonianus (als Con-
"•) Diese Angaben über die Le.-arten beruhen auf Mittliei-
lunj;en von Hugo Magnus (verf;]. oben Auni, I).
jekturV) über cimstitiinul übergeschrieben findet. Die
Ueberlieferung lautet also, wie denn auch jetzt bei
Merkel und Zingerle gelesen wird:
— riiiistiliiunl diversis jiartilms ambae
et ip'acUi (jnninas iiiteudunl stamine telas.
lelii iuijo viiicta est, stamen secernil harurido.
Die Verbindung tclam constituere könnte die ho-
merische Formel laxnv aTi]aatievr] wiedergeben sollen,
welche das Zurechtstellen ") des Webstuhls bezeich-
net, doch so, dass darin das Aufhängen der Kette,
wie ß 94 — 95 zeigen, mit einbegriffen ist. Dann
hiesse uilendiuil telas „sie ziehen straff" die Ketten'-
(sei es durch Gewichtsteine, wie es bei dem chiusi-
nischen Webstuhl der Fall ist, oder durch einen
zweiten Querliaum, wie bei den ägyptischen Stiililen).
Aber geminas telas = „beide, Ketten"? und et gra-
cili geminas Inteudimt stamiiic telas = ..,und schlan-
ken Aufzugs spannen sie beide Ketten"? tela und
stamen werden auch Met. IV 275 synonym gebraucht.
Aber warum ist die adverbiale Bestimmung gracili
stamine durch die Wortstellung so eng gerade mit
iriletidiint verknüpft?
^\'er diese Bedenken nicht »heilt, der hat es be-
quemer. Er übersetzt (in vollem Einklang mit der
homerischen Formel): „sie richten auf und spanneu
straö" die Ketten", und weiter (55) „die Kette ist
an dem Querbaum befestigt".
Wer aber mit mir übersetzt: „Die zwei Frauen
stellen auf zu verschiedenen Seiten und bespannen
mit schlankem Aufzugsfaden beide Webstühle",
der steht V. 55 vor einer neuen Schwierigkeit: tela
iiigo tincta est kann jetzt nur heisseu „der Web-
stuhl ist durch den Querbaum zusammengefügt".
(Vielleicht wird mancher Seneca's iuncta est vor-
ziehen; entscheiden kann hier nur die genaueste
Keuntniss ovidischen Sprachgebrauchs.) Also eine
nachträglielie und angesichts des bereits mit dem
Aufzug bespannten Webstuhls etwas nachhinkende
Hervorhebung des unentbehrlichsten Theiles an der
alten tela pendula'. Aber vielleicht haben diese
Worte nur den Zweck, in zierlicher Epanalepse
(stamine telas = tela — stamen) die Erwähnung des
Kohrstabs einzuleiten, der, wie oben beschrieben,
die Kettenfäden in Ordnung hält (tela iiigo cincta
est, stamen serernit harnndo). Wie dem auch sei:
von einem besonderen Stuhlgestell zur Auf-
h;lngung des Geschirrs spricht Ovid in keinem
Fnll.
"'l Der zapfeiiartige Fuss an dem chiusinischen Webstuhl
lii-st es j,'laul>Iich erscheinen, dass die Pfosten de» Webstuhls vor
jedem Weben erst in den Fus^bodl,•n yesteckt wurden.
179
H. Bliimner. Die Speisetische der firieclien.
180
Jetzt beginnt das eigentliebe Weben. Der Durcli-
schuss wird eingetragen mit der Nadel (iuscritiir
tnedium radiis subtemen aciitis), Ton der jedesmal
eine genügende Menge Garns abgewickelt werden
muss (quod digili expediutit). Es folgt das Fest-
schlagen des Durchschusses mit dem Kamm (alqne
inter slamina duciuin percKSso paviunt [so Seneea
wohl richtig für das ferinnl der Hss.] iiisecli pecline
dentes). Und diese Verwendung des Kamms an
Stelle der alten spatha rechtfertigt, denke ich, Se-
neca's Ausdruck ,,stibtUiiis geniis'' in ausreichender
Weise. Vielleicht erschien iljm auch die harundo
als eine Neuerung, und so erklärte es sich denn
auch, dass er sein Citat gerade mit Vers 55 beginnt.
Wie der Kamm an dem senkrechten Webstuhl
gehandhabt wurde, wissen wir nicht. Dass beides
thatsächlich verbunden gewesen, wird man auf
Grund der verdächtig genug aussehenden Hesycli-
giosse ana&azöv to ogd-nv r'fng, anää^tj xsxqov-
jitei'ov, Ol! JCTevi, uocli nicht leugnen dürfen. Für
Ovid, der sich Fast. III 8 19 f. ebenfalls ganz unzwei-
deutig ausdrückt, fällt hier Seneca's gewichtiges
Zeugniss {poslea inventum) in die Wagschale. Denn
dass Seneea, der doch zweifellos aucli wird consti-
iuiinl gelesen und iiigiim richtig verstanden haben,
den senkrechten Webstuhl nicht sollte erkannt
haben, ist niclit anzunehmen. Mau vergleiche übri-
gens den bereits oben (S. 170) erwähnten Wilkinson-
schen Webstuhl. An dem aufrechten Webstuhl be-
findet sich dort ein, wie es scheint, auf- und ab-
sehiebbares Querholz, das recht gut als Kamm ge-
deutet werden konnte.
Berlin.
Otto Schkoeder.
DIE SPEISETISCHE DER GRIECHEN.
Ueber die Tische, deren sich die Griechen bei
ihren Mahlzeiten und Symposien bedienten, finden
sich in den Handbüchern nur sehr allgemeine und
ungenügende Angaben, meist nichts weiter, als dass
dieselben beträchtlich niedriger als die Speisesofas
waren, entweder viereckige oder runde Gestalt und
einen, drei oder vier Füsse hatten, wobei man sich
für letztere Behauptung auf Poll. X, ü9: eSeazi ösTt]v
zQÜTieKciv, i(p ji ztt exTitüfiaza xazäxsizai, zsiga-
nnvv T£ zgäniCttv elnsiv xai ^invönow, und ebenda
§ SO: rj de. inoxEmivrj zolg oxpoig zganeCa xai
xQiTiovg av xaXoizo beruft. Es ist klar, dass PoUux
an der ersten Stelle nur die Abaci, die Prunk- oder
Credenztische im Sinn hat, die wir auf manclien
Denkmälern mit Trinkgefässen, Mischkrügen und
dergl. bedeckt dargestellt sehen, an Esstische darf
dabei nicht gedacht werden; hingegen handelt es
sich dem Anschein nach an der zweiten Stelle aller-
dings um solche. Becker im Gharikles I S. 220 (Goell)
führt Athen. II, 49 A an: zgänetaL fXsqiavzönoösg
ziöv iniiyr}j.ittTiov fx ttjg xakovfisiTjg ocfEvöäfAvnv
71 ennitjfisvwv Kgazivng (Frg. 301 Kock)'
■yavgiüiaai d'ärajutvnvait' oid fnrjylaiai^ilvai
fuigaxtg (fciidgal zgänt'Cai zgiaxe'/.tlg acpev.
däfunai,
und bemerkt dazu: „die dreifüssigen Tische werden
zwar mit ihrem eigentlichen Namen zginoäeg ge-
nannt, wofür Athenaeos ebenda Beispiele anführt
(vgl. Phitarch Kleoni. 13. Poll. VI, 83), aber sie
heissen nichtsdestoweniger auch zgäneCai". Sieht
man sich die Belegstellen des Athenaeos näher an,
so ergiebt sich, dass denn doch zwischen dem drei-
beinigen Speisetisch und dem zginm>g ein Unter-
schied gewesen sein nmss, was auch aus Plutarch
Kleom. 13: dnagi^Ei'arjg de zr^g zoanfX,rjg elaExof.iiCezn
zginovg xgaztjga yahxovv s'ycov oivnv /nsotöi' etc. her-
vorgeht. Bei Athen, a. a. 0. heisst es nändich zu-
nächst weiter: einnvzng zivog xvvixnv zgtnoda riqv
zgnnstar övaxegaii'ei n nagd zui aofpiazfi Ovkniarog
xai ksytii zr]/.iegov iyio ngayf.iaza tS,w fs dnga^iag.
nni/sv ydg zovzti) o zginovg' et fi/] zr)v ^loyevovg
ßaxzrjgi'av avf xai zio finde agiO^f^iiöv nvzng zgi-
Ttoöa Tigoatjyngevas, navzwv zgantLag xttknvvzMv
zavzag zag nagaS^soEig. Also ein Kj'nikcr hat
die zgäneCa, den Speisetisch, zginovg genannt;
darüber ereifert sich der eine der Deipnoso-
phisten , der pedantische Ulpiauus, genannt
KeiTovxeizng, und bemerkt, ebenso gut könne je-
mand den Diogenes mit seinem Stock einen zginovg
nennen; diese nagai^iaetg aber würden von allen
181
II. Bliimner, Die Speisetisclie der Griechen.
182
/m
\ Qii:^^^''^^:'^
n
s
Archaolog. Ztg. Jahrgang XLII.
13
183
H. Blümner, Die Speisetische der Grieclien.
184
^=
r \
\
— rJ
OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO
OOOOOOOOOOOOCiOOOOOO gLO-^
TQÜnetai genannt. Nun führt allerdings Athenaeos
nachher einige Beispiele an, um zu erweisen, dass
mau dennoch die Tgänsta bisweilen TQtnovg ge-
nannt habe: Hesiod (Frgm. 105), Xen. Anab. VII,
3, 21, Fragmente aus Antiphanes, Eubulos, Epicharm
und Aristophanes. Selbst wenn in allen diesen
Beispielen ausdrücklich von Speisetischen die Eede
wäre, so würde sich daraus zunächst nur ergeben,
dass die Sdariftsteller bisweilen in freierem Ge-
brauch TQinovg für zoäneCa gesetzt haben, während
doch immer bestehen bliebe, dass ursprünglich und
in strengem Sprachgebraucii ein bestimmter Unter-
schied war, was der genannte Sophist aus seinen
antiquarischen Studien wissen mochte. Allein wir
können nicht einmal beurtheilen, ob alle Beispiele
des Athenaeos wirklich passend gewählt siüd. Das
hesiodischc Fragment aus Krjvxog yä/iing liegt uns
nicht vor, wir müssen uns also hier auf die An-
gabe des Athenaeos verlassen: CHaindng)TQinndaq
rag TouTttlag (prjai Bei Xcnoph. a. a. 0. werden
allerdings dieselben Tische, welche er § 21 tglnoöeg
nennt, gleich nachher § 22 und 23 tgäntCai ge-
nannt, indessen findet die dort geschilderte Mahl-
zeit in Thrakien und nach thrakischer Sitte statt,
man liegt nicht bei Tafel, wie in Hellas, sondern
man sitzt im Kreise beisammen; bestimmte Folge-
rungen für griechischen Brauch können wir aus
dieser Stelle nicht ziehen, denn die Tische, an denen
man sitzend speiste, waren doch höchst wahrschein-
lich von anderer Beschaffenheit als die, bei denen
man gelagert ass. Die Fragmente aus Antiphanes
und Eubulos nennen nur rglnndeg, ohne dass man
den Nachweis führen könnte, dass auch wirklich
Speisetische damit gemeint sind; im Fragment des
Epicharm möchte man das sogar bestimmt in Ab-
rede stellen. Die Stelle lautet:
^. ri de täd' savi; B. öij^aö/] rginoiig. A. %'i
/.iccv, £y_Ei nodag
xeTOQttg; ovx tau TQinnvg, akX [saTiv\ oiftai
xsxQCtnnvg.
B. Eozi 6 ovoj.1 «vTfÄi TQinovg, xizogäg ys fiäv
eyßi nödag.
A. Oldinovg xoi'vvv nox riv, al'viyftä xni rnelg.
Es wäre gewiss verfehlt, wenn man glauben
wollte, dass hier von einem simpeln viereckigen
Tisch mit vier Beinen die Rede ist; es ist doch
ganz undenkbar, dass man einen solchen jemals
einen xqinovg genannt haben sollte. Die Unter-
185
II.^Blümiier, Die Spoisctische der Grieclien.
186
redung gebt vielmehr allem Anseliein nach auf
einen wirklichen Dreifuss, aber auf einen von jener
Form, die wir aus zahlreichen Abbildungen kennen
(man vgl. z. B. das eine Relief der Dresdener
Basis), bei der abgesehen von den drei am Rande
angebrachten leichten Beinen noch in der Mitte
ein das Becken unterstützender dickerer Säulenfuss
angebracht ist. Einem solchen gegenüber konnte
jemand reciit gut seine Verwunderung darüber aus-
sprechen, dass ein Gerütii, welches offenbar vier
Füsse habe, doch Dreifuss genannt werde; und
daraus erklärt sich auch die Anspielung auf das
Räthsel der Sphinx: wie der Mensch mit seinem
Stabe im Alter auf drei Beinen geht, aber doch
nur zwei Füsse hat, so ruht jener Dreifuss auf
vier Stützen, bleibt aber doch immer ein zQtnnvg.
Was endlich die letzte Stelle, Aristoph. Fragm.
530 (Kock) anlangt, so ist auch da nicht schlecht-
weg von einem zglnovs die Rede, sondern der
Tisch heisst das eine Mal rgänsLa rgs'ig nndag
(■//^nvaa, das andere Mal loinovg xqaneta. Ich
glaube, dass hier das punctum saliens der ganzen
Frage zu suchen ist: man muss uutersciieiden
zwischen der zgantt,« zQi'nnvg oder tgiaxeltlg, also
dem eigentlichen Speisetisch, und dem anderen
Zwecken gewidmeten, schlechtbin TQi'nnvg genann-
ten Tische. Die Aufklärung geben uns die Denk-
mäler, vor allem die Vaseubilder.
Wenn man die Darstellungen von Mahlzeiten
und Sj'mposien , bei denen sehr häufig Tische vor
den Ruhelagern mit abgebildet sind, durchmustert,
so fällt einem die ganz eigenthümliche Art auf, in
der diese Tische meistens dargestellt sind. Bis-
weilen allerdings sehen wir niedrige, runde Tisch-
chen von geringem Umfange, mit drei als Thier-
beine gebildeten Füssen, wie sie uns auch auf
römischen Denkmälern begegnen; so z. B. Tischbein
II Taf. 52 u. 53. Gerhard, apul. Vasenbilder Taf. 15.
Panofka, Bilder antik. Lebens Taf. 12, 3 u. s. w. ; vgl.
auch das bekannte Relief mit der Einkehr des
Dionysos bei Ikarios, ferner Ant. di Ercol. I. p. 79
u. a. m. Bei weitem häufiger aber ist eine andere
Form, von der ich hier eine Anzahl Beispiele zu-
sammengestellt habe. Ich gebe gleich die Orte
an, wo dieselben zu finden sind. 1) Vasenbild,
Moinim. d. hisl. VIII, 27; 2) dgl., ebd. VI, 33
(Welcker, Alte Denkm. V Taf. 15); 3) dgl., Archäol.
Ztg. 1880 Taf. 12,1 (Wiener Vorlegebl. Ser. C,
Taf. 8, la); 4) dgl., Archäol. Ztg. IBiJG Taf 206,1
(.4««. d. bist. 1839 tav. d'agg. F.); 5) dgl., Monum.
d. Inst. X, 8; G) Etrusk. AVandgemälde, Mus. Gregor.
1, 101; 7) dgl., ebd. lav. 102; 8) Etrusk. Sarkophag-
relief, Monum. d. Inst. VIII, 2 ; 9) Vasenbild, Archäol.
Ztg. 1883 Taf. 4; 10) dgl., Benndorf, Griech. u. sicil.
Vasenb. Taf. 41,2; 11) dgl., Mus. Gregor. II, 19,1a;
12) Etrusk. Wandgem., Monum. d. Inst. V, 17, 1; 13)
Vasenbild, Monum. d. Inst. V, 49; 14) dgl., ebd. X,
53; 15) dgl., Inghirami, Vasi fitt. II 133; 16) dgl.,
Gerhard, apul. Vasenb. Taf. 7; 17) dgl., Tischbein,
Vases Hamilton 11,55; 18) dgl., Inghirami IV, 317;
19) dgl., Archäol. Ztg., 1880 Taf. 12,2.
Sehen wir uns den Tisch Nr. 1 an, welcher auf
einer Darstellung von Priamos' Besuch bei Achill
vor dem gelagerten Achill steht. Hier fällt vor
allen Dingen in die Augen, dass dieser Tisch nicht
rund sein kann; er muss eine eckige Platte haben.
Besonders auffallend aber sind die in Klauen endi-
genden Füsse; sie zeigen eine Eigenthümlichkeit,
welche bei der Mehrzahl aller solcher Speisetische
auf den Vasenbildern und ebenso auf etruskischen
Denkmälern wiederkehrt: das linke Bein ist im
Profil gezeichnet, wie die nach aussen gehende
Thierkralle beweist, das rechte aber en face. Ganz
unverkennbar ist das gleiche der Fall bei 2, wo
diese Darstellung des Tisches sich genau ent-
sprechend noch dreimal wiederholt, bei 3, 4, 5, 6
(ebenfalls noch dreimal wiederholt); bei 7 (noch
einmal wiederholt) und 8. Bei 9, dem Innenbild
einer Schale, lässt es sich nicht so deutlich erken-
nen, weil das rechte Bein nicht ganz wiedergegeben
ist; aber die grössere Breite des letzteren, die ab-
weichende Art, wie dasselbe oben am Tischblatt
befestigt ist, zeigt, dass hier ganz der gleiche Fall
vorliegt. Bei anderen Beispielen, wo der Fuss
unten nicht geschweift oder als Thierklaue ge-
bildet ist, tritt der Gegensatz nicht so scharf her-
vor, es lässt sich aber doch in der verschiedenen
Breite der beiden Füsse oder indem der linke ein-
fach, der rechte aber als aus zwei Leisten zu-
sammengesetzt erscheint (wie auch bei 1 und 2
deutlich, vielleicht auch bei 4), erkennen, dass auch
bei ihnen der linke Fuss von der Seite, der rechte
von vorn gesehen wird; so in 10, 11, 12, 19, weniger
deutlich in 13 (noch viermal so wiederholt). An
allen diesen Darstellungen sehen wir das im Profil
stehende Bein auf der linken Seite; in umgekehrter
Stellung finden wir es auf der Berliner Vase mit
dem Freiermord, N. 14, wo das von der Seite ge-
sehene Bein rechts, das von vorn gesehene links
ist: aber dieser Tisch ist nicht in Function, sondern
wird von einem Freier als Deckung gegen die
Pfeile des Odysseus benutzt. Diese einzige Aus-
13*
187
II. Bliimiier, Die Speisetische der Griechen.
188
nähme in der Darstellung der Fasse bestätigt also
die Regel, wie wir andererseits in dem Gegenstand
der Haiullung selbst den Beweis haben, dass es
sich auch hier um einen Speisetiseh handelt. —
Andere Beispiele, welche hier nicht abgebildet sind,
die aber den Gegensatz des linken und rechten
Beines ebenfalls mehr oder minder deutlich erkennen
lassen, sind noch folgende: auf griechischen Vasen
MonutH. d. Inst. VIII, 51,4; Gerhard, Auserl. Vasenb.
Taf. 108 (etwas abweichend); ebd. 144 (in dem zum
Flicken der Vase benutzten Stück); Millingen, Vases
Coghil pl. 8; ders., Aue. utied. iiiOHiim. pl. 15; Mus.
Gregor. II, 65; ebd. 79, 1. Von etruskisehen Wand-
gemälden: Conestabile, Pilhire miirali tav. 7. Monnm.
d. Inst. IX, 13,1; ebd. 14,1a. Diese Beispiele Hessen
sich leicht noch beträchtlicb vermehren, mir steht
hier nur eine beschränkte Auswahl von Vasenwer-
ken zu Gebote.
Wie sollen wir uns nun die Gestalt dieser Tische
denken? — Gewöhnliche vierfUssige Tische mit
oblonger Tischplatte können es unmöglich sein;
erstens wäre die verschiedene Stellung der Füsse
dann ganz unerklärlich, denn wie könnte man an-
nehmen, dass von den vier Beineu eines Tisches
^ ^ von der Form abcd zwei Beine, etwa a
und d, nach der Seite ad gerichtet waren,
* " das Bein b aber nach ab und das Bein c
nach cd'} Zweitens aber können die Vasenmaler
solche vierfüssige Tische recht gut zeichneu, in-
dem sie dieselben perspektivisch darstellen und
sämmtliche vier Füsse angeben, oder, wenn
sie auf die Perspektive verzichten , die beiden
vorderen Beine allein malen, diese aber ein-
ander entsprechend in gleicher Ansicht. Man vgl.
z. B. den Tisch auf der Dariusvase; ferner Ger-
hard, Auserl. Vasenb. Taf. 15; ebd. 219; den Ar-
beitstisch des Schusters, Monuni. d. Inst. XI, 29,1;
oder Mus. Gregor. I, 101 , wo dreimal der oben
unter G abgebildete Speisetisch vor den Lager-
stätten dargestellt ist, dagegen an einer anderen
Stelle, allein stehend, ein regulär vierfüssiger iu
ganz anderer Art der Darstellung. — Kann man
demnach vier Füsse für diese Tische nicht anneh-
men, so bleiben nur drei möglich; dadurch aber
wird von vornherein die quadratische oder recht-
eckig-oblonge Platte ausgescidosscn. Wollte man
^ j, selbst annehmen, der Tisch abcd habe bei
e\ I o und b keine Füsse gehabt, sondern statt
* " deren auf dieser Seite nur in der Mitte den
nach aussen gekehrten Fuss e, obgleich sich gar kein
l)lausiblcr Grund für eine solche Coustruction denken
liesse, so wäre damit noch keineswegs erklärt, warum
dieser eine nach aussen gerichtete Fuss immer auf
der linken Seite erscheint; denn ein derartig gebauter
Tisch konnte doch dem Speisenden auch mit der Kante
cd zugekehrt werden, und dann wäre der Fuss e rechts
erschienen. — An runde Tische zu denken verbietet
ebenfalls die Art der Darstellung; wie die Vasenmaler
runde Tische malen, zeigen die oben angeführten Bei-
spiele der niedrigen dreifüssigeu Tischchen. Eben-
sowenig kann man ovale Tischplatten annehmen.
Es bleiben nun noch zwei Möglichkeiten: Dreieck-
oder Trapezform. Was die Dreieckform anlangt,
so ist da von vornherein die Gestalt des gleich-
seitigen Dreiecks ausgeschlossen. Ein Tisch von
der Form abc kann, wenn er als Speise- ■.
tisch dienen soll, derart gestellt werden, V 7
dass die Kante ab dem Lager parallel steht; \ /
dadurch würde aber die Spitze des Drei- "
ecks c mit dem dort befindlichen Fuss gerade
in die Mitte zwischen o und b fallen, und man
müsste demnach auf der Zeichnung alle drei
Füsse, a und 6 in entgegengesetztem Profil, c von
vorn sehen. Die Stellung abc, wobei bc ■j
senkrecht zur Kline steht, würde zwar
eine Ansicht der Tischbeine ergeben, welche
der oben besprochenen Stellung entspräche;
aber eine derartige Aufstellung, bei welcher die
meiste Fläche des Tisches für die Hand des Ge-
lagerten ganz unerreichbar ist, wäre so unpraktisch
wie nur möglich.
Wenn wir nun in Betracht ziehen, dass der
Speisende den meisten Platz zum Hinstellen von
Schüsseln, Tellern und dgl. an seinem Kopfende
braucht, während der Platz zu seinen Füssen in
der Regel von ihm nicht benutzt wurde, so begreift
man, dass man für Speisetische eine Form aus-
findig zu macheu bestrebt war, bei welcher der
Speisende zu Häupten möglichst viel Kaum hatte,
während doch andrerseits der Tisch nicht zu viel
Platz in Anspruch nehmen und den aufwartenden
Sklaven erlauben sollte, frei zwischen den Speisen-
den zu circuliren und an jeden Gelagerten möglichst
nahe heranzutreten. Die Form des Tisches war also
entweder die eines gleichschenkligen
Dreiecks abc, wobei die Gruudline bc
senkrecht zur Lagerstätte zu stehen
kam; oder, wie ich noch lieber anneh-
men möchte, die eines Trapezes abcd,
(Seite ab = cd, und bc parallel ad), "p
weil diese verschiedene Vortheile bot, £
namentlich den, dass man noch auf die
18i)
II. 15lümner, Die Speisctisclic der GrieiMien.
190
iiussorste linke Seite des Tisciies bei ad etwas
stellen konnte (und wir seilen in der That einige
Speisetische auch auf dieser Seite mit Gefässen
besetzt), und weiterhin auch den, dass die Tisch-
platte ab dem Speisenden näher blieb, nicht so
sclinell sieh von ihm entfernte, wie bei der Form
abc. Mag man nun Dreieck- oder Trapezform an-
nehmen, auf jeden Fall sind zwei Füsse bei 6 und c,
und zwar der Fuss b nach der Seite ab, der Fuss c
nach der Seite cd (beim Dreieck ac) gekehrt; hin-
gegen hat die Schmalseite ad (resp. die Dreieck-
spitze fl) nur einen Fuss, welcher seine Vorderseite
entsprechend nach aussen zu kehrte. Diese Con-
struction bot zunächst den Vortheil, dass der Spei-
sende zu seinen Häupten reichlich Platz für Gelasse
hatte; unten aber konnten die Diener von der
Seite de sowohl, wie von der Seite ab, zwisciien
Lager und Tisch, bis dicht an ihn berantreteu.
Dies Ergebniss unserer Betrachtung wird manchem
vielleicht sonderbar erscheinen: ein dreiflissiger
Tisch in Trapezform als griechisches Möbel! Allein
wir können auf einige Denkmäler hinweisen, welche
unsere Hypothese sehr wesentlich unterstützen, in-
dem sie die drei ßeine dieser Tische zeigen. No. 19
kann dafür allerdings nur theilweise namhaft ge-
macht werden; immerhin scheint auch hier der
Zeichner die Absicht gehabt zu haben, das sonst
für gewöhnlich nicht sichtbare Bein bei b, welches
auf den meisten Darstellungen durch das Bein bei c
verdeckt wird, dahinter noch hervortreten zu lassen.
Dagegen hat der Zeicimer von 15 eine etwas freiere
perspektivische Zeichnung eines solchen dreifüssi-
gen Tisches versucht, indem er dafür einen andern
Augenpunkt wählte, als ihn sonst die Vasenmaler
nehmen; bei der Tischplatte dagegen brachte er
eine perspektivische Zeichnung nicht fertig. Recht
kenntlich tritt auch die Zalil und Stellung der Füsse,
aber wiederum nicht die Form der Tischplatte,
hervor in 10 (von Gerhard als Fussbank bezeichnet),
deren eigenthüniliche in schäger Ansicht gemalte Stel-
lung sich daher erklärt, dass die dargestellte Scene
der Kentaurenkampf bei der Hochzeit des Peirithoos
ist, wobei der dargestellte Speisetisch auf Lokal
und Veranlassung des Kampfes, seine verschobene
Stellung auf das Kampfestreiben selbst hindeuten
soll. — Zweifelhafter bin ich betreffs 17 und 18;
dass dreifüssige Tische gemeint sind, ist zwar
auch hier unzweifelhaft, aber das dritte, von hinten
gesehene Bein ist so direkt in der Mitte zwischen
den beiden andern gemalt, dass, wenn hier nicht
eine Entstellung des Originals durch den Zeichner
oder ein arges Verzeichnen des Malers selbst vor-
liegt, wir zum mindesten eine andere Aufstellung
der Tisciie, wenn nicht eine abweichende Gestalt
derselben annehmen müssen. Fraglich ist auch, ob
vielleicht bei 1 und 9 die Linien, welche neben dem
rechten Bein zwischen Platte und unterer Querseite
sichtbar werden, eine Andeutung des hinteren Beines
sein sollen; allerdings müssten sie bei richtiger
Zeichnung unterhalb der Querleiste sich fortsetzen,
was beide Male nicht der Fall ist.
Neben der Fülle von Darstellungen, welche für
die hier dargelegte Hypothese zum Ausgangspunkt
gedient haben, ist die Zahl der Ausnahmen, wo
wir andere nicht runde Tische vor den Speisenden
stehen sehen, sehr klein. Ich führe folgende an:
Inghirami II, 132; hier sind allerdings die beiden
vor den Lagern aufgestellten Tische ganz regel-
mässig mit entsprechenden Füssen gezeichnet. Das-
selbe ist der Fall bei Gerhard, Ant. Bildw. 71, wo
die Füsse der beiden Tische je nach rechts und
links im Protil stehen. Inghirami III, 273 ist ein
viereckiger Tisch mit ganz plumpen Füssen per-
spektivisch mit Ansicht der Platte selbst gezeichnet,
mit allerlei Gerichten und Schüsseln darauf, sowie
mit zwei Schubkästen: eine ganz singulare Form,
wie sie mir sonst nie vorgekommen ist. Die Ab-
bildung, welche nach einer Zeichnung d'Uancar-
ville's gemacht ist, sieht mir sehr verdächtig aus.
Immerhin wären Ausnahmen von der oben als das
gewöiinliche bezeichneten Form der Esstische ja
sehr wohl möglich.
Noch auf einige weitere Eigeuthümlichkeiten der
Speisetische können wir aus den alten Darstellun-
gen schliessen. Zunächst sehen wir, dass fast regel-
mässig die Tische unterhalb der Platte Querleisten
haben, die von Bein zu Bein gehen; eveut. könnte
man anstatt dieser Querleisten auch eine zweite
Platte, zum Abstellen von Gefässen u. dg!., anneh-
men. Sicher kann es nur ein Querleisten sein in
N. 14, da der Freier sonst nicht mit den Händen
das Brett umfassen könnte. Diese Platten oder
Leisten sind ferner in der Regel durch Querhölzer,
welche häutig Arabeskeuform haben, mit der oberen
Tischplatte verbunden ; die Andeutung dieser Träger,
obgleich nicht immer ganz deutlich, fehlt nur selten,
ist aber meist nur an der linken Seite sichtbar,
weil sie eben dort, in Folge der Protilstellung des
linken Fusses, gesehen werden musste, während sie
am rechten Bein, wo sie unmittelbar hinter dem
Bein zu liegen kam, in der Regel nicht dargestellt
ist (vgl. 1. 2. 8. 10. 12. 13). Die Füsse sind häufig
191
Fr. Hultsch, Ein antiker Massstab.
192
aus zwei Hölzeru zusammeng-esetzt, und die wohl
zu gleicher Zeit als Verzierung dienenden Nägel
(am häufigsten drei), durch welche sie an die Tisch-
platte befestigt sind, lassen sich in den meisten
Darstellungen erkennen, vgl. 1. 2. 4. 9. 10. 11. 13.
18. 19: au einigen scheint auch der Nagel ange-
deutet, durch welchen die untere Querleiste mit
dem Fusse verbunden ist, vgl. 1. 3. 11. — Eine
weitere Besonderheit, die sich aber nur vereinzelt
findet, ist die, dass das Tischblatt an der Seite bc
ein Stück weiter über die Füsse hinausragt, als an
der Seite ad (resp. a): vgl. 2. 5. 6. 8. 13. 14. Es
hatte das jedenfalls auch den Zweck, mehr Raum
für Teller und Schüsseln zu schaffen, und da die
beiden, nicht unterhalb der Tischplatte befestigten,
sondern seitwärts an der schmaleu Kante ange-
brachten Fasse b und c nicht nach der Seite bc,
sondern nach den Seiten ab und cd angebracht
waren, so war eine Verlängerung des Tischblattes
über bc hinaus sehr gut möglich.
Kehren wir nun noch einmal zu den Schrift-
quellen zurück. Ich glaube, dass jener dreieckige
oder trapezförmige Tisch mit drei Füssen, den wir
uns aus den Denkmälern reconstruiren, der eigent-
liche Speisetisch der Griechen und Etrusker (die
Kömer kommen hierbei nicht in Betracht) ist, die
eigentliche rgÜTisLa, öder . die rQÜnsta tQlnnvg,
tQiax£lr>g. Sie diente beim Speisen, wo man Platz
für allerlei Schüsseln und Teller vor sich haben
wollte, und mochte wohl manchmal nachträglicli
auch beim Symposion noch stehen bleiben ; wenigstens
sind die Darstellungen, auf denen wir sie finden,
keineswegs bloss Scenen des Mahles, sondern aucli
des Symposions. Der eigentliche Tisch für das
Symposion aber, auf welchen man die Zukost zum
Trinken, die Süssigkeiteu und was man sonst zum
Wein noch genoss, hinstellte, war jener oben er-
wähnte kleine, runde, dreifüssige Tisch, der eigent-
liche XQinovQ. Hierfür brauchte man nicht viel
Platz, und darum Hess man, wenn es nach der
Mahlzeit an's Trinken ging, die grossen rgänttai
wegräumen und dafür die kleinen xQinodeg auf-
stellen, s. Plutarch a. a. 0.
Zum Schluss möchte ich noch die Frage auf-
werfen, ob wir in den eigenthümlich geformten
Tischen (etwa oblonge Form mit einer abgeschräg-
ten Ecke), mit denen sich auf der Darstellung des
Freiermordes am Heroon von Gjölbaschi die Freier
vertheidigen (Archäol. epigr. Mitth. aus Oesterreich
VI, Taf. 7 u. 8 oben), etwas ähnliches zu sehen
haben. Die lange gerade Seite würde die dem
Speisenden zugekehrte, die abgeschrägte die äussere
Tischkante bedeuten.
Zürich. H. Blümner.
EIN ANTIKER MASSSTAB.
In den Besitz der Königl. Antikensammlung zu
Dresden ist zu Anfang d. J. ein antiker Fussmass-
stab gelangt, welcher einen ziemlich zuverlässigen
Werth desjenigen Fusses darstellt, welchen wir den
römischen zu nennen pflegen.
Der Massstab ist aus Bronze gefertigt und, wie
nocli näher geschildert werden wird, zum Zusam-
menklappen eingerichtet, so dass er, in dieser Lage
nur circa 15 Centimeter lang, von seinem Besitzer
leicht im Gewände getragen oder etwa nebst an-
derem Geräth in einem Behälter mitgefUhrt wer-
den konnte.
Es findet sich auf dem Massstab weder eine
Insclirift nocli, abgesclicn von der Ilalbirung, irgend
eine Spur einer Unterabtheilung des Fussmasses.
In der Nähe des Scliarniers ist je eine Kante in
der Ausdehnuug von 26, bez. 17 mm. ein wenig an-
gefeilt. Diese Stellen erscheinen frei von Rost und
frisch glänzend; die Feile ist also erst nach Aus-
grabung des Monumentes angesetzt worden, jeden-
falls um die Art des Metalls besser beurthcilen zu
können. Auch drei andere kleine Verletzungen
neueren Datums, die jedoch etwa nur die Aus-
dehnung einer Nadelspitze haben und durcliaus nicht
tief gehen, sind bemerkbar; im übrigen ist der
Massstab so trefflich erhalten, dass er, wenn vom
Roste gereinigt, aussehen würde, als sei er eben
aus der Hand jenes Besitzers gekommen , der ihn
vor zwei Jahrtausenden benutzt hat.
Denn offenbar iiaben wir es mit einem Mass-
stabe zu thun, der einst in praktischer Anwendung
war. Dem entspricht auch die Art der Auslührung.
193
Fr. Hultsch, Ein antiker Massstab.
194
Fig.A
QX
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Fiä C [l]
F.g B [\^
h h n
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•Fi& E
3?
rOi
Firf.F lij
Sie ist sauber und soweit genau, als der Gebrauch
es erforderte, aber weit entfernt von derjenigen
Aecuratesse, welclie ein Normalmass zeigen müsste.
Die Kanten an den Enden beider Hälften des Mass-
stabes sind nur soweit scharf und im rechten Winkel
zu den Längenkanten gehalten, dass die Nach-
messung bis auf den halben Millimeter mit eini-
ger Zuverlässigkeit genommen werden kann. Auch
die beiden Kanten, an denen die Hälften des Mass-
stabes, wenn er lang gestreckt ist, oberhalb des
Scharniers sich berühren, stehen nicht genau normal
zu den die Längenrichtung bezeichnenden oberen
Kanten, mit denen sie sich schneiden. Doch schliesst
der Massstab an dieser Stelle auch heute noch genau
zusammen, ein Beweis, dass der genaue Schluss
über dem Scharnier, weicher die Gestrecktheit des
ganzen Massstabes bedingt, schon bei der ursprüng-
lichen Anfertigung durch die feine Feile des Mon-
teurs geregelt worden ist.
Ueber den Ort, die Zeit und die sonstigen Um-
stände der Auffindung liegen nur wenige Notizen
vor, welche Herr Luigi Viola in Tarent gegen Ende
Februar d. J. niedergeschrieben hat.
Es sind jetzt dreissig Jahre, sagt dieser Bericht,
dass in dem Orte Manganecchia bei Tarent mehrere
sehr reich ausgestattete Grabmonumente aufgedeckt
wurden. In einem derselben befand sich unser
Massstab. Zugleich wurden zahlreiche andere Ge-
genstände aufgefunden und dann von dem Besitzer
der Localität Herrn Mannarini bei verschiedenen
Gelegenheiten verkauft, so dass sich jetzt über deren
Zahl und Beschaffenheit Näheres nicht mehr fest-
stellen lässt; doch versichert man, dass es sehr
vverthvoUe Saciien waren. Nach der Meinung des
Herrn Viola reichten sie vielleicht bis in die Blüthe-
zeit fö//a ßorente epoca) von Tarent zurück. Ob
damit die Epoche, während deren Tarent als selb-
ständiges Gemeinwesen blühte, also etwa das fünfte
bis dritte Jahrhundert, oder die Blüthezeit unter
römischer Herrschaft seit dem J. 123 v. Chr., oder
vielleicht auch beide Epochen zusammen gemeint
sind, bleibt zunächst ungewiss. Suchen wir aber
195
Fr. Hultsch, Ein antiker Massstab.
196
die besondere Zeitbestimmung: betreffs unseres Mass-
stabes zu finden, so weist wolil die Technik der
Ausführung mit grosser Wahrscheinlichkeit darauf
hin, dass er der römisciien Zeit angeiiürt.
Die Stätte der Ausgrabung liegt ausserhalb der
Umfassungsmauern der alten Stadt nach Osten hin,
nicht weit von dem Ufer des Mare piccolo.
Der Massstab ist, wie schon angedeutet, aus
zwei Stäben zusammengesetzt, deren jeder die Länge
eines halben Fusses hat (s. die vorstehenden Ab-
bildungen). Der Querdurchschnitt der Stäbe sollte
nacli der Absicht des Verfertigers ein Quadrat bilden;
doch nähert er sich an den beiden äusseren Enden
mehr einem Rectangel. Legt man den Massstab so
hin, dass die Axe des Scharniers vertikal steht, so
liegen die kürzeren Seiten des Rectangel, welche
die Endabschnitte bilden (Fig. D, ab, cd, Fig. E,
ep, qf), horizontal, und die längeren Seiten dessel-
ben Rectangel (Fig. D, ae, df), fetehen vertical.
Erstere sind nahezu 3,5, letztere 4mm. lang. Kach
der Mitte hin bis zu der Stelle, wo die beiden
Hälften durch das Scharnier verbunden sind, nimmt
die Stärke des Stabes etwas zu '), und der Durch-
schnitt würde dort fast genau ein Quadrat, dessen
Seite 5mm. beträgt, ergeben. Das Scharnier ist
sauber gearbeitet und schliesst noch jetzt vortreff-
lich (s. Fig. B, C, D). Es ist aus fünf Gliedern ge-
bildet, deren zwei der Hälfte haeghl (Fig. D), drei
der Hälfte cdfikm angehören. Bei der Ausgrabung
war der Massstab zusammengeklappt, also so, wie
ihn einst der Besitzer bei sich zu tragen pflegte,
gefunden worden (Fig. F). Begreiflicher Weise war
das Scharnier eingerostet und deshalb unbeweglich;
doch ist es Herrn Direktor Treu gelungen, durch
vorsichtige und über einen Monat fortgesetzte Be-
handlung mit Petroleum die Starrheit zu lösen, so
dass der Massstab jetzt wieder wie ursprünglich
aufgeklappt werden kann (Fig. A). In derselben
Weise wurde zuletzt auch der Metallstreifen wieder
beweglich gemacht, welcher, wie aus Fig. B er-
sichtlich, auf der oberen Seite der Hälfte alige an-
gebracht ist und um einen vertikalen Stift sich dreht.
Dieser Streifen ist 5mm. breit, 0,5mm. dick, uud
zeigt, von oben gesehen, die Form eines Trapezes,
von dem die eine Langseite 62, die andere 63 mm.
misst. Zu beachten sind die Einschnitte n uud o
') UieäC Zunahme ist aus Fig. Eund K ersichtlich. Im übrigen
bedarf es «ohl kaum einer besonderen Erwähnung, dass die bei-
gegebenen Abbildungen, so sorgfältig sie auch ausgeführt sind,
nicht auch die oben erwähnten kleinen Incorrectheitcn , welche
der wirkliche Massstab zeigt, darstellen konnten.
(Fig. B), welche, wenn der Streifen um den oben er-
wähnten Stift herumbewegt wird, sich einfügen in
die mit Kuppen versehenen Stifte n' und o' der
anderen Hälfte, so dass dann der Massstab in seiner
ganzen Länge festgehalten wird (Fig. A).
Bei der Nachmessung des Massstabes unter-
stützte mich der Vorsteher des physikalischen Cabinets
der Kreuzschule zu Dresden, Herr Professor Abend-
roth. Die ursprüngliche Ausführung des Monumentes
und die später hinzugekommene Rostkruste ver-
wehrten es, die Genauigkeit der Ausmessung über
den halben Millimeter hinaus auszudehnen. Bei
einer Temperatur von 22,3" C. ergab die Hälfte qfis
(Fig. E) eine Länge von 148 mm., die Hälfte eprg
eine Länge von 147,5 mm. Der ganze Stab misst
demnach 295,5mm., und stimmt somit möglichst nahe
mit den in Pompeji und Herculanum gefundenen
Massstäben überein °). Ich unterliess es auch nicht,
den auseinandergeklappten Massstab unter der Vor-
aussetzung nachzumessen, dass er in dieser Lage
zwischen seinen beiden Enden genau eine Strecke
bilde. Diese Messung näherte sich mehr dem Be-
trage von 295 mm. als dem vorher ermittelten von
295,5mm. Ganz natürlich, denn der auseinander-
gcklappte Massstab weicht in seinem jetzigen Zu-
stande nach zwei Richtungen hin von der nor-
malen Strecke ein wenig ab, so dass man das ge-
nauere Mass nur auf die zuerst bezeichnete Weise,
nämlich durch die Einzelmessung der beiden Hälften,
ermitteln kann.
Zum Schluss ist noch auf den ganz ähnlichen
antiken Massstab hinzuweisen, welchen Francesco
de' Ficoroni in seinen Vesligie e raritä di Roma
anüca , Rom 1744, p. 194 beschreibt'). Er wurde
kurz vor dem Erscheinen des genannten Werkes
bei einer Ausgrabung aufgefunden und von Ficoroni
dem Papst Benedict XIV. als Geschenk für die
"\'aticanisciie Bibliothek übergeben. Die beigefügte
Abbildung stellt das Monument in ähnlicher Lage
dar, wie der Dresdener Massstab in unserer Figur E
abgebildet ist. Es zeigt sich dasselbe Scharnier*);
desgleichen finden sich auf derjenigen Hälfte, welche
in der Abbildung zur rechten Hand erscheint, die
beiden mit Kuppen versehenen Stifte, und zwar
auch bei Ficoroni ungefähr au denselben Stellen
'^ Griechische und riimi-che Metrologie- S. 90.
•■') Auf diese Publication hat Herr Dr. Max Fränkel, dem
ich hiermit besten Dank erstatte, mich aufmcrlcsam gemacht.
*) Ficoroni beschreibt den Massstab als composlo di due
pezzi i-ongiunti con iloppio perno di metallo ^ che la i-hiudono jjxt-
litcunetitt.
197
Fr. Hnltsch, Ein antiker Massstali.
198
wie beim Dresdener Massstab (Fig. A; B, «', o'; E; F).
Aber weder iu der Abbildung bei Ficoroni noch in
der Beschreibung (p. 194) erscheint der bewegliclie,
zur Fixirung des gestreckten Massstabes dienende
Jletallstrcifen, den wir beim Dresdener Monument
finden (Fig. B, o, «). Ja, Ficoroni weiss sich die
beiden Stifte mit Kuppen nicht anders zu erklären,
als dass sie dazu gedient hätten, den Massstab zu-
gleich als Zirkel zu benutzen^). Es ist also wohl
anzunehmen, dass der schliessende Metallstreifen
auch dem wirkliclien Monumente fehlt, womit nicht
ausgeschlossen ist, dass bei einer nochmaligen Un-
tersuchung desselben die Spuren der einstigen Be-
festigung jenes Streifens sich finden könnten.
Weiter ist als Abweichung vom Dresdener Mass-
stab, wenigstens nach Ficoronis Beschreibung, zu
notircn, dass der Querdurchschuitt der beiden
Hälften des Massstabes gleichmässig quadratisch
ist, also nicht etwa die Stäbe nach den Enden zu
sich verjüngen.
Uervorzuheben ist endlich noch, dass auf dem
Vaticanischen Jlassstabe die Eintheilung des Fusses
in 1(! (ligiii durch Punkte deutlich bezeichnet ist.
Leider hat Ficoroni es versäumt, das Mass des
Vaticanischen Monumentes zu bestimmen. Die bei-
gegebene Abbildung stellt zwei Fusshälften von
je 145 mm., also einen ganzen Fuss von 290 mm.
dar; doch ist auf die Nachmessung solcher Abbil-
') In un lato vi si vedono rüerati due piccoli cajii di me-
lallo. Onde si vede che gli antichi Architetti se »e sono serviti
e per 7nisura e per conipasso, come potrebhe servire presentementej
dopo il corso di tanti secoli, potendosi chiudere e apnre genli-
lissimaiiicnte.
düngen bekanntlich kein Verlass, da das Papier
einst beim Druck angefeuchtet, mithin ausgedehnt
gewesen ist. Wohl aber dürfen wir der Vermuthung
Raum geben, dass der genaue Betrag des Ficoroni'-
schen Massstabes uns durch Barthelemy bekannt
gegeben ist. Dieser berichtet nämlich am Schlüsse
seines Memoire siir les aiiciciis monumcns de Rome
in den Mcnwires de lUliiralnre de rAcadcmie des
inscriptions u. s. w. , tome 28, Paris 1761, p. GIO
über einen in der Vaticanischen Bibliothek aufbe-
wahrten, aus Bronze gefertigten antiken Fussmass-
stab. Derselbe sei wold erhalten und auf der einen
Seite in 12 Zoll, auf der andern iu 16 Fingerbreiten
gctbeilt. Sein Mass habe sich gleich dem Capponi-
schen Fusse, d. i. gleich 0,2946 m., ergeben (vergl.
Metrologie ' S. 90). Wenn nun auch Barthelemy
nichts von einer besonderen Form desjenigen Vati-
canischen Massstabes, den er in Händen hatte, er-
wähnt und nicht bloss von einer Eintheilung seines
Jlassstabes in 16 Fingerbreiten, wie Ficoroni, son-
dern auch von einer solchen in 12 Zoll Kunde giebt,
so liegt weder in jenem Stillschweigen noch in die-
sem Erwähnen einer zweiten Eintheilung ein hin-
reichender Grund um zu behaupten, der Vaticanische
Massstab Barthelemy's sei verschieden von dem-
jenigen, welchen Ficoroni wenige Jahre vorher der
Vaticanischen Bibliothek geschenkt hatte. Vielleicht
geben diese Mittheilungen Anlass dazu, dass das
Ficorini'sche Monument genauer beschrieben werde
und dadurch zugleich die jetzt noch obwaltenden
Zweifel ihre Erledigung finden.
Dresden, im Juli 1884.
Fr. HuLTScn.
Archiioloj:. Ztj^. Jahryaug XLII.
u
199
K. Wernickc, Orestes in Delphi.
200
ORESTES IN DELrm.
(Tafel 13.)
Die Sage, dass Orestes nach dem Muttermorde
im delphischen Heiligthum vor den Erinyen Schutz
gesucht habe, dem homerischen Epos und den
Kosten, wie es scheint, unbekannt, ist erst von
Stesicboros in seiner Orestie erzählt worden. Aber
wie dieser auch die Sage gestaltet haben mag (wir
wissen nicht viel davon'), eine weit nachhaltigere
und mächtigere Wirkung hat die Form ausgeübt,
in welche sie Aeschylos gebracht hat. Erst nach
Aeschylos und von ihm abhängig sehen wir sie in
die bildliche Tradition übergehen und sich den an-
deren Typen des troischen Sagenkreises anreihen.
Orestes in Delphi ist weder von der schwarzfiguri-
gen noch von der strengen rothfigurigen Vasen-
malerei dargestellt worden. Und kaum begegnen
wir am Ende des fünften Jahrhunderts dieser Scene
auf den Vasenbildern, so verrathen Handlung wie
Costüm die Abhängigkeit von der Bühne. Es sind
dabei im wesentlichen drei Momente, welche die
Vasenmalerei darstellt.
Die Verfolgung des Muttermörders durch die
Erinyen ohne besonderen Bezug auf seine Flucht
nach Delphi finden wir auf einer grossen Pracbt-
amphora aus der Basilicata, jetzt in Neapel"):
Orestes stürmt nach r., umblickend und sich mit
blossem Schwert gegen eine von 1. auf ihn mit
Schlangen eindringende Erinys wehrend. Aber
auch vor ihm ist der Weg nicht frei, eine zweite
Erinys tritt ihm entgegen und hält ihm einen Spie-
gel vor, in dem man das Antlitz der Klytaemnestra
erblickt^). Dieselbe Scene, freilich ganz anders,
') Nur dass Orestes von Ajiollo den Bogen empfing, mit
dem er sich gegen die Erinyen vertheidigte; vgl. Schol. Eurip.
Or. 268 (fr. 40 Bergk): ^Trim/ooM knofifvoi; (EvQiniiSris) rof«
ifrjaii' uviöv (jbv'Onfmrjv) fi).i](fhc(i 7i«(tit'Aji6llc>vos. Aber
gerade den Bogen finden wir nie und nirgends in den Händen
des Orestes.
2) rieydcmann No. 1984. Abgebildet Kaoul - Rochette M. I.
p/. 36— 37. Overbeck Her. Gall. Tf. XXIX. 2, die Rückseite
auf derselben Tafel No. 11.
<•) Mit Unrecht zweifelt Overbeck an dieser Deutung; es
lässt sich gar keine andere Erklärung für die Spiegelvision den-
sehen wir auch auf einem unteritalischeu Krater
der Coghil'schen Sammlung*), dessen Deutung auf
Orestes Stephaui (Compte Rendu 1863 p. 254) nicht
hätte abweisen sollen. Orestes, mit flatternder
Chlamys und Stiefeln bekleidet, eilt nach 1., blickt
sich um und zückt das Schwert auf die ihn im
Sturmschritt verfolgende Erinys mit grossen Schul-
terflügeln, die ihn mit der Kechten zu packen sucht,
während sie in der Linken Schlangen schüttelt. Sie
trägt die Stiefel und den kurzen gegürteten, ärmel-
losen, mit Kreuzbändern verseheneu Chiton des
Theatercostüms.
Am zahlreichsten ist aber die Keihe der Vasen,
welche Orest darstellen, wie er in das delphische
Heiligthum geflüchtet ist, und Schutz suchend auf
dem Altar oder auf dem Omphalos selber kniet.
Meistens ist das delphische Lokal, wo nicht schon
durch den Omphalos, durch Apollos Anwesenheit
angedeutet, aber selbst in den Fällen, wo beide
fehlen, und nur der Altar da ist (es sind deren,
wie wir gleich sehen werden, nur zwei), genügt der
Typus der Darstellung, um den nach Delphi ge-
flüchteten Orestes mit Sicherheit zu erkennen. Und
wie sollte auch der Vasenmaler darauf kommen,
ihn an einen beliebigen anderen Altar flüchten zu
lassen, da als berühmtestes Beispiel die Flucht zu
dem delphischen Gotte in zahlreichen Wiederholun-
gen ihm vor Augen stand? Wenden wir uns nun
ken. Die Rückseite der Vase hat mancherlei Deutungen er-
fahren. Nach Botticher empfängt Orestes hier von Aiiollo Auf-
trag und Schwert zum Muttermord; nach R. Rochette und Over-
beck wird die Mordwaffe von Apollo eiitoühut; weitaus am
passendsten aber scheint mir die Interpretation zu sein, die, zu-
erst von Jahn angedeutet, von Stephani und Heydemann aufge-
nommen ist: Orestes weiht nach der Rückkehr von den Tauriern
die verhiingnissvolle Waffe dem Apollo. So wird nicht nur zwi-
schen beiden Seiten der Vase ein schöner Zusammenhang (Be-
ginn der Irrfahrt und endliche Versöhnung) hergestellt, durch
die Deutung auf Iphigeneia erhält auch die weibliche Figur der
Scene ihre Berechtigung, während die Elektra der beiden an-
deren Interpretationen doch immer etwas gezwungenes hat.
*) Millingen, Vases Coghil pl. 23, 1. Overbeck Her. Gall.
Taf. XXIX. ;i.
201
K. WtTiiicke, Orestes in Delphi.
202
zunäclist zu deu Darstellungeu, in denen Orestes
zum Omplialos flieht, so sehen wir ihn auf einem
Ebyton der ersten Hamilton'schen Sammlung'), von
1. her zu demselben herangeeilt, mit dem 1. Knie
auf ihm knieen. Er wendet sich um und hat in
der Rechten das Schwert, in der Linken die Scheide,
aus der er es soeben gezogen bat. Von beiden
Seiten stürmen auf ihn zu zwei Erinyen mit Schlan-
gen im Haar, die ihn mit Fackeln angreifen. Apollo
ist hier nicht anwesend, ebensowenig wie auf einem
Glockenkrater der Petersburger Ermitage '), der frü-
her der Campana'sclien Sammlung angehörte, und
der direkt den Anfang der Eumeniden illustrirt.
Wir sehen ein von vier ionischen Säulen getragenes
Tempelhaus, in dessen Innerem der Omphalos auf
einer Basis steht. Auf der letzteren sitzt Orestes
in der typischen Weise, das Schwert in der Rech-
ten, die Scheide in der Linken, und schlingt den
linken Arm um den Omphalos. Vor dem Tempel
schlafen am Boden fünf hässlich gebildete Erinyen;
rechts aber entflieht mit Angstgeberden die ver-
schleierte Pythia, die im linken Arm den Tempel-
schlüssel trägt, von welchem die typische Wollen-
binde herabhängt.
Es folgt nun eine Reihe von Vasen, die ausser
durch deu Omphalos auch durch die Anwesenheit
des Apollo die Lokalität genauer charakterisiren.
Apollo ist hier zwar als der rettende, den Erinyen
wehrende Gott aufgefasst, aber von einer eigent-
lichen Entsühnung, wie wir derselben später be-
gegnen werden, ist hier noch nicht die Rede. In
dieser Klasse ist zuerst zu erwähnen die Copen-
hagener Vase'). Orestes sitzt mit verstörtem Ge-
sicht auf den Stufen einer Basis, die den Omphalos
und dahinter den Dreifuss trägt. Mit der Rechten
zückt er über dem Kopf das Schwert, dessen Scheide
ihm von der 1. Schulter herabhängt; links hinter
ihm der Lorbeerbaum. R. von ihm steht Apollo,
') Abgebildet bei d'Hancirville II 30.
^) Stephani No. 349. Compte Rendu 1863 p. 262; Tf. VI, 5.
Ein Krater in Wien (Arcli. Ztg. 1877 Tf. 4) stellt Orest am
Omphalos, von der Erinys mit Hunden gehetzt, d.ir; auf der
Küclcüeite die fliehende Pythia.
') Abgebildet bei Thorlaclus Vas jiictum italo - graecum,
Copenhagen 1826. Müller-Wieseler II 13,148.
die Rechte schützend gegen ihn erhoben, im 1. Arm
einen Lorbeerstab. Von 1. unten droht eine in
halber Figur aus dem Boden emporsteigende Erinys
dem Mörder mit Schlangen, während eine zweite
im oberen Plan gegen ihn eine Fackel schwingt.
Ein zweites Beispiel ist ein Krater im Stil des
Assteas, der früher dem Grafen Paroi in Paris ge-
hörte und sich dann in Hope'schem Besitz befand.
Ueber seinen weiteren Verbleib weiss ich nichts an-
zugeben'). Orestes kniet auf dem Omphalos, hin-
ter dem sich der mächtige Dreifuss erhebt, und
blickt nach rechts zurück; er ist bekleidet mit
Clilamys und Stiefeln, hält in der Rechten zwei
Speere und in der Linken das entblösste Schwert.
Ueber dem Dreifuss ist in halber Figur sichtbar
eine Erinys (Schlaugen im Haar, Aermelchiton mit
Kreuzbändern), ihn mit einer Schlange bedrohend.
Rechts steht Athena mit Aegis, Helm') und Lanze,
mit dem r. Fuss hoch auftretend, in ruhiger Haltung.
Links steht nach r. gewandt Apollo, der sich nach
einer schon im Entweichen begriffenen geflügelten
Erinys umsieht. Ueber ihm ist die Sonne durch ein
Strahlenrund angedeutet, während man 1. oben die
Büste des Pylades, r. die der Klytaemnestra erblickt'").
In etwas anderer Weise sehen wir dieselbe Scene auf
drei apulischen Vasenbildern dargestellt, von denen
sich das eine auf einer in Ruvo gefundenen Pracht-
amphora befindet"). Der Tempel ist hier durch
drei symmetrisch vertheilte Säuleu angedeutet, in
der Mitte steht der Lorbeerbaum und der Omphalos,
zu dem Orestes in der gewöhnlichen Weise von I.
her geflüchtet ist. Hinter der 1. Säule hervor schaut
*) Abbildung bei Milliu Monuments In€dils I pl. 29, auch
bei Overbeck XXIX. 9.
ä) Neben dem Helmbusch ist jederseits eine Feder auf den
Helm gesteckt, wie wir dies z. B. auch bei dem Herakles der
Assteas- Vase Wiener Vorlegebl. Mon. delV Inst. VIII 10 sehen,
wo die Federn sogar neben einem dreifachen Helmbusch er-
scheinen.
'") Die Overbecksche Interpretation (Apollo — augenblick-
liche Rettung, Erinysbüste — augenblickliche Verfolgung, Erinys
— Anklage, Athena — Freisprechung, Pylades — Wunsch nach
Freisprechung, Klytaemnestra — Wunsch nach Verurtheilung),
so fein sie an sich ist, scheint mir für solchen Vasenmaler zu
künstlich.
") Jetzt in Neapel, Heydemann No. 3249. Abgebildet bei
Otto Jahn, Vasenbilder Taf. I.
14*
20c
K. Wernieke, Orestes in Delphi.
20-4
in halber Figur eine ganz selnvarz gemalte Erinys,
die ihm mit einer Schlange droht. Ihr tritt von der
Mittelsäule her Apollo entgegen, während die greise
Pythia, beide Hände entsetzt erhebend, von ihrem
Dreifuss nach 1. entflieht. Rechts steht Artemis im
Jagdeostiim als Zuschauerin, mit der Geberde des
anoa-KonevEiv, zu ihren Füssen zwei Hunde. Die
Elemente dei-selben Darstellung finden sich auch
auf dem Bilde am Halse einer grossen apulischen
Amphora mit Volutenhenkeln und Schwanenhals in
Berlin'^): auch hier kniet Orestes von 1. auf dem
Omphalos in der typischen Stellung, Apollo sitzt 1.
davon auf dem Dreifuss und weist die geflügelte,
mit Schwert und Fackel andringende Erinys zu-
rück. Auf der r. Seite eilen mit Geberden des Ent-
setzens zwei weibliche Figuren hinweg, von denen
wir in der anscheinend richtig mit Schleier ergänz-
ten die Pythia'''), in der mit der Patera auf der
Hand eine Opferdienerin zu erkennen haben. End-
lich ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich dieselbe
Darstellung, auf drei Figuren abgekürzt, auf einer
ruveser Amphora der Sammlung Jatta findet'*).
Orest, von Erinyen verfolgt, hält den Omphalos
umklammert, während ihn Apollo'^), gekennzeichnet
durch Bogen und Lorbeerstab, zu schützen sucht.
Wir kommen nunmehr zu den Vasenbildern, auf
denen statt des Omphalos ein einfacher Altar ein-
gesetzt ist. Ich habe die anderen mit Absicht vor-
ausgenommen, um erst den Typus festzustellen und
zu zeigen, wie durchaus an keine andere Lokalität
als Delphi gedacht werden kann. Denu wenn auch
auf einer Vase der zweiten Hamilton'schen Samm-
lung") und auf dem Halsbilde einer apulischen
'-) Furtwängler No. 3256. Aus Ceglio, mit der Koller-
schen Sammlung nach Berlin gekommen. Abgebildet bei R. Rö-
chelte pl. 35 und bei Overbeck a. a. O. Tf. XXIX. 4.
") So wohl mit Recht Overbeck a. a. 0. p. 711 Anm. 17.
R. Röchelte und Gerhard Berl. anl. Bildvv. p. 287 wollten die
Verschleierte Klytaemnestra, die andere Pythia benennen; aber
Klytaemnestra gehörte auf die Seite der Krinys, nicht auf die
der Pythia, und sie würde nicht vor Orestes' Anblick ent-
weichen.
'^) BuUetlino deW Inst. 183ü p. 117 von Schultz summarisch
und ungenau beschrieben.
■■>) Die Stephani'sche Umdeutung des Schultz'schen Pylades
trifft hier gewiss das Richtige.
"■') Tischbein III 32. Böttiger, l'urienmaske Tf. 3. Over-
beck a. a. 0. Tf. XXXI. 10.
Amphora der Sammlung Jatta '') Apollo fehlt, so ist
doch der Typus des Orestes, wie er mit einem Knie
auf den Altar hingesunken ist und mit der Rechten
das Schwert aus der Scheide, die er noch in der
Linken festhält, herausgerissen hat, so augenfällig
derselbe wie auf den vorher besprocheneu Bildern,
dass schon dies zur Identification der ganzen Scene
genügen würde. Und nun gar die entsetzt vom
Altar wegfliehende Priesterin mit dem Tempel-
schlüssel in der Hand, wie sie auf der Jatta'schen
Vase gemalt ist, kann niemand anders als die Py-
thia selbst sein.
Ganz unzweifelhaft ist aber der Ort der Hand-
lung Delphi auf vier anderen Vasen dieser Klasse,
von denen die erste, eine in Berlin befindliche
Hydria'*) auf Taf 13, auf fast '/, verkleinert,
nach einer Zeichnung von van Geldern abge-
bildet ist. Die Vase ist bedeutend älter als die
meisten vorher betrachteten; sie gehört noch dem
sogenannten schönen Stil au und wird der Zeit
nach in das Ende des fünften oder den Anfaug des
vierten Jahrhunderts zu setzen sein. Die Compo-
sition ist symmetrisch, aber die Zeichnung wenig
sorgfältig. Die Mitte nimmt ein niedriger, aus un-
behauenen Steinen gebildeter Altar ein, auf wel-
chen Orestes von rechts her mit dem r. Knie nie-
dergesunken ist. Seine Haare, in denen er einen
Blattkranz trägt, sind wirr, und aus seinen Zügen
spricht der Wahnsinn, eine Wirkung, welche durch
die Stellung des Gesichtes en face in vorzüglicher
Weise erreicht ist. Mit der Rechten streckt er das
gezückte Schwert weit von sich ; mit starrem Blick
schaut er ins Leere und schwingt die Wafl'e wie
gegen eineu unsichtbaren Feind. Dennoch streckt
er den mit der Chlamys umwickelten r. Arm ab-
wehrend nach der r. Seite der Darstellung aus, von
wo die grausen Verfolgerinnen herannahen. Zwei
Erinyen sind es, beide ungefähr in gleicher Haltung,
das r. Bein vorsetzend und mit der Rechten dem
Frevler eine Schlange entgegenschiittelnd. Auch in
den gesenkten 1. Händen halten sie eine Schlange;
1') R. Röchelte pl. 7G, 8. Overbeck Tf. XXIX. 5.
'*) Hoch 35,5 Cm. Furtwängler No. 2380, aus der Castel-
lani'schen Sammlung stammend, vgl. den Castellani'schcn Katalog,
Paris 1866, No. 74. Das Gefäss ist ausserordentlich wohl erhalten.
205
K. Weniicke, Orestes in Dclplii.
206
um das Haar haben sie eine Schlange als Binde
geschlungen, die den Kopf hoch über der Stirn
eni))orreckt, und deren Schwanz aiu Hinterhaupt der
Eriuys in eine Schleife gebunden ist, von wo er steif
herabhängt. Das Haar selbst flattert vom eiligen Lauf
der Verfolgung nach rückwärts. Ikkleidet ist die
vordere mit kurzem Aernielchiton, darüber hat sie
ein merkwürdiges faltenloses Kleidungsstück, das
durch breite, mit verdünntem Firniss gestreifte
Kreuzbänder und einen Gurt befestigt ist, und von
welchem zackige Streifen herabhängen (Lederpan-
zer'?); die zweite trägt einen einfachen ärmellosen
Chiton mit Ueberschlag. Links von Orestes steht,
von vorn gesehen, Apollo, bekleidet mit einem
Himation, das die r. Schulter freilässt; er hat einen
Blattkranz im Haar; seine geringelten Locken fallen
auf beide Sclmltern herab. Er hält in der Rechten
einen Lorbeerstab und wendet den Kopf zu Orestes
um. Links von ihm sitzt Artemis nach r. auf einem
Felsen; sie trägt einen Aernielchiton und um den
Unterkörper geschlungen ein Himation, im Haar
eine Stephane mit aufrecht stehenden Blättern. Sie
erhebt beide Hände erstaunt, in der Linken hält sie
den Bogen. Das Bild ist oben durch einen Strei-
fen von Epheublättcrn, unten durch einen Mäander-
streifen abgeschlossen. Die Figuren sind bis unter
die Henkel fortgeführt, die auf einer Seite über die
Figur der zweiten Erinys, auf der anderen über die
der Artemis übergreifen.
Das Motiv des en face dargestellten Orestes
findet sich wieder auf einer angeblich aus Keapel
stammenden grossen Amphora des Vatican'"); er
kniet wieder in der gewöhnlichen Stellung auf dem
Altar und wendet das Antlitz dem Beschauer zu.
Rechts von ihm stellt Apollo, ruhig auf einen Pfeiler
gelehnt und den Lorbeerstab im Arm. Ihm ent-
spricht 1. Athena, etwas höher stehend, behelmt, die
Rechte auf einen Speer stützend; sie erhebt schützend
gegen Orestes den 1. Arm, über dem die Aegis
hängt ^''). Ueber Apollo dringt auf zweitem Plan
I') Ai-ch. Ztg. 1S60 Tf. 137, 4. R. Röchelte pl. 3S. Over-
beck Tf. XXIX. 8.
-") Die Monumente, auf denen die Aegis so getragen wird,
hat R. Kochette .1/. /. p. 191 not. 1 zusammengestellt. Hinzu-
fügen liesse sich z.B. noch die Kyknos-IIydria des Museum
nach 1. eine Erinys (als Jägerin gekleidet) mit ge-
fälltem Speer gegen Orestes vor; über dem letzteren
sitzt nach I. eine geflügelte weibliche Figur mit ge-
gürtetem Chiton und Stiefeln, das Himation um die
Beine geschlungen, im Haar Lorbeerkranz und
Binde ; in der ausgestreckten Linken hält sie einen
kurzen Stab (?). Eine befriedigende Deutung dieser
Figur zu geben ist schwer; man würde zunächst
eine zweite Erinys erwarten: der Stab könnte ur-
sprünglich eine Sciilauge gewesen sein, und der
Lorbeerkranz ein Fehler des Zeichners oder des
Ergänzers sein; aber das lässt sich nur vor dem
Original entscheiden^').
An dieser Stelle lassen sich noch zwei Vasen
der ehemaligen Campana'schen Sammlung einrei-
hen, von denen sich die eine in der Petersburger
Ermitage'-) befindet, die andere, da sie in Peters-
burg nicht vorhanden, wahrscheinlich nach Paris
gekommen ist"). Die letztere, eine Amphora a co-
lonnette, zeigt Orest in der üblichen Stellung auf
dem Altar, der hier wie auf der Berliner Hydria
aus sechs grossen Steinen besteht. Apollo ver-
scheucht eine geflügelte Erinys, während Athena
schützend anwesend ist. Die Petersburger Vase
ist eine Amphora mit Volutenhenkeln und zeigt am
Halse folgende Darstellung: In der Mitte kniet Orestes
auf dem Altar, der hier mit zwei aufrecht stehen-
den Seitenwänden versehen ist; von 1. naht eine
Erinys mit Fackel und Schlange, hinter der eine
zweite in halber Figur aus dem Boden aufsteigt.
Von 1. tritt zum Altar Apollon, der sich umsieht
und mit der 1. Hand eine abwehrende Bewegung
macht. Dieselbe gilt der folgenden als Jägerin
charakterisirten Erinys "') ; auf diese folgt eine nach
Gregori.inura (II 10. 1, vgl. Bull. deW Inst. 1S39 p. II), wo die
Stellung des Arms und der Aegis ganz ähnlich ist.
-') Man hat auf Nike, Themis (dann soll der Stab natür-
lich ein Brabeutenstab sein!), Dike, auch Nemesis gerathen.
Aber keine dieser Deutungen ist schlagend oder auch nur so
einleuchtend, dass man sie den anderen vorziehen kiJnnte.
--) Stephani No. 523. Abgebildet BuUetino Napolelano II 7
(Minervini).
'") Katalog des Museo Campana Ser. IV. No. 16.
-*) Eine Erinys ist gewiss trotz des Scepters, das wohl durch
Uebermalung aus einer Fackel entstanden ist, gemeint. Der
Restaurator hat die Figur offenbar wegen des Jagdkostüms und
vielleicht auch wegen der Stellung, welche auff;dlend an die der
207
K. Wernicko, Orestes in Deli^bi.
208
1. auf angedeutetem Terrain sitzende Erinys, die in
jeder Hand eine brennende Fackel hält.
Um nun noch kurz den dritten auf Vasenbildern
dargestellten Moment der Sage zu erwähnen, seien
die vier Monumente, um die es sich dabei handelt,
hier mit wenig Worten angefügt. Die Sühnung der
Blutschuld durch Apollo ist auf folgenden Vasen
dargestellt:
1. Vase des Britischen Museums no. 102"^).
Apollo schneidet mit einer Scheere eine Locke von
dem Haupte des am Omphalos knieenden Orestes.
2. Apulischer Krater der Petersburger Ermitage
no. 1734"). Apollo entsühnt den auf dem Altar
knieenden Muttermörder mit Lorbeerzweig und Pa-
tera. Die Verfolgerin, eine geflügelte Erinys, hemmt
erstaunt den Schritt; nach 1. entflieht die greise
Pythia.
3. Oxybaphon desBaronLotzbeck, ausArmento").
Orestes sitzt am Omphalos, Apollo .entsühnt ihn durch
ein Ferkel, das er über seinem Haupte hält. Rechts
als Zuschauerin Artemis, links eine Gruppe von
zwei schlafenden Erinyen, die durch Klytaemnestra,
welche auf Orestes hindeutet, erweckt werden — auch
hier also direkte Reminiscenz an Aeschylos. Schliess-
lich, mit halber Figur aus dem Boden aufsteigend,
eine zuschauende Erinys. Ob endlich ein Vasen-
bild der zweiten Hamiltou'schen Sammlung") auf
Orestes bezogen werden kann, ist mir mehr als
zweifelhaft.
Artemis von Versailles erinnert, für Artemis gehalten. Aber es
fehlt jedes charakteristische Attribut, und ferner wäre dann auch
die sitzende Erinys auf dieser Seite merkwürdig. So gut Orestes
und Apollo zwischen vier Erinyen sich machen, so merkwürdig
wäre es, wenn der Kunstler auf die eine Seite des Altars zwei
Erinyen, auf die andere Aiiollo und Artemis und — eine dritte
Erinys gesetzt hätte.
■'') Abgebildet Annali delV Inst. XIX tav. d'agg. X. Over-
beck a. a. O. Tf. XXIX. 12. Arch. Ztg. 1860 Tf. 137, 3.
^^) Früher der Pizzati'scheu Sammlung angehörig; abge-
bildet Stephani Compte Rendu 1863 p. 213.
^0 Abgebildet Man. deW Inst. IV tav. 48, cf. Annali XIX
p. 418sqq. (de Witte); Arch. Ztg. 1S60 Tf. 138,2.
'-'*) Tischbein, Vases d'IIamihon II 10.
Wir sind am Schluss; dass eine historische Auf-
einanderfolge von Typen bei diesen Vasenbildern,
die alle dem vierten Jahrhundert angehören, nicht
stattfindet, haben wir gesehen. Nur so viel lässt
sich wohl sagen, dass die Entsübnungsseene doch
gewiss aus der Darstellung des geflüchteten Orest
am Omphalos resp. Altar entwickelt ist. Im ganzen
haben wir nur eine typische Scene gefunden, deren
Nebenfiguren, wie Atheua, Artemis, die Pythia, be-
liebig hinzugesetzt oder fortgelassen werden. Das
Motiv des mit einem Knie auf den Altar hinge-
sunkenen Orestes kehrt auch auf etruskischen Aschen-
kisten wieder"), die aber immer die Gestalt des
Pylades in die Scene einfügen. ^'')
Berlin. Konrad Wernicke.
25) Brunn, Urne Etrusche Tf. 81 ff. Zoega Bassirilievil 38.
Govi Museum elruscum II 151. Inghirami Monumenti etruschi I
tav. 25 und 59. VI. tav. A2. ühden, über die Todtenkisten
der alten Etrusker I p. 19 ff. Das Terracottarelief Campana,
Opere in plastica Tf. 73 (Orest auf dem Omphalos knieend) zeigt
so viele Seltsamkeiten , dass man versucht ist , es für unecht zu
halten; jedenfalls wird vor einer erneuten Untersuchung des
Originals Vorsicht am Platze sein.
^°) Als ich von der Eedaction dieser Zeitung die Aufforderung
erhielt, zu der vorliegenden Tafel den Text zu schreiben, war
sowohl von der Redaction als von mir übersehen, dass die Vase
bereits von Heydemann Arch. Ztg. 1867 Tf. 222 publicirt und
S. 49 kurz besprochen war, ein Versehen, das bei dem bisherigen
registerlosen Zustande der 'Denkmäler und Forschungen' nur zu
leicht möglich ist. Erst während der Drucklegung kam der
Aufsatz zu meiner Kenntniss, so dass ich in der vorliegenden
Arbeit nicht näher auf ihn eingehen konnte. Wer aber die
Abbildungen vergleicht, wird leicht sehen, dass die unsere nicht
überflüssig war; denn es kommt in der früheren Publikation
bei der Art ihrer Anordnung nicht allein die Gruppirung der
Figuren nicht zur Anschauung, sondern es finden sieh auch
manche Ungenauigkeiten der Zeichnung. Was den Text be-
trifft, so hat Heydemann zwar eine Aufzählung aller ihm bekannten
Darstellungen des Orestes in Delphi gegeben, aber ohne den
Versuch einer Classificirung zu machen, und er hat sich auf
die unglückliche Bötticher'sche Idee der drei delphischen
Theorien des Orestes eingelassen, von denen die sogenannte
erste auf Vasenbildern nicht vorkommt; denn die li'riederichs'sche
Deutung zu Arch. Ztg. 1353 Tf. 59 (Praxiteles und die Niobe-
gruppe S. 112f.) ist völlig aus der Luft gegriffen.
209
210
MISCELLEN.
INSCHRIFT EINER VASE AUS DER KRIM.
ii des angeblichen Nachtrages im Wege gewesen
wäre? Es scheint doch vielmehr, als sei das
nPÜTIQNOI die Hauptsache, und bedeute ein-
fach den Besitzer des Gefässes.
Aber hören wir Stephani weiter: 'Hiernach
müsste man in OAKH^ den unrichtig gebildeten
Genetiv von Wä-/ag, Oaxtag oder (Päxog suchen,
was insofern wenig auifallen könnte, als sich die
Inschrift überhaupt durcli ungewöhnliche Namen-
bildung auszeichnet. Denn nur die Namen Kgiiov
und riQiuTiwv sind allbeisannt. Hingegen sind die
Namen TQtoyalUov , Zioiing und nciarivrjg meines
Die vorstehende Abbildung ist deui Compla-renda
1877 S. 275 entnommen. Die Inschrift befindet sich
auf der Aussenseite des Bodens eines kleinen ein-
henkeligen mit schönem schwarzem Firniss über-
zogenen flachen Gefässes von 0,14 m. Durchmesser
und 0,04 m. Höhe, welches im Schutte des Mithri-
datesberges gefunden wurde. Unsere Abbildung
giebt die Inschrift, die mit einem spitzen Instru-
ment in den harten Thon eingeritzt ist, in natür-
licher Grösse wieder.
Stephani glaubt, die Inschrift nenne die Namen
von drei Männern, indem sie zu jedem den Namen
des Vaters im Genetiv hinzufüge. 'Da jedoch für
den Namen des Vaters des dritten Mannes am Ende
der Raum fehlte, so ist dieser etwas oberhalb am
äussersten Rand hinzugefügt.' Dass der Raum un-
ten für die Buclistaben nPQTiaNO:^ nicht mehr
gereicht habe, soll zugestanden sein, aber wie kam
der Schreiber dazu, seinen Nachtrag mit stärkeren
Strichen einzuritzen als das Uebrige? Und wie wer-
den wir es erklären, dass das N der ersten Zeile un-
ter die Linie heruntergezogen ist, als ob das zweite
Wissens sonst noch nirgends vorgekommen.'
Diese Erklärung von OAKH^ wird Niemand
annehmbar finden, der nicht glaubt, Anomalie und
Gesetzlosigkeit sei dasselbe. Jene fremdartigen
Namen kenne auch ich nicht; wir dürfen nicht
hoffen sie je zu finden, wenn nicht etwa ein Ko-
miker sich den Witz erlaubt haben sollte, seine
Parasiten oder Köche mit so schönen Namen wie
'Nachtisch', 'Suppe', 'Graupen' auszustatten. Als
Spitzname kommt Zomos allerdings vor, vergl.
Athenaeus VI S. 238 B. 242C. Der ehemalige
Besitzer unserer Vase hat ausser seinem Namen
{ngcüTicüvog) noch eine kleine Speisekarte ein-
geritzt: TqioyaXuov, (faxrjg, xqeÜv, Cco/iiov, ntiaä-
vTjg. Was er damit bezweckte, weshalb er die
Speisen im Genetiv nannte, vermögen wir nicht zu
sagen, da eine ähnliche Inschrift, die Aufschluss
geben könnte, nicht zu existiren scheint. Vielleicht
wollte er nur ausdrücken, dass sein Napf zu allen
Speisen gut und brauchbar sei.
Berlin, im September 1884. Paul Wolters.
Auf die Ausführungen C. Roberts (Arch. Zeit. 42
S. 137), der in den Figuren des brittischen Bronce-
reliefs Okeanos mit den Personificationen der drei
Erdtheile erkennen will, möge mir eine kurze Er-
widerung gestattet sein. So gefällig die Deutung
an sich auch ist, und so wenig ich die Möglich-
keit bestreite, dass damit das Richtige getroffen
NOCH EINMAL ZU TAFEL 2,2.
ist, als gesichert oder auch nur als wahrscheinlich
vermag ich sie nicht anzusehen. Am ersten kann
man noch die bestimmte Benennung des Seegottes
als Okeanos billigen, obgleich hiergegen sich der
Umstand gelten machen Hesse, dass der Typus des
Kopfes oifenbar von dem auf das Meer ausspähen-
den Schiffer hergenommen ist, ein Typus der für
211
E. Engolmann, Zu Taf. 2, 2.
212
den Okeanos kaum passend erscheint, wenn man
bedenkt dass dieser bis zum zweiten Jahrhundert
immer noch als der allumfassende ausserhalb der
Schifffahrt liegende Strom betrachtet wurde. Dass
die sicheren Darstellungen desselben, besonders
Mosaiken, ihn mit Krebsscheeren und anderen
derartigen Bildungen ausgerüstet zeigen, kommt
weniger in Betracht. Schon schwieriger ist es für
mich, die Thats^ache, dass der Okeanos die Erde
umrahmt, hier durch die Windungen der Delphine
ausgedrückt zu finden. Die Delphine wachsen nicht
„gleichsam aus seinen nassen Locken hervor", son-
dern ihre Schwänze schlagen munter hinter sei-
nem von der Kappe bedeckten Haupte empor;
wollte man annehmen, dass ihre Windungen „den
die Erde umfliesseuden Strom " symbolisireu,
so müsste der bärtige Kopf etwas von ihm Ein-
geschlossenes bedeuten, was doch sicher nicht an-
geht. Wie die Alten das Umströmen der Erde
durch Okeanos darstellten, das zeigen mehrere
allerdings späte Mosaiken, eines im Brit. Museum
aus Karthago, Mon. d. Iiisl. V 38; das andere aus
St. Eustice bei Toulouse, Bull. 1834 S. 157, jetzt
im Museum von St. Germain, leider in sehr frag-
würdigem Zustand und (1877) nicht aufgestellt:
dort ergiessen sich zwei oder drei Wasserströme
aus dem Munde des Gottes, dessen Haupt mit Krebs-
scheeren und Delphinen im Haar verziert ist. Auch
die Persouificatiouen der drei Erdtheile vermag ich
nicht zu erkennen; die drei Gestalten sind unter
einander in der Haartracht, in der ganzen Bildung,
auch in dem Mangel an Bekleidung so ähnlich,
dass für alle die gleiche Deutung nothwendig ist;
ob dazu der Begriff „Erdtheil" mit Beseitigung
jedes individuellen Unterschiedes verwendbar ist,
kann sehr fraglich erscheinen; jedenfalls spricht
die scharfe Cliarakterisirung, die sonst zur Unter-
scheidung der Hellas und Asia, oder der Europa,
Asia und Afrika angewandt wird, nicht dafür, dass
die Griechen den allen gemeinsamen Begriff' „Erd-
theil" haben zum Ausdruck bringen wollen. Aus
der geographischen Lage der Erdtheile Folgerun-
gen in Bezug auf die Anordnung der drei Frauen
ziehen zu wollen, scheint mir mehr als bedenklich,
wie es auch Robert selbst ablehnt. Wie soll man
z. B. sich erklären, dass die sogenannte Asia über
den Delphin, d. h. den Okeanos hinaus sitzt? Sie
hätte doch gleichfalls nach innen angeordnet sein
sollen. Besonders aber scheint mir gegen die
Robertsche Deutung die Handlung der rechts sitzen-
den Gestalt zu sprechen; denn ich glaube daran
festhalten zu müssen, dass sie den Seegott an einer
seiner Bartlocken zupft, um seine Aufmerksamkeit
zu erregen. Herr A. S. Murray, an den ich micb
mit der Bitte wandte, das Original darauf hin
genau zu prüfen, ist so freundlich gewesen mir
folgende Auskunft zu ertheilen: If Prof. Robert is
right in saying fliat (he hand of the ßgtire sitting
011 the right is merely coucealed hy the beard, I
should expect that the artist woiild not have alloioed
the hand to disarratige the beard, biit would have
reduced the projection of the arm so as to malte his
iittentioii clear and allow the beard to fall in its
natural manner. Instead of that the beard is pushed
forward by the hand just as it would be pushed if
the artist meant to indicate that the ßgure was
engaged iti playing with the beard of Okeanos or
whoever he onay be. Auch dass die Blicke aller
drei Figuren auf den Kopf des Gottes gerichtet
sind, spricht für die engen Beziehungen, die zwi-
schen dem Gott und den Frauen obwalten. Der-
artige Beziehungen zwischen den drei Erdtheilen
und Okeanos anzunehmen, scheint mir nicht recht
möglich.
Trotzdem muss ich die Einwendungen, die
Robert gegen die Benennung „Nereden" macht,
als richtig anerkennen; auch ich glaube, dass die
ruhige und feste Stellung der sitzenden Mädcheu
gegen die Deutung auf Nereiden spricht, und halte
sie deshalb gleichfalls für Lokalgottheiten, wenn-
gleich ich mich vorläufig ausser Stande erkläre sie
zu benennen. Nur um zu zeigen in welcher Rich-
tung meiner Meinung nacli die Deutung gesucht
werden muss, weise ich auf Hellas mit der Pelo-
ponnes einerseits und Kreta andererseits hin; natür-
lich wäre der männliche Gott dann nicht Okeanos,
sondern der Pontos oder irgend ein Lokalseegott, wo-
gegen gewiss nichts einwenden wird, wer sich der
bekannten Büste der Rotonda erinnert. Dass im
Alterthum oft genug solche Lokalgottheiten darge-
stellt worden sind, dafür liefert Philostrat viele
Beweise; speciell für unseren Fall könnte man noch
an das Bild von Panainos mit der Hellas und Sa-
lamis erinnern; vielleicht könnte auch das oben er-
wähnte Mosaik von St. Rustice angeführt werden,
wo neben Wassergottheiten sicilianische Ortsgott-
heiten vorzukommen scheinen, wenn nicht die
darüber vorliegenden Nachrichten zu dürftig wären.
Wüssten wir etwas von dem genauen Fundplatz
oder Fabrikationsort des Reliefs, dann würde es
wohl nicht schwer sein, sofort die lokalen Be-
ziehungen zu erkennen. R. Enüelmann.
213
214
DIE ,SCHLANGENTOPFWERFERIN'
IM rERGAMKNISCIIEX ALTARFKIE8.
d
Zu der s*ogenannten Sclilang-entopfwerferin in der
Gigaiitomachie des perganienischen Altars') wurde
vor einigeu Jahren die Verniuthung geäussert, dass
der Künstler auf die eigentluiniliclie Waffe der Göttin,
das schlangeuuniwundene Gefäss, duroli die lienii-
nisccnz au eine im Kampfe gegen die Attaliden
einmal angewendete Kriegslist geführt worden
wäre'). iSleuerdiugs will mau das räthselhafte
Gefäss als Apothekermörser bestimmen, der au
seinem Platze innerhalb des Asklepiosheiligthums
zufällig von einer der heiligen Hchlangen uni-
ringelt sei, und danach in der Göttin etwa die
Epioue, die Gemahlin des Asklepios, erkenuen^).
Solchen Deulungsversuchen gegenüber müelite ich
nicht länger zögern an dieser Stelle zum Ausdruck
') Vergl. Julirl), iler kiinigl pi-euss. Kunstsaimnl. I S. 178.
'-') W. H. Hoscher in der Beilage zur Aug.il)iirger Allge-
meinen Zeitung 1880 S. 4571.
■') A. Trendelenburg im Texte zu den Skizzen zur Wieder-
herstellung des perganienischen Altars von Alexander Tondeur
S. •-'!). Vgl, oben S. 14öf.
ArchSolo". Ztt'. Jahru'iiiii: XLU.
zu bringen, was seit der öffentlichen Ausstellung der
Gigantomaehiereliefs angesichts der Schlangentnpf-
werferiu in gegenseitigem Austausch der Beob-
achtungen und Ideen von mehreren Seiten festge-
stellt wurde. Es betrifft das die Form des frag-
lichen Gefässes in der Hand der Göttin und die
Auffassung der merkwürdigeu Verbindung von Ge-
fäss und Schlange.
Um was es sich bei dem ersten dieser beiden
Punkte handle, wird am besten durcfh die vor-
stehenden Abbildungen klar gemacht werden, welche
von der zuverlässigen Hand des Herrn van Geldern
herrühren. Da die Axe der oben horizontal ab-
geschnittenen Vase (siehe Figur a) weder zu der
senkrechten Stosskante des Reliefs noch zu dereu
Grunde parallel läuft, sondern sich schräg nach
der 1. oberen Ecke zu neigt, so entsteht eine un-
regelmässige und unvollkommene (einem Reib-
morser wohl ähnelnde) Gefässforra, die nothwen-
diger Weise ausgeglichen werden musste. Und
das geschah, wie die obere Durchschuittsfiäche des
15
215
0. Puclistein. Sehlaugcntupfworferiii.
216
Gefässes zeigt — dieselbe ist uMiulicli nach der
gewöhnlichen Art und Weise als Stossfuge herge-
richtet, indem sie rings am Rande geglättet und
innen mit dem Spitzeisen ein wenig vertieft worden
ist — durch ein ursprünglich aufgesetztes, jetzt ver-
lorenes Stück. Auch die Schlange, deren Leib am
doch wenig angemessene Fuss (s. Figur c) vortretl'-
lich ]iasst. Die Zeichnung lehrt, dass bei exacter
Ergänzung auf die r. Seite des erhaltenen Abschnittes
glciclifalls ein Theil vom Ansatz des zweiten Henkels
fällt; dass die entsprechende Ansatzspur im Ori-
ginal fehlt, kann gewiss nicht allein durch unsorg-
Reliefrande glatt durchgeschnitten ist, musste nach fältige Arbeit veranlasst, sondern vielmehr wegen
der Fuge beabsichtigt sein, die sonst den Henkel-
ansatz mitten durchschnitten hätte.
Was die Stellung der Schlange an diesem
hydrienartigen Gefässe betrifft, so liegt sie mit
ihrem Schwanzende vorn längs des Schulterrandes;
dann wand sie sich oben einmal um den Hals und
ringelt sich endlich über die Rückseite nach dem
Fusse zu, um von hier aus mit erhobenem Kopfe
gegen den Gegner der Göttin zu züngeln. Sie ist
also nicht in einseitiger Bewegung von oben nach
unten dargestellt, als wenn sie aus der Vase kröclie,
sondern wie über Kreuz um dieselbe geschlungen
und innig mit ihr verknüpft. Das lässt schwerlich
den Eindruck einer zufälligen Verbindung von Ge-
fäss und Schlange aufkommen, vielmehr in dem
Schlangentopf ein bestimmtes Symbol vermuthen.
Als solches ist es, wenn auch nur in wenigen Gülten,
in der That nachweisbar. So spielt eine eigen-
thüinlich mystische Rolle bei der Procession am
Isisfeste die Urne, deren charakteristische Gestalt
aus Münzen') und Reliefs °) sowie vor allem aus
der genauen Beschreibung des Apuleius (Xletam.
XI 11) bekannt ist: gerehal alius feliri mio gremio
siiiiitin siii numinis venevaiidam effigiem, iion pecoris,
fion avis, noii ferae ac ne hominis qiiidem ipsitis ronsi-
milem, sed solerti repertu, etiam ipsa jiovilate rece-
retidam ullioris uicumqiie et magno silenlio tcgeiidac
religionis argiimeiiluin ineffahile; sed el ad istiini
platte modiini fiilgetile auro ßgiiralum. Urniila fa-
herrime cavala, fuudo quam rolundo, miris exlrinse-
cus simiilacris Aegypiiorum efßyiala; eins orilicium
iion allinscule levahnn in cntialem porrectnm longo
rinilo prominehat. Ex alia vero parte tnulti/m rece-
dens spatiosa dilalione adliaerchal ansa, quam con-
torto iiodnio siipersedebat aspis squameae cervicis
striatti liunore sublimis. Da diese Art Situla mit
dem üräus aus ägyptischer Ueberlieferung bisher
nicht nachgewiesen und gedeutet worden ist, so
wäre einstweilen die Vermuthung berechtigt, dass
sie auf Grund einer ursprünglich griechischen An-
schauung in den alexandrinischeu Cult eing(dülirt
wäre. Gleichfalls für ägyptisch hielt F. Lenormant
■*; Zoi'ga num. aeg S. S n. 30; S. 165 n. 17.
■') Hcriin Aegypt. Mus. n. S1G4.
oben hin ergänzt sein, damit die i)eiden jetzt ge-
trennten Theile derselben für das Auge des Be-
schauers verbunden wurden.
Derartige in das Deckgesims liincinragende
Anstüekungen an der Oberkante der Gigantomaehie-
reliefs sind übrigens sehr häufig und gewiss von
vielen Beschauern schon bemerkt worden. Es mag
daher nur kurz daran erinnert werden, dass z. ß.
der ganze Schädel der sog. Selene aufgesetzt war,
ferner auch die Spitze an den Helmen der Athena
und des jugendlichen neben der Apollogruppe
aufgestellten Kriegers, der erst durch die letzte
Sendung aus Pergamon seinen Kopf erhalten hat
(es ist nebenbei bemerkt derjenige Kopf, an dessen
Augen bei der Auffindung noch Farbspuren sicht-
bar waren); beim Gegner der Hekate endlich sind
noch die Eisenstifte vorhanden, die den oberen
Theil des geschleuderten Steines festhielten.
Glücklicherweise gewährt nun der vorhandene
Abschnitt des Gefässes auch olme die Anstückung
einer genaueren Betrachtung genügenden Anhalt,
die ursprüngliche Form desselben annähernd, wenn
nicht gar sicher zu bestimmen. .-\n der 1. Hälfte
nämlich, die ja in Folge der sciiiefen Lage des
Gefässes die grössere ist, läuft rechtwinklig zu der
Axc und daher die Fuge quer schneidend eine ab-
gerundete Kante hin, wie sie nicht etwa dem
Lippenrande entspricht, sondern beim Zusammen-
stoss von Bauch und Schulterfläche einer Vase
entsteht; und zwei unmittelbar unter dieser Kante
befindliche Ansätze, von denen der vordere z. Th.
durch die Schlange verdeckt wird (vgl. die Ober-
ansicht Figur b), lassen auf einen kleinen jetzt ab-
gebrochenen Seitcnhenkel schliessen. Versucht man
hiernach das vom Künstler bcabsiciitigte Gefäss
zu reconstruiren, so wäre für den vorhandenen
Tlieil zu beaciiten, dass durch die Hand der Göttin
und den Schlangenleib dem flott und sorglos arbei-
tenden Bildhauer die Symmetrie der beiden Hälften
gestört worden ist: wenn man diese, wie es in
unserer Figur d geschehen ist, wiederherstellt und
Schultern und Henkel vervollständigt, so ergiebt sich
nicht ein Mörser, sondern eine hydrienf'örmige Vase,
zu welcher auch der zierliche, hohle, einem Mörser
217
0. Piu'Iistoin, Scblanircntiijifwcrfcriii.
218
(las Rclilangcnumriiigeltc Gef'üss un (ici- Seite der
Aplivodite in der bekannten es((uiliniselien Statue'^)
und sah deshalb in derselbeu eine Darstellung'
der in Naidviatis angeblich verehrten Rhodopis:
allein mag aueh die Selilaiige an diesem auffälligen
Get'äss dem Uräus gleiehen, so wird man ddidi die
wunderliche Condiination Lcuorniants ahweiseu und
vorläufig jenes Detail auch in Bezug auf seinen
synibolisclieu CliaraUter unerklärt lassen müssen.
Auf griechischem Boden, speciell in Sparta,
findet sieh nun aber der Schlangentopf im Culte
dt3r Dioskuieu '). Nicht nur auf lacedämonischcn
Münzen") entspricht dem Herakleskopfe oder häu-
figer den beiden Dioskurenköpfcn der Vorderseite
rückseits die von einem Kranz umrahmte Darstel-
lung einer (meist zwischen die Pilei gestellten) oder
zweier Amplioren, die mit einem Deckel versehen
und in den weitaus zahlreichsten Fällen von je
einer Schlange umringelt sind, sondern auch Re-
liefs^) zeigen häufig genug neben den Dioskurcu
diese beiden Amjjhoren, freilich nur in zwei Bei-
spielen mit den Schlangen '"); einmal (auf dem
Veronescr Votivrelief an die Dioskuren") nähert
<") Abgeb. ßu//. „„wie III Taf. III. IV. Gnz. arch. III
Taf. 23 vgl. S. 145.
■) Vergl. Weicker Tiilogie S. 925 Anm.
*) Eekhel d. n. II S. 270. Mionnet II S. 216, 1 ff. 2-i2ff.
n. a. Voryl. ilie AbbilJung bei Cun/.c Wiener Vorlegeblättcr
4. Ser. Taf. IX, 9. 10.
■') Di-essel- Jlilchhül'er Alittb. il. aib. In,-t. II 8 3SC n. 204
205. 20S.
'») A. n O. n. 209. 210.
") Uütschke 4 n. 538; abgeb. Conze a. a. U. 8.
sich eine Schlange dem Ampliorcii])aai', während
ein andermal die zwei Schlangen ohne die Krüge
dargestellt sind '").
Sonst sind mir aus griechischen Monumenten
noch zwei Beispiele dieses Symbols bekannt ge
worden. Auf dem sogen. Wiszay'schen Dipty-
chon") mit' den Darstellungen des Asklepios und
der Ilygieia steht auf den beiden Pfeilern, welche
die Figur der Hygieia mit dem Eros einrahmen,
links ein Knabe, welcher aus der mystischen Cistc
die Schlange entschlüpfen lässt, rechts Schale
und schlangenumringelter Prochus. Weshalb hier
Hygieia vom Eros begleitet, und die Ciste sowie
der Prochus mit der Schlange hinzugefügt sind,
hat man bisher nicht erklärt. Endlich ist auf einem
Relieffragraent ") in Athen leider nur ein Stück
einer schlangenumringelteu Vase innerhalb eines
Oelkranzes erhalten; die Form derselben weicht so-
wohl von der Hydria des pergamenischen Reliefs
wie der Amphora des Dioskurencults als auch von
dem Prochus des Diptychons ab.
Einen Anhalt zur Deutung der Göttin in dei-
pergamenischen Gigantoniachie vermag ich aus
diesen Beispielen einstweilen nicht zu gewinnen.
0. PucnsTEiN.
'-) Dre.ssel -Milchliöl'er a. a 0. n. 220; abgeb. Biagi inori.
gr. ei lat. ex Jims. Kanii Rom. 17.S7 S. 73.
'■■') In Liverpool. Müller- Wieseler II, Gl, 792. Berlin,
■Verzeiclmiss der Gipsabgüsse n 9711?.
'■■) Sybel n. 6G25. Berlin,' Verzeichniss iler Gipsabgüsse
1883 n. 200.
1.5«
219
220
BERICHTE.
SITZUNGSBERICHTE.
Archäologische Gesellschaft in Berlin.
Sitzung vom 4. Kovember. Zur Aufnahme
haben sich gemeldet die Herren Graf Seyssel
d'Aix, Hauptmann Steffen, Dr. Puchstein.
Eingegangen waren u. A. Kekule, die antiken
Terrakotten Bd. II (Sicilicn); v. Brunn, Kunstge-
schichtliche Stellung der pergam. Gigantomachie
(Jahrbuch der königl. preuss. Kunstsammlungen);
ders., über tektonischen Stil (Miuicliener Akademie-
berichte); Lepsius, Längenmasse der Alten; Vir-
chow, Hissarlik als Feuernekropole; Bücking,
Lagerungsverhältnisse der älteren Schichten in
Attika; Herzog, Olympische Göttervereine; Graf,
Antiopesage; Pervauoglu, orüjine delnome d'ItaHa\
Schreiber, Dreifussbasis von Xabulus. — Herr
Conze legte die akademische Abhandlung des Herrn
Imhoof-Blumer, Münzen der Dynastie von Per-
gamon, vor. — Herr Eobert theilte die Ergebnisse
einer Petersburger Eeise mit, die er im Interesse
der Sarkophagsammlung unternommen hatte. Der
Achilleussarkophag im Garten des Grafen Stroganuff
(bekannt als Sarkophag des Homer) stammt von
den griechischen Inseln; Oiiiamentik und Gewand-
bchandlung las.sen ihn früliesteus in das Ende des
2. Jahrhunderts setzen. Er repräsentirt denselben
Typus wie der Sarkophag Barilc (Wiener Vorlege-
blätter C, IX,1). Achill hält liier keinen Speer,
sondern eine Spindel, die auch Deidamia anfasst;
neben dieser steht die Amme; die Figur an der r.
Ecke ist nicht Lykomedes, sondern eine als Gebälk-
träger fungirende Silcnshcrme; die r. Schmalseite
zeigt Cueiron, den jungen Achill im Bogenschiesseu
unterrichtend (so auch auf den Sarkophagen Barile
und in London); auf der 1. Schmalseite sitzt Achill
leierspielend unter den Töchtern des Lykomedes;
auf der Rückseite streng symmetrisch der Kampf
zweier Kentauren mit Löwe und Löwin. Eine weit
schönere Iicplik dieses Typus der iVchilleussar-
kophage ist ein in Kertsch gefundener, sehr ver-
stümmelter Sarko])liag, der auf den Ilauptseiten
genau mit dem vorigen übereinstimmte, rcclits die
kaum noch erkennbaren Reste des Bogenschiessens
imd links den Abscliied von Lykomedes in der Art
der psfudogriechischen Sark<ipliage vom Louvre
und Capitol zeigt. Die Augen des Lykomedes
waren eingesetzt, was auf weitgeliendc Bemalung
deutet; auf der Üückseite sind Eroten mit Festons
dargestellt. Der Vortragende wies ferner auf ein
Sarkophagfragment mit Darstellung des Freier-
mordes hin, von welchem eine entschieden moderne
■Wiederholung in Mautua existirt, und machte über
einige andere Sarkophage Mittheilungen. — Hierauf
trug Herr Puchstein die oben S. 213 abgedruckte
Widerlegung der von Herrn Treudelenburg aufge-
stellten Deutung der pergamenischen Sehlangen-
topfwerferin' vor, Herr Engel mann die S. 2U9
veröffentlichte Erwiderung gegen lleirn Kobirt. —
Herr Curtius machte darauf aufmerksam, dass der
Bildhauer Herr Grüttner nach dreijähriger Arbeit
jetzt so weit sei, dass Anfang December der ganze
Ostgiebel des olympischen Zeus, iu Original-
grösse ergänzt, aufgestellt werden krmne. Es sei
wünschenswerth, dass nun über die Anordnung
der Giebelfiguren eine feste Ansicht der Sachver-
ständigen sich bilde. Bisher, führte Herr C. aus,
gab es zwei von einander abweichende Hcrstellungs-
versuche, welche beide in der Olympiaausstellung
zum Vergleich neben einander aufgestellt sind.
Neuerdings ist dazu ein dritter Versuch gekommen,
welchen Herr Professor Kekule im Rheinischen
Museum Bd. 39 S. 481 veröffentlicht hat. K. er-
kennt die Grnppirung der drei Figuren iu der
rechten Giebelecke, wie sie Curtius verlangt, als
unbedingt sicher au, nimmt aber an zweierlei in
der Curtius'schen Aufstellung Anstoss, erstens daran,
dass die beiden Zügellialter, und zweitens, dass Mäd-
chen und hockender Knabe einander nicht so ent-
sprächen, wie es bei Gegenstücken verlangt wer-
den müsse. Beide Paare blicken nach derselben
Seite hin, das sei eine zwiefache Verletzung der
Symmetrie.
Gegen diese Einwürfe ist zu erinnern, dass
der eine nicht zutrifft, denn das Mädchen blickt
nach links, der entsprechende Knabe nach rechts;
liier ist Alles in Ordnung. Die Ziigelhalter aber blicken
beide hinunter. Ihre eigenthümliche Stellung und
Kopfhaltung ist durch die Gespanne gegeben,
deren Zügel sie vorsichtig halten. Die Kopfdrehung
des Myrtilos ist wahrsclieiulich dadurch motivirt,
dass die Abwendung von Oinomaos ausgeilriickt
werden soll. Eine Verletzung der i)lastischen Sym-
metrie ist also auch hier nicht vorhanden.
Was nun zur Beseitigung der beiden angcb-
221
SitzuiK'sbericlit.
222
liolieu Uebelstäiule im dritten ^'cl•sll(■lle voige-
schlag-en wird, führt entwfdci- zu unvcikemibaren
Uebelständen, oder ist der Kaumverliältiiisse wegen
uniiiöglicli. T^iipassend ersclieint es, weun 1) das
Viergespann rechts gar keinen Lenker hat (sol-
len wir uns die Zügel, deren Bohrlöcher vor-
liandcn sind, schlaft' zu Bodeu lallend vorstellen?),
1*) Mj-rtilos als in Gedanken versunkener Greis
hinter seinen Rossen sitzt, 3) eine Zofe der Ste-
rope mitten in der Aufstellung der Gespanne un-
mittelbar vor der entscheidenden Aktion zu den
Füssen der Königin kauert. Unmöglich aber ist
es, wie nachher Herr Grüttncr an der im Giebel-
rahmen aufgestellten Jlodellfigur nachwies, das
Vorderpferd vom Gespann des Pelops zurückzu-
schieben und unter demselben einen die Hufe
untcrsuclienden Diener anzubringen. (Dies Motiv
war in der von H. Strack und Curtius 1852 verüft'ent-
lichten Restauration schon versuchsweise in Anwen-
dung gebracht worden.)
Seitdem es zum ersten Male vergönnt ist, einen
Tempelgiebel des fünften Jahrhunderts in voller
Figurenzalil zur Anschauung zu bringen, ist auch
die Frage nach den Gesetzen der Symmetrie inner-
halb der Giebelcomposition in ein neues Stadium
getreten. Die Frage ist noch coutrovers. Es ist
noch die Ansicht einiger Gelehrten, dass es sich
vorzugsweise um eine Symmetrie in den plastischen
Umrissen und Linien handle, während die Andern
verlangen, dass die ihrer Bedeutung nach sich ent-
sprechenden Gestalten auch zur Rechten und Linken
die entsprechenden Stellen haben müssen. Die
letztere Ansicht wird durch die Restauration des
Osfgiebels sowie durch die Beschreibung des Pau-
sanias als die richtige bezeugt. Die ganze Com-
position ist ein vollkommen durchdachtes Werk,
jede Figur steht an ihrer richtigen Stelle. Sieht
man den einen Rosselenker vor den Rossen, so
sucht das Auge den andern an derselben Stelle.
Hätte einer von ihnen hinter den Gespannen ge-
sessen (wo ihn die Pferde, wenn sie unruhig wur-
den, sogleich fortgeschleppt hätten), so müsste das
Zügelwerk an dem ganzen Rumpfe des Vor-
derpferdes entlang gezogen gewesen sein, und
davon müssten Befestigungslöcher an demselben
zu erkennen sein.
Herr Grüttner sprach sich auf Grund seiner
dreijährigen Beschäftigung mit den Bruchstellen
des Ostgiebels, während welcher jede Möglichkeit
der Ergänzung im Einzelnen erwogen sei, zum
Sciilusse dahin aus, dass man, von der festen
Gruppe der rechten Ecke ausgehend, zu keiner an-
deren Aufstellung der 21 Figuren gelangen könne
als zu der von Curtius vertretenen.
Archäolog. Zt';. Jahrgang XLH.
16
8CULPTUREN
(Tafel
Der Cult und Tempel der iliscben Atliena,
welche schon in der Ilias und den kyklischen Epen
eine bedeutende Rolle spielen, treten in der Ge-
schichte des historischen Uion noch mehr hervor.
Fast überall, wo die Stadt erwiilint wird, geschieht
es wegen jenes altehrwördigen Ileiligthunis. Xerxes,
Mindaros, Alexander, die Diadochen besuchen
dasselbe und bringen in ihm Opfer dar, und noch
höher steigt sein Ansehn unter der römischen Herr-
schaft, als die Hier die Aeneassage zu ihren Gunsten
beim Senat und später bei den Kaisern geltend zu
maclieu verstanden. Bis in die Zeit Julians stand
ein Tempel der Athena Ilias umgeben von einem
Temenos und waren die Kunstwerke in ilim
wohl erlialten, während man allerdings an dem
Gebäude selbst aus Rücksicht auf den religiösen Fa-
natismus einiges hatte zerstören müssen '). Diese
') Julian, epist. ed. Henning (Hermes IX S. 258 f. = S. 603 f.
eJ. Heitlein): ijoioot' (axir ' ExioQng onov ^nixoüg iairixii' «)'-
tfpiKf h' vi'idxii) ßi>ct);iT, Totrw 701' /.tiyav BVi(mr)aa%' 'Ayillia
xctrct TÖ vnai'lQOv ßitäi'awfitv, ((fiv, fni io i^S 'Ikiu-
1)05 HOriviii r(uiros, 6 Jf {}[i]yüoiOi) xni fiiii.n nooOvfjtog
äni'iyuy^ ue xtä nj'^wff lor vtMV xki ännuj u«i>Tu(iov/.tfro;
(n^d'ii^^ fioi Tiäi'in nxQißwg nüiu itt üytilfittia .... nf<fr\vt
yün ovöiv oväuuov jmv itijMV riihxrjxiög (tlrjydaio;) nXriv
oXlyoiv TiKviänaoi Xiüwv fx xalvfifiaio; (so Hertlein statt
xnT(t).v/jarog), iva avjiu aiaCcv ^l;j tk loiTtd. Von der Basis
einer älinliclien Statue wie die Hektors stammt wohl die nach
der Huchstabenlorni der Kaiserz.eit zuzuschreibende Inschrift
C.I.a. 3C06:
lAlEiCTO''
nATPION0E
ov A I NEIAN
Hektors Statue kann man sich dem auf Münzen von llion dar-
gestellten weitausschreitenden Hektor ähnlich denken, ebenso
wie das auf denselben sich findende Bild der Athena in archaisch
gefälteltem Gewand, mit Polos, Speer und Spinnrocken, oft'enbar
eine Nachahmung des Cultbildes im Athenatempel (s. Appian
Mithrid. ä?>, Apollod. HI 12.2,2, Servius zur Aeneis H ICtJ, wo
zu lesen: dicilui- Finihrtae fjnidcnii liomanus inveutinn indi-
Arcliiinl,>^.. V.x;. .lalu-im- XLll.
VON ILION.
14.)
Nachrichten der Schriftsteller werden durch die
beträchtliche Anzahl der Inschriften von llion be-
stätigt, welclie von der Zeit des Antiochos Soter
bis in die spätere römische Kaiserzeit liinabgehen
und zu einem grossen Theile sich auf das Heilig-
thum der Athena und ihre zwei Feste, die neuen
und die kleinen Panathenäen, beziehen"). In
jüngster Zeit ist ilire Zahl durch die Ausgrabungen
Scliliemanns bedeutend vermehrt worden. Derselbe
fand 1872 die bekannte schöne Heliosmetope').
Sie gehört nach den Maassen zu dem grösseren
Tempel, dessen Reste Schliemann gleichfalls ge-
funden liat und den er sicher richtig als den der
Athena bezeichnet'). Bei der Veröifentlichung der
Metope bemerkte E. Ctn-tius*), dass wohl noch an-
dere ähnliche Stücke vorhanden sein würden, und
diese Vermutlmng wurde bestätigt. Schon in den
'trojanischen AlterthUmern' waren Ornamentfrag-
mente aus Marmor als zum 'Minervatempel' gehörig
bezeichnet und nebst anderen Resten von Iliou
abgebildet worden*). Gelegentliche Erwähnungen
casse) ist, und wir der Gruppe des Romulus und Remus unter
der säugenden Wiiltin sowohl auf den Münzen als auf dem
im Theater gefundenen Relief in Clipeusforra (Schliemann,
Troja S. 236) begegnen. Ueber die Münzen s. Schliemann Ilios
S. 713, wo Abbildungen gegeben sind, und Troja S. 2-45f.
-■) C.I.G. 3595, 3598, 3599, 3601 — 3605, 3607, 3610,
3620, 3622. Nachträge zu den Inschriften geben Schliemann
Ilios S. 699 f., Troja S. 252 f. und Lolling Miltheil. des athen.
Inst. 1884 S. 69f Die recht zahlreichen Notizen der Schrift-
steller über llion sind am besten von Böckh zu C. 1. G. 3595
gesammelt und verarbeitet. Vgl. Schliemann Ilios S. 193 f.
Noch nicht herangezogen sind die Epigramme anth. Pal. IX 28,
102—104, 387 und anth. Xa(. 411K.
3) Schliemann Trojan. Alterth. T. 30 und 31, Ilios S. 695,
K. Curtius Arch. Ztg. 1872 S. 57 f. T. 64.
*) Troja S. 227, Ilios S. 35.
») A. a. Ü. S. 59.
") Taf. 167, 189.
17
225
0. Rossbach, Sculptiircn von Ilion.
226
anderer Sculpturfragniente, auch einer 'unvollen-
deten' (?) Metope finden sich in dem späteren Werk
'liios' ')• Jetzt hat Schlicmann in seiner neuesten
Schrift 'Troja' eine dankenswerthe Nachlese auch in
dieser Hinsicht gegeben. Wir finden auf S. 221f.
Abbildungen von vier nach Maassen, Stil und Material
zu derselben Reihe wie die Heliosdarstellung ge-
hörenden Metopen*). Architektonisch interessant
ist der Umstand, dass ähnlich wie die in eine Ecke
gehörende Heliosmetope mit den zwei an sie an-
stossenden Triglyphen aus einem Block gearbeitet
war, auch die anderen Metopen, welche keine Eck-
stücke bilden, je mit einer Triglyphe verbunden
waren. Leider genügen die Holzschnitte in der
jüngsten Schliemann'schen Publikation nicht, um
ein sicheres Urtheil über den Stil der Sculpturen
zu ermöglichen'). Ich gebe daher auf Tafel 14
neue Abbildungen derselben und füge eine kurze
Beschreibung hinzu.
Die unter Nro. 1 abgebildete Metope (Breite
0,78, Höhe 0,608, Dicke 0,328, Relieferhebung bis
0,08) ist oben uud an der 1. Seite stark beschä-
digt; auch hat das Relief stark gelitten. Eine
nach 1. schreitende, kopflose weibliche Figur (Vor-
deransicht) in langem, flatterndem, dorischem Chi-
ton mit Gürtel und Ueberschlag hat mit dem 1.
Arm, an dem sie einen runden Schild trägt (Innen-
seite sichtbar), einen nach r. zurückgesunkenen Krie-
ger (Seitenansicht) im Haar erfasst und holt mit
dem r. ausgestreckten Arm zum Stoss mit der
Lanze gegen ihn aus. Er ist völlig nackt, trägt
am 1. Arm einen runden Schild (Ausseuseite sicht-
bar) und sucht mit dem r. seinen Kopf, der fast
völlig zerstört ist, von ihrem Griff zu befreien.
') S. 697.
*) Die bei Schliemann Troja S. 221 abgebildete Metope,
welche sich nicht in Berlin befindet, gehört wie die Helios-
metope auch dem Fundort nach zu dem grösseren Tempel. Die
übrigen Stücke waren nach verschiedenen Orten verschleppt,
doch kann ich nach eigener Anschauung versichern, dass Mar-
mor, Stil und Maasse sich nicht von denen der in Ilion gefun-
denen Metopen unterscheiden.
'-^ Nur die Zeichnung der Athenametope (S. 223), wiklie
übrigens nicht, wie man nach Schliemanns Worten annehmen
könnte, von R. Schöne herrührt, macht eine Ausnahme, doch
hat auch sie ofl'enbar durch die Repioiluction an Deutlichkeit
verloren.
Trotz des Fehlens der Aegis ist sofort klar, dass
die weibliche Gestalt niemand anders sein kann
als Athena. Auch über ihren Gegner wird man
nicht lange iu Zweifel sein. Denn in welchem
Kampf wird die Göttin häufiger und gerade in
Werken der dekorativen Kunst mit grösserer Vor-
liebe dargestellt als in der Gigantomachie und zwaj-
mit ihrem speciellen Gegner Enkelados? Dass
dieser nicht in der für die Giganten der späteren
Zeit charakteristischen Bildung, mit Schlangen-
füssen, dargestellt ist, wird nicht befremden, da er
auf dem grossen Fries des pergamenischen Altars
als nackter, schöner Jüngling gebildet ist, ebenso
wie viele andere Giganten. Auch scheint die Bil-
dung gerade des Enkelados mit Sehlangenfüssen
erst in der römischen Kunst aufgekommen zu sein.
Denn dieser sind zwei Reliefs, das eine aus Bronce
im Museo Kircheriano (abgebildet Journal of hellenic
stiulies 1883 zu S. 90), das andere aus Terracotta im
Berliner Antiquarium Nr. 697 (in Unteritalien gefun-
den) sicher zuzuweisen. Beide haben die Misch-
gestalt, während sonst der überlieferte Typus der
ganzen Darstellung nur wenig verändert ist.
Nur den Rest einer Kampfscene zeigt das als
Nro. 2 abgebildete Bruchstück eines Metopen- und
Triglyphenblockes (Metope: Erhaltene Breite 0,45,
Höhe 0,615, Dicke 0,346, Relieferhebung 0,062; Tri-
glyphe: B. 0,58, erhaltene Höhe 0,595, D. 0,374,
Tiefe der Canäle 0,047). Es ist die obere Ecke der
r. Seite der Metope, von dem Relief jedoch nur wenig
erhalten. Man sieht den stark bestossenen, behelm-
ten Kopf, die Schultern und den 1. Oberarm eines
nackten Kriegers (Vorderansicht). Gegen ihn war
von 1. ein runder Schild ausgestreckt, von dessen
Rande noch ein Rest mit dem Porpax und an diesem
wieder das Fragment einer 1. Hand erhalten ist.
Zwischen welchen Gegnern der Kampf stattfindet,
lässt sich nicht entscheiden, da es keineswegs nöthig
ist, dass alle Kampfdarstellungen der Metopen zu
einer Gigantomachie gehörten, vielmehr, wie wir
sehen werden, ein Relief auf einen anderen Kampf
hinzuweisen scheint.
Wegen der Aehnlichkeit der Darstellung er-
wähne ich hier eine Metope, die nicht in Berlin
227
0. Rossbaeli, Sculpturen von Ilioii.
228
befindlich ist und für welche ich auf die Abbildung
bei Schlieraann S. 221 verweisen muss. Auch hier
ist die Metope und die 1. Triglyphe aus einem
Stück gemeisselt und nur der r. Rand der Metope
abgebrochen. Das Eelief dagegen ist stark be-
schädigt: es fehlt der r. Arm der 1. Figur und
der 1. uud das 1. Bein der r.; ferner hat, soviel
die Abbildung erkennen lässt, die ganze Oberfläche
der Körper stark gelitten, namentlich sind die
Köpfe bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Dage-
gen ist die Darstellung völlig klar. Ein nach 1.
weit ausschreitender Krieger mit kurzem Chiton
und Panzer (?) hat einen vor ihm ins Knie ge-
sunkenen, mit etwas längerem Chiton bekleideten
Gegner mit der E. im Haar gepackt und bedrohte
ihn wahrscheinlich mit einer in der L. erho-
beueu Waffe. Der 1. Arm des Unterliegenden
scheint auf dem 1. Knie zu liegen, während der r.
wohl flehend oder abwehrend nach oben ausge-
streckt war. Beide Krieger sind in Seitenansicht
dargestellt.
Grösseres Interesse bietet das unter Nro. 3 abgebil-
dete Bruchstück der 1. unteren Ecke einer Metope
(Erhaltene Breite 0,617, H, 0,465, D. 0,255, Relief-
erhebung bis 0,072). Was von dem Relief erhalten
ist, befindet sich verglichen mit den bis jetzt be-
schriebeneu Stücken in recht gutem Zustande und
zeigt besonders in der Behandlung des Nackten
eine ähnlich sorgfältige, künstlerisch vollendete Ar-
beit wie die Heliosmetope. Wir sehen eine nach
1. zurücksinkende, männliche, bis auf ein an den
Schenkeln anliegendes Gewand nackte, jugendliche
Gestalt, deren Unterschenkel und Schultern nebst
Kopf und 1. Arm fehlen. Das Abnehmen der
Kräfte ist treff'lich durch den sclilaflf herabsinken-
den r. Arm und den in seinem oberen Theile etwas
vorgeneigten Oberkörper ausgedrückt. Diese Ge-
stalt wird durch eine andere, welche gebückt hinter
ihr steht und mit kurzem Chiton und Hosen be-
kleidet ist, unter den Armen unterstützt und vor
völligem Hinsinken bewahrt. Der Oberkörper der-
selben ist abgebrochen. Dies Motiv ist namentlich
durch zwei Gruppen des Frieses von Phigalia be-
kannt, wo eine Amazone ihre zu Tode getroffene
Schwester in ganz ähnlicher Weise aufrecht hält
(Westseite 1 '"), Osfseite 15), doch findet es sich
auch auf Savkopliagen mit Darstellungen des Todes
der Niobiden und des Iphigeneiamythos "). Da die
beiden letzteren Deutungen nicht in Betracht kom-
men können und die sinkende Gestalt sicher männ-
lich ist'"), so bleibt nur noch die Möglichkeit einer
Scene aus einem Kampfe mit Barbaren. Dafür
spricht vor allem die Trac])t der stehenden Gestalt;
ein weiteres Argument hoffe ich später beibringen
zu können'^). Ob durch die Beschädigung der
Metope eine dritte Figur verloren gegangen ist,
könnte fraglich erscheinen, doch bin ich nicht ge-
neigt CS anzunehmen, da die nur wenig gekrümmten
Beine des Verwundeten den übrig bleibenden, nicht
gerade bedeutenden Raum genügend füllen. Ausser-
dem wird aber in unseren Metopen wie nament-
lich die mit dem knieenden Krieger zeigt, das Ge-
setz der RaumfUllung nicht so streng wie in älteren
Kunstwerken befolgt, und ein Angreifer oder theil-
nahmsvoUer Zuschauer passt nicht zu der Gruppe,
findet sich auch nicht auf den erwähnten ähnlichen
Reliefs. Dagegen ist es recht wohl möglich, dass
diese Metope mit einer der ihr benachbarten in
Zusammenhang stand, eine Erscheinung, die wir
schon bei den Parthenon- uud Theseionmetopen
beobachten.
Es gilt nun den Sculpturen womöglich ihren
'") loh iülye der von Overbeck angenommenen Zählung
K. Langes.
1') Overbeck, Gallerie heroischer Bildwerke T. XXX 1,
Stark Niobe und die Niobiden T. IV.
'^) Ich bemerke dies wegen Scbliemann , welcher ebenso
wie sein Zeichner sich durch die jugendlichen, etwas weichlichen
Formen imd einen Bruch in der Brustgegend hat irre leiten
lassen. Die Spuren des wie bei dem Gegner der Athena abge-
brochenen Gliedes sind auch in unserer Phototypie, deren
Aufnahme unter ziemlich ungünstigen Bedingungen erfolgen
musste, XU erkennen. Auf die weichlichen, runden Formen
des Kopfes des Helios ist von E. Curtius a. a. 0. S. GO mit Recht
hingewiesen worden. Auch der ausgestreckte r. Arm desselben ist
voll und zart gebildet. Uebrigens waren die im Eelief nicht an-
gegebenen Wagenräder, die Geissei oder die Zügel in der r. Hand
offenbar in Farbe ausgeführt. Stilistisch sehr ähnlich ist der
Heliosmetope die von E. Maass (Annali delV inslitulo 1881 iav.
d'agg. E) herausgegebene Terracottametope von Pästum, welche
Dionysos und Selene auf einer von Stieren gezogenen Biga
darstellt.
'•') S. Anm. 32.
17*
229
0. Rossliach, Sculptiireii von Ilion.
230
Platz in der Kunstgeschicbte anzuweisen. Doch
wird an der Hand von ausschliesslich stilistischen
Kriterien eine genaue Zeitbestimmung kaum zu
geben sein. Denn die lebhaften Bewegungen der
Kämpfer, die flatternden Gewänder, die weich-
liche Bildung des menschlichen Körpers, der
schwermüthige, fast schmerzliche Zug des Helios-
kopfes '*) und die eigeuthümliche Bildung des
Haares desselben, alles das sind Eigenthümlich-
keiten, welche der ganzen hellenistischen Kunst ge-
meinsam sind. Keine genauere Zeitbestimmung
giebt ferner der doppelte Strahlenkranz des Helios,
für den E. Curtius auf Münzen von Keos und
Alexanders I. von Epeiros hingewiesen hat"); eben-
sowenig auch die architektonischen Beobachtungen
der Architekten Schliemanns '"). Dagegen darf man
sich nicht durch Einzelheiten, wie namentlich die
Bildung der Pferde des Helios, verleiten lassen
unsere Sculpturen in der erwähnten Kuustepoche
zu hoch hinaufzurückeu, etwa in eine Zeit, als noch
starker attischer Einfluss vorhanden war. Denn
wenn auch, wie E. Curtius treffend bemerkt (S. 58),
das Vorderpferd einer 'Studie nach dem Parthenon-
friese' gleicht, so findet sich dieselbe Bildung mit
dem starken Hals, der kurz geschoreneu Mähne
und dem gedrungeneu, mächtigen Leibe auf
beträchtlich späteren Denkmälern ''). Doch ist es
auch nicht uöthig- trotz der Bemerkungen von Ad-
ler") über den geraden Abschluss der Triglyphen-
furcben, welchen er an Denkmälern römischer Zeit
wiederfindet, bis in diese Zeit hinabzugehn").
Schliemann"") setzt nun den Tempel im Anschluss
'^) S. Conze über den Gesichtsausdnick in der Antike in
den Preuss. Jahrb. 1S74 S. 36 f., 39f. Es ist derselbe Zug,
welcher bekanntlich in seiner höchsten Potenz sich in den
schmerzvoll verzogenen Brauen, der Stirn und dem Mund des
sogenannten sterbenden Alexander, des Laokoon, mehrerer
Giganten im grossen Friese von Pergamon u. a. ausspricht
und wie in der Metope immer mit einer Wendung des Koples
verbunden ist.
''•') A. a. O. S 59, vgl. Stephani Nimbus und Strahlenkranz
S. JOl (461), S. 26 (386).
'«) Troja S. 220.
") S. z. B. Monum. deW inst. VI, VII S4, 1.
'*) Bei Curlius S. 59.
'••») S. Anm. 32.
'">) Troja S. 227.
an Strabo (XIII 593) noch in das vierte Jahrhun-
dert V. Chr. und lässt ihu von Lysimachos gebaut
sein. Aber gerade dasjenige, was nach ihm Strabo
berichtet, dass Lysimachos einen Tempel der
Athena in Ilion gebaut habe, besagt jene Stelle
nicht. Ich theile dieselbe, da wir sie noch ander-
weitig nüthig haben werden, unten in ihrer ganzen
Ausdehnung mit"'). Zunächst sieht man aus ihr,
dass zu Alexanders Zeit ein Tempel der Athena
vorhanden war, den er nicht ausbaute oder durch
einen neuen ersetzte, sondern nur mit Weihge-
scheuken schmückte. Auch Diodor (XVIII 4) führt
unter den von Alexander geplanten, aber von seinen
Nachfolgern nicht ausgeführten Bauten ausdrücklich
diesen Tempel auf. Wenn es weiter bei Strabo
heisst, dass Lysimachos iu der durch Synoikismos
der umliegenden Ortschaften vergrösserteu und
mit einer Mauer umgebenen Stadt einen Tempel
baute, warum soll damit gerade der Tempel der
Athena gemeint sein? Gerade die unbestimmte
■-') XIII p. 593 C. § 26 (s. Gaede Demetrii Scepsii quae
supersimt, Greifsw. 1880, p. 27): irjv äi riüv 'li-ifiüv nokiv iiäv
vöv T^iog fi'tv xojurji' Hval ifuni 7ü hnov eyovaav jq; Ht'trircii
fjtixQov y.(u tvjilh, 'AXf^uvdijov öi ävaßävTa fiHÜ t!]V (nl
riHtvCxo) v(xr]v <tvct!>riuttai re xoG/^itjacti i6 ieyov xai Ttqoaa-
yOQfCaai nöi-iv xaX oixaiiofticti; ära).nßih' nrioaia^tti roTf
ini/jikrjrciTi iXfvit^oav je xqTvui xai ciifOQOv • vmtoov öi
fiiic'i ji]V xeiTnt.vntv KÖi' Iltgadiv iniajoXriv xc<TciTi€/jipcii ifi-
).c(i'!>o(anoi> vmayvoiiMVOV noXir li Jioiijnni fjfyuXriv xid
Ifnor IniarjuOTaiüV xia nj'öii'K c'tnoiStQfii' i'fpo'r ■ ,ufT« ä'i
Trjr (xtivov ifltvjrjV Avaluuyni fiiiXiara jijg nöXtia; Inifte-
Xt'iDtj xiii vtwv x«itaxtvaot xa'i jsT/oi niQiißdkijo oaov
TtjittcjcixoiiK oiuöiwv, avvioxia^ ts fig «inj)' t((i; xvxXo>
TjöXng ttii/«i'«g t'iifr] xexaxoju^rccg. xii,
p. 094 § 27; xal rö "tXiov (J' o rvv Iml xio/.t6noXig iig
riv, oit 77OWI0I' Pcuftatoi T/jf Idaing In^ßrjaav xal fifßaXoi'
'Ariioxov töf ii^yur ix lijs hiög Toij Tca(iov. (/»joi yovv
^i)fjriT(iing i ^xriiijiiig fJdQiixiov imd'rjfirinttg itg irjv noXiv
xcir fxfd'ovg Toie xctigoiig oi/tcu? (öXiyioQrjjjfyrjV iiSeiy Tfji'
xmoixlciv loart ,urjd't xtQajJunüg f/f/v rtis aj^ycig. 'llyi]an'ii'ui
lU 7oiif raXuiug nfnuKoOf'i'jng (x lijg Evminrig itrtißrjVKi fitv
fig iijv nöXiv iSto/j^vovg fyvucaog naoit XQrjficc iS' (xXinfh'
iSiü TO ehii'xiniov • varigov Ö' in av6i>itiaaiv (Oye nok-
XrjV. th' Ixcixuiaav aviriv nnkiv ot filtä ^pi/jßyCov P(u/iaiot
Xttßövjig fx noXiOQxittg Iv i(ü MilfQu^inixo) 7ioXf/jm. avvi-
■n(uii!>t] äi ö 'l'ifißntftg intiro) OinXfoiM •^hXi'ixxif) Tcifiiag tiqo-
ynnia,')iin (nt xbv ßliUoiJcirrjV xcniimnaidoitg ili xct'i ävf-
X(br löv vnujor 7tK7f< BiDvvkiV icviog xcniojuOrj xi'fitiog J>ii
ajocaiug xiü TKjoatXOtov lig "IXiov ov iSeyofi^yojy iiviov nur
'IXidov lüg X)jairiv ßi'av it {ucU'ti die Hss., von Meineke ver-
bessert) nttoatfdjti xcä öixccjicCoug ctlgti. xie.
231
0. Rossbacli, Sculptureii von Ilion.
232
I
Bezeichnung: — mindestens wäre der Artikel zu
erwarten — spricht für irgend eine andere Gott-
heit, etwa den C.I.G. oü'JU erwähnten Zeüt; Uolievg^
da sonst der so gut untcrriclitete Strabo die Be-
merkung nicht unterlassen haben würde, dass das
alte Heiligthum der Athena durch ein neues ersetzt
wurde. Aber wer sagt uns, dass ein Neubau
desselben gar so dringend nöthig war? Wir haben
ja gesehen, dass es sich, als altberühmter Tempel,
unter Alexander noch in dem Zustande befand,
dass es die sicher priiclitigen Weihgescbenke des-
selben aufnehmen konnte. Nach Lysimachos brach
eine traurige Zeit über ganz Kleinasien wie über
Ilion herein (vgl. das Orakel der Phaennis bei Pau-
sanias X 15,2f.). Um 215 v. Chr. wurde es nach
Polybios (V 111) von einem Gallicrschwarm belagert.
Derselbe Gewährsmann weiss allerdings, dass es
durch die Bewohner von Alexandreia Troas entsetzt
wurde, aber Hegesianax bei Strabo (S. 594) be-
richtet, dass die Gallier Ilion in Besitz genommen,
jedoch bald darauf wieder verlassen hätten, weil
sie den unbefestigten Platz nicht halten zu können
glaubten"). Das sind Unfälle, von denen wir
durch zufällige Ueberlieferung etwas wissen; wie
sehr aber die Stadt durch die fortwährenden Wirren
der Diadochenzeit herabgekommen war, das zeigt die
Nachriclit des Deuietrios von Skepsis, eines Augen-
zeugen, welchen Strabo hier namentlich citirt, ob-
gleich er seinen Tgcoixog öiänoofiOi; in dem ganzen
Abschnitt über die Troas hauptsächlich benutzt"^).
Demetrios war als Knabe zur Zeit des Krieges
zwischen Rom und Antiochos nach Ilion gekommen
und sah die Stadt in so verkommenem Zustande,
dass sie nicht einmal mehr Ziegel auf den Dächern
--) Dioysen Gesch. des Hellenismus II 348 Anm. 2 giebt
dieser Ueberlieferung mit Recht den Vorzug vor der des Poly-
bios, welche Böckh a. a. O. veithcidigt. Polybios benut«te wohl
eine Quelle, welche die Sache für die Hier und die Bewohner von
Alexandreia Troas möglichst günstig darstellte, vielleicht den aus
der letzteren Stadt selbst gebürtigen Hegesianax. Gerade die
besondere Hervorhebung der rühmlichen That der Alexandriner
(oiix eiyurj; 7t(>i(iig) scheint darauf hinzuweisen. Auch eine
Combination beider Nachrichten ist möglich, wenn man an-
nimmt, die Gallier hiitten die schlecht befestigte Stadt auf die
Nachricht vom Anrücken der Alexandriner verlassen
2'') S. Niese im Rhein. Mus. XXXII S. 86 Anm., Gaede
Deuietrii Scejjsii quae snpcrs. S. 13 f.
hatte. Es liegt nicht der geringste Grund vor,
diese Angabe zu bezweifeln, und eine derartige
Stadt verdient, selbst wenn sie noch Mauern hatte,
den Namen xci)/.innnkts, welchen ihr Strabo für
diese Zeit giebt-'). Der alte Tempel der Athena
wird aber in einem entsprechenden Zustande ge-
wesen sein und selbst wenn man die kaum glaub-
liche Möglichkeit festhält, dass das von Lysimachos
erbaute Heiligthum der Athena geweiht war, so
kann auch dies recht wohl in jenen Unglücksjahren
zerstört oder stark beschädigt worden sein. Weiter
fährt nun aber Strabo fort: varsgov d' inavÖQ&coaii'
saxE rroAAryv"). Dies vaT£()ov wird durch den Zu-
sammenhang auf die Zeit zwischen dem Gallier-
einfall, beziehungsweise dem Krieg mit Antiochos
und der Einnahme durch Fimbria beschränkt, also
auf die Jahre 215, beziehungsweise 190 bis 85. In
dieser Zeit herrschte aber gerade die reiche, pracht-
liebende Dynastie von Pergamon (241 — 133), welche
durch ihr Verhältniss zu Eom, das schon einmal
einem hellenistischen Herrscher die ihm stammver-
wandten Hier empfohlen hatte*''), darauf angewiesen
war für dieselben zu sorgen. Dass Attalos I. (241 —
197) die Bürger für ihre Treue auszeichnete, wissen
wir aus Polybios (VTS"'), ""d C.I.G. 3G1G zeigt
■-'*) ßoeckh a. a. O. hält die Bezeichnung xiouänolig für
unrichtig, weil bei Livius XXXVII 37 erzählt wird, das Heer des
L. Scipio habe unter den iVlauern von Ilion gelagert, aber ein-
mal besagt eine derartige Erwähnung derselben nicht genug, um
die Annahme zu verbieten, dass wir es nur mit einem gewöhn-
lichen terininus technicus zu thun haben; und dann ist es auch
keineswegs unmöglich, dass eine xojuönoln mit Mauern um-
geben ist, die ja stark beschädigt und nicht vertheidigungsfähig
sein können.
'^) Diese Worte machen den Eindruck , als wenn sie an
Stelle einer längeren Aufzählung des Demetrios ständen.
-^) Suet. Claud. 2.5: Iliensibus, quasi liomatiae f^enlis
auctoribus, (Claudius) tributa in perpeluum remisit recitata vetere
epistula Graeca senatus populiquc Romaui Seleuco regi amicitiam et
socieiatem ita demum pollicenti, si consanguineos suos Ilimses ab
omni onere immunes praesiiiisset.
■'') Dieser königliche Gnadenbeweis wird in's Jahr 21(5
gesetzt, also noch ein Jahr vor dem Galliereinfall. Doch kann
man hieran nicht Anstoss nehmen, wenn man erwägt, dass auch
Strabos Zeitbestimmung nur eine ungelähie ist, und dass jene
Gunstbezeugung {%i)ij/.itti(aas (fiÄui&ij'j'mios) schon nach dem
Wortlaut keine grössere Wolilthat, sondern nur ein Ehrendecret
oder etwas ähnliL-hL's war. Das Fragment eines solchen an die
Hier von einem hellenistischen Herrscher, in welchem Francke
(Richter'sche Inschriften S. 437) einen Attaliden vermuthct, und
233
0. Rossbeicli, Sculpturen von Ilion.
234
die Existenz einer (fvXfj IdixaVis in Ilion, eine
ausseroi-dentlicbe Elirenbezeugung, welche gewiss
ihren guten Grund hatte. Nun ist die Vorliebe
der pergamenischen Herrscher für den Cult der
Athena bekannt, und wenn Strabo gerade für diese
Zeit von einer "Wiederherstellung der Stadt spricht,
welche Vermutliung liegt da näher als die, dass
sie den Plan des grossen Alexander ausführten und
an Stelle des alten, jetzt sicher baufälligen oder
zerstörten Tempels einen neuen würdigeren errich-
teten oder wenigstens die Hier beim Bau that-
kräftig unterstützten?
Zu derselben Annahme nöthigen gewisse Beob-
achtungen an den Sculpturen. Ich lege weniger
Gewicht auf manches Stilistische, was uns schon oben
zur Heranziehung der pergamenischen Reliefs ver-
anlasste, ebenso wenig auf die bedeutende Aehn-
lichkeit der Athenametope mit der Athenagruppe
vom pergamenischen Altar, ein Vergleich, welcher
sich wohl jedem Beschauer bei dem Anblick jener
aufdrängt. Trotzdem auch dies nicht zu unter-
schätzende Beweismoniente sind, so wiegen sie für
sich allein betrachtet nicht schwer genug, denn die
Stileigeuthümlichkeiten berechtigen zu keiner ge-
naueren Datirung, und die Aehnlichkeit der einen
Scene lässt sich auch durch die so oft zu beob-
achtende Ueberlieferung des gleichen Schemas für
die gleiche Darstellung erklären. Wichtiger ist
schon, wenn wir in der Ausführung des Detail eine
überraschende Aehnlichkeit finden. So kehrt die
Innenverzierung des Rundschildes der Athena durch
Kreise und an dieselben sich anschliessende Kreis-
ausschnitte nicht nur auf den Reliefs der Giganto-
raachie''"), sondern auch auf einer Kampfscene des
'l'elephosfrieses wieder"). Völlig entschieden wird
worin ein früherer Brief und Wciligeschenko an die Athena Ilius
erwähnt werden, ist nocli erhalten {C.l.G. 3G05).
'i*) Athenagruppe (abgebildet im Jahrb. der liünigl. preuss.
Kunstsammlungen 1: Conze, Ilumann u. s. w., vorläufiger Be-
richt T. IV = Overbeck Geach. der griech. Plastik '11 Fig. 132 A)
und die mit 11, K, M bezeichneten Reliefs. Ueber die Verzie-
rungen der Schilde s. H. Brunn die kunstgeschichtliclie Stellung
der pergam. Gigantomacbie iui .Jahrb. der königl. jireuss. Kunst-
sammlungen V (1884) S. 23Gf.
•") Krwähnt in der Beschreibung der pergamen. Bildw.
herausg. von der Generalverwaltung der kgl. Museen, 0. Aufl.
S. 24.
die Sache durch zwei technische Momente. Ein-
mal liess sich durch genauen Vergleich an den
Bruchstellen constatiren, dass die Metopen aus
demselben ziemlich grobkörnigen, weissen und
nur ganz wenig ins Blaue spielenden Marmor an-
gefertigt sind wie der grosse und kleine Fries'").
Dann ist aber auch die Art der Vereinigung einer
Platte mit der anderen völlig übereinstimmend. Be-
kanntlich spielt in der Architektur der hellenistischen
Epoche im Gegensatz zu der klassischen Zeit der
Bleiverguss bei der Verbindung von Werkstücken
eine grosse Rolle. So finden wir in Perga-
mon (z. B. au der r. unteren Ecke des Zeusreliefs
der Gigantomacbie), um eine Platte an der Schmal-
seite mit dem unter ihr befindlichen Werkstück zu
vereinigen, das eigeuthümliche Verfahren, dass unten
an der Stossfläche von der Rückseite aus ein schrä-
ger Canal hineingearbeitet ist, welcher etwa in der
Mitte der Dicke der Platte endigt. Von den bei-
gedruckten Skizzen giebt die grössere eine Seiten-
ansicht dieses Canals (die glatt erhaltenen Theile
der Stossfläche sind weiss gelassen, die beschä-
digten schraffirt), die kleinere einen Durchschnitt
des Loches, in das er mündet. Durch den Canal
wurde offenbar das geschmolzene Blei um einen
Eisendübel herumgegossen. Einen gleichen Canal
finden wir aber auch an der Athenametope von Ilion
völlig an derselben Stelle wie an dem Zeusrelief.
Hierdurch ist, wie ich glaube, der genügende
Nachweis erbracht, dass die Sculpturen des Athena-
tempels und mithin er selbst ungefähr derselben Zeit
angehören wie die Reliefs des grossen Altars von
'■"') Seine Herkunft ist noch unbekannt; er wird wohl
in Kleinasien selbst gebrochen sein. Das Material der Helios-
metope wurde bei ihrer Auffindung für parischen Marmor er-
klärt, doch ist dieser feinkörniger. Eine zweite gleichfalls in
Ilion (s. zwei Basen im Schliemann- Museum Inv. 5589, 5590)
imd l'ergamon vorkommende, stärker ins Blaue spielende und
deshalb für bessere Sculpturen nicht verwendete Marmorart wurde
ollenbar schon im Alterthum von der anderen kostbareren unter-
schieden, da es C. I. G. 3595,55 heisst: tl/.uva XQvatjV Qiv-
Tio^ov) ((p i'nnov (v toi iiQoi riji 'A!tt]räs If Tw (nitfavtaiuiiit
Tonoi ini ßi'ifJUTOi roO liuxov ).(llov und 3598,19: ttVetyQci-
!/'[«( j6(h lü ifi)i(fiOfiu lii atrilui äüo] luv ).tvxov XiSov. Auch
in der von Schliemann Troja S. 235 veroftentlichten , auf einer
'weissen Mannorplatte' eingegrabenen Inschrift ist mit Sicher-
heit: yjji'iltfia^ua (Ig nT>]/.iiv xov [i.tvxoü XtOuv th] TO it»öc
liyi- ^AShit'üq zu ergänzen.
235
0. Rossbacli, Sculptnrpii von Tlion.
236
l'ergamon, und wolil auch von Küustlern derselben
Schule, vielleicht sogar auf Befehl desselben Herr-
schers, Eunienes II. (197 — 159), angefertigt sind ^').
Der spätere Brand des Tempels bei der Eroberung
Ilions durch Fimbria hat nach Schlieniann's Beob-
achtungen (Troja S. 226 f.) mehr das Innere und
die obersten Bauglieder wie die Sima betroffen'^),
so dass auch der schon an und für sich kaum
glaubliclien Annahme, der Tempel mit seinen
Sculpturen sei nach der Fimbrianischen Zerstörung
errichtet worden, jeglicher Halt entzogen wird.
Als weitere Reste der Metopen führt Schlie-
mann") einen Athena- und einen Pferdekopf auf,
•^') Da auf diese Weise die Sculpturen nahe an die rö-
mische Zeit herungeiüclft sind, so findet die angeführte Be-
merkung Adlers ihre Erledigung. Auch ein Barbarenkampf,
wie «ir ihn in der einen Metope sahen, hat gerade bei einem
Tempel, welcher in der Zeit der Gallierkämpfe mit Unter-
stützung eines pergamenischen Fürsten errichtet wurde, seine
besondere Berechtigung.
^-') Man sieht hieraus, wie sehr Appian übertreibt, wenn
er Mithrid. 53 sagt: xed oix6nf<Sov oi'Jh' — ovd' hoov oiiJ'
<cytc).un ^v. Dagegen spricht Strabo nur von einer Scliiidigung
der Stadt, ein neuer Beweis für seine Zuverlässigkeit.
'ä) Troja S. 240 f.
welche sich wahrscheinlich in seiner Sammlung in
Athen betinden. Ausserdem besitzt das Berliner Schlie-
mann-Muscum das abgeschlagene Vordertheil eines
männlichen, jugendlichen Kopfes (auf unserer Tafel als
Nro.4 in grösserem Massstabe wie die übrigen Stücke
abgebildet"), welcher zwar stark beschädigt ist, aber
nach Stil, Material und Grössenverhältnissen sicher
zu den Metopen gehört. Der Mund ist so weit ge-
öffnet und die Oberlippe so sehr in die Höhe gezo-
gen, dass man versucht sein kann an einen Ster-
benden aus einer Kampfscene zu denken. Endlich
sind unter den auf den Tafeln : 119, 120, 136, 137,
155, 158, 167, 189 der 'trojanischen Alterthümer' ab-
gebildeten Marinorfragmenten einige, die als Reste
ilischer Sculpturen einer genaueren Untersuchung
wohl werth wären, wenngleich keines zu den
Metopen zu gehören scheint.
Otto Rossbach.
^*) Trojanische Alterth. T. 34 nr. 852 wird eine ungenü-
gende Abbildung gegeben.
237
238
BEITRÄGE ZU DEN
GRIECHISCHEN VASEN MIT MEISTERSIGNATUREN.
(Tafel 15.
Der Besuch niebveier öfifentlicher und privater
Vascnsaiumlungeu'), sowie die Durchsicht des
Apparates im archäologischen Institut zu Eom
setzen mich in Stand, zu der ungemein nütz-
lichen Zusammenstellung „griechischer Vasen mit
Meistersignatuven" von Klein (Separatabdruck aus
Band XXXIII der Denkschriften der Wiener Aka-
demie) eiue Reihe von mehr oder minder wich-
tigen Verbesserungen und Ergänzungen zu geben. Ich
benutze zugleich die Gelegenheit einige der hierher
gehörigen Vasen zu veröffentlichen. Blosse Be-
richtigungen zu Kleiu's Angaben sind in kleiner
Schrift gegeben, die Namen der hier zuerst nach-
gewiesenen Künstler mit einem Stern bezeichnet.
Amasis (Klein a. a. 0. S. 20).
3. Beschrieben von F. v. Duhu im Bull. d.
Jiisi. 1878 S. 206; Fundort Orvieto; Höhe c. 26 cm.
Die Vase befindet sich jetzt in der Sammlung
Bourguignon zu Neapel. Eine eingehende Be-
schreibung ist angesichts unserer Tafel 15 nicht
nöthig. Auf A handelt es sich schwerlich, wie Duhn
meint, um Flucht und Verfolgung, sondern es
sind in wenig prägnanter Situation zwei ruhig nach
links gehende Krieger dargestellt, von denen der
ersterc sich umwendet. Zwischen ilmen steht
AMA^I^MErOIE^EN
— Duhn übevsali das ft — ; das Gleiche ist nach
Analogie von No. 1. 4. 5 auch auf B zu ergänzen.
— In Feinheit und Fleiss der Zeichnung, sowie
in Art der Darstellung berührt sich die Vase eng
mit No. 1.
Timagoras (Klein S. 23).
2. Zeichnung im Apimiat des archüol. Instituts zu Koni.
Nikosthenes (Klein S. 24).
Es kommen neu hinzu
71. Kleine sfg. Amphora mit gewöhnlichen Henkeln
') Es sind besonders folgende: Museo Gregoriano zu Rom,
Musco Tarquiniese und Saninilung der Gräfin Bruschi zu Corneto,
Museo Ktrusco zu Florenz, Vasensammlung der arcliäolog. Ge-
scllschuft zu Athen, Museo nazionale und Sanmilung IJourguignon
zu Neapel, Vascnsammlung König Ludwigs I. zu München.
16. 17.)
in Corneto, Museo Tarquiniese. Dicht unter dem
Hals
A. rechts und links von einem Dreifuss ein
Faustkämpfer. Die Insclirifc
NIKO^OENE^EPOIE^EN
ist neben der Darstellung im Bogen geschrieben.
B. Die gleiche Darstellung ohne Inschrift. Vgl.
das Bild am Hals von No. 30 und 33.
72. Efg. Kautharos in Corneto, Sammlung Bruschi.
A. Oberer Streifen: Dionysos mit rechts ge-
wandtem Kopf nach links gelagert, hält in den
Händen Weinreben und Trinkhorn. Unterer Strei-
fen: Herakles kämpft mit dem Löwen; rechts davon
kleine Figur mit Pileus, wohl lolaos.
B konnte ich leider nicht sehen, doch steht
die Publikation in den Institutsschrifteu bevor. —
Gewöhnliche Meister-Inschrift am Fusse des Ge-
fässes. Klein S. 24 und 32 (zu Nr. 68. 69) bezwei-
felt, dass Nikosthenes bei rothfigurigen Vasen mit
seinem Namen der Maler sei. Jedenfalls würde er
sich auf dem Kautharos von einer ganz neuen, vor-
theilhafteren Seite zeigen.
Tleson (Klein S. 33).
14. Zeichnung in Ajjparat des Instituts zu Rom.
Uebersehen ist
34. Schale, nur mit Inschrift, im Museo Gre-
goriano (No. 201).
Hermogeues (Klein S. 37).
15. In der Th:it dieselbe Darstellung wie auf P-' und i'S,
was Klein vermulhete.
Charinos (Klein S. 40).
1. Das unter dieser No. beschriebene Gefass befindet sich
nicht in Berlin, sondern im Museo Tarquiniese zu Corneto.
Zu den beiden Nummern bei Klein kommen hinzu
3. 4. Trinkgefässe von gleicher Art wie 1, in
Berlin und (wie Furtwängler im Berliner Vasen-
katalog mittlieilt) in Petersburg, fast identisch mit
einander und zu Vulci in demselben Grabe ge-
funden. Die Haube des Kopfes ist netzartig bemalt;
unter der Mündung ein Palmettenstreif. Auf dem
239
P. J. Meior, Zu floii Vasen mit Meistersignaturen.
240
Henkel ist eingeritzt
+ APINO^ EPOIE^EN.
Vgl. llelbig Bull. (l. Inst. 1883 p. IGöf.
* Chiron (vgl Klein S. 8G).
Kleine Schale im Museo Gregoriano (No. 229).
Sic ist nacli Art der Schalen des Tleson 1 — 11 nur
mit Palnietten au den Henkeln verziert. Auf jeder
Seite +IPON ETOIE^EN- Das + ist beide Mal
etwas undeutlich geschrieben und gleicht einem
^, doch steht die Lesung fest. Vermuthlich ist
auch auf dem Fragment zu Athen bei Benndorf
Vasenb. XII f) der erste Buchstabe nicht ein E,
sondern ein +.
*Sikelos.
Panatiienäische Preisamphora im Museo nazionale
zu Neapel (No. 112, 848) aus Tarent, wohl dem
5. Jahrhundert angehörig.
A. Athena zwischen Säulen, auf denen je ein
Halm sitzt. Links twv 'Ad^rjvi^d^ev a&)Mv^ rechts
eingeritzt in den schwarzen Firniss
^\KElO^ EPPAcD^EN.
Pamphaios (Klein S. 41).
5. Im Innern ist ebenso wie bei 3 nml 4 ein biirtiges
Gorgoneion dargestellt.
8. Gehört zu KIa>se II, da nur die Aussenbilder rotb, das
Innenbild dagegen schwarz ist. Am Fusse steht PAA'fflAlOS
MEPOIESEN — Klein be.icbtet das fj nicht — ; doch ist der
Zweifel über die Zugehörigkeit des Fnsses, der Museo Gregoriano
p. 13 zu Tafel 64,4 geäussert ist, wohl begründet.
12. Klein giebt die Inschriften nicht genau wieder:
I. HO PAIS KAUOS.
A. Rechts von Herakles AKUES.
Heibig erkannte {Eatl. d. inst. 1877 p 114) rechts von der
Flügelfigur auf K_vkno^' Seite OS, was er zu xnlug ergänzte; doch
steht deutlich <t>OBOS da, der Name des Wagenlenkers, und
hierdurch wird Heydenianns auf Grund der Berliner Kanne bei
Gerhard A. V. Tat". V22i. aufgestellte Vermuthung, die Figur sei
'I'ößoi zu nennen, bestätigt
25. Der Zeichnung im Ajjparat des Instituts zufolge steht
auch HEUE NE auf der Amphora. Die Meisterinscbrift lautet
4>AI<t>AIOS EPOIESEN; der Zeichner hat ein „sie!" dazn-
geschrieben.
Neu kommt hinzu
28. Sfg. Schale älterer Form aus Orvieto, in
der Sammlung Bourguignon zu Neapel. Die Zeich-
nung ist mit schwarzem, an den Rändern heller
werdendem Firniss und rothbrauner Farbe (in
unserer Publikation, Taf. 1(3,1, schraffirt) etwas flüch-
Archiiolü!?. Ztjr. .hihr^fang XLII.
tig auf weissem Pfeifenthou ausgeführt. Der Contur
ist nirgends gravirt. Der ganze Fuss ist neu. Durch-
messer 20'/, cm.
1. Ein bärtiger Reiter mit Petasos, Chlamys und
zwei Speeren sprengt nach rechts; unter ihm läuft ein
Hund. Die heller gezeichneten Theile sind von
einem Vasenrestaurator in S. Maria di Capua sehr
geschickt mit Bleistift auf der Schale ergänzt. Ueber
dem Reiter nach Aussen gerichtet die Inschrift
rANtDA'O^ EPOIE^N (sie!).
A. B. Jederseits zwei Panther, einander gegen-
überstehend, die Köpfe dem Bescliauer zugewendet.
Neben den Henkeln sind Palmetten gezeichnet. —
Die Schale steht, was Technik und Darstellung
betrifft, unter den'Gefässen des Meisters einzig da.
Schalen mit dem Schlagwort snoieaev
(Klein S. 50).
7. Auf A EPO ElpSEA/.
Hinzu kommen
10. Museo nazionale in Neapel; vgl. Heydemauns
Katalog 2614. Ein Künstlername hat dort nicht
gestanden.
11. Kleine Schale aus Orvieto im ältesten rfg.
Stil, olme Aussenbilder, Juli 1884 im Kunsthaudel
gesehen. — Ein Mann sitzt nach rechts auf dem Bo-
den, fasst mit der Linken an die Scham einer rechts
von ihm stehenden nackten Frau, welche das linke
Beiu hoch aufhebt, und hält eine Lampe in der
Rechten. Links am Rand steht f^l ^EN; sonst
kann nichts dort gestanden liaben.
Epilykos (Klein S.51 und 87).
1. Zeichnung im Apparat des Instituts. Der bärtige Hermes,
in der Linken (sie!) eine Blume haltend, steht ruhig nach rechts.
Das S des Meisternamens fehlt. Im Katalog Canipaua IV GG9.
3. Fragmente eines kleinen becherartigen Ge-
fässes aus Vulci, jetzt im Berliner Museum, auf
Tafel 17,1 in natürliclier Grösse publicirt. Es
Hess sich ermitteln, dass das Gefäss in der Höhe
der Basislinie, auf welcher die Zeichnuug steht,
einen Durchmesser von 10,8 cm. hatte. Von der
einen Seite sind auf vier zusammengehörigen Frag-
menten vier Figuren, von einer fünften links ein
Fuss, von einer sechsten rechts der Zipfel eines
Gewandes erlialten. Links stehen zwei Männer
einander gegenüber; der Eine trägt in der Linken
18
241
P. J. Meier, Zu den Vasen mit Meistersignaturen.
242
au einem Bande einen zerstörten Gegenstand (ein
Salbfläsehchen"?), in der Rechten zwei Speere, die
vermuthlicli auf der Schulter auflagen; der Andere,
über dessen Schulter ein mit Pünktchen verziertes
Gewand geworfen ist, streckt gegen den Gefährten
die lechte Hand aus und hält in der liukeu einen
Krückstock. — In lebhafter Unterhaltung begriffen
ist aucli das zweite Paar. Einem ruhig dastehenden,
nackten Jüngling sitzt auf einem Stuhl ein anderer
gegenüber, der um den Unterkörper ein Gewand
geschlungen hat. Ein Jeder streckt die eine Hand
aus und trägt in der andern eine grosse Blume.
Das Haar der drei erhalteneu Köpfe ist mit einem
Epheukranz umwunden, die Wange mit spärlichem
Bart versehen. — Zwischen dem ersten Paar ist der
Rest des eyQaqa ENj über dem zuletzt beschriebenen
Jüngling EP t l,\/ xog erhalten, dem vermutblich
nach Analogie von No. 1 bei Klein ein >ca?.6g resp.
xalöjg hinzugefügt war. Ob die Sclialen mit 'Eni-
Xvxog xaXog ohne Verbum, also No. 2 und die S. 87
nachträglich verzeichneten dem Meister dieses
Namens angehören oder nur eine Lieblingsiuscbrift
tragen, ist nicht auszumachen; angesichts der Vase 5
des Euthymides (vgl. unsere Bemerkungen unten
S. 252) und No. 12 des Kachrylion ist auch
Ersteres möglich; jedenfalls bat aber auf No. 1
und der neuen Vase der Meister sich genannt.
— Sonst sind nur noch zwei aneinander passende
Fragmeute mit den Resteu zweier nach links ge-
wandter Figuren erhalten. Die eine ist in den
Mantel gehüllt und hält in der Linken vermuthlich
die Hand eines Gefährten. Hir folgt ein Jüngling,
der ein Plektron und eine Schildkrötenleier hält.
Das eine Bein ist weit vorgesetzt, der Oberkörper
rückwärts gelegt, eine Bewegung, die bei ähnlich
ausgerüsteten Theilnehmern eines xajfing häufig
wiederkehrt. Rechts von ihm schliesst eine Palmette
die Darstellung ab. Da sich zwischen diesen
Personen die Reste eines zweiten eyga (|)^EN be-
finden, auch, wie es scheint, hier ein xcüfiog dar-
gestellt war, so werden wir dieses Stück als Gegen-
seite des anderen zu Ijctrachten haben. — Die Zeich-
nung ist noch etwas unbehülHich, aber sehr sauber;
Details am Körper sind fast gar nicht augegeben;
die Gesichter mit ihren etwas unförmlichen Nasen
machen eiuen burlesken Eindruck ■)•
Jlemnonvasen (Klein S. 52).
Neu:
18. Rothfigurige Schale zu Florenz.
I. Reiter uach links. MEMNON KAUO^-
A. Quadriga nach links. MEMNON KAUO^-
B. Zwischen zwei Kriegern, die gegen einander
losstürmen wollen, befindet sich ein Mann, in Mantel
gehüllt und mit Lanze versehen, in heftiger Auf-
regung. MEMNON KAUO^ AMOiDO+O-
Euphronios (Klein S. 59).
Derselbe charakteristische Gesichtstypus, wie
ihn die Figuren des lunenbildes auf der Theseus-
schale des Meisters und mehrere Panaitiosschalen
(vgl. unten) haben, findet sich, worauf mich der
Direktor Milani aufmerksam machte, auf einer rfg.
Am])hora zu Florenz, welche Heydemann Mittheilnn-
gen aus den Antikensammluugen S. 92 No. 37 be-
schrieben hat. Ich stehe nicht an, das vortrefflich
gezeichnete Gefäss als Werk des Euphronios zu be-
zeichnen, von dem ja nach Kleins Vermuthung S. 59
auch eine bezeichnete Amphora existirt, und bemerke
ferner, dass ähnliche Gefässe (Fig. 63 und 68 in
Heydemanns Neapler Vasensammlung) existiren, die,
noch strengen Stils, aber meist flüchtiger Ausführung,
lebhaft an Darstellungen des Duris oder Hieron
erinnern, so dass sie wenigstens als Schulgut dieser
Meister angesehen werden müssen. Dahin rechne
ich a) Museo Gregor. LVIII 1 («. Diskobol ß. Mann
mit Mantel und Krückstock); b) ibid. No. 92 (nicht
publicirt, Fig. 68 bei Heydemann: a. Jüngling mit
Mantel und siebensaitiger Leier einer auf den Stock
sich stützenden Mantelfigur gegenüber; dazwischen
^ Xur in äusseilicher Verbindung mit dem beschriebenen
Gefäss stehen zwei Fragmente, die wir ebenfalls (auf Tafel 17,2)
veröffentlichen. Sie gehören einer gleichartigen Vase an, sind
mit den Epilykos-Fragmenten im gleichen Grabe gefunden und
belinden sich auch im Berliner Museum, Doch sind die Scher-
ben viel dünner, und die Darstellung zeigt eine Hand, welche
bedeutend feiner zeichnen konnte. Beide Stücke bildeten den
Abschluss je einer Seite, der durch Kanken und Palmetten ge-
geben ist. Von dem einen Bilde, das palästriscben Inhalts war,
ist ein bekränzter Jüngling erhalten, der mit beiden Händen
einen Diskus nach links vorstreckt, von dem andern ein prächtig
gezeichneter, ebenfalls bekränzter und nach links profilirter
.Satyr, der vor irgend etwas verwundert zurückfährt.
243
P. J Slcicr. Zu den \';iseii mit Meistersigiiatureii.
244
Scliwamni und IStriegel, (i. ganz fliiclitige Mantcl-
ligur nacli recliti?); c) eine Vase in Corntto («. links:
Mantülfiguf auf Krückstock, rechts: sitzender Epiiebe,
ß. links: sitzender Mann; rechts: stellender auf
Stock gestützt und ein Band haltend).
ünzweifeiliaft geliört dem Euphronios die kleine
Schale 515 in München an, die demnächst in
dieser Zeitung' veröffentlicht werden soll. Die
Gesichtszüge namentlich der Figur des Inuenbildes
und die Art, wie bei dieser mit grösster Liebe und
Sorgfalt der Rücken mit allen seinen Muskeln ge-
zeichnet ist, lassen über die Zuweisung keinen
Zweifel. — Das Signia der Inschrift innen ist beide
Mal nur drei-, nicht vierstrichig, wie Jahn angiebt.
Vasen mit dem Lieblingsnanien l'anaitios
(Klein S. 62).
Neu kommt hinzu:
8. Rfg. Schale aus Orvieto, in der Sammlung
Bourguignou zu Neapel. Durchmesser 22^1.,, Höhe
10 cm. Abgebildet auf Tafel 16,2. Der Henkel
links war bereits im Alterthum abgebrochen und
mit Metallklammeru befestigt. Die Zeichnung ist
sehr sorgfältig; die feineren Muskeln sind mit ganz
hellem, nicht immer deutlichem Firniss, die Kränze
u. s. w. mit Rothbrauu angegeben.
I. Ein völlig nackter Jüngling steht nach rechts
in gebückter Stellung, den linken Arm erhoben, und
ist im Begriff einen Diskus nach hinten zu führen,
um ihn dann vorwärts zu schleudern; hinter ihm,
seine Figur sehneidend, leimen zwei Stangen, links
hängt Palästritengeräth , Schwamm , Lekythos und
Striegel. Am Rand entlang liest man PÄNAITIO^
KAUO^.
Auf den Aussenseiten sind je zwei Palästriten
in Gegenwart eines Aufsehers dargestellt.
A. Ein Jüngling, dessen Kopf zerstört ist, geht
nach rechts, in jeder Hand einen Halter vorstreckend.
Rechts von ihm steckt im Boden eine Spitzhacke,
links hängen zwei Ilalteren. In der Mitte des
Bildes sehen wir einen zweiten Jüngling in ähn-
licher Stellung wie sein Genosse im lunenbild. Doch
streckt jener den linken Arm nur vor und zeigt
den Diskus in der Seitenansicht. Jlit diesem
Palästriten beschäftigt sich der Aufseher, der von
rechts herbeieilt und mit der Rechten einen langen
Stab weit vorstreckt; er ist in einen Mantel gehüllt,
welcher nur die rechte Schulter und Drust frei
lässt. — Zusammenhängender noch ist die Dar-
stellung von
B. Hier sieht der mit der entsprechenden Figur
des Gegenbildes fast genau übereinstimmende Auf-
seher einem Jüngling zu, der in kühnem Sprunge
durch die Luft saust. Die Beine und die Arme mit den
Halteren sind vorgestreckt, dadurch der Rücken stark
gewölbt, die ganze Figur in ihrer momentanen Be-
wegung vortrefflich der Natur abgelauscht und durch-
geführt. Sie gewährt zugleich eine klare Vorstellung
vom Gebrauch der Halteren beim Springen. Sie
erhöhen die Bewegung, indem sie vorgeschleudert
werden, müssen aber, sobald das Ziel erreicht
ist, kräftig nach hinten geworfen werden, damit
der Körper des Springers, der sonst in der
begonnenen Bewegung beharren würde, fest auf
dem Flecke stehen bleibt. — Der Sprung ist so
wohlgelungen, dass der Palästrit links, der gleich-
falls mit Halteren versehen ist, mit Recht darüber
erstaunt ist. Er geht nach links, vermuthlieh um
gleichfalls Anlauf zum Sprunge zu nehmen, wendet
aber den Kopf und die ausgestreckte Linke zurück. —
Alle Figuren tragen einen Myrthenkranz im Haar
und haben auf der Backe einen schwach sprossenden
Bart. Die Palästriten sind im Gegensatz zu den
Aufsehern völlig nackt.
Ich trage kein Bedenken, die Schale dem
Euphronios zuzusprechen. Den Lieblingsnanien
Panaitios theilt er freilich mit Duris, uicht aber
jene Eigenthümlichkeiten der Zeichnung, die nur
ihm angehören, ich meine ausser der sorgfältigen
Rückeuansicht des Diskobols vor Allem die öfter
erwähnten merkwürdigen Umrisse des Gesichtes
mit der sehr prononcirten Nase und den lebendigen
Ausdruck desselben. Die Starrheit, welche die Ge-
sichtszüge auf den älteren Schalen tragen, ist völlig
überwunden ; andererseits aber der Schematisnms
auf denen der Durisliguren noch nicht erreicht,
die schöner, aber weniger ursprünglich und frisch
sind.
18*
245
P. J. Meier, Zu den Vasen mit Meistersisrnatiiren.
246
Duris (Kleiu S. 64).
ö. 6. 12 un.l 19 publicirt Arch. Zeitg. 1883 Taf. 1 — 3;
vgl. ebd. S. 1 ff.
Ausser der Schale mit dem Liebliuu-suamen
Diogenes bei Gerhard A. V. IV 271, die ich Arch.
Zeitg. 1883 S. 12 als Werk des Duris bezeichnete,
siiid ihm mehrere Schalen zuzusprechen, die nicht
allein im Stil aufFalleud mit Vasen besonders
der entwickelteren Periode des Meisters iibereiu-
stimmeu, sondern auch in dem Gegenstande der
Darstellung.
Kepliken von No. 7 bei Kleiu sind folgende
Schalen :
a) in Florenz, beschrieben bei Heydemann Mit-
theil. S. 85 Xo. 9.
b) in München 596; vgl. Jahns Beschreibung.
c) in der Sammlung Bourguignon zu Neapel,
„vermuthlich aus Nola." Durehmesser 30, Höhe
12 cm. Sorgfältige Zeichnung.
I. Auf einer Kline mit rechter Seitenlehne, vor
der ein Tisch steht, liegt nach links ein Mann; er
hält in der Rechten einen Skyphos, in der Linken
die Schale zum Kottabosspiel bereit. Links von ihm
bläst ein Jüngling die Doppelfiüte, deren Futteral
gleichfalls dargestellt ist. Beide sind bekränzt und
am Unterkörper bekleidet. HAUAI^ und zweimal
KAUO^.
A. Rechts liegt auf ähnlicher Kline, vor der ein
Tisch steht, ein bärtiger Mann, das Gesicht dem
Beschauer zugewendet, im Haar ein grosses Band
mit zwei Knoten ; er hält in der Rechten eine Schale
am Henkel zum Kottabosspiel, in der Linken eine
gleiche, aber scliwarz gemalte. Sein Unterkörper ist,
wie bei allen gelagerten Figuren, bekleidet. Links
liegen auf langer Kline (vor ihr wiederum ein Tisch),
von der die linke Schmalseife halb in Vorderansicht
dargestellt ist, zwei Jünglinge. Der zur Rechten
wendet sich mit seiner Schale dem oben beschrie-
benen Manne zu; der zur Linken bläst die Doppel-
flöte und lässt seine Beine auf der sclimalen Seite
der Kline herabhängen. Beide sind bekränzt, der
zur Rechten auch mit Tänie versehen. Oben hän-
gen zwei Körbe, hinter der Kline des Mannes lehnt
eiii Krückstock.
HAUOI^ KAUO^.
B. Zwei Figuren liegen gleichfalls nach links
auf zwei Klinen (jede mit Tisch, unter der einen
ein Skyphos); die eine rechts ist jugendlich, und
fasst mit der Rechten den Fuss einer Sehale, während
die Linke einen schwarzen Skyphos hält. Die
andere wendet das bärtige Gesicht rückwärts und
hält in jeder Hand eine Schale, deren eine wiederum
schwarz ist. Beide sind bekränzt und tragen ein
Band im Haar. Hir geöffneter Mund zeigt an, dass
sie in lebhafter Unterhaltung begriffen sind. In der
Höhe wieder zwei Körbe. Zwischen beiden Klinen
geht nach rechts mit zurückgewandtem Kopf ein
nackter Knabe, im braunen Haare ein röthliches
Band. Der linke Arm ist ausgestreckt, die gesenkte
Rechte trägt eine Kanne. Ein zweiter Knabe steht
links am Ende der Darstellung in Vorderansicht,
den Kopf nach links, den linken Fuss nach rechts
gewendet. In den gesenkten Händen hält er Kanne
und Schöpfkelle. HOTAl KAUO^. Unter dem
Henkel links von B. HAUOI- —
An No. 17 bei Klein erinnert auffallend eine
Schale des .Museo Tarquiniese zu Corueto: Durch-
messer 27'/., cm.
I. Ein Krieger, nach links gewendet, doch so,
dass das linke Bein von vorn dargestellt ist, streckt
die rechte Hand vor; er trägt Helm, Mantel, der den
Rücken bedeckt, und runden Schild, auf welchem als
Zeichen ein schwarzer Vogel mit Band im Schnabel
nach links angebracht ist. Das Gesicht des Kriegers
ist sehr fein ausgeführt, der Augapfel nach vorn ge-
rückt, die Innenzeichnung reichlich; selbst die
Schamhaare sind angegeben. Der Stil entspricht
am meisten der Berliner Zweikanipfschale Arch.
Zeitg. 1883 Taf. 3. Der untere Theil der Beine
des Kriegers ist fast mit der ganzen Aussenseite B
abgebrochen. Liuks vom Krieger ist in groben,
dicken Zügen ^OJAM geschrieben. Das Bild ist
mit einem Mäander eingefasst.
A. Fünf Figuren sind im Gespräch mit einander
begriffen. Die Beschreibung beginnt links: Ein Manu
mit Himation und langem Stock ist einer stehenden
gleichfalls bärtigen Mantelfigur, welche die Rechte
ausstreckt, zugewendet. Zwischeu ihnen ist, zur
Hälfte sichtbar, ein Schild aufgehängt. Ein Jünglinge
247
P. J. Meier, Zu den Vasen mit Meistersignaturen.
248
iu das Hiiuatiou gehüllt und mit gekriiiiinitem Stock
veisciieu, sitzt einer stellenden, bärtigen Manteitigur
gegeuüber, welclie ihre Rechte auf den Stock stützt.
Zwischen ihnen hängt wiederum ein Schild. Zum
Schluss folgt eine stehende Mantelfigur (Vorderan-
sicht), deren rechter Fuss nach links gerichtet ist;
der Kopf fehlt. Zwischen ihr und der vorher-
gehenden ist eine Sturmhaube angebracht.
15. Erhalten ist nur links das Ende eines Stockes
und rechts der Untertheil einer Mantelfigur.
Unter dem Henkel flanken. Unter dem Fuss
eingeritzt Vü/
Abgesehen von einigen Amphoren, die unter
Euphronios erwähnt sind, stehen unter dem unmittel-
baren Einfluss des Duris folgende beiden Gefässe:
a) Schale des Miiseo Gregor. LXXIII 2 (No. 181).
An Duris und zwar an seine Schale mit Schul-
sceue (Klein 9) eriuueru besonders die verschiede-
neu Gerüthe, die zwischen den Figuren in der Höhe
angebracht sind. Doch ist die Zeichnung nicht
sehr sorgfältig. Jenes gilt auch von der Schale •
b) im Museo nazionale zu Neapel, bei Heyde-
mann 2645 beschrieben.
Hieron (Klein S. 68).
Zu deu von Klein aufgeführten 21 Gefässen
kommen:
22. Fragmente einer Schale aus Orvieto, jetzt in
der Sammlung Bourguignon zu Neapel ; abgebildet
Tafel 17,3.
Vom Innenbilde sind erhalten die FUsse einer
nach rechts gewendeten Figur im Mantel (a), der
ohne Zweifel eine zweite gegenübergestellt war.
Aussen waren Männer und Jünglinge im Ge-
spräch mit einander dargestellt. Auf dem grössten
Bruchstück (A), welches links eine Seite abschloss,
sind zwei Männer im Mautel erhalten, die sich auf
ihren Krückstock auflegen; auf einem kleineren (A'),
an welchem rechts der Henkel sitzt, sehen wir einen
vielleicht sitzenden Jüngling mit Mantel und Krück-
stock, der iu der erhobenen Rechten gewiss eine
Blume hielt. Sonst sind ein bärtiger Kopf nach links
(A') und Beine einer Mantelfigur nach rechts (A') er-
halten. Auf dem Henkel ist in den schwarzen
Firuiss eingeritzt HIEPON EPOIE^EN- Die Ober-
fläche der Fragmente hat durch Wasser stark ge-
litten. Die Zeichnung ist völlig frei und unge-
zwungen.
23. Bisher selbst von den Museumsbeamten
gänzlich übersehene Schale im Museo Etrusco zu
Florenz. Sie stammt aus der Sauunlung Campana
und ist aus vielen Scherben zusammengesetzt. Der
eine Henkel ist sicher nicht zugehörig, auf dem an-
deren, dessen Bruch leider nicht unmittelbar an eine
Scherbe anschliesst, steht mit braunem Firniss auf
deu Thon aufgetragen HIEPON EPOIE^EN- Dass
derselbe zur Schale gehört, schien Milani und mir
auch der Stil der sorgfältigen Zeichnung zu beweiseu.
Eine Publikation steht bfvor.
I. Eine geflügelte Frau, von der nur der obere
Vordertheil des rückwärts gewendeten Kopfes mit
Haube, der Theil eines Flügels, der rechte Fuss und
ein kleiner Theil des unteren bauschigen Gewandes
erhalten ist, eilt nach rechts.
A. Zwei Krieger knieeu zu beiden Seiten eines
niedrigen Postamentes, auf welchem links 5, rechts
3 Steine liegen, zu denen jene je einen weiteren
zu legen im Begriff stehen. Von dem Krieger reciits
ist nur ein Theil der Hand und des linken Beines,
sowie der hinter ihm befindliche Helm erhalten.
Jenseits desPostamentes steht Atlieua( Vorderansicht),
den Kopf nach links gewendet, die Rechte auf eine
Lanze gestützt, in der Linken einen Schild mit
Gorgoneion haltend. Rechts davon kämpft ein
Krieger vermuthlich mit dem Schwert — wenigstens
fehlt es in der Scheide — gegen einen am Boden be-
findlichen Gegner, der bis auf den Obertheil seines
Helmes abgebrochen ist. Links dagegen verlässt die
Scene ein Krieger, der iu die Trompete bläst und
bei dieser Thätigkeit, wie wir es auch sonst häufig
sehen, die Linke in die Seite stemmt.
B. Sechs Krieger, denen die zuletzt beschriebene
Figur von A zu folgen scheint, eilen nach links;
zuerst ein Paar Lanzenschwinger (am Schilde des
vorderen ein Schurz, und als Zeichen ein schwarzer
Kentaur mit Baumstamm nach links), dann ein ähn-
licher Krieger mit Chlamys und oben gewelltem
Chiton (Schiklzcichen: scliwarzer Mann mit Keule
nach links eilend), ein vierter, jedoch den Kopf,
249
P. J. Meier. Zu den Vasen mit Meistersignaturen.
250
über den der Helm mit dem doppelten Bügel gezogen
ist, von vorn dargestellt, (Schildzeicbeu: schwarzer
Pegasus nach links), ein fünfter, die Lanze zum Stoss
bereit haltend (Schildzeiehen: schwarzer Kentaur mit
Stein nach links), zuletzt ein Krieger in skythischer
Tracht mit Lanze.
Mit Eecht schreibt Klein (S. G9) dem Hieron die
Schale des Museo Gregoriano LXXX, 3 (No. 191) zu,
um so mehr, als einige Figuren stilisirte Blumen
halten von einer Form, wie sie nur Hieron malt.
Jetzt sind sie fast ganz verblasst und deslialb bei
der Publikation übersehen.
Ebenso sicher gehört ihm eine unbezeichnete
Schale an'), die ich im Juli 18S4 zu S.Maria di
Capua im Kunsthandel (bei dem Advokaten Calli-
fano) sah:
L Jüngling im Mantel, auf einen Stock gelehnt,
mit stilisirter Blume.
A. Eine Figur nach links mit rückwärts gestelltem
Kopf; zu beiden Seiten je eine Figur auf Stock,
die zur Rechten mit Blume.
B. Jüngling nach rechts; links davon bärtiger
Mann mit Beutel, rechts Jüngling mit Blume. Beide
stützen sich auf den Stock. — Sämmtliche Figuren
von A und B sind in den Mantel gehüllt.
Brygos (Klein S. 73).
4. Herr Dr. Purgold hat im Juli 1883 die Aussenseiten
der Schale revidirt und mir in liebenswürdiger Weise seine
Notizen zu beliebiger Verwendung gegeben. Die Inschriften
find nach ihm sehr verblasst, aber sicher echt.
.Schwer zu deutende Reste, die auf einen Namen auf — ar.'Jri;
schliessen lassen. Vor dem zurückgewendeten Kopf der entsetzt
nach links fliehenden Frau vermag ich keine Buchstabenspuren
mehr zu erkennen, obwohl ich nicht zweifle, dass auch ihr
Name hier geschrieben war."
Purgold ergänzt QQaavur'id'rig. Doch zweifelte Hevde-
mann, der gleichfalls die Schale untersucht hatte, ihm gegen-
über, dass zwischen O und S. Platz für zwei Buchstaben sei.
d.
3 + A /v\
V\
Purgold ergänzt den vertical geschriebenen Namen zu
JoQvjÄttXos oder EvQvfta^^Oi.
A /v /l V T '^ A
^W
A /v\ o
BPVAOSEPOIESEA^
•'') Es ist möglich, dass der oben erwähnte Vasenrestaurator
von S. Maria, der von meiner Vermuthung indirekt geliürt hatte,
inzwischen das Versäumniss Ilierons nachgeholt und den Namen
auf den Henkel eingeritzt hat. Man beobachte demnach beim
Ankauf die nöthige Vorsicht!
Zur Seite des gepackten Knaben vermochte Purgold nichts
zu sehen; ebensowenig hat er den Namen nOl-VXSENE
bemerkt. Von dem Namen des Akamas war nur noch ein A
erhalten.
Durch diese Untersuchungen Purgolds sind die Räthsel,
welche die Namengebung der Figuren bietet, nicht gelöst, aber
doch wenigstens für jeden Deutungsversuch eine sichere Grund-
l.tge geschaflen , indem nicht mehr die passend erscheinenden
Namen verwerthet, die anderen vorhandenen Keste als unsicher
bei Seite geschoben werden können.
251
P. J. Meier. Zu den Vasen mit Meistersignaturen.
252
Von uubezeichneten Scbalen möchte Brygos
München 279 angehören; besonders sjjricht das
lunenbild dafür, welches in seinem Gegenstand leb-
haft au das von No. 6 bei Klein erinnert. Uebrigens
hat jene Schale stark durch Eestaurirung gelitten. —
Ferner habe icli im Bnlt. d. Inst. 1884 S. 45 das
Schalenfragment bei Luyues, Vases peinis Taf. 17
und S. 40tf. eine schöne von der Ermitage in Peters-
burg neu erworbene Schale dem Brygos zugewiesen
und dazu bemerkt, dass Kleins Zurückf'ührung von
Miiseo Gregoriano LXXXV (No. 1G2) auf diesen
Jlaler, sowie die Chronologie, welche derselbe S. 73
von den Schalen des Brygos giebt, unrichtig seien;
vgl. Bull. a. a. 0. S. 40,3 und 45.
Philtias und Deiniades (Klein S. 78).
1. München 401. Zu bemerken ist, dass die Namen des
Tupfers und der Figuren sicher von anderer Hand geschrieben
sind als die Worte <t>ll.TIAS EPOIESEN- Dort sind die
Buchstaben gross und grob, hier fein und zierlich wie die
Zeichnung selbst. Es ist also wahrscheinlich, dass in diesem
Falle der Maler seine Signatur eigenhändig geschrieben hat,
das Uebrige jedoch von einem Anderen, vielleicht vom Fabri-
kanten, hinzugefügt wurde.
2. Befindet sich im Museo Tar(|uiniese zu Corneto.
Neu kommt hinzu
4. Athen, Sammlung der archäol. Gesellschaft
2786. Kleines Gefäss, dessen Körper in Form einer
Jluschel gebildet ist; der Hals ist mit glänzend
schwarzem Firuiss überzogen, der Oberrand da-
gegen roth gelassen. Um die Mündung ist mit
schwarzer Farbe aufgetragen
0INTlA^!EPOIE^E(v
Der Name Phiutias ist besonders in den Dorischen
Dialekten des Westens heimisch und entspricht dem
attischen Philtias, das sich auf 1 findet; vergl,
Gust. Meyer, Griech. Gramm. S. 158 f. Der Maler
muss also in Atlien eingewandert sein und das
attische Alphabet angenommen haben, oline jedoch
seinen Namen consequent diesem Dialekt gemäss
zu verändern. Denn ich glaube nicht, dass allein
aus dem Schwanken der Benennung auf einen ein-
heimischen und einen fremden Meister zu schlies-
sen ist.
Euthymidcs (Klein S. 79).
2. München 378. Es ist zu lesen auf A: PPIAMOS:
auf B: EUEA EMOS (auch die beiden letzten Buchstaben
sind deutlich) und TEUES-
3. München 374. Rechts von .Ilektors" Figur ist von
oben nach unten geschrieben :
H<OPOU>IO
E<rPA>ffiSEN
EV0VMIAESES d.h. wohin), wenn nicht Dittographie
vorliegt.
Bei GOc'AKION ist auch der Rest des () erhalten. Rechts
vom linken Bogenschützen liest man MAE . . . A. In der
Mitte fehlen zwei oder drei Buchstaben. Das Signia von Eutliy-
bolos' stö.sst an den Schluss von Hotto/IO an und wurde
deshalb übersehen.
ü. München 6.
Jahn liest richtig do; Tiji'df. Der Maler hat auf dieser
Vase das Sigma durchgehend«, z. B. auch bei xalöq, wie ein
dickes Iota geschrieben; deshalb ist auch Ev!^v/n((5ri^ zu lesen.
Ferner steht das M_v meist verkehrt: W , so in dem Worte
Euthyinides' des Hauptbildes und zweimal in Tlempolemos'. Im
Hauptbild bezieht sich nicht der Name Euthymides, sondern
Tlempolemos auf den Jüngling; ersterer bezeichnet vielmehr den
Meister, dem auf dem Schulterbild ein zn/lo'?, bez. xn}.t!>g bei-
gegeben ist; vgl. Klein S. öl und 87 unter Epilykos. Die Lesung
SOI 1 AS ist entschieden falsch. Das Facsimile bei Jahn giebt
die Züge genügend wieder.
Hypsis (Klein S. 81).
Der Palmettenstreifen auf seiner Hydria ist roth auf schwar-
zem Grund ; nur bei der Einrahmung des Halsbildes ist das Um-
gekehrte der Fall. NE AI OS beruht auf unsicherer Lesung;
ferner ist zu lesen ANTIOPEA.
Hermonax (Klein S. 81.)
1. Zeichnung im Apparat des Instituts zu Rom.
4. Jetzt in der Sammlung Bourguignon zu Neapel.
Braunschweig.
P. J. Meier.
253
254
NEUE UNTERWELTSDARSTELLUNGEN
AUF GRIECHISCHEN VASEN.
(Tafel 18. 19.')
Die bereits veröffentlichten Darstelhuigeu der
Luterwelt auf griechischen Vasen zerfallen in zwei
Gruppen. Die erste wird durch die drei grossen,
relativ vollständigsten Darstellungen dieses Gegen-
standes auf den Amphoren von Canosa-München 849,
Altamura-iS'eapel 3222, und Euvo- Karlsruhe 4 ge-
bildet'). Die zweite umfasst eine doppelte Anzahl
abgekürzter und grösstentheils verflachter Darstellun-
gen auf fünf Amphoren, zwei Xeapler: einer aus
der Jatta'schen und einer aus der Sammlung Sant-
angelo Ko. 11, drei Petersburger No. 424, 426, 498
und einem Oxybaphou der ehemaligen Sammlung
Blacas^). Ich bin in der Lage, zwei neue Dar-
stellungen hinzuzufügen: die eine bisher gänzlich
unbekannte auf zwei Fragmenten einer Vase im
Museum zu Karlsruhe, deren Zeichnung sich unter
dem Vorrathe der archäologischen Zeitung befand*),
') Die frühere Literatur und die rublicationeu: Canosa-M.:
MiUin, descript. des tombeaux de Canose t. 3 — 6. Braun, Ännali
1837 (IX) p. 219. luv. d'afjg. I. Welcker, Arch. Ztg. 1S43
p. 177fr. Gerhard, a. a. U. p. 193f. t. XII. 1. Müller-
Wieseier, D. a K. I p. 54 t. LVI. O. Jahn, Vasens. zu München
p. 273. Altamura-N. : Minervini, Bullet. deW Inst. 1S48
p. 23. A. a. O. 1S51 p. 24 p. 38. Gerhard, Arch. Anzg.
ISöl p. S9£. U.Köhler, Annal. 1864 p. 283 ff. ilon. delV
Inst. VIII t. IX. Heydeniann, Vasens. d. Mus. Naz. zu Neapel
p. SlOff. Ruvo-lC: Braun, annali 1847 p. 209 ff. Mon. II
t. XLIX. Gerhard, A. Z. 1843 p. 194ff. t. XI Welcker, A. D.
III p. 105 ff. — Fröhner, Vasen und Terraootten der Gross-
herzogl. Kunsthalle zu Karlsruhe n. 4. Alle drei Vasenbilder
neben einander abgebildet und besprochen bei V. Valentin,
Orpheus u. Herakles in der Unterwelt. Berlin ISGö.
'-') Literatur und Publicationen; Amphora Jatta, Neapel:
Gerhard, A.Z. 1S44 t. XV. Santangelo: Jahn, A. Z. 1867
p. 33 ff. t. CCXXl. Heydemann, V. S. zu Neapel p. C29ff.
Petersburg 424: Gerhard, Arch. Zeit. 1844 p. 2-25 ff. t. XIII,
Mystcrienb. 1 - 3. Müller- Wieseler, D. a. K. II n. 863 p. 39.
Stephani, V. S. d. Kais. Erem. I p. 223fl'. Petersburg 426:
Stephani, a.a.O. p. 223 ff. Petersburg 498: Gerhard, My-
sterienb. t. 4 Stephani a. a. 0. p. 256 ff. Blacas'sches Oxy-
baphon. London?: Gerhard, A. Z. 1844 p. 226 t. XIV. Die
Citatc Koulez, choix de vases p. 64 und Bull. Arch. Nap. 1854
t. 3 n. 57 konnte ich leider nicht vergleichen.
[*) Herr Professor Furtwäugler hatte diese Fragmente der
liedaction nachgewiesen ; Herr Geheimrath Wagner in Karlsruhe
hat die grosse Freundlichkeit gehabt, sie nach Berlin zu senden,
damit sie dort gezeichnet werden könnten, wofür ihm auch an
dieser Stelle der wärmste Dank ausgesprochen werden ^oll. Ued.]
die andere auf der Vase Santangelo 709, für deren
Bause ich Herrn Professor Heydemann zu herz-
lichem Danke verpflichtet bin. Bei der Besprechung
werde ich die früher bekannten Darstellungen nur
da heranziehen, wo es die Vergleiehuug von Figuren
erheischt oder wo ich neue Benennungen vorschlagen
zu können glaube und zwar wird die zweite Gruppe
bei Einzelheiten, die erste auch bei der Frage nach
der Anordnung des Ganzen sich förderlich erweisen.
Vorausgeschickt sei noch, dass die Betrachtung
der schon früher bekannten Unterweltsdavstellungen
auf Vasen gelehrt hat oder gelehrt haben sollte,
dass wir dieselben nicht als selbstständige Kunst-
werke, sondern nur als mehr oder minder geschickte
Compilatiouen betrachten dürfen. Was die neu
edirteu Darstellungen zur Klärung dieser Frage bei
tragen, wird den Schluss dieses Aufsatzes bilden.
Das auf Tafel 18 in 7^
der Originalgrösse ver-
öffentlichte Vasenbild von einer Amphora mit Voluten-
henkeln in der Sammlung Santangelo zu Neapel
(No. 709) ist kurz erwähnt und besprochen von
E. Gerhard, A. Z. 1843 p. 191 (s. Hyperb. Eöm.
Stud. I i)ag. 18G), von Panofta, A. Z. 1848 p. 220,
13, von Vinet, Revue archeol. II. p. 476, von K. 0.
Müller, D. a. K. I p. 55 und von Heydemann, V. S.
d. ßlus. Naz. p. 816ff. Die Höhe des Gefässes be-
trägt 0,91, der Umfang 1,64. Zu deu rothen Figuren
finden sich Zusätze von weisser Farbe. Die Zeich-
nung ist sehr flüchtig und nachlässig (Heydemann).
Der Fundort ist Armentum.
Die Hauptdarstellung am Bauche der Amphora
zeigt uns Orpheus und Herakles in der Unterwelt,
im Grossen und Ganzen in derselben Weise dis-
ponirt und behandelt, wie auf den Vasen Canosa,
Altainura und Kuvo, nur dass die Darstellung in
zwei Keiheu zusammengezogen und, was damit zu-
sammenhängt, der Palast der Unterweltsgötter weg-
gelassen i.st.
Von links oiicn beginnend begegnen wir zunächst
der Gruppe eines Leier spielenden, lang und reich
255
P. Ilnrtwiir. Nene UntenveltsdarstoIInngen auf Vasen.
256
I
Ijekleideteu Wauucs mit phrygist'lier Miii/.c, auf
welchen von links ein geflügelter Knabe, ihn um-
armend, zuscliwebt: Orpheus, und einer wciljliciien,
langgewaudoteu Gestalt, welche von links auf iliu
zugeseh ritten ist. Ihr mit einem Diadem geschmücktes
Ilauiit ist iiintiMwärts verschleiert. Mit dem linken
(stark verzeichneten) Arme lüftet sie den Schleier.
An der Handwurzel des vorgestreckten rechten
Armes hält Orpheus sie gefasst. Zu beiden Seiten
von ihr befindet sieh ein Lorbeerzweig. Orpheus
selbst ist in der Vorderansicht dargestellt mit
einer leicliten Wendung nach links im Begriffe
dahin wegzuschreiten; sein Antlitz dagegen ist nach
rechts einer zweiten Gru]ipe von drei Figuren zu-
gewendet. Ihm zunäclist und ihm zugewendet steht
eine weibliche Gestalt mit einem Pantlier an der
Seite, in kurzem Chiton, Kreuzbänder über der Brust,
und in jeder Hand eine Fackel, lieber ihr hängt
eine von der IJiickseite gesehene Trinkschale (vgl.
Altamura und Petersburg 498), welche ebenso wie
die weiter nach reclits hängenden Reifen (vgl. Ca-
nosa) offenbar ein Ueberbleibsel von dem Palaste
des Hades ist, der sich im Vorbilde an dieser
Stelle befand. Dann folgt eine nach rechtshin thro-
nende, aber nach links blickende, reich bekleidete,
geschmückte und am Hinterhaupt verschleierte Frau,
welche in der Linken ein Scepter hält, wälirend
sie die Rechte mit dem Gestus der Gewährung nach
rechts ausstreckt. Neben ihr steht mit vorwärts
geneigtem Kopfe ein bärtiger, unterwärts bekleideter
Mann, mit der Rechten auf ein Scepter (ohne Vogel-
bekrönung) sich stützend, die mit dem Gewand ver-
hüllte Linke in die Seite stemmend. Die Analogie
der bekannten Unterweltsvasen gestattet uns diese
ganze Gruppe ohne Weiteres als die Losbittung der
Eurydike durch Orpheus vor Persephone und Hades
zu bezeichnen. Abweichend ist jedoch auf unserem
Bilde zunächst, dass Hades völlig passiv anfgefasst
ist, während er auf den Bildern aus Canosa und
Kuvo die Entscheidung fällt, um die sich Persephone
bittend an ihn wendet. Spielt auch diese in der
Tradition der römischen Dichter (Ovid. met. X 41 fl".
Vergil Georg. IV485ff.) — frühere Quellen verstatten
in diesem Punkte kein Urtheil — bei der Losbittung
Archii.iloi;. Ztg. Jnhrgnng XLU.
der Eurydike die Ilaujitrolle, so ist es doch für die
Composition ohne Zweifel günstiger, wenn Hades
mit in die Handlung hineingezogen ist.
In der vor l'erseplione stehenden weiblichen
Figur kann icli mit Gerhard und Heydemanu nur
eine dienende Erinys erkennen, die, wie sonst durch
ein umgehängtes Pantherfell, liier durch einen Pan-
ther an ihrer Seite als eine der &r]QtvTtti' be-
zeichnet ist.
Die Figur links von Orpheus ist bereits von
Gerhard, Panofka und Heydemann für Eurydike
erklärt worden. Dass diese, um derenwillen Orpheus
zum Hades hinabstieg, schon früher auf den be-
kannten Vasenbildern vermisst und gesucht wurde,
ist erklärlich'). Dagegen erachtet ^'. Valentin in
seiner oben citirten , ästhetischen Studie ihre .An-
wesenheit auf unseren Unterweltsdarstellungen für
unnüthig, ja sogar unkünstlerisch. Es kommt doch
aber sehr auf das Wie ihrer Darstellung an. In
unserem Bilde ist sie allerdings nur zu erklären,
wenn wir eine Zusammenziehung zweier poetischer
Momente in einen bildlichen annehmen. Offenbar
greitt Orpheus nocli mit der Linken in die Sai-
ten, Hades lauscht gesenkten Hauptes, Persephone
winkt Gewährung, und schon überredet Himeros mit
eindringlicher Geberde den ungeduldigen Gatten
sich nach der Geliebten umzuwenden^), ja der
Sänger hat sie sogar schon angefasst ydQ snl xagno),
wie auf dem Albanischen Relief. Dass aber Orpheus
Eurydike gefasst hätte, ohne sich zuvor nach ihr
umzuwenden, wäre sonderbar und nicht wohl mög-
lich. Auch hier, wie in vielen anderen Punkten,
werden uns die ungleich werthvolleren Karlsruher
Fragmente einen Wink geben, wie wir uns Eurydike
im Rahmen des Vorbildes zu denken haben werden.
Rechts von Hades schliesst die obere Reihe eine
^) Gerhard glaubte sie in der neben der Danaide mit dem
Kruge stehenden Frau der Kuveser Vase (A. Z. 1843 p. 201)
und in der auf der Vase Blacas neben Orpheus sitzenden ein-
geluillten Frauengestalt zu erkennen (A Z. 1S4-1 p. 226). wo-
gegen Welclier (A. Z. 1843 p. 189) Widerspruch erhob und
seinerseits die auf der Vase Petersburg 49S hinter Orpheus
sitzende Figur, jedoch auch ohne zureichende Gründe. Eurydike
benannte.
*) Odit verus amor nee palilur moras, miiiius dum j,roj>trat
cernere perdtdit Seneca Herc. f. 5S8.
19
257
P. Hartwii;-. Nene Uuterweltsdarstellungen tinf Vasen.
258
dritte Gruppe eiuer weiblichen und einer männlichen
Gestalt, zwischen denen oben im Felde ein Schild
und ein Schwert aufg-ehängt ist. Sie sind wie im
Gespräche mit einander begrifien und nehmen au
der Handlung- der Jlitte keinen Antheil. Die weib-
liche, langgewandete Figur sitzt nach links im
Halbprofil, während ihr Antlitz nach rechts dem
sitzenden Jünglinge zugewendet ist. Ihre Eeehte
ist bis an die Brust erhoben, in der gesenkten
Linken hält sie ein Schwert in der Scheide. Eine
Analogie finden wir auf der Vase von Canosa. Audi
dort befindet sich, neben der Gruppe eines sitzenden
und eines stehenden Jünglings, die man der Keulen
wegen, die sie führen, auf Theseus und Peirithoos
gedeutet hat, an ent.sprechender Stelle eine sitzende
weibliche Figur mit einem Schwert in der gesenkten
Rechten. Man hat dieselbe dort Medea benannt
(Valentin: Elektra) und als Medea fasst auch unsere
hier in Frage stehende Figur Heydemann auf (a. a. 0.
p. 817). Dagegen glaubte Gerhard (A. Z. 1843 p. 191)
in ihr eine Furie, welche den neben ihr sitzenden
Jüngling mit dem Schwert bewacht, zu erkennen^).
Aber hier muss uns der Mangel aller Attribute eiuer
Erinys zu grösster Vorsicht mahnen, dort bleibt die
Zusammenstellung der Medea mit Peirithoos und
Theseus schwer zu erklären. In der weiter nacli
rechts mit im Rücken geschlossenen Händen auf
einem Gewandstück sitzenden, unbekleideten Jüug-
lingsgestalt mit Petasos im Nacken erkennen
wir zum ersten Male mit voller Sicherheit Pei-
rithoos. Er ist eine der Hauptpersonen des Tar-
taros und kann nicht wohl fehlen, denn auch er
ist gleich Orpheus und Herakles als ein Lebender
in das Reich der Todten eingedrungen: freilich
steht er sonst im grellen Contrast zu ihnen, denn
den einen führten die Götter, den anderen die Liebe,
diesen ein frevler Uebermuth.
Pausanias (X 29, 8) theilt uns bei der Be-
schreibung der Polygnotischen Nekyia zwei Ver-
sionen der Strafe des Peirithoos für den versuchten
Raub der Kora mit, erstens die Fesselung (cf. Iloraz
^) Eine geflügelte Erinjs mit einem Schwert in der Recliten
findet sich nn ziemlich entsprechender Stelle iiiil' dem Vasen-
bildc Peterbburg 426, 3. dazu Steph-ini a. a. 0.
Od. III, 79. IV, 27: cafeiiae, rincula') und zweitens
das Festwachsen auf einem Felsen, wofür er
den Panyasis als Gewährsmann anführt (cf. Diod.
4, 26. Plut. Thes. 35). Auf Canosa und Ruvo hat
die Peirithoos zu benennende sitzende Figur die
Arme frei, es kann demnach dort nur an die
Strafe des Festwachsens gedacht worden sein.
Unser Vasenbild vereinigt anscheinend beide Mo-
mente und übertrifft somit in der Charakterisirung-
dieser Figur alle bisher bekannten Darstellun-
gen^). Und endlich: Schwerter spielen bereits in der
Gruppe des Peirithoos und Theseus im Lesche-
gemälde des Polygnot eine Rolle. . Theseus hält sie
in Händen: 6 ds {uyßnf.tevog) ig tu ^icprj ßXsncüv
aaziv 6 nsiQid^ovg (Paus. X, 29, 9). Wenn wir
nun unseren Peirithoos betrachten, wie er gesenkten
Hauptes auf das Schwert blickt, welches die Frau
neben ihm in der Linken hält, erinnert man sich
da nicht unwillkürlich der Worte des Pausanias und
ist man nicht geneigt zu glauben, dass hier ein
Zug des Polygnotischen Bildes in unsere Darstellung-
übergegangen ist?
Wir wenden uns nun dem unteren Streifen zu,
wo links am Anfang zunäclist ein nackter Jüngling,
mit einem Petasos im Rücken, Schuhen au den
Füssen und einem Schwert an der linken Seite, nach
links, jedoch mit nach rechts zurückgewendetem
Haupte, vorwärts schreitet. Die Rechte ist vorwärts-
weisend ausgestreckt, die Linke hängt herab. Die
vorn von einer Spange zusammengehaltene Chlamys
flattert hinterwärts im Winde. Ihm folgt ein zweiter
Jüngling in gleichem Kostüm und gleicher Situation,
nur ist der linke Arm höher gehoben und trug offen-
bar einen Gegenstand: ein weiss aufgemaltes, aber
verwischtes Kerykeion ; denn wir können nach der
Analogie der anderen Unterweltsdarstellungen nicht
zweifeln, dass diese Figur den Hermes vorstellt. Als
Dritter endlich schüesst sich Herakles mit dem Ker-
beros an, bei geringen Abweichungen im Einzelnen
im Ganzen den bekannten Darstellungen gleich.
S) Daran, dass jenes unter Teirithoos anscheinend auf dem
Felsen ausgebreitete Gewandstiick hier, wie auch auf den Vaseu-
bildern von Canosa und Ruvo, gleiclisam als mitlesigewachseu
zu denken ist, wird Niemand ernsten Anstoss nehmen wollen.
259
P. Hartwig, Neue UiiterweltsdarstelluiiiTeii auf Vason.
260
I
Der erstere der beiden vor Herakles eiulier-
sclireitenden Jtiiigliuge wurde von Gerhard und
Heydeinaun ohne nähere Begründung' für Theseus
erklärt. Selbstverständlieli erwartet man diesen
zunächst an der Seite des Peirithoos (vgl. Canosa
und Ruvo), aber offenbar reichte dem Vasenmaler,
der von der Mitte aus disponirte Raum für drei
Personen rechts vom Hades nicht mehr zu. Sinn-
voller strich der Maler von Ruvo, der sich in gleicher •
Lage befand, die weibliche Figur. Am .\nfang der
unteren Reihe vor der Gruppe Hermes - Herakles
hatte unser Maler einen freien Raum, ansclieinend
nicht gross genug, um, wie die Maler von Canosa,
Altamura und Ruvo, Sisyphos mit seinem Felsen
unterzuljringen: dort stellte er seinen Theseus hin,
ziemlich getreu das Kostüm des Canosischen und
das Motiv des im Gespräch mit Peirithoos vor-
gestreckten rechten Armes bewahrend. Freilich ist
diese Figur neben Hermes ilires gleichen Schemas
wegen weder künstlerisch erfreulich, noch auch
an dieser Stelle sinnreich, denn wessen bedarf es
noch, wenn Hermes geleitet? Es müsste denn sein,
dass der Gedanke an die Befreiung des Theseus
durch Herakles, die mit dem Kerberosabenteuer in
Verbindung gesetzt wurde, uusern Vasenmaler ver-
anlasste den Theseus in die Nähe des Herakles zu
rücken.
Reclits von diesem schliesst sich, ähnlich wie
auf den Vasen von Canosa ') und Ruvo, eine Eriuys
in kurzem gegürteten Chiton mit Kreuzbändern an.
lieber dem linken Arm, in dem zwei Speere ruhen,
hängt ein Pautherfell, in der ausgestreckten Rech-
ten hält sie eine Fackel*). Ihr Antlitz ist nach
links einer zweiten Frauengestalt zugewendet^).
Diese, lang gewandet, lehnt mit gekreuzten Beinen
und aufgestütztem linkem Arme an einem Felsen,
') Dort ist die Figur durch einen Schlüssel bestiniTiiter sils
Ilekate x).ni!iov/Oi charakterisiit.
') Vgl. Plato Axioch. p. 372 fi.'/« Ictunaniv fjiniorwg
jjvQOvufvot llonuty Tiiv/ovTcti sc. Ol' iv 'Aitiov y(iy.ovijyoi.
'-^ Auf dein Vasenbilde Altamura ist an diese Stelle eine
auf ciueni Ilippokaunien reitende Frauengestalt getreten. Es ist
eine ansprechende Verinuthiing eines meiner Freunde, in ihr
Hyperninestra , neben den bUssenden Schwestern die einzig
straflose Dauaide, zu erkennen, welche den Weg zu den Inseln
der Seligen nimmt.
Während sie mit der erhobenen Rechten einen (ganz
uumotivirteu) Zipfel ihres Gewandes gefasst hält.
Rechts über ihr befindet sich ein nach unten spitz
zulaufendes Gefäss ohne Henkel, links von diesem
eine lediglich der Raumfüllung dienende, im Profil
gesehene Schale und unter ihr zwei Blumen: ebenso
wie die Steine zu Füssen des Herakles eine An-
deutung der Landschaft, des Acheronufers und der
Asphodeloswiese.
Zur Bcurtheilung der Gruppe dieser beiden
Frauen müssen wir noch einmal auf die vorher-
gehende zurückkommen. Dort beweist uns die hilf-
reiche Gegenwart des Hermes, dass unser Vasen-
gemälde, beziehungsweise sein Vorbild, der älteren,
durch das Epos vertretenen Version von Herakles'
Höllenfahrt gefolgt ist, nach welcher er mit Hilfe
der Oberweltsgütter, wider den Willen der Unter-
irdischen , dieses schwerste der ä&la vollführt
(s. II. VIII, 3ÜT ff. Od. XI, G23 ff'. Gerhard, A. V.
T. 129 — 1.31). Dann erscheint ein Widerstand von
Seiten der Letzteren geradezu geboten, und wir
werden mit V. Valentin hier der Vase Canosa den
unbestrittenen Vorrang lassen , dass der hilfreiche
Hermes, der gewaltig arbeitende Herakles und die
mit ihren Fackeln ihn schreckende Hekate eine
kraftvolle und wohl abgewogene Gruppe geben'").
Der Maler unserer Vase zeigt sich auch hier als
ein wenig denkender Künstler. Ist schon auf den
Vasen Ruvo-K. und Santangelo 11 der Gehalt dieser
Gruppe durch gleiehgiltiges, beziehungsweise bereit-
williges Leuchten der Erinys geschwächt, so ge-
schielit dies auf unserem Bilde noch empfindlieber
dadurch, dass sich dieselbe von Herakles abwendet
und anscheinend im Gespräch mit der rechts von
ihr stehenden Frau l)egriffen ist. Diese endlich,
'") Der auf der Vase Canosa zwischen Herakles und Hekate
befindliche runde Gegenstand, den man für das durchlöcherte
Fass der Danaiden erklärt hat, ist wohl vielmehr ein am Ein-
gang des ilüiiin Id'iduivfjü; aufgestellter Altar, wie man ihn
auf der Oberwelt an den Thüren dem Apollon Itvnaio;,
Tiooaiair'inios, oder aber der Hekate TiQOnvliita, zu errichten
und mit einfachen Upfern (hier Kürnern) zu versehen pflegte.
Auf den Vasen Santangelo 1 1 und Blacas deuten Hermen den
Eingang zur Unterwelt an. Endlich gleicht der fragliche
Gegenstand allenfalls einem modernen Fass, aber nicht einem
antiken niiliii.
19*
261
P. ll.nnwi!.'. Nene Uiiterweltsdarstt'lhinofeu auf Vasen.
262
vou Pauofka für eine Quelliiymplic des Styx, von
Welcher für eine Seele, von Gerbard für Alkestis
erklärt, werden wir mitHeydemanu aufs Bestimmteste
Dauaide benennen dürfen. Einmal spriebt dafür
das Gefäss über ibr, sei es nun eine verzeicbnete
Hvdria oder ein Pitbos, und andrerseits gleicbt sie
in ilirer Erscbeinuug- und besonders im Motiv des
erliobenen recbteu Armes überrasebend der Dauaide
in der unteren reciiten Ecke des Ruveser Bildes.
Dies könnte, da diese Figur in der Abbildung-
(s. A. Z. 1843. T. XI) durch nichts als Danaide cha-
rakterisirt ist, als eine petitio principii erscheinen.
Doch liegt (nach einer Mittbeilung J. Overbecks)
hier ein Fehler der Zeichnung- vor, indem die Figur
ebenso wie die über ihr stehende Danaide in der
gesenkten Linken auf dem Originale eine Hvdria
trägt, deren oberem Theil der Kontur des Gewand-
stückes, welches sie in der Abbildung- mit der
Linken hält, in der That auflfällig genug ähnelt.
Auch diese Figur ist keineswegs glücklich in
unserem Bilde aufgefasst. Das der Danaide zu-
kommende Wassertragen ist verdrängt duich das un-
motivirte Lehnen an einem Felsen, der wohl dem
Wunsche nach einem Abscbluss der Coniposition
seine Existenz verdankt und nebenher vielleicht
eine Reminiscenz an den über Tantalos hangenden
Felsen ist, der sich auf Canosa in der rechten unteren
Ecke befindet und merkwürdiger Weise auch im
pojygnotischen Gemälde diese Stelle einnahm, da
mit ihm die von links nach rechts fortschreitende
Schilderung des Pausanias schliesst").
Beurtheilen wir nun kurz das Vasenbild Sant-
angelo in seiner Gesammtheit, so werden wir ihm
keinen höheren Wertb als den einer unteritalischen
Fabrikarbeit zuerkennen dürfen. Seine Vorzüge be-
ruhen auf einem bei einzelnen Figuren engeren An-
") Eemerkenswerth ist, dass die Danaiden auf Ruvo über
der rechten Ecke stellen, wo Tantalos, den der Maler offenbar
des Kaumes wegen aufgeben niusste, hingehört, also auf dem-
selben Platze wie beim Polvgnot die Gruppe der Wasserträger
mit dem n/.'/of (Paus. X 31, 1-2. vnö toviio öi tw Tidlo) Tuv-
luXos). Das Motiv des Wassergiessens aus einer Hydria in
einen halb in die Erde eingesenkten Pithos giebt eine der Da-
nnidcn auf dem überhaupt in mehreren Stücken sehr inter-
essanten Vasenbilde Petersburg 426 wieder (s. Stephani a. a. O.
p. 23:i).
Schlüsse an gute Vorbilder, so in erster Linie beim
Peirithoos, dann auch bei der Figur des frisch vor-
anschreitenden Hermes (vgl. Canosa und im Gegen-
satz dazu Altamura und Ruvo) und des den Kerberos
an kurz gefasster Leine kräftig herunireissenden
Herakles, wobei allerdings auch das von Valentin
auf der Vase Canosa gut bemerkte Motiv, dass der
Höllenhund furchtsam den Schwanz zwischen die
Beine klemmt, aufgegeben worden ist. Wesentliche
Figuren werden nicht vermisst''), doch zeigt sich
überall da, wo der Maler einigermassen selbständig-
die Figuren mit einander verknüpft, Maugel an
Verstäuduiss und Empfindung.
Was das Technische betrifft, so sind starke Ver-
zeichnungen nicht vermieden und ist eine flaue
Auffassung der Formen und der Gewandbehandlung
fast durchgängig zu rügen. Letztere weist die be-
kannten Merkmale des Bühnenkostüms auf.
Endlich sei noch auf die merkwürdige Ueber-
einstimmuug unseres ^'asenbildes mit dem vuve-
sischen hingewiesen. Diese erstreckt sich nicht nur
auf die Anordnung- von Figuren (Hekate, Persephone,
Hades-Hermes, Herakles, Eriuys, Danaide), sondern
auch auf einzelne Motive, wie den erhobenen rechten
Arm der Danaide und das über Herakles' linker
Schulter emporragende Ende des Bogens.
Das füiirt uns auf die Frage nach den Quellen
unseres Vasenbildes. Freilich kann es sich bei
einer so späten Darstellung zunächst nur um
secundäre bandeln. Der Gedanke an Vorlagen-
büchlein mit einzelneu Typen und Gruppen, die
unter den Vasenmalern von Hand zu Hand gingen,
ist meines Wissens zuerst von Brunn ausgesprochen
worden. Freilich können hier einzelne Fälle nicht
eine Entscheidung herbeiführen, sondern sie nur au
ihrem Theile fördern. Aber mir erscheint im Hin-
blick auf die Verwandtschaft der Unterweltsvase
Santangclo mit der aus Ruvo noch ein Zweites,
nämlich dass uuteritalische Vasenmaler von impor-
tirten Vasen, vielleicht von mehreren desselben
Gegenstandes zugleich, copirt haben, nicht aus-
geschlossen.
'-) Von dem gewöhnlichen Personale fehlen; Megara und
Ilerakliden, Todtenrichter, Sisjphos und Tantalos.
263
P. Ilartwii', Neue L"iitorwcItsdarstellini''en auf Vasen.
264
Die zweite auf Tafel 19 uach einer äusserst sorg-
fältigen Zeiciniung des Herrn G. van Geldern in
■'/^ der Originalgrüsse edirte, offenbar niclirreiliige,
aijer stark fragmentirte Darstellung der Unterwelt
stammt aus der nur wenige Vasen entlialtenden
Sammlung des in Freiburg verstorbenen Engländers
Ciarke, der in den oOer Jahren (zum Theil in Ge-
meinscliaft mit dem Major Maler) in Italien ge-
sammelt hat, und wurde 1881 von der grossherzogl.
Regierung zu Karlsiuhe angekauft. Ihre Provenienz
und Vorgesehiclite ist leider unbeknnnt.
Ij. Farben für einzelne Tlieile sind nieht zu unter-
(■ scheiden, allerdings sind die ötlicke etwas abge-
rieben. Der Palmettenrand bildet die obere Ein-
biegung uach dem Halse zu. Allen erhaltenen
Figuren sind Namen beigefügt.
Wir betrachten zunächst das grössere Bruchstück a.
Dasselbe briclit oben mit einer eierstabälinlichen
Kante ab, derselben, welche unterhalb der l'almetten
des zweiten Stückes b hinläuft: mithin haben wir
auch hier den oberen Abschluss der ganzen Bildfläche.
Oben am linken Rande des Fragmentes befindet sich
ein kleines Dreieck, ofl'enbar der Rest einer Archi-
tektur. Schneidet man von den etwas seitlich von
rechts gesehenen Gebäuden auf den Vaseu Canosa
und Ruvo die rechte Ecke weg, so erhält man ein
Dreieck , welches dem unseren nahezu congrueut
ist. Es ist eine besondere Gunst des Zufalls, dass
diese kleine Ecke erhalten geblieben ist, denn der
Palast der Unterweltsgötter ist dadurch auch auf
diesem Vasenhilde gesichert und zugleich gewinnen
wir einen festen Anhalt für die Bestimnning von
rechts und links "l.
In der oberen Reihe rechts vom Palaste ist die
Gruppe einer männlichen und einer weiblichen
Figur, welche durch die Inschriften als neiQidoog
und ^ixt] gesichert sind, fast vollständig erhalten.
Ersterer, mit vollem, lockigen Haar, sitzt völlig
") Die Vorsteilung vom Hause des Hades (vgl. die homeri-
schen Ausdrücke ttr'Altiuo douoiaiy, Jwfi l-Häno u. s. w.) wurzelt
so tief iu der hellenischen Phantasie, dass es bei einer bildlichen
Darstellung der Unterwelt auch für eine frühere Zeit vorauszu-
setzen ist als die des späten unteritalischen Vasenstiles, der ja
ein Gebäude als Mittelpunkt des Bildes beinahe zur Regel er-
hoben hat.
nackt, die Hände im Rücken geschlossen, nach links
gewendet, jedoch nach rechts blickend auf einem
durch zwei Höhlungen deutlich charakterisirten
Felsblock. An seiner Linken hängt, seitlich nach
rechts, ein Schwert in der Scheide und ein Gewand-
stück fällt unterhalb desselben über den Felseu
herab, während das andere Ende iu schönen Linien
unter dem rechten Arme emporflattert. Die relativ
beste Darstellung des Peirithoos auf der Vase Sant-
angelo TÜU übertrifi't diese einmal durch den auf
die Strafe des Festwachsens deutenden Felsen, dann
durch das kräftigere Motiv, dass sein Schwiert, ihm
so nahe, an der Hüfte hängt, ohne dass er es zu
zücken vermöciite, endlich aber besonders durcii
die in der Haltung des Körpers vortrefflich aus-
gedrückte Spannung niedergehaltener Kraft. In
den Mienen und der leisen Neigung des Hauptes
scheint sich auch hier Ingrimm und Trauer auszu-
drücken.
Ihm nahe steht Dike, verschleiert, in langem,
mit Aermeln versehenen Chiton und Mantel; an den
Füssen trägt sie ansclieinend Schuhe. Sie hat den
rechten Fuss auf eine Erhöliuug gesetzt (ganz ähn-
lich wie Theseus in der Vase Ruvo-K.), auf das
Knie stützt sie den rechten Ellenbogen; die Hand,
in welcher sie ein entblösstes Schwert seitlich nach
links hält, ruht am Kinn'^). Der rechteckige Gegen-
stand , welchen sie in der gesenkten Linken hält,
ist zweifellos der obere Theil der Schwertscheide,
die sie seitlich nach rechts abwärts hielt'').
Dike ist sowohl in der Poesie die strenge Tochter
des Zeus"'), wie in der bildenden Kunst eine durch
die ehrwürdige Autorität der Kypseloslade (Paus. V
18, 2, cf. N. Mein. delV Inst. II t. 4. 4) gesicherte
künstlerische Personification. Hier steht sie unge-
fähr auf gleicher Stufe mit den Uoival und der
von Christ (s. Körte, Personif. psych. Afl'ecte p. 7U)
'^) Vergl. die Peliade mit dem Schwerte auf dem lateran.
Medearelief.
'^) Die in der Mitte oben an der Langseite des Rechtecks
befindlichen Erhebungen sind keineswegs die Fingerspilzen der
Hand, sondern kleine Haken, wie sie ähnlich an derselben Stelle
beim Schwerte des Peirithoos sich finden.
"^) Jio; (xyeyttviit, Hesiod W. n. T. 356 fi\ Theog. 902.
Aeschyl. Sept. 645 u. s. w.
265
P. Ilartwis. Neue Unterweltsdarstellungen auf Vasen.
266
hergestellten Äväyxri der Vase Altamura. deun auch
sie ist eine ans der Situation der Person, der sie
beigegeben ist, zum Zwecke grösserer Anseliaulieli-
keit, heraus entwickelte Figur, aber eigentlich, da
die doppelte Strafe des Peirithoos zu klarer künst-
lerischer Anschauung gebracht ist, in unserem Bilde
ein Pleonasmus.
Die entsprechenden weiblichen Figuren mit dem
Schwert auf den Vasen Canosa und Sautaugclo 709
werden wir, von dieser sicher bezeugten Dike aus-
gehend, nunmehr als abgeschwächte Darstellungen
derselben Personification anzusehen haben.
Von einer zweiten, unteren Reihe von Figuren
ist Kopf nnd rechte Schulter eines anscheinend uu-
bärtigen, aber alten, hinterwärts verschleierten und
auf einem dqövog mit gescliweifter Lehnen in Vorder-
ansicht mit leichter Ti^enduug nach rechts sitzenden
ilanues, und rechts von ihm ein zweiter auf einem
öiqonQ im Profil nach links sitzender, bärtiger
Mann fast vollständig erhalten. Seine rechte Hand
mit ausgespreizten Fingern ist erhoben; die linke,
am Knöchel mit einer Spange geziert, ist, an der
Bewegung der Rechten theilnelimend, ebenfalls vor-
gestreckt und ein wenig erhoben. Ein Himation,
dessen einer Zipfel über die linke Schulter herab-
fällt, legt sich um die unteren Partien des Körpers,
ganz ähnlieh wie bei dem sogenannten Apollo des
Parthenoufrieses (s. Overb. Plastik 1, Nr. 37).
Die Reste der Namen KOS u"d TRIP würden
sich ohne Weiteres zu A^crioq und ToinzöXEi.iog
ergänzen, selbst wenn nicht auf der Vase Altamura
verwandte Figuren durch TQiomölEf.ioQ und (Padä)-
l.iavi/vg inschriftlich bezeugt waren. Doch nicht
genug; auch an derselben Stelle wie auf den Vasen
Altamura und Canosa befinden sich liier die Todten-
richter, und gemeinsam sind unserer Gruppe mit der
Canosischcn die Composition nnd einzelne Motive,
wie der erhobene reclite Arm, die Anordnung des
Gewandes und die Form des Sessels bei dem rechts
sitzenden, die Verschleierung des Hauptes bei dem
mittleren Todtenrichter.
Das zweite, kleinere, aber längere'"), der lin-
") 14,7:18,8. Uie Sehne des inneren liogens der Eier-
smbkante ist gemessen.
ken Seite des Vasenbildes angehörige Fragment b
giebt in seinem oberen Theile ein Palmetten-
ornament mit je einer Palmette in drei durch
Blüthenstengel abgetheilten Feldern, welches uuter-
\\ärts durch die gleiche Kante wie bei dem
Fragmente a gegen die Bildfläche hin abgegrenzt
ist. Von dieser ist nur ein schmaler Streifen mit
drei Beischriften und zwei nur theilweise erhal-
tenen Köpfen übrig geblieben. Der links be-
findliche, nur in den oberen vollen Haarpartien
erhaltene gehörte augenscheinlich einer männlichen
Figur an, die mit der erhaltenen rechten Hand in
das Haar an die Gegend des Scheitels fasste, und
war anscheinend in einer Vierteldrehung nach links
hin gewendet. Rechts von ihm, in einem Abstände
von ca. 11 Millimeter stehen in ziemlich weiten
Intervallen die Buchstaben AlßN- Da vor diesen
keine Spur von Resten anderer Buchstaben erhalten
ist, auch der geringe Abstand von dem Kopfe kaum
für mehr als einen Buchstaben Raum gewähren
würde, so müssen wir uns mit der Tiiatsache ab-
finden, dass hier Alcuv als Personification der ewigen
Zeit dargestellt war.
Der Poesie ist Aliov als Person nicht ganz fremd.
Euripides nennt ihn in den Herakliden (v. 900) mit
BloiQa zusammen als Kgövov nalg, und die orphische
Kosmogonie Hess ihn als zweites Lebensprincip aus
dem Okeanos entstehen (vgl. Nonnos Dionys. 7. 10.
40. 431. YiQiüv TiQiüTotpavyjc, avvTQO'fog). Doch
scheint er auch hier eine Nebenrolle gespielt zu
haben, da ihn Aristopbanes in seiner Parodie der
orphischen Lehren vom Weltaufange (av. G93 ff.)
nicht mit erwähnt. In der Kunst ist der Alwv ein
ana^ £lQrjl.Uvnv, jedoch auf unserem Vasenbilde
neben Jixi^ nicht anstössig. Seine Anwesenheit im
Tartaros, als dem Sitze ewiger Qual lässt sich
rechtfertigen, wenn auch der Begriff Ewigkeit in
dem transcendenten Sinne unserer Zeit dem Hellenen
wohl fremd war. Was uns von der Figur des Aliöv
erhalten ist, verstattet keinen sicheren Schluss auf
seine Charakteristik. Doch scheint er, dem vollen
Haare nach, nicht, wie wir erwarten könnten, als
Greis, sondern als Jungling oder Mann aufgefasst
gewesen zu sein, und die Bewegung der Hand gleicht
267
P. Ilartwiti:. Neue üntenveltsdarstellunfren auf Vasen.
268
weniger einer Geberde tiefen Naclisinnens, als (lei-
des Entsetzens oder des Schmerzes "). Flir den
Namen links vom Haupte des Aeon, von welchem
die Buchstaben A A ' erhalten sind, lässt sich
manche Ergänzung denken; bei dem Mangel jedes
bestimmten Anhaltes ist es aber besser die ver-
sdiiedcncn Möglichkeiten nicht erst auzuf'iiiireu ").
Endlich ist nach rechtsiiin, vermuthlicli ganz
nahe an der linken Ecke des Palastes der Unter-
weltsgntter, ein im Profil nacli links gewendetes,
zartes, lockiges, hinterwärts verschleiertes und ein
wenig geneigtes Köpfchen mit der Unterschrift
abwärts bis zum Kinn erhalten. Kicht unerwähnt
darf bleiben, dass uns auf den Vasen Canosa, Alta-
mura und Ruvo an derselben Stelle ein ähnlicher
weiblicher Kopf im Profil nach links, der der so-
genannten Megara, entgegentritt, so auffallend ähn-
lich, dass der Gedanke an eine ursprüngliche Iden-
tität der beiden Figuren nahe liegt.
Die Vase Santangelo und die Karlsruher Frag-
mente liefern den bisher noch vermissten Beweis, dass
Orpheus auf den Unterweltsdarstellungen nicht als
ein Todter vor den Todten im Hades sein Leierspiel
fortsetzt, sondern dass er zum Hades als ein Le-
bender um der Eurydike willen hinabstieg: causa
viae coniunx (Ov. met. X, 23).
Einen in jeder Beziehung erfreulichen Contrast
zu dem Vasenbilde Santangelo ergiebt die stilistische
und inhaltliche Gesammtbetrachtung unserer Bruch-
stücke. Die Behandlung des Nackten ist vor-
trefflich. Au Peirithoos sind die Muskelpartien eines
'") Vgl. die Piiiiagogen beim Raube des Chrjsippos und auf
der Ai-chemorosvase (Overb. II. Gall. Taf.I 2. IV 3), den Oineus
und die Olenios zu benennende Figur auf dem Avers der Vase
Santangelo 11; dagegen aber den trauernden Peleus ebenda.
(A. ■/.. 1867 T. CCXX.)
") Zu warnen ist vur der sehr nahe liegenden Vervollstän-
digung des AlHN zu AKTAII2N und des Nanienfrag-
mentes links zu MAI PA, unter Anknüpfung an eine Gruppe
der Polygnotischen Nekvia (li/ lirj; ifi 7»]? Altanäg 'A/tciüov
(oj'tv 6 llniaiulov , Paus. X 30,5). Doch mangelt für die
erstere Ergänzung der Raum, und die Bedingung der zweiten,
die viJlüge Erhaltung der einen, die völlige Zerstörung der an-
deren Hälfte des My, ist von der äussersten Unwahrscheinlich-
keit; auch reichte der Raum zwischen den beiden Alpha nicht
aus.
heroischen Körpers sicher und bewusst vorgetragen,
die Hautfalten des eingezogenen Unterleibes sorg-
fältig wiedergegeben und die Verkürzung des von
vorn gesehenen linken Fusses ist völlig gelungen,
während die vollere Brust, die fast weiblich runden
Arme und die schönen Hände des Triptolenios aus
dem Cliarakter des von Demeter mit Ambrosia ge-
nährten eleusinisclien Priesters herausentwickelt
sind. Die Behandlung des durchgängig lockigen
Haares ist frei und malerisch, jedoch oline die ins
Perrückenhafte ausartende Uebertreibung unterita-
lischer Tecliuik.
In den Köpfen ist ein psychologisciier Ausdruck,
jedoch fern von Uebertreibung, erstrebt: in den
Mienen des Peirithoos Trauer, düsteres Vorsichhin-
brüten bei Dike, gespannte passive Aufmerksam-
keit bei dem zuliörenden und active bei dem
sprechenden Todtenriehter, ohne dass jedoch der
Mund desselben geöffnet ist.
Die jedes Zierratlis iiaaren Gewänder folgen bei
Dike und Triptolemos in klarer Entwicklung der
Falten den Formen und Stellungen des Körpers.
Studirt ist jedoch der an der linken Seite des
Peirithoos auf den Felsen herabfallende eine und
der unter dem recliten Arme eniporfiatternde, au
die Gewandbehandlung im Phigaliafriese erinnernde
andere Zipfel seines Gewandes. Das letztere Motiv
muss bei einer nicht nur ruhenden, sondern zu
ewiger Ruhe verdammten Figur lediglich als der
Eaumfiillung dienend angesehen werden.
Besonders erwähnt sei noch der schöne, gerad-
linige, tiefe Sessel des Triptolemos, der eine im
Parthenonfriese mehrfach auftretende Form des
öi(fQog aufs genaueste wiedergiebt (vgl. Overbeck
Plastik I, nr. 22. 25. 36. 37), und endlich aucli das,
wie die Unregelmässigkeiten zeigen, aus freier
Hand geführte wundervolle Palmettenornament.
Die Buchstabenformen verweisen unsere Vasen-
fragmente mit Sicherheit in das vierte Jahrhundert,
und ich stehe nicht an, sie als eines der schönsten
Beispiele des vollendeten malerischen Stiles seiner
letzten Hälfte anzusehen : einer Zeit, wo die Vasen-
illustration, an die Fortschritte der Malerei an-
knüpfend, zwar den ihr zustehenden linearen Cha-
269
P. HartwJCT. Neue Untenveltsdarstelluncen auf Vasen.
270
rakter preiszugeben beginnt, aber noch einen mass-
vollen Gebrauch von den reicheren Ausdrucks-
niitteln macht, welche eine nachfolgende Entwicke-
lung bald missbrauchen sollte. Unsere Fragmente
scheinen mir, der ich allerdings nicht in der Lage
bin an Originalen zu vergleichen, in der Auffassung
der Formen und dem Ausdruck der Köpfe an
keine Vasenzeichnung näher heranzukommen, als
an das kleine bei Overbeck, H. Gall. T. XXXIII,
21 (nach Welcker, A. D. III. T. 30, 2) publicirte
Bruchstück aus 5Ir. Stouarts Besitze mit den In-
schriften Telegonos und Kirke.
Dass die Fragmente aus italischem Boden stam-
men, ist nach dem oben Gesagten wahrscheinlich;
nach dem Stil zu urtlieilen, möchte man sie dem
attischen Kunsthandwerke zuschreiben.
Es fragt sich nun, was sich über die Recon-
struktion des ganzen Vasen bildes ermitteln lässt.
Es wird mir mitgetheilt, dass die Wölbung der
Bruchstücke auf ein Gefäss etwa von der Grösse
und Form der Ruvo- Karlsruher Amphora^"), die
eine Bildfläche von ca. 45 cm. Höhe und 70 cm.
Breite aufweist, sehliessen lasse. Die grösste Höhe
unserer Fragmente in a beträgt ca. 27 cm., also
nur 70 fJps vorauszusetzenden llaumes. Demnach
dürfen wir mit Sicherheit auch für unser Vasen-
bild eine dreireihige Darstellung annehmen. Ferner
lässt sich daraus, dass auf dem der oberen linken
Seite der Bildfliiche angehörigen Fragmeute b drei
Namen erhalten sind, mithin auch drei Figuren da
waren, sehliessen, dass auch reclits an entsprechen-
der Stelle eine dritte Figur hinter Dike stand,
wahrscheinlich Theseus. Dadurch ergiebt sich aucli
in der zweiten, unteren Reihe, rechts von Tripto-
lemos, Raum für eine weitere Figur, vielleicht einen
dritten Todtenrichter. Hier betreten wir jedocli schon
den Boden der Hypothese.
Uebertreffen aucli die Karlsruher Fragmente
weitaus alle bekannten Darstellungen der Unter-
welt auf griechischen Vasen, so seheu wir doch
auch hier nur durch einen Spiegel, auch sie sind,
wie die anderen, eine Compilation. Dass aber
diese in ihrer Gesammtheit aus Vorlagebüchern
-'") Höhe 1,19, Dicke Ö3, Umfang 1,85 (Fröhner).
geschöpft seien, welche einzelne Typen und Grup-
pen enthielten , ist deshalb nicht wahrscheinlich,
weil in der immerhin grossen Zahl von erhaltenen
Darstellungen zu viel Einheitlichkeit der Form und
des Inhalts herrscht. Andererseits stellt sich der
Annahme von einem einzigen figurenreicheren
Originale, welches die Vasenbilder, so wie sie vor-
liegen, excerpirt wiedergeben, folgendes Bedenken
entgegen: Die Hadesfahrt des Orpheus und auch
die des Herakles konnte ein Maler, wie einst
Polygnot und wohl auch Nikias die des Odysseus,
benutzen, um die Unterwelt zu schildern, diese mehr
im epischen Geiste, jene in dem der Lyrik und
des Dramas, aber beide Abenteuer zugleich auf
einem Bilde beeinträchtigen gegenseitig ihre Wir-
kung. Demnach müssen wir entweder annehmen,
das Original, von welchem sämmtliche Vaseubilder
abhängig sind, sei in der That mit dem erwähn-
ten Mangel behaftet gewesen, oder es liege als
gemeinsame Vorlage eine für die Zwecke der
Vasenmalerei eigens angefertigte Compilation aus
mehreren bekannten und berühmten Originalen
zu Grunde. Dass die Darstellung des Tartaros
ein beliebter Vorwurf der griechischen Malerei
war, verbürgt uns eine interessante Stelle aus der
ersten Rede gegen Aristogeiton ^'). Nach den Na-
men jedoch der betreffenden Meister zu forschen,
ist bei der lückenhaften Ueberlieferung ein müssi-
ges Beginnen. Auf des Nikias Nekyia als Vorbild
unserer Vasenillustrationen zurückzugeheu verbietet
einerseits die homerische Auffassung seines Gemäl-
des (I'lin. 35, 131. Autip. Anth. Pal. IX 792), an-
drerseits erscheint ein so vorwiegender Colorist
(vgl. Overbeck S. Q. 1822 — 24) besonders ungeeignet
Vorbilder für die Vasenmalerei zu liefern. Einen
Zusammenhang unserer Unterweltsdarstellungen mit
Polygnot suchte einst Braun (Annali 1837 p. 239f.)
festzustellen; Welcker (Arch. Ztg. 1843 p. 179) giebt
ihn schon auf, denn es könne uns nichts dienen
auf die Unterwelt Polygnots zurückzugehen als des
grossen Unterschieds in der Hauptidee, in der
-') 1'». Demostli. 25, 52 (p. 7SG, 13): i^ttlf (if ä'oi iiDyinU/ oi
i')Vi iint,iffg iv "Aiiiov yijiai ovaiv. f^tin tovkov . . . Tidndjyt-
711/ ; cf. Plaut, capt. 5. -1. 1 vidi ego multa saejji: picia, ijuae
Aislieriinti fierent cruciamenta.
271
M. Mayer, Tlieseus-Sarkojiliag.
272
ganzen Composition und in allen Personen inne zu
werden. Allerdings könne es nicht überr.asclien,
wenn die Ueberlieferung- Personen und Gruppen
aus der Lesclie zu Delphi bis nach Apulieu nud der
Basilicata getragen hätte. Und in der Tliat erscheint
dies nicht ausgescldossen. Wir werden uns den Her-
gang so deuten können: der oder die Künstler,
von denen unsere Vaseninaler ihre Motive ent-
lehnten, haben gewiss nach altgriechischeni Kiinstler-
brauche Motive aus Polygnots Unterweltsbilde, der
berühmtesten Darstellung dieses Gegenstandes in
Hellas, übernommen und weiter gebildet, und so
mag es sich erklären, dass wir noch Spuren po-
lygnotischcr Auffassung, vielleicht aus dritter oder
vierter Hand in unseren Vasenbildern wiederfinden.")
Bautzen. F. Hartwig.
--) Die mit unserem Thema in keinem inneren Zusiunnien-
hange stelie'nle Vignette ist in 73 der Grösse des Originals nach
einer Zeiclinung aus dem Besitze des deut>chen Instituts in
Rom angefertigt und stellt die sehwarzfigurige Vasenxeichnung
eines Kitharüden dar, der im Begriffe steht ein ßrjun /.u be-
steigen. Der Vasennialer hat ihn durch ein beigeschriebenes X"^i.'^
'0(>(ftv als den thrakischen Sänger bezeichnet.
EIN THESEUS- SARKOPHAG.
Der umstehend nach einer Photograjihie in verklei-
nertem Maassstab abgebildete Sarkophag zeigt zum
ersten Male unter der grossen Masse gleichartiger Mo-
numente an seiner Hauptseite den Theseusmytbus.
Die Hi])polytos-Sarkophage, woTheseus nur in neben-
sächlicher Rolle, als bärtiger König auftritt, kommen
hierbei nicht in Pjctracht, ebensowenig der Alope-
Sarkopliag, der — falls die Deutung zutrifft — , wenn-
gleich aut'Kerkyon bezüglich, doch nicht in die Reihe
der gewöhnlichen Thescusabeuteuer eingreift, sondern
die Euripideische Tragödie wiedergiebt, wo der Con-
flikt sich vielmehr um die Tochter des Königs Ker-
kyon drehte. Eher wäre von zwei Reliefdarstellungen
des Minotauros-Kampfes zu reden; doch wie dieser
Gegenstand nun einmal als selbständige Darstellung
beliebt ist'), bildet das eine Relief nur die Keben-
') Die Reliefs sind zusammengestellt bei Conze 'Theseus
und der Minotaur' 38. Berliner Winckelm.-I'rogr. Anm. 8, bis auf
den hierhergehörigen Herakles-Sarkophag aus Köln, Jahrb. der
Arclijinlun. Ztj5. Jiihrf^anf; XLII.
Seite eines sonst den Herakles angehenden Sarko-
phags, wäiirend das andere^) links, wo es ge-
brochen ist, eine Fortsetzung in der Art des vor-
liegenden zulässt und allerdings als Eckstück eines
Sarkophags bezeichnet wird. Die andere Scene,
welche uns hier interessirt, Theseus die Ariadne
verlassend, findet sich auf dem Constantiuoiieler
Hippolytos-Sarkophag (Arch. Ztg. 1857 Taf. 1U0,2),
aber auch sie in untergeordneter Stellung, als
AlterthumstV. im Rheinl. VII Taf. 3, S. 94; die Vordeifldche
desselben enthält zwei Heraklesthaten; die Nebenseiten zeigen
ein Mal (r.) Theseus, das andere Mal (1. zwei S_yni|iben. Uebri-
gens sind, wie ich von Herrn Direktor Conze liöre, mittlerweile
bereits neue Keliefdarstellungen des Gegenstandes zum Vorschein
gekommen.
■-') Frngm. Castellani : Matz v. Duhn Ant. Bildw. II. 2909;
abgeb.Ber. d. S. G. 1878 Taf.V, 3 vgl. S 146. Der Minotaur
liegt hier bereits am Boden, und Thebens, von dem nur die
Füsse erhalten sind, stand siegreich üIjim- ihm,
20
273
M. Meyer, Theseus-Sarkopliag.
274
Füllung: einer Schmalseite, der auf der andern ein
Greif entspricht.
Zufolge der Noiizie cleyli Scavi 1883 p. 372 ist
unser Sarkophag im Oktober des Jahres 1883 in
Castel Giiibileo, dem Orte des alten Fidena, gefunden,
und zwar auf dem Grund und Boden des Herrn
ßianchi, in dessen Besitz er sich noch befindet^),
und durch de>sen Freundlichkeit ich in den Stand
gesetzt bin, seine nähere Kenntniss den Lesern
dieser Zeitschrift zu vermitteln.
Die Hauptfläche dieses aus dem 3. Jahrhundert
n. Chr. stammenden Sarkophags ist in der Mitte
durch einen Piiaster getheilt, der oben jederseits
einen Tiior-Ansatz zeigt, wozwischen die vordere
Fläche mit einer kleinen stark bewegten Gewandtigur
geziert ist*), vor der sich noch ein etwas niedrigerer
Gegenstand, eine Herme scheint es, befindet. Die
Seite links vom Pfeiler, obwohl sehr figurenreich,
enthält nur eine Scene, wälireud man rechts, wohin
wir uns zunächst wenden, sogleich zwei bekannte
Episoden unterscheidet. Man erblickt hier der
^ In Korn Piazza della Minerva bei Fratelli Bianohi. Dort sah
ihn Robert in diesem Frübjahr (s. Sitznngsber. der Arch. Ges. z. Ber-
lin V. G. Mai, oben S. 77); ihm verdanke ich die Angaben über
manche uul" der Photographie nicht deutliche Einzelheiten, über
die ausgebrothenen Stücke, sowie über die Nebenseiten, welche
übrigens mit der Hauptdarstelliing nichts zu thun haben: rechts
•zwei Jünglinge mit Sjjeeren nach 1. gewendet, der hintere sich
umsehend; ganz rechts eine verschleierte Frau den Finger an
den Mund legend; links zwei Jünglinge mit Schwertern und
Speeren nach r. schreitend
■*) Marucchi bezeichnet sie in der kurzen Beschreibung,
die der Photographie beigegeben ist, als eine gi'flügelte Nike
mit Kranz und Palme, während sie auf der Photograjibiu mehr
wie eine tjmpanonschlageude Münade erscheint.
rechten Ecke nahe Theseus, wie auf dem Castel-
lani'schen Fragment^), über dem erlegten Minotaur
stehend, das Schwert an der Seite und die grössten-
theils weggebrochene Lanze in der Linken, mit mehr-
fach umgeschlungener Chlamys und Schuhen beklei-
det. Sein Gesicht, mit unverkennbaren Porträt-
zUgen, ist gegen die Eckfigur gewendet, einen bär-
tigen, düster blickenden Mann mit kahler, stark ge-
furcliter Stirn, der barfuss und nur mit einer Exoniis
angethan in lebliafter Bewegung nach r. wie zum
Weggehen begritfen ist, indem sein rechter Arm
hinter Theseus ausgestreckt ist, als ob er ihn au
dessen Schulter legte und diesen zum Mitgehen
bewegen wollte "). Zwischen beiden kommt im
Hintergrunde der Kopf des Hermes mit Flügelkappe
zum Vorschein. Das erschlagene Ungeheuer, auf
dessen rechter Schulter Theseus mit dem einen
I*"'usse ziemlich unglücklich postirt, ebenso wie der
darüber hinwegschreitende Kahlkopf, steht, liegt
mit dem Haupt dem Beschauer zu auf dem Kücken
durchaus in der Weise, wie auf den Wandgemäl-
den, unter denen (neben Heibig 1213 — 1215 und Bull.
1875 p. 235) besonders das von Heydemann Arch.
Zeitg. 1872 Taf. G7 pubücirte zu vergleichen ist,
nur dass in unserm Falle statt des einen Armes
beide in ziemlich coniplicirter Weise über die Brust
gescldagen sind. In der durchaus übereinstimmen-
'■>) Nur steht er dort auf dem Boden derart, dass seine
Füsse vor und hinter dem Leibe des nach links gestürzten
Gegners zum Vorschein kumuien.
") Auch wenn ihm (dessen Nase übrigens abgebrochen ist)
die unter den Fragmenten befimlliche 'rechte Hand einer Figur
im Ilintergrunile' geliören sollte, würde an diesem Eindruck
nichts geändert
275
M. Mayer, Theseus-Sarkopha;,'.
276
I
den Verkürzung tritt bier der malerische Ursprung
der Sarliophag-Vorbilder mit seltener Deutlichkeit
zu Tage. — Hart an diese Scene selilicsst sieh
links die verlassene Ariadne, von der hinweg
man links — auch dies der Anlage der meisten
Gemälde entsjjrechend — den Tlieseus segeln sieht.
Auch sie, deren Augen hier geöffnet sind, ist,
wie auf den Ariadne-Sarkophagen öfter, mit stark
porträtmässigen Zügen ausgestattet und niciit ohne
Absicht so nahe an den Thcseus der vorigen
Scene gerückt, dass sie sich auf den ersten An-
blick fast anzuschmiegen scheint, während ihr in
Wirklichkeit ein kurzer Pfeiler als Lehne dient.
Die Gestalt, die durchaus den landläufigen Typus
der Ariadne - Sarkophage wiedergiebt (vcrgl. z. 15.
Clarac II 132, 150 und Gerhard Ant. Bildw. 112,3),
ist am 01)erkürppr nackt und legt die rechte Hand
in der bekannten Weise über den Kopf, eine Hal-
tung die, obwohl von der schlafenden hergenom-
men, hier wo zum ersten Male statt des ankom-
menden Dionysos Tlieseus selbst, das Sinnbild des
ebenfalls in dem Sarkophag ruhenden Gatten"),
dargestellt ist, in anderem Sinne, als Zeichen des
Schmerzes, verwendet sein könnte, wenn nicht die
sehr mechanisclie und sinnwidrige Art, wie der
linke .Arm copirt ist, uns eines Anderen belehrte.
Diesem, der zwar gebeugt und als aufruhend ge-
dacht ist, fehlt es, wie schon auf den genannten
Bakchischen Sarkophagen mehrfach, an jeglicher
Unterlage, ein Mangel der durch den jninlello, der
den Ellenbogen mit dem Kiefer des Minotaur ver-
bindet, in keiner Weise ersetzt wird.
Man bemerke noch die mehr zierliche als schöne
Haltung der linken Hand mit den zwei gestreckten
Fingern, eine Eigenthümlichkeit, die so sehr im
Porträtgeschmack gewisser Zeiten ist, dass man
unwillkürlich ein ])aar Kinge an den Fingern
sucht. — Auf diesen beiden Figuren, der Ariadne
und ihrem Kachbar, ruhte ersichtlich das Haupt-
interesse des Bildhauers. Die Figur des zur
Ariadne-Scene gehörigen Theseus, der im Schiffe
steht, ist weit untergeordneter in Stellung und Ge-
wandung, auch in der Porträtiruug minder genau.
Er blickt wie auf den Gemälden von der \nr-
lassenen hinweg ins Meer hinaus (dessen Wellen
sich — wie auch das Schiff und des Theseus Ge-
wand — über den trennenden Pfeiler hinaus fort-
setzen), mit einer merklichen, wohl Trauer bedeu-
tenden Kopfneiguug, ohne dass seine sonstige Be-
') Vgl. die dazu gehöiige Inschrift Aod'zi'c d. üc. a. :i. 0.
wegung recht deutlich würde: beide Hände sind
abgebrochen, und man kann nur von der Linken
etwa annelunen, dass sie auch hier die Lanze hielt,
von der man noch den Bruch am Fusse des
Mastes zu erkennen glaubt. Die Ruderer, deren
man zwei erblickt, sind, um die Hauptperson nicht
zu verdecken, in ungewöhnlicher, fast affenartiger
Kleinheit, dargestellt. — Noch will eine in ihrer
oberen Hälfte zugleich mit dem Mast und Segel
weggebrochene Mannsgestalt erwähnt sein, die zwi-
schen dem Schiff und Ariadne steht, also da, wo
auf den meisten Darstellungen dieses Mythus Diony-
sos seinen Platz zu haben pflegt. Man wird in
dieser ruhig dastehenden mit Cliiton und Mantel
bekleideten Person, die nach rechts hin gewendet
die 1. Hand auf den kurzen Pfeiler legt, kaum
etwas Anderes als einen Gefährten des Theseus,
etwa — wenn eine Benennung räthlich ist — den
Phorbas, erkennen'). So unglücklich pflegt nun
einmal diese Reliefgattung die Scenen ineinander
zu schieben.
Schwierigkeiten bereitet, wie gesagt, die Eck-
figur,s()wie die Anwesenheit des Hermes. Auch hier
liegt es nahe, einen Gefährten und zwar der unter-
geordneten Tracht lialber einen Schiffer zu ver-
muthen, wenngleich das Ungestüm des Mannes so-
wie die Miene, mit der er den Gebieter anblickt,
befremden muss. Es ist, rein äusserlich betrachtet,
eine ganz treffende Charakteristik der Gestalt,
wenn Trendelenburg') dieselbe Charon benannte,
nur dass der Fährmann, soweit ich mich entsinne,
auf Sarkophagen niclit ohne seinen Kahn zu er-
seheinen pflegt. Aber was könnte Charon wollen
von dem Bezwinger des Minotaur? An den Weg
zur Unterwelt, ein Unternehmen, welches sich
durchaus nicht an das kretische anzuschliessen
pflegt, ist in solcher Darstellung nicht zu denken.
Soll man also dem allgemeineren Gesichtspunkte,
der über das Mythologische hinaus die Persönlich-
keit des in dem Sarkophage Ruhenden berück-
sichtigt, soweit Raum geben, um mit Trendelenburg
das Erscheinen des Cliaron und des Hermes
Psychopompos auf den Verstorbenen zu beziehen,
der hier zum letzten Gange abgeholt werde?
Schwerlich. Wenigstens fehlen für eine solche
Unterbrechung des mythologischen Zusammenhangs
so sehr alle Analogien in dieser Monumentenklasse,
") Der zu dieser Figur gehörige Kopf ist erhalten. — Vom
Hintertheil des Schiffes geht über Ariadnes Knie hin ein läng-
licher Gegenstand, dessen Bedeutung ich nicht verstehe.
'■*) In der Anm. 3 genannten Sii/.ung der Arch. Ges.
20*
27'
31. Mayer. Theseiis-Sarkopbag.
278
dass diese Auffassung' scliweren Redenken unter-
liegt. Die natürlichste Eikläruiio; ergiebt sich bei
einer Durchmusterung des ßilderkreises, zu welchem
unser Relief untrennbar gehört. Auf einem Pompe-
janischen Gemälde (llelbig 1218. Gell, Pompeiana II
4'J. Zahn Neuentd. Wandg. 21) erblickt man rechts
von Theseus einen bärtigen Mann in Schiffertracht,
der jenen anpackt und zur Abfalirt drängt, eine
Figur, die sich auf dem Coiistantinopeler Sarkophag
mit geringen Variationen — z. B. liegt die rechte
Hand nicht wie dort und auf unserm Kelief au
Theseus' Rücken — wiederholt'"). Allerdings han-
delt es sich dort um die Abfalirt von Naxos, wo
denn die Trennung dem Helden schwer wird.
Allein das kretische Abenteuer gehört mit jenem
so nah zusammen, und beide mögen, zumal in den
Musterbüchern der Steinmetzen, so oft neben einan-
der dargestellt gewesen sein, dass, wo nicht gar
eine äusserliche Verwechselung vorliegt, die Ueber-
traguug jenes Zuges sich wohl begreifen lässt. Und
hier, wo wir uns innerhalb des gegebenen Kreises
von Personen und Motiven bewegen, wiire es eher
denkbar, dass eine Beziehung auf die porträtirten
Persönlichkeiten obwalte; der betrübte Abschied
von der Gattin, die nicht ohne Absichtlichkeit neben
den Helden der Nachbarscene gruppirt ist, könnte
wie links in dem trauernden Gesichtsausdruck des
Theseus, hier wo in der Bildung der Hauptfigur
allerdings die Rucksicht auf porträtgemässe Attitüde
überwiegt, nocii einmal angedeutet sein sollen.
Aber auch der anwesende Hermes steht dieser Er-
klärung nicht im Wege, er begünstigt sie vielmehr.
Die kostbare Schale aus Corneto {Mon. d. I. XI 20)
mit der Darstellung der verlassenen Ariadne hebt die
Gegenwart des den Theseus antreibenden Götterboten
bedeutsam genug hervor; und für diesen Act ist be-
kanntlich die Rolle des Hermes ausdrücklieh be-
zeugt: vel consulto vel iiecessiküe vel iiiuniln Mer-
curii Ariadnen ibi a Theseo derelictam (Serv. Georg.
I, 222)"). Ein Vergleich mit dem fragmentirten
'") Der Mann, dessen Hurt bei Ziiliii nicht wiedergegeben
ist, sicli aber auch dort in dem unförmlich stiirlien Kinn ver-
räth, steht auf dem Gemälde sowohl wie auf dem Relief be-
reits iui Schiffe, zu dessen Andeutung es auf unscrni Saikojjhag
an l'lalz fehlte.
") Mit diesen beiden Zeugnissen, deren erstes hoch in das
5. Jahrhundert hinaufgehürt, ist so gut wie ausgesprochen, dass
in der Kinlührung des Hermes die Dichtung voranging, und
zwar eine Dichtung, die in Theseus noch nicht den ausschliess-
lich attischen HcMen sah, wie das 6, Jahrhundert und die folgende
zeit. .Sonst hätte es nirht fehlen können, dass vielmehr der
Athena die bezügliche Holle /.uertheilt worden wäre, wie dies
Relief Castellani, welches in der Anlage verwandt
ebenfalls an der r. Ecke mit der Minotaurosscene
begann, sowie mit den Wandgemälden lehrt ohne-
hin, wie unberechtigt es sein würde, die beiden
fraglichen Figuren für einen wesentlichen Bestand-
theil geiade dieser Scene zu halten.
Zur linken Hälfte des Sarkophags sich vfendend
erblickt man in der Mitte den Helden, wie er nach
linkshin einem bärtigen Manne von königlichem
Ansehen die Hand zum Abschied reicht. Zum Ab-
schied, inuss man wohl sagen, nicht etwa bei der
Ankunft; darauf weist ausser der ruhigen Stellung
des Theseus das nach der entgegengesetzten Seite
schreitende Ross, der davouspringende Hund und
besonders die nach derselben Richtung voraneilende
Virtus. In höherem Maasse als ein hinter dem Kö-
nig stehender Trabant fesselt unsere Aufmerksam-
keit ein kleiner fackelschwingender Eros''') im
Vordergrunde zwischen den beiden Hauptfiguren,
zwischen denen noch Raum genug bleibt, um die
auf der bekannten Amphora (Gerhard Etr.-Canip. V. (i) der Fall
ist, einer Darstellung, die in ihren vier aufrecht nebeneinander-
gestellten Figuren hinsichtlich der Erfindung und Composition
nichts Interessantes bietet, während die Cornetaner Sehale darin
so sehr überrascht und erfreut, dass man sich schwer enthält an
monumentale Vorbilder zu denken. Das Gegenbild der Schale
zeigt als wohlgewähltes Pendant (s. Keknie' Ann. d. 1. ISSO
S. 154) die Wiedergewinnung der ungetreuen Helena, wobei
man sich erinnert, dass in dem troischen Cyclus selbst, und
zwar in den Kyprien Nimojo . . ?i' nnQtxßanfi i)iiiytnai . . .
it't TTfpi Srjafu xin 'Aüiaävriv.
'-) Die obere Hälfte der Fackel ist abgebrochen. Am Bo-
den liegen, viel zu gross für Eros, Bogen und Köcher. Links
ein Helm ohne Bedeutung, wie er öfter auf Sarkophagen vor-
kommt. An dem Kopf des Eros lässt es die Photographie
zweifelhaft erscheinen, ob derselbe nach oben gerichtet war, oder
ob, was jetzt wie Hals und Kinn aussiebt, nicht vielmehr das
nach unten gerichtete Gesicht darstellt. Indessen steht der
letzteren Autiassung vielerlei entgegen. Erstens lässt sich un-
geachtet des auf dieser Partie liegenden Schattens nicht
einsehen, wie bei der im Allgemeinen guten Erhaltung der
Oberflächen das stark gesenkte Gesicht, also ein geschützter
Theil, eine so weitgehende Zerstörung hätte erleiden sollen,
während dies bei erhobenem Antlitz wohl denkbar ist. Ferucr
würde die.^e starke Kopfneigung etwas überaus Gezwungenes
haben gegenüber der sonstigen Richtung der nach obenhin
leuchtenden und in diesem Sinne zurückgebeugten Figur. End-
lich würden dabei Gesicht und Kopf viel kleiner als es die
Proportionen sowohl dieses Körpers wie die der sonstigen Eroten
an Sarkophagen fordern, deren Köpfe oftmals sogar grösser,
in der Kegel aber von derjenigen Grösse sind, welche sich bei
unserer Auft'assung herausstellt. Von dem Wulst auf der r.
Schulter, in dem ich nichts als Haarlocken zu sehen vermag,
und der bei der Kopfsenkung eine ganz unnatürliche Lage be-
kommen würde, darf ich nicht einmal sprechen, da manche Be-
schauer denselben nicht als Haar anerkennen.
279
M. Mayer, Theseus-Sarkophag.
280
im Hintergrund stellende weibliche Person, auf die
der Eros Bezug haben nuiss, fast in jranzer Gestalt
sichtbar werden zu lassen. Diese Figur, reich ge-
wandet und mit einem Diadem angethan, hält den
Blick fest auf Thcseus gerichtet, indem sie die r.
Hand au das Kinn erhebt und den jetzt (zugleich
mit der Nasenspitze) abgebrochenen Zeigefinger an
den Mund legte: eine Arnibaltung, die notliwen
dig den quer vorgelialteuen andern Arm als Stütze
voraussetzt, ohne dass sich indess der Arbeiter an
diese Bedingung gei^ehrt hätte. Vielmehr hält die
Figur links ein Scepter, dessen Vorhandensein Ro-
bert constatirt hat, und dessen Windungen man
auch auf der Photographie zu erkennen glaubt;
auf die vorgestreckte linke Hand weist auch die
Lage des schleierartig vom Hinterhaupt herab-
fallenden Gewandes, welches linkerseits (auf dem
Reliefgrunde) sehr schräg herunterfällt und von
der r. Seite her nach demselben Punkte hinaufgeht.
Diese Frau, deren Züge eine strenge Schönheit zei-
gen und in der etwas schweren Unterlippe einer
bestimmten Charakteristik nicht entbehren, kann
keine andere sein als Aphrodite, diejenige Göttin,
deren Cult bald Aigeus (Paus. 1 14, G), bald Theseus
selbst (I 22, o) in Atlien eingeführt haben soll, die
Beschützerin des Theseus auf dem Zuge nach Kreta,
der er vor der Abfalirt ein Opfer braciite (Plut.
Thes. 18), dieselbe, deren Macht ihm in Aiiadne
rettend ersciiien, deren uraltes Bild auf der
Rückfahrt seine Rolle spielt, und die endlich auch
der verlassenen Ariadne beigestanden haben soll '^).
Die Erscheinung der Aphrodite ist uns in diesem
Gestaltenkreise allzu neu, um nicht im ersten ÄIo-
ment etwas zu befremden '^). Aber die Deutung selbst
zu bezweifeln, ist kein Grund vorhanden. Den Eros
nicht mit dieser Frau zu verbinden und statt dessen
'^) Schol. Ilom. A 321 xi<ioXo(i t'nouürii öl irji yluid(Si'tjg
r\ 'A<n>oiUir] fnii/nifTaic .iKinith' avjfj Tiaynii'fJ. Jiuvvaov
yiio latallui yvvitixn xik. Ariadne selbst ist nur eine ver-
dunkelte Aphrodite (Plut. Thes. 20).
'■*) Beim ersten Anbliclt glaubt man in dem Gestus der
Gestalt (der sich übrigens bedeutungslos bei der Frau der r.
Schmalseite wiederholt), wie in ihrem unverwandt auf Theseus
gerichteten Blick eine lebhaftere Theilnnhrae als die einer
blossen Schutzgüttin zu lesen. Man wird an die CatuUische
Ariadne erinnert (04,91)
Non prius ex ilto ßiujrnntia declinavU
lumina quam cuiicfo coiH-epit pect07-e ßammam
JundituR atfjue. imis erarsit tota iiieduliis.
Heu mt'sere exagitans immiti forde furores
sancte puer, curis hoviinum fjui gciudiu wisces,
guuegue regis Golgos etc.
eine bräutliche Scene zu vermuthen, würde seine
Schwierigkeiten haben; denn weder Ariadne kann
mit dieser ganz verschieden charakterisirten, scepter-
führcnden Idealgestalt gemeint sein noch etwa die
andre Minostochter Phädra. Treiidelenburg, auch
hier von dem Mythologischen absehend, glaubt
dargestellt zu sehen, wie der Verstorbene, vor die
Wahl zwischen Tugend und Genuss, zwischen Vir-
tus und Venus gestellt, sich für die erstere ent-
scheidet; eine Allegorie die dem Gedankenkreise
dieser Kunstgattung — wenn hier von Gedanken
die Rede sein kann ■ — so gänzlich fernliegt, dass
wir sie kaum auf einem Herakiessarkophag jemals
erwarten dürfen. Wir haben es einfach mit einer
jener Abscliiedsscenen zu thun, die wie an den
Hippolytos- und sonstigen Jagd -Sarkophagen auf
die rechter Hand dargestellten Begebenlieiten vor-
bereiten. Der König ist hiernach selbstverständ-
lich Aigeus. — Es erübrigen noch zwei Figuren
von einer für den Sinn der Scene untergeord-
neten Bedeutung, deren Köpfe im Hintergrunde
zwischen Theseus und der Virtus zum Vorschein
kommen. Der linke, im Profil stehend und nach
der Aphrodite hinblickend, ist behelmt und weib-
licli; er lässt Athene erkennen, die Scliützerin
Athens und seines Helden, die auch auf dem ver-
glichenen Gemälde gegenwärtig ist. Den andern,
der die Virtus anblickend einen Kranz im Haar
trägt und die energisclien Züge eines bartlosen
Mannes zeigt, nannte Trendelenburg den Ruhm und
kam damit dem Richtigen ganz nahe. Es ist wie
Robert gesehen hat, Honos, der Cult- oder viel-
mehr Tempelgenosse der Virtus, den Purgold mehr-
fach auf römischen Monumenten an der Seite der
Virtus nachgewiesen hat'^).
Die so gut wie vereinzelte Stellung, die der
vorgestellte Mythus in einer so umfangreichen Mo-
nunientengattung einnimmt, würde mit Unrecht dahin
verstanden werden, als ob der ungetreue Theseus
kein recht geeignetes Beispiel gewesen sei, an
Sarkophagen die Liebe der durch den Tod getrenn-
ten Gatten zu illustriren, und als sei es nicht ganz
zufällig, wenn die zahlreichen Ariadne-Sarkophage
eben nicht diese Schattenseite des Mythus, sondern
die Vereinigung der Entschlafenen mit den Himm-
lischen zeigen. Vielmehr können die Sarkophage
mit Darstellungen der Stheneboia- oder der Pliae-
'*) Am Innern des Titusbogen, an der Pantili'schen Basis
Ihn. d. I. VI 7(i), auch auf Münzen, Purgold Archäol. Bemerk, z.
Claudian u Sidon. S. 32 und in der Instituts -Festschrift der
Juvenes Capitolini 1879 p. 22.
281
F. Studniczka, Ostgiebel des Zeusterapcls in Olympia.
282
di-afabel, wo es an PorträtkGpfeu nicht fehlt, zur
Genüge lehren, wie gedankenlos man in dieser
Hinsicht verfuhr; und in einer Klasse von Bildwerken
wie diese, die wie kaum eine zweite als Dutzend-
arbeit gekennzeichnet ist, tauclit schwerlich ein Sujet
auf, wovon nicht Wiederholungen zu erwarten
wären; das Fragment Castellani in Verbindung mit
dem Constautiuopeler Relief bestätigt dies. Uebri-
gens scheinen in römischer Zeit aus dem Leben des
Theseus wesentlich die in popuhärcn Dichtungen
fortlebenden Fabeln von Ariadne und Piiädra illu-
strirt worden zu sein'^), während seine Reise-
Abenteuer aus der Kunst verschwinden.
Auch sonst zeigt unser Relief mancherlei Be-
sonderheiten. Vor Allem fällt — ein wesentlich
die linke Seite angehender Umstand — die grosse
Zahl der anwesenden Götter auf. Unter diesen
'*) Vgl. den Constantinopeler Sarkophag und des Choricius
fictive Bildbeschreibung (Arch. Ztg. 1883 S. 145 Anm. 131).
überragt die Gestalt der Aphrodite, für die ersicht-
lich ein statuarisches etwa in der Art der soge-
nannten Pudicitia gehaltenes Vorbild maassgebend
war, in ihrer ganzen Erscheinung, vor Allem in
den strengen Gesichtsformen, erheblicli den sonsti-
gen Stil des Reliefs. Die Nachahmung wird be-
sonders fühlbar in der plumpen Art, wie der Gestus
der rechten, viel zu gross gerathenen Hand wiederge-
geben ist, während die Function der linken Hand,
die hier ein Scepter halten muss, dem Grundtypus
der Figur geradezu widerspricht. Eine gewisse Un-
gleichheit des Stils wie der Proportionen beherrscht
das ganze Relief. Die Köpfe des Honos und des
Hermes zeichneu sich durch ungewöhnlich grobe
und vulgäre Züge, die unteren Extremitäten des
Theseus und der rechten Eckfigur durch seltsame
Kleinheit aus. Besonders mangelhaft erscheint die
Arbeit an den nackten Körpertheilen der Ariadne.
Berlin. Maximilian Mayer.
MISCELLEN.
ZUM OSTGIEBEL DES ZEUSTEMPELS IN OLYMPIA.
Deutung und Anordnung der Mittelgruppe des
olympischen Ostgiebels gilt seit dem Abschluss der
Funde allgemein als gesichert. Indessen haben
sich mir gegen die übliche Benennung der zwei
weiblichen Figuren im Zusammenhange von Unter-
suchungen über die altgriechische Tracht, die ich
demnächst zu verüfi'cutlichen hotte, schon vor Jah-
ren Bedenken ergeben, die icli hier in kurzer Be-
gründung den Sachkundigen vorlegen möchte.
Die bisher Hippodauieia genannte Figur macht
in ihrer ganzen Erscheinung gewiss nicht den Ein-
druck der Jugendliclikeit. Auch die schlichte
Haartracht lässt sich nicht mehr, wie früher ge-
schehen, als 'mädchenhaft' auifassen, seit ganz über-
einstimmend gebildete Haarpartien vom Kopfe der
'öterope' gefunden sind. Ebensowenig ist die Tracht
ausgesprochen jungfräulich. Dasselbe weite, rings
geschlossene dorische Gewand, mit scheinbaren
Ilängeärineln und über den Gürtel herabgezogenem
Kolpos, tragen wohl ähnlich die attischen Kane-
phoren, aber auch die mütterliche Eirene und die
örtlich sowolil als zeitlich den 01yni])iasculpturen
besonders naiie stehende, von Conze und Miciiaelis
Dagegen fehlt der
Zug der bräutlichen
bekannt gemachte Herastatuette aus Argos. Be-
stimmend für die Benennung war das kleine Ge-
wandstück, welches Hals und Schultern unserer
Statue umgiebt und nach Treu 'in bräutlichein
Gestus' von der Linken gefasst wurde. Aber dieser
Gestus ist in der ganzen archaischen Sitte seit
Homer auch Ehefrauen eigen,
eigentlich charakteristische
Tracht, die reichliche Verhüllung, besonders des
Hauptes, welches hier vollkommen frei bleibt. Auch
scheint mir die Frage in hohem Grade berechtigt,
ob eine Darstellung der Hippodauieia als Braut
überhaupt der Situation entspräche. Oinomaos denkt
nicht daran, dem Fremdling, den er zu besiegen
und zu erlegen hofft wie die anderen Freier, sein
Kind zum Weibe zu geben. F'ür die herkömmliche
Benennung ist also, so viel ich sehe, kein Grund,
und die Deutung auf Sterope zunächst wenigstens
gleichberechtigt.
Gesichert wird sie für mich durch die noch
stärkeren Bedenken, welchen die Anwendung dieses
Namens auf die andere Figur unterliegt. Hierfür
sind zunächst 'die volleren weicheren inatronalen
283
F. Stiuliiiczka, Ostgiebel des Zeustempels in Olympia.
284
Formen' (Treu) geltend geniaclit worden, ich flirclite
gegen den Angenschein der auf allen Abbildungen
liervortrctendeu Maassverliältnisse. Niclit nur sind
I5rust und Seliultern der sogenannten Hippodameia
niclit unbeträcbtlicli breiter, aucb die ausgiebigere
Entfaltung des Gewandes im ganzen Obertheile
bewirken eine massivere, anspruchsvollere Erschei-
nung, während die 'Sterope' auch in Folge ihrer
Arudialtung schmächtiger und seiilanker aussieht.
Entsciieidend aber ist hier die Tracht. Der reiche-
ren Bekleidung der angeblichen Braut steht das
cinfacliste grieciiisciie Frauengewand gegenüber,
das wir liiierliaupt kennen: ein 'Hiuiation' mit
Ueberschlag, das nur auf den beiden Schultern zu-
sammengcnostelt ist, sonst durchaus offen, sogar
ungegiirtet bleibt, so dass bei jeder lebhafteren
Bewegung die an der rechten Seite in parallelem
Zickzack herabliangenden offenen Säume ausein-
auderschlagend Hüfte und Schenkel entblössen
müssten. Wir wissen aus zahlreichen allbekannten
Schriftstellen, dass dieses die Tracht der pelo-
ponnesisclien, insbesondere der lakonischen Mäd-
chen war. Wer die sorgfältige Behandlung dieser
Ueberlicferung in Böhlaus Quaeslioiies de re vesliaria
Graecorum p. 79 — S4 lie>t, wird es kaum begreifen,
wie im Folgenden die Identität der monumental
und der litterarisch bekannten Tracht geleugnet
werden kann. Eines von Böhlaus Hauptarguraeuten
in diesem Sinne ist eben die hier in Frage ge-
stellte Deutung der beiden Giel)elstatuen. Ich ver-
spare eine ausriihrliche Bekämpfung dieses weit-
tragenden Irrthums für die erwähnte Schritt und
begnüge mich darauf hinzuweisen, wie undenkbar
eine Tracht, wie die eben beschriebene, für eine
königliche Jlatrone ist, wenigstens in originaler
aus dem Leben schöpfender Monumenlalkunst des
fünften Jahrhunderts, in der wir sie sonst aus-
schliesslich an ausgesprochen mädchenhaften Ge-
stalten finden. Es genügt hierfür an die 'Iris'
des Parthenongiebels, die eine Charis der athe-
nischen Reliefs, an das Taubenmädclien von Faros
und die diesem nahe verwandte Grabstele in
Venedig zu erinnern. Für mich bleibt also die
angebliche midier senex eine echte fiovöriETtlns
JioQtg xnqa, die bei jedem Schritt zur rpaivofii^Qts
werden nüisste. Und wie trefflich passt zu Hippo-
dameia 'die gleichsam resignirend sinnende Ge-
berde, mit der sie seitwärts geneigten Hauptes ihre
Hechte dem Kinn nähert'. Ihr Schicksal soll der
Wettkampf entscheiden; sie liebt den Jüngling, der
dem sichern Tode entgegenzugehen scheint; viel-
leicht sieht sie auch, falls die Lokalsage sie in die
List, durch welche Pelops den Sieg gewann, einge-
weiht sein Hess, den Untergang des Vaters kom-
men. Es ist dasselbe leise aufdämmernde Pathos,
welches auch aus dem Haupte des sinnenden Greises
spricht. Der Haltung Hippodameias entspricht die
des Pelops, welcher 'bescheiden niederbückt'. Ganz
anders das zweite Paar. Selbstbewusst, die Rechte
in die Hüfte gestemmt, steht Oinomaos da, stramm
aufrecht auch seine xovgiölrj alnyng, stärker im
Körperbau und reicher bekleidet als ihre Tochter,
in dem alten Gestus der Matrone ihr Schleiertueh
lüftend, ähnlich wie Hera im Parthenonfriese neben
Zeus.
Als letztes aber nicht geringstes Argument dürfen
die Fundumstände angeführt werden, trotzdem alle
in Betracht kommenden Stücke weit vom Tempel
verschleppt waren. Es wäre ein sonderbarer Zu-
fall, dass beide Theile der von mir Sterope ge-
nannten Figur ganz in der Nähe des Oinomaos,
vor der südöstliclien, drei von den vier Bruch-
stücken der Hippodameia bei dem Rumpfe des Pe-
lops vor der Nordostecke gefunden wairden, wenn
diese Gestalten nicht auch an ihrem ursprünglichen
Stand- und Kallort ebenso gruppirt gewesen wären.
Die Umnennung bedingt nothwendig auch eine
Umstellung. Aber wer soll den Platz tauschen, die
Männer oder die Frauen? Für Letzteies spricht,
wie Michaelis endgiltig bewiesen zu haben scheint,
die Beschreibung des Pausanias, dagegen die aus-
gesprochene Linkswendung des Kopfes unserer
Sterope, welche die gegenwärtig allgemein ange-
nommene Ansetzung dieser Figur in der Südhälfte
des Giebels veranlasst hat. Gelingt es Kekule,
seine Neuordnung der Composition gegen die vor-
gebrachten technischen Bedenken zu vertheidigen,
dann freilich wäre es möglich, diese Wendung auf
die vor dem nördlichen Viergespann knieende Die-
nerin zu beziehen. Noch passender aber Hesse
sich mit dieser Figur Hippodameia gruppiren. Das
Mädchen könnte der Königstochter, welche nach
einer Version der Sage den Freier auf der Fahrt
begleitete, zu diesem Zweck die Schuhe festgebunden
haben: ebenso wurde — woran mich Benndorf fieund-
lich erinnert — in Polygnots Iliupersis Helena
von der vor ihr kuieenden Elektra reisefertig ge-
macht. Das setzt natürlich die Pausauias wider-
sprechende Aufstellung des jüngeren Paares in der
Nordhällte voraus, wofür doch einigermassen auch
die erwähnte Richtung der Verschleppung zu spre-
chen scheint. Die .Männer wären dann, wie mau
285
H. Blümner, Nachtrag.
286
zuerst angenommen hatte, nicht den Frauen, son-
dern einander zugekehrt gewesen.
So ist denn die Folge dieses Beitrags zur Einzel-
deutung zunächst nur erneute Unsicherheit in der
Erkenntniss des Zusammenhanges. Aber der schein-
bare Eückschritt darf uns nicht verdriessen. Denn
nur auf Grund genauester Erkenntniss der ein-
zelnen Bruchstücke ist die gesicherte Reconstruction
eines zertrümmerten Ganzen erreichbar. Möge die
Lösung dieses Problems denjenigen gelingen, welche
besser als ich alle in Betracht kommenden Mo-
mente überschauen.
Wien, Januar 1885.
Franz Studniczka.
NACHTRAG ZU S. 179ft\
Seitdem ich für meinen Aufsatz über die Speise-
tische der Griechen die oben m'itgetheilte Zusam-
menstellung gemacht, habe ich noch auf zahlreichen
anderen Vasengemälden meine Ansicht, dass diese
Tische drei Füsse, und zwar in der bezeichneten
Weise, gehabt haben, durchweg bestätigt gefunden.
Einen besonders deutlichen Beleg dafür liefert die
in den Wiener Archaeol. Vorlegebl. Ser. VI. Taf. 10
abgebildete Schale des Duris. Hier ist auf jeder
Hälfte der x\usscnseite, deren Darstellungen sich
genau entsprechen, neben zwei in der Vorderansicht
gegebenen Klinen mit Speisenden, vor denen Tische
stehen, ein Speisesopba von der Kopfseite aus, der
Gelagerte also vom Kücken dargestellt, und dem
entsprechend auch der vor ihm stehende Speisetisch
nicht von der vorderen Langseite, sondern von der
rechten Schmalseite gesehen abgebildet. Hier er-
scheint denn der dritte Fuss (von der linken
Schmalseite) genau in der Mitte der beiden an-
deren; und während an den von vorn gesehenen
Tischen nur links am Fuss eine nach inwendig ge-
richtete, die Tischp atte und das Brett darunter
verbindende Verzierung sichtbar ist (vergl. oben
S. 190), und zwar im Profil, diese aber beim rechten
Fuss nicht vorhanden ist, weil durch den Fuss
selbst verdeckt, sieht man bei der von der Schmal-
seite genommenen Ansicht des Tisches alle drei
konsolartigen Stützen, und zwar die der beiden
vorderen Füsse im Profil, dagegen die des hinteren
Fusses genau folgerichtig en face. Weiterhin kann
man auch hier an den Tischen beobachten, dass
die Tischplatte an der Seite, an der die zwei Füsse
angebracht sind, etwas vorsteht, während dies an
der anderen Seite nicht der Fall ist. Dagegen
giebt auch dies Vasenbild keinen sicheren Auf-
schluss über die Gestalt der Tischplatte. In meiner
Annahme, dass das Tischblatt dreieckig oder trapez-
förmig gewesen sei, bin ich wieder etwas schwan-
kend geworden durch den Man. d. Inst. III T. 49 auf
einer Darstellung der Phiueussage abgebildeten
Speisetisch, der zwar deutlich drei Füsse, aber kein
trapezförmiges, sondern sicher ein oblonges Tisch-
blatt zeigt. Ich muss danach es doch als möglich
bestehen lassen, dass die Speisetische die S. 187
(unten) angegebene Form hatten; nur bin ich ausser
Stande anzugeben, was es für einen Zweck gehabt
habe, dass man an der einen Schmalseite des
oblongen Tischblattes bloss einen Fuss anbrachte,
und ferner wie es kommt, dass diese Seite des
Tisches mit dem einen Fuss immer zu Füssen des
Speisenden sich befindet. Vielleicht geben weitere
Funde auch hierüber einmal Aufschluss.
H. Blümner.
287
288
BEKICHTE.
CHRONIK DER WINCKELMANNSFESTE.
Athen. Das arcliäologisclie Institut in Atlicn
hat am 10. December seine diesjälirigen Sitzungen
eröffnet. Es tiugen vor die Herren Köhler über
.\egyptisclie Urkunden und griechische Tradition,
üörpfeld über das griechische Tlieater, Lolliug
über die Topographie der Landschaft Doris.
Rom, 12. December. Herr Ricliter sprach über
die Befestigungen des antiken Ardea. Er erörterte
zunäclist die Nothvvendigkeit, die noch existirenden
altitalischen Befestigungen auch für die römische
Topographie zu verwerthen und durch ihr Studium
namentlich Licht über die älteste Periode Roms von
der Gründung der Stadt auf dem Palatin bis zur
Errichtung
gefundenen
der sogenannten servianischen Mauer
zu verbreiten. Die wichtigsten Fragen für diese
Zeit, wie wir uns die stufenweise Entwickelung der
Stadt zu denken haben, und in welchem Verhält-
nisse die innerhalb des servianisciien Mauerkreises
Mauern zu diesem stehen, sind bei
der fast gänzlichen Unbrauchbarkeit der Ueber-
lieferung nur auf diesem Wege zu lösen. In Ardea
sind drei Befestigungslinien vorhanden, die in zeit-
lich weit auseinanderliegendeu Perioden errichtet
wurden. Die Befestigung der ursprünglichen, sehr
unbedeutenden Anlage l)esteiit, wo der natürliche
Fels nicht Sciiutz gewährt, aus Mauern, die liin-
sichtlich der Fügung den in Rom vorhandenen
gleichartig sind. Die beiden anderen Befestigungs-
linien sind Erd wälle, von denen namentlich der
zuerst errichtete in manchen Beziehungen Analogien
mit dem Serviuswall aufzuweisen hat. Die Thore
der Stadt (im ganzen zehn) sind sämnitlich nach-
zuweisen. Aus den auf dem Boden der Stadt ge-
fundenen Resten ergiebt sich, dass die äusserste
Wallraauer schon aufgegeben und die Stadt auf den
Raum bis zum ersten Wall beschränkt gewesen
sein muss, als Ardea unter römischer Herrschaft
stand, dass also seine Blütheperiode in sehr frühe
Zeit fällt. Es ergiebt sich ferner, dass auch in der
Zeit der weitesten Ausdehnung die früher errichte-
ten Befestigungen erhalten wurden und die Bewoh-
ner der verschiedenen Theile durch Thore mit ein-
ander verkehrten.
Herr Heibig behandelte auf Grund der neue-
sten Ausgrabungen in Corneto und Vulci die Frage
nach der Herkunft der Etrusker. Er gab zu-
nächst eine Uebersicht über die beiden ältesten in
Archiiolog. Zt^. .Irthrgan{,' XLII.
Jenen Nckropolen vorkommenden Gräbertypen. Das
älteste Grab nicht nur dort, sondern in ganz Etru-
rien ist die sogenannte 'lomba a pozzo' d. i. ein
vertical in die Erde oder den Felsen eingearbeite-
tes Loch, welclies ein Ascliengefäss enthält. Hierauf
folgt die 'lomba a fossa' d. i. ein viereckiger Gra-
ben mit einem nnverbrannten Leichnam. Da die
jüngsten lombe a fossa bereits korinthische Vasen
enthalten und demnach dem 6. Jahrhundert v. Chr.
angehören, so ist es unzweifelhaft, dass diese Grä-
ber von Etruskern herrühren. Der Vortragende er-
wog, ob das Gleiche auch für die ältesten tombe a
fossa und für die vorhergehenden lombe a pozzo
anzunehmen sei. Wenn diese, wie mehrere Gelehr-
ten meinen, von einer vor der etruskischen Ein-
wanderung in jener Gegend ansässigen italischen
Bevölkerung herrührten, so würde der Inhalt der
tombe a fossa einen Abbruch der Entwickelung be-
weisen. Dies ist aber nicht der Fall; vielmehr
stellen die Gräber beider Arten eine ununterbrochen
vorschreitende Entwickelung dar. Die lokale Kera-
mik wie die Metalltechnik erscheint in den lombe
a fossa als die organische Weiterentwickelung des
aus den lombe a pozzo bekannten Stadiums. Eine
ganze Reihe von Typen ist beiden Arten von Grä-
bern gemeinsam, und vielfach lassen sich Funde,
die aus der jüngeren Schicht stammen, von denen
der älteren nicht unterscheiden. Wenn demnach
die jüngsten lombe a fossa sicher etruskischen Ur-
sprungs sind, so gilt das Gleiclie auch für die älte-
ren Gräber dieser Art und für die vorhergehenden
tombe a pozzo. Nun kennen wir in der Poebene
eine Reihe von Nekropolen, welche eine ganz gleiclie
Cultur zeigen, wie die im eigentlichen Etrurien ent-
deckten lombe a pozzo. Der Vortragende hatte
schon früher vermuthet, dass jene in der Pogegend
vorliegende Schicht niclit nur Reste der Italikcr,
sondern auch der Etrusker enthalte, dass beide
Völker, als sie auf der Ostseite des Apennin wolin-
ten, durch das gleiche Stadium durchgegangen seien
und in diesem Stadium den Apennin überschritten
und ihre historischen Sitze eingenommen hätten.
Diese Vermuthuug wird durch den Kachweis, dass
die in dem eigentlichen Etrurien entdeckten lombe
a pozzo von Etruskern herrühren, zu einer histori-
schen Thatsache. Zugleich ist hiermit auch die
Frage nach der Herkunft der Etrusker entschieden.
21
289
Clironik der Winckelmaniis-Feste.
290
Der Inhalt der etruskischen tombe a pozzo erscheint
nah verwandt dem der ältesten latiniselien Gräber,
die wir kennen, und im besonderen dem des älte-
sten Theiles der Kekropole von Albalouga. Ein
Unterschied zeigt sich iiöchstens darin, dass die
latiuisehe Gruppe einen ärmlicheren Eindruck macht
und eine geringere Varietät von Culturobjecten auf-
weist als die etruskische. Also sind Italiker wie
Etrusker mit einer ähnlichen Cultur au dem Ge-
stade des Mittelnieeres eingetrofi'en, eine That-
sache, durch welche sich zugleich erklärt, dass die
beiden Völker in der älteren griechischen Literatur
nicht scharf von einander unterschieden werden.
Jene Aehnlichkeit der Cultur wäre aber unerklär-
lich, wenn die Etrusker aus Kleinasien nach Italien
eingewandert wären. Vielmehr nüthigt sie zu der
Annahme, dass Italiker und Etrusker, bevor sie die
westlichen Theiie der Halbinsel besetzten, in der-
selben Gegend wohnten und daselbst den gleichen
Culturbedingungen unterlagen. Kun ist es aber
gewiss, dass die Italiker aus dem Norden einwan-
derten und zunächst in der Poebene einen langen
Halt machten. Das Gleiche gilt demnach auch für
die Etrusker. Ferner berechtigt die Aehnlichkeit,
welche zwischen der Cultur der beiden Völker ob-
waltete, als sie den westlichen Theil Italiens be-
setzten, zu dem Schluss, dass der Uebergaiig der
Etrusker und der der Italiker über den Apennin
ungefähr gleichzeitig erfolgten. Der Vortragende
machte hierauf den Versuch, die Zeit dieser Wan-
derung annähernd zu bestimmen. Offenbar wurde
der Uebergang der Sikuler nach der Insel, der sie
den Namen gegeben, dadurch veranlasst, dass sich
die Etrusker und die Italer auf der Westseite des
Apennins ausbreiteten. Für den Uebergang der
Sikuler aber ergiebt sich ein Terminus posl quem
daraus, dass die Dichter der Odyssee als Bew;oli-
ner der südöstlichen Küste Italiens noch nicht die
später daselbst ansässigen lapygier oder Messapier,
sondern noch die Sikeloi namhaft machen. Be-
kanntlich schildert das homerische Epos die Völker-
verhältnisse, wie sie vor der dorischen Wanderung
vorlagen. Also dürfen wir annehmen, dass vor
dieser Wanderung die Sikuler noch auf dem Cou-
tinente ansässig waren und gleichzeitig mit der-
selben oder kurz nachher nach der benachbarten
Insel übersiedelten. Ein Terminus ante quem ist da-
durch gegeben, dass die Hellenen, als sie nach der
Mitte des achten Jahrhunderts die Ostküste der
Insel zu colouisiren anfingen, daselbst bereits Si-
kuler vorfanden. Wenn nun die Auswanderung
der Sikuler eine Folge des Vorrückens der Etrusker
und Italer war, so haben die letzteren beiden Völ-
ker ebenfalls entweder gleichzeitig mit der dorischen
Wanderung oder bald darauf den Apennin über-
schritten. Endlich weist der Vortragende daraufhin,
dass zwischen den Völkerbewegungen, welche gleich-
zeitig auf der Balkan- wie auf der Apenninhalb-
insel stattfanden, offenbar ein Zusammenhang be-
steht. Es müssen sich damals im mittleren Europa
Umwälzungen vollzogen haben, welche ein Vor-
rücken der Völker nach Süden zur Folge hatten
und ihre Wirkungen auf beide classischen Länder
erstreckten. Vielleicht hat man dabei an den Ein-
bruch der Germanen zu denken.
Berlin, 2. Decernber 1884. Das diesjährige
(44.) Winckelmannsprogramni der archäologischen
Gesellschaft ist von Herrn Weil verfasst; es be-
handelt: „Die Künstlerinschriften der sicilischen
Münzen." Die Festsitzung leitete der Vorsitzende
Herr Curtius mit einem Nachruf an die im Laufe
des Jahres verstorbenen Mitglieder der Gesellschaft,
die Herren K. MüUenhoff, R. Lepsius, J. G.
Droysen, Lord Ampthill, F. G. Kiessling, K.
F. Meyer ein und gab dann einen Ueberblick über
die Fortsehritte, die das verflossene Jahr in Er-
forschung der klassischen Welt gebracht hat. Das
Hochland von Lykien hat eine österreichische Ex-
pedition unter Benndorfs Leitung erschlossen; iu
Pergamon ist die Forschung über die Altarter-
rasse weit hinausgegangen; in Athen hat die Auf-
deckung des antiken Bodens der Akropolis begon-
nen und Denkmäler und Staatsurkunden aus der
Pisistratidenzeit ans Lieht gefördert; über die Kunst-
schulen auf den Cykladen gewährt das durch
französische Forscher gebildete Museum delischer
Alterthümer auf Mykonos neue Aufschlüsse; in
Klazomenä sind die ersten Denkmäler altioniseher
Thonnialerei zum Vorschein gekommen; die Trüm-
merstätten von Assos sind durch Amerikas Be-
mühungen neu durchforscht w'orden; eine von grie-
chischen Gelehrten in Olympia gehaltene Nach-
lese hat das letzte Viertel der Palästra freigelegt
und kleinere Fragmente der Giebelgruppen und
Metopen, Statuenbasen, altcrthümliche Werke iu Er/,
und Stein u. A. zu Tage gefördert. Das merkwür-
digste Ergebniss des verflossenen Jahres ist jedoch
die Aufdeckung der Burg von Tiryns durch
H. Scliliemaun, durch welche von neuem der histo-
rische Gehalt griechischer Heldensage glänzend be-
stätigt worden ist. Die Durchforschung des Askle-
pieion bei Epidauros ist ausserordentlich frucht-
291
Clironik der Winckelinaiiiis- Feste.
292
bar an den interessantesten Inschriften, Bauresten
und Bildwerlien gewesen. Unsere Kenutniss der
wichtigsten Gattung- monumentaler Plastik , der
ftiebelsculptur, ist durcli die Auffindung der be-
malten Porossteinreliefs von der Aliropolis mit He-
raklesdarstellungen, sowie durch Funde in Epidau-
ros und Luni bereichert worden. Mit dem Finden
hält die Verarbeitung des Gefundenen gleichen
Schrilt: ein Hauptstiick der pergamenischen Giganto-
machie ist seit kurzem in richtiger Höhe mit seiner
ganzen arciiitektonisciien Umrahmung aufgestellt
worden und die 21 Figuren des Ostgicbels von
Olympia sind in voller Grösse mit Sicherheit ergänzt
worden, so dass jetzt das Giebelfeld in seinen ur-
sprünglichen Maassen uns vollständig vor Augen
steht.
Her Furtwängler besprach ein Hauptstiick der
jüngst vom König]. Jlusoum erworbeneu Sabu-
roff schon Sammlung, die lebensgrosse Bronze-
statue eines nackten Jünglings, welche, bis
auf den Kopf völlig erhalten, auf dem Meeresgrunde
bei Salamis gefunden wurde, die einzige grosse
Bronze aus der Bliithezeit des Erzgusses, welche
auf griechischem Boden zum Vorschein gekommen
ist. Nach einer ausführlichen Erörterung über die
verschiedenen Typen der ruhig stehenden unbeklei-
deten Jünglingsfigur in der antiken Plastik kam
der Vortragende zu dem Resultat, dass die Sabu-
roff'sche Bronze etwa dem Anfange des 4. Jahrh.
V. Clir. angehöre und aus der argivischeu Erz-
giesserschule stamme. Sie stelle, worauf Reste lan-
ger Locken auf den Schultern führten, wahrschein-
lich Apollo dar. — Herr Mommsen las über den
Begrifl" des römischen Limes und über den jetzi-
gen Stand der Forschungen über den germanisch-
raetischcn Grcnzwall. Bei dem Kreuzsclniitt, auf
dem die römische Messkunst beruht, bedeutet cardo
die Sehlinie des Messenden, limes (später limes deci-
manus oder decimanus schlechtweg) die diese schnei-
dende Querlinie. Da diese Linien die Ackerstücke
begrenzten, so bildeten sie auch die Wege. Wäh-
rend nun für cardo in dieser Beziehung via (Haupt-
•weg) eintrat, bezeichnete limes den Querweg oder
auch den Nebenweg. Dies ist der Gebrauch des
Wortes in der Sprache der republikanischen Zeit.
Auf die Grenzen bezogen findet sich das Wort zu-
erst bei Velleius. Auch in diesem Sinne bedeutet
es zunächst die Querstrasse, welche die Verbindung
von einem Grenzposten zum andern herstellt. Eine
solche befestigte Querstrasse ist z. B. der Hadrians-
wall in Britannien. Der obergermanische Limes
ist ein Erdwall mit vorgelegtem Graben, in dem
Waclitthürme und ca. 50 Kastelle eingefügt sind.
Der sich aiiscldicssende rätische Limes ist eine ein-
fache SteinschUttung ohne Kastelle. In ihrer ersten
Gestalt gehört diese Anlage der flavischen Zeit an;
sie ist ca. 70 — 80 deutsche Meilen lang, wovon
zwei Drittel auf den obergermanischen Theil ent-
fallen. Zweck derselben kann nicht eine fortifika-
torische Umwalluug gewesen sein, denn die ganze
Besatzung der Provinz (30,000, im 2. Jahrb. sogar
nur 20,000 Mann) hätte nicht einmal für eine Be-
setzung der Kastelle, geschweige denn des dazwi-
schen liegenden Walles ausgereicht. Sie kann für
gewöhnliche Zeiten nur zur Sicherung der Grenze
gegen Räuber und Schmuggler gedient liaben. —
Zum Schluss legte Herr Gurt ins einen von Herrn
Kaupert entworfenen Grundriss des attischen
Kerameikos im Maassstal)e von 1 : 1(X)0 vor und
zeigte, wie der Kerameikos sich auch von Natur in
zwei Abtheilungen gliedert, eine südliche, welche
bis zur Hermenstoa noch dem Terrain des Areopags
angehört, und eine nördliche, die eigentliche Nie-
derung, von der Attalosstoa im Osten begrenzt.
Für die Richtung des Dromos nach dem Dipylou
konnte die Fundstätte des Eubulides-Denkmals als
fester Punkt angesetzt werden. Bei Erörterung der
Amtslokale und Verkehrsplätze konnte der Vortra-
gende auf den neu aufgedeckten Stadtmarkt von
Assos Rücksicht nehmen, von welchem eine Skizze
des Herrn Koldewey vorlag. Die Anlagen von Athen
sind lur alle ähnlichen Anlagen von vorbildliclier
Bedeutung gewesen.
Bonn, 9. December. Der Vorsitzende des Alter-
thurasvereins, Professor Schaaff hausen, begann
die Reihe der Vorträge mit einem Hinweis auf die
Alterthumsforschung der Gegenwart, die nicht nur
ihr Gebiet erweitert, sondern auch ihre Methode
vervollkommnet habe. Was unsere Zeit kennzeichne,
sei das Zusammenwirken der verschiedensten mensch-
lichen Kenntnisse zur Lösung einer wissenschaft-
lichen Frage. Bei vielen archäologischen Unter-
suchungen werde jetzt die Naturwissenschaft, zumal
die Anthropologie, die Chemie, das Mikroskop zu
Rathe gezogen. Jedes Jahr bringt uns neue Schätze
der alten Kunst, aber auch neue Ansichten der For-
scher, die uns oft überraschen und das wieder in
Frage stellen, was wir für ausgemacht gehalten
haben. Wir stimmen gewiss noch Lessing bei,
wenn er sagt, dass die Schönheit das höchste Ge-
setz der bildenden Kunst bei den Griechen gewesen
sei, aber wir fragen: war diese Schönheit eine Er-
at*
•293
Chronik der Winckelmanns-Feste.
294
liudung des Künstlers, oder war sie der Natur ab-
gesehen? Die Forschungen von Quetelet und Kico-
lecci beweisen das letztere. Auch das griechische
Profil ist ein nationaler Typus. Nur darin wird die
Natur von der Kunst übertrotlen, dass diese das
Schöne vereinigt, das im Leben nur vereinzelt ge-
trofl'en wird. Das Ideal der bildenden Kunst aber
bleibt eine Abstractiou von der Wirklichkeit. Die
.Sculptur befriedigt uusern Sciiönlieitssinn nur durch
die Form. Mau hat neuerdings auf Grund von
Farbresten, die man an griechischen Bildwerken
gefunden, die Behauptung aufgestellt, die Griechen
hätten ihre Marmorstatuen bemalt und wir sollten
es wieder thun. Die Kunst kann aber der Farbe
entbehren, wie es die Werke in Erz und in Elfen-
bein sowie die geschnittenen Steine zeigen. Selbst
die Zeichnung und der Kupferstich wirken ohne
Farbe. Für diese giebt es eine besondere Kunst,
die Malerei. — Hierauf hielt Professor R. Kekule
einen Vortrag über die Kunst des Praxiteles. Er
begann mit dem, was sich aus den Nachrichten der
alten Schriftsteller und aus Inscliriften über die
Persönlichkeit, die Familie und über die Werke des
Künstlers feststellen lässt. Winckelmann Hess mit
Praxiteles den zweiten und anmuthigeu Stil der
griechischen Kunst beginnen; er suchte sich den
Unterschied zwischen Phidias und Praxiteles durch
den Unterschied von Kaphael, Andrea del Sarto
und Leonardo auf der einen, von Correggio, Guido
und Albano, den „Vätern der Grazie", auf der an-
dern Seite klar zu machen. Der Redner wies darauf
hin, dass, während gegen 50 Werke des Praxiteles
erwähnt werden, wir nur von 7 eine mehr oder
weniger deutliche Vorstellung haben. Die wich-
tigste Grundlage unserer Kenntniss des Künstlers
ist das einzige noch vorhandene Original, der in
Olympia gefundene Hermes; im übrigen sind wir
auf Copien, Nachbildungen, Umbildungen und Re-
miuisceuzen angewiesen. Dabei kamen zur Bespre-
chung: der Apollo Sauroktonos, die knidische Ve-
nus, der ausruhende und der eingiessende Satyr,
die gewandknüpfende Artemis und der Eros von Pa-
rion. ^ Prof Klein lenkte zuletzt die Aufmerk-
samkeit der Versammlung auf zwei im Laufe des
vorigen Jahres in der Nähe von Köln aufgefundene
Thonwaarenfabriken, von deren Inhalt er die
einzelnen Fundstücke, soweit sie in das Provinzial-
Museum zu Bonn gelangt sind, vorlegte. Nachdem
er kurz über die den Fund begleitenden Umstände
berichtet hatte, ging er näher auf Form, Material,
Farbe, Gliederung und Verzierung der zu Tage ge-
förderten Thongegenstände ein, unter denen Masken
und Figuren einen besonderen Platz einnehmen.
Redner suchte daun die Bedeutung und Bestimmung
dieser beiden letzteren Gegenstände aufzuklären, in-
dem er den ersteren nicht eine theatralische oder
sepulcrale, sondern eine deeorative Bestimmung bei-
legte, die Thonfiguren dagegen wegen ihrer ausser-
ordentlichen Kleinheit für Nippsachen, beziehungs-
weise Kinderspielzeug erklärte. Ein gesteigertes
Interesse verleiht diesen Funden der Umstand, dass
auf ihnen zum Theil die Namen der beiden Fabri-
kanten nebst Angabe, wo das Geschäftslokal der-
selben im alten römischen Köln lag, eingebrannt
sind, wodurch ein nicht unwichtiger Beitrag zur
Kenntniss der dunkeln Topographie Kölns gewon-
nen wird. Der Zeit nach gehört der Betrieb der
beiden Fabriken höchst wahrscheinlich dem Ende
des 3. Jahrhunderts n. Chr. an.
Kiel. Zur Feier des Winckelmannsfestes hielt
Professor Dr. Richard Förster im Philologen-
Verein einen Vortrag über „die Verläumdung
des Apelles in der Renaissance." Der Vor-
trag soll im Druck erscheinen.
Berichtigung zu S. 213.
In dei' Abbildung der ^Schlangentopfwerferin' sondern der Natur entsprechend abwärts, vom
st leider ein kleines Versehen des Zeichners unbe- Kopfe herunter. Wird dieser Umstand nach Mass-
merkt geblieben: an dem im Original freilich sehr
verwitterten Halse der Schlange nämlich laufen die
Schuppen nicht in verkehrter Riciitung aufwärts,
gäbe des Originals in der Abbildung verbessert, so
findet keine Unterbrechung der natürlichen Win-
dungen der einen Schlange statt. 0. Puchstein.
295
296
Naclitrcij
Zu der von uns angeführten Stelle der Hera-
kliden des Euripides giebt Musgrave weitere Belege
flir die Personification von ^liov. Suidas u. Jiayvd-
fuüv, 'Eniifttving und 'HQataxog. Orpheus ad Mu-
saeum 28. Nonuus Dionvs. VI, 371. VII, 23ft'. XLI,
179. Quintus Sinyrn. XII, 194.
Auf die Beziehung des abstrakten Begriffes zur
Unterwelt, durcli bezeichnende Attribute kenntlich
gemacht, liat Clemens Otto in seinen Quaesliones
Sophocleae p. 19 im Programm des kathol. Gymn.
an der Apostelkirche zu Köln vom J. 1876 auf-
merksam gemacht. Er citirt Eur. Phoen. 1487 :
ntdJfiaTa vexgwv zgiaatuv | xotKJJ i^avarw \
axmtav alwra laxnvtiov. Eur. Iph. Aul. 1508: lio
zu S. 2G6.
la/.i7Jadnv'/ng afiega Jiög. xe (fiyyog | fxsgnr
t'ceqov alcüva xai (xolQav olxrjao/i(£v , und emendirt
bei Sopli. El. 1085: xal av näyxlavzov alüi (so
Nauck für alcSva) xelaivov (für xlsivov) e'i'lnv.
Von der mehrfach vorkommenden löwcn-, auf
Mithrasreliefs auch mensclienköpfigen Gestalt (Zoega
Bassr. T. 59. Müller-Wieseler Denkm. II Taf. 75,967.
Visconti Miiseo Pio-Cl. II T. 19. Montfaucon Ant.
expl. 1,2 Taf. 215,4. Caylus Recueil N\ T. 74,1),
welche Zoega Aeon benannt hat, konnte abgesehen
werden, da diese spätrömische Allegorie mit der
Personitication des Aeon aus guter Zeit, wie sie uns
jetzt zum ersten Male vorliegt, jedenfalls nichts zu
thun hat. Hartwig.
Br. = Bronze. G. ■■
Gemme. Mos. =
5(0.. = Statue.
Aberdeen Kopf aus Olyniiiia in — 71
Abschied sscene auf Skphijn. 1 7
Abu Habba (Babylonien) Ausgrabun-
gen in — 75
Abydos, Golddiadem aus — 92 ft'.
Achilleus-Si'/jÄje. 219
Achna b. Salamis (Cypern), Tn. und
Inschr. aus — (Brit. Mus.) 143 f.
Ackerbau V. d. Nikosthenes (Berlin)
60,9
Adler den Ganyniedes entführend T.
aus Myrina (Berlin) 76
Aeakos auf Unterwelts- T'. (Karlsruhe)
265
Aeetes' Schattenbild 10
Aegeus auf 'Vhesem-Shphy. (Koni) 77.
280; stiftet den Cult der Aphrodite in
Athen 279
Aeneas Tinryioj iltöi in llion auf In-
schriften 223,1; sein Auszug von Atfen
piirüdirt Wgm. 10,15
Aeon personilicirt I'. (Karlsruhe) 266.
295.
Aeschylos Sept. 645:26-1,16; Fragm.
280:9
Affe T. (Berlin) 66; Aeneas' Auszug
von — n parodirt 11'^»«. 10,15
Ageladas Pheidias Schüler des — 134
Aglauros Wagenlenkerin der Athena
(Parthenonmetope) 54
Alaesiagae german. Gottheiten 74
REGISTER
VON
KONRAD WERNICKE.
I.
Mosaik. Mze. = Münze. Rel. = Relief.
T. = Terracotta. V. = Vase. Wgm. =
Alba longa Nekropole von — 289
UkrfUtta personificirt im Pinax des
Kebes 122
Alexander d. Gr. Herme Azära 161
Alexander I. von Epeiros Mzn. des —
229
Alkyoneus 31 ff.
Alphabetische Reihenfolge der Namen
auf lateinischen Inschriften 73
A 1 1 a m u r a , Unterwelts- 1'. aus — (Neapel)
253 ft:
Altar Form des — s der Athena Nike
96, S; Modell eines — s aus Cypern
(Brit. Mus.) 143; Lapithenfrauen zu
einem — flüchtend Vn. 58,3; Knabe
neben — T. (Berlin) 66
Amasis T' des — ans Orvieto (Neapel)
237
Amazonen-Kampf 1". aus Athen (Ber-
lin) 66 f.
Ampliitrite (Paiihenonmetope) Ö3
Anakreon l'ortratdarstellungen des —
149 ft'.
'Aväyxi] personificirt Rel. 129; Unter-
welts-f. (Neapel) 265.
Andreas, Erzgiesser, Inschr. des —
(Olympia) 146
A n taios 37,1 I
Anthologia Palatina V 56. 96. 100.
155:4,5; 179:19 VII 23— 33 : 150 ;
424:141; 42S:14_' 1X28.102—104.
Shphy. = Sarkophag.
Wandgemälde.
Sp. = Spiegel.
387:224,2; 599:152; 792:270 XII
92. 93:4,5; 132:4 XVI 306 —
308: 150
Anthologia Latina 411:224,2
Antiocheia des Eutychides 140. 162
Antiochos Athena des — (V. Ludovisi)
131
Antiochos I. So ter Porträtdarstellun-
gen des — 157 ft'.
Antiochos d. Gr. 230,21. 232
Antiochos I. v. Commagene, Grabmal
des — 63
Antipater Dichter d. Anthologie 141.
270
Antonin US Plus Br.-Mze. des — (Ken-
taurenkampf) 58,3
Apelles Monoknemos des — 133ft'.;
die koische Aphrodite des — 135 f.
Apfel Attribut der Athena Nike 96,8
«(/ /«dro»' in der Hand der Parthenos
G. aus Cypern 167
Aphrodisias Eros u. Psyche Marmor-
gruppe aus — (Berlin) 20 ff.
Aphrodite Eros fesselnd 19; sandalen-
lösend 138 ; sich spiegelnd V. aus Caere
(Berlin) 83. 86 ; koische — des Apelles
135; — auf Theseus - Skphg. (Rom)
78. 279 f.
Apollodor m 12,2, 2 223,1
A p o 1 1 o n Br. Saburoff aus Salamis
^Berlin) 291 ; im Gigantenkampf (Par-
297
Register.
298
thenonmetopen) 49. 52; — uiul Mar-
syas Vn. 87 f., von Eroten ijarodiit
10,15; Orestes schützend T'n. "201 tt'.
Apotropaea, Glocken als — 145
Appian Mithr. 53;223,1- 235,32
Apuleius Psychefabel bei — 3; Metani.
XI 11:216
Aquari Skphge. im Besitz von — (Rom)
77
Ardea, Befestigungen des antiken —
287
Ares im Gigantenkampf (Partlienon-
metopen) 48 f.
Hyijaf, peisonificirt im l'inax des
Kebes 124
Arg OS, Eros u. Psyche 3larmorgrui>i>e
aus — 15
Ariadne und Dionysos, Golddiadem aus
Abydos 92; — und Theseus, arch.
Goldschmuck aus Korinth Berlin) und
V. (Corneto) 107; — von Theseus
verlassen Skphg. (Rom) 272, Wgm.
274 f., Vn. 277 f.
Aristomachos, Erzgiesser, Inschr. des
— (Olympia) 146
Aristophanes und Erginos V. von —
(Berlin) 47
Aristophanes Fragm.530: 185; Lysistr.
760:163,5; Ritt. 1092 ff.: 163. 1169:
164; Vögel 514: 164.525:166,13. 670:
164. 693ff.:266. 1115:166,13
Aristophontes' Dysarestia 3
Armband goldenes — aus Griechenland
(Berlin) 67
Armentum Vn. aus — 207. 25411'.
Artemidor Onirocr. II 37:119,2;
III 36: 173; p. 147,5:142
Artemis Br .- Statuette (Berlin) 65; —
Polymastos Statuette aus Ephesos
(Brit. Mus) 144; auf Hirsch reitend
SiUierteller (Berlin) 67; im Giganten-
kampf (Parthenonmetopen 54; auf
Neoptolemos - r. (Corneto) 72; auf
Orestes- Fn. 203. 205; Votive aus
einem kypr. Tempel der — (Brit.
Mus.) 143
Asia, personiticirt ßr. (Brit. Mus.) 1311,
vgl. 25 ff. 209 ff'.
Asklepios Sta. zu Epidauro.s 130;
Dipti/chon (Liverpool) 218
Aspasios G. des — mit licplik der
Parthenos 129
Assos, Tempelreliefs aus — 64
Assteas, Herakles- T'. des — 202,9
Assur- nasir-ahal , assyr. König 75.
Assyrischer Relicfstil75; Sonnengott 75
Asteria im pergamen. Altarfrics 148.
Athen, Grundriss des Kerameikos 292;
Mzn.: att. Tetradrachmen gel. in
Karystos 76, mit Parthenos 129;
Eros -Äa/ueHe und Helm Br. aus —
144. 146; Repliken der Parthenos
in — 131; Büste des Hermarch in —
153 ff. ; Rel. mit Schlangentopf in —
218; T.-Stotuetten 66; Vn. 43. 66f.
251; arch. Goldschmuck lOlf. 104f.;
Giebelreliefs aus Porosstein von der
Akropolis 291
Athena Ilias in llion 223ff.; Nike
96,8; Parthenos des Pheidias, Copien
61 f. 129 ff., Selene auf der Basis 96.8,
Eule Attribut 161 ff.; im Giganten-
kampf 48. 51. 225f.; auf Vn. 38.45.
239. 248; auf Goldschmuck aus Elaea
91; auf Theseus-.i>7^/j/i(/. (Rom) 78.280
Athenaeus II 49 A: 179; VI 23SB.
2420:210
Attalos I. von Pergamon 232. lAniüi;
ifvXri in Ilion 233
Augen von Hörn aus Chiusi (Berlin)
65; eingesetzt Sta. 149; Skphg. 219
Augsburg Bleiplatte aus dem Lech
bei — (Berlin) 68
Aufseher der Palaestra, F. des Euphro-
nios (Neapel) 243 f.
Aulis Opfer in — 72
Ausonius Mosella 308 ft'.: 166,12
Bacchantin s. Maenade
Basilicata Orestes- T'n. aus der —
199
Bassae Fries vom Tempel zu — 57
Beda, german. Gottheit, Inschr. 74
Befestigungen, altitalische (Rom,
Ardea) 287; — von Constantinopel
tmd Carthago 76
Bemalung an Achilleus - 5/:^jÄ(/. aus
Kertsch 219; an Metope von Ilion
228,12; an T. aus Griechenland (Ber-
lin) 66 ; an Skphgn. 77; am pergamen.
Altarfries 147 f. 215
Benihassan Bild eines ägyptischen
Webstuhls in einem Grabe zu — 176
Berlin Erwerbungen des kgl. Museums
lS8:!:63ff. ; Bronzen: Jünglings -5(a.
(Saburoff) aus Salamis 291, Eros und
Psyche Bei. 1 ff ; Handzeicbnungen
nach Antiken 115 ff'. 145; Marmor:
Hermarchos Kopf 155, Eros u. Psyche
Gruppen 14. 20 ff'. Mzn.: Doubletten
der Olympia - J/zn. 148; Tn.: Zeus
als Adler den Ganymedes entführend
aus Myrina 76, Athena und Enkelados
226; Vn. (Marsyas) aus Caere 81 ff.,
(Orestes in Delphi) 203 ff'., des Aristo-
phanes und Erginos (Gigantomachie)
47, des Charinos 238, des Epilykos
240, des Nikosthencä (Ackerbau) 60,9;
Goldsclimuck 9911'. ir2ff.; Blei|ilatten
68. 71 f.
Blacas, Unterwelts- V. der Sammlung
— 253
Blei -Barren mit röm. Inschr. (Berlin)
71 f.; — gewicht (kyziken. Mine) im
Brit. Mus. 146; — marken mit Bild
der Parthenos 166 f.; — platte aus dem
Lech bei Augsburg (Berlin) 68; — ver-
guss in der heilenist. Architektur 23,4
Blitz bei Zeus F. 84. 89; etr. Sp. 89,15
Bock, Eros auf — T. aus Griechenland
(Berlin) 66
Böotien /".-Statuetten und ]'n. aus —
(Berlin) 66 f.
Bonn, röm. Thonwaaren aus Kölner
Fabriken in — 294
Brettspiel von Kriegern T'. des Ilieron
(Florenz) 248
Bronzen Erwerbungen des Berl. Mus.
65, des Brit. Mus. 144 ff.; Büsten:
Mercur 145, Hermarchos 155; prae-
nestin. Cista (Eros und Psyche) 6;
Funde aus einem Grabe bei Chiusi
(Berlin) 65; Massstab aus Manga-
necchia (Dresden) 191fi'. ; Militardiplom
Domitians (Pe-th) 64; Mze. des Anto-
ninus Pins (Kentauromachie) 58,3;
Reliefs: Ero.< und Psyche (Berlin) Iff.,
Seegott und Nereiden (Brit. Mus.) 25 ff".
I37ff. 209ff'., Gorgoneion (Edinburgh,
Brit. Mus., Verona) 27 ff., Philoktet an
der Backenklappe eines Helms (Berlin)
65 , Athena und Enkelados (Museo
Kircheriano) 226; etr. Sp.: Giganto-
machie 33,5, Zeus bei bacch. Gelage
ans Palestrina ;Rouen) 89,15, Zeus
entführt als Adler den Ganymed,
Spiegelkapsel 76; Statuetten: Jüngling
aus Tarent (Brit. Mus.) 21 ff., Artemis
aus Rom (Berlin) 6o, Jüngling mit
Diskus aus Etrurien (Berlin) 65, Hera-
kles aus Constantinopel (Berlin) 65 ;
Stempel aus Constantinopel (Berlin)
65; Urne aus Capua (Berlin) 65;
Löwenmasken aus Syrien (Berlin) 65.
Bryaxis Porträt des Seleukos von —
162
Brygos Vn. des — 249 ff'.
Bucchero- In. Stil der — 101
Bundesstädto, italische u. ctruskische
74
Caere Inschr aus — 73; Marsyas- F.
aus — 8 1 ff'.
Canosa Unterwelts- F. aus — (Mün-
chen) 253 fr.
Capua Br. - Urne aus — 65; T' des
Ilieron in — 249
Carthago Befestigung von — im Alter-
thum 76; Okeanos Mos. aus — (Brit.
Mus.) 211
299
Register.
300
Caithayü Nova Bleitiarren aus —
(Berlin) 71
Castel Giubileo, Tbeseus-Skp/iff. aus
— (Rom) 7 7 f. 273 ff.
Castellani'si;he Sammlung in Hom 77
Cato de r. r. X 5. XIV 2: 175
Catull 64,91 ff.: 279, 14
Charinos I'/i. lUs — 66. 238 f.
Charon r.-Ilet. aus Kleiuasien (Berlin)
66; auf Theseus-SXyjAj. (Koni) 78.
276 ff.
Cheiron, den Achilleu.s unterrichtend,
Skjjhye. 119
Chiron 1'. des,— 2:;9
Chiusi tomba a ziro bei — 65
Cicadenlarve von Gold aus einem
sardinischen Grabe 7 Anm. 12
Cicero, Leg. II 26,66:93
Cilicien, M:e. mit (/'ojiie der l'arthe-
nos 61 f.
Ciris V. 179:172,12
Cista mystiea auf Dijiti/chon (Liver-
pool) 218
Claudian de raptu Troserpinae III
184f:32,4. Gig. lat. 10Sft'.:33,5
Coghil'sche Vasensammlung 200
columellae Grabmäler 93
Commagene Grabmal Antiochos I.
von — 63
Constantin I. M:n. des — (Brit. Mus.)
144
Constantinopel Befestigung von — im
Altertlium 76; llenMes-Sliituette und
iStempel aus — 65; Delphin Br. aus
— (Brit. Mus.) 144
Cornelius Rufus, Landschaftsbilder
aus dem Hause des — 140
Corneto, Funde: Brustschmnck aus
tomba dei guerriere (Berlin) 112; Vh.
31.1. 141 f. 277, des Duris (?) 246 f.,
des Nikosthenes und Charinos 238,
des Pamphaios 43,22. 53, des Philtias
und Deiniades 251
Cyperu, Alterthiiiner aus — (Brit. Mus.)
143 f.; Siegelring aus — mit Bild der
l'aithenos 165 ff'.
Daimon personificirt Äc/. -Fragm. 117
Danaide auf Unterwelts- 1'. aus Ruvo
(Karlsruhe) 256,3. 261
Deiuneira von Nessos entführt T'.
aus Korinth (Brit. Mus.) 144
Deidamia auf Acbilleus-Sip/i^n. 219;
bei Neoptolemos' Auszug V. 72
Dei mos am pergamen. Altar 56
Deiniades und Pliiltias Vn. von —
32.2. 251
De los, Goldscbniuck aus — (Berlin)
1 1 1 f.
Delphin, Br. aus Constantiiiopel (Brit.
Mus.) 144; Br.-Rel im Brit. Mus. und
Edinburgh 26 f. 137 ff. 209 ff'.
Demeter im Gigantenkampf (Parthenon-
metopen) 48 f.
Denietrios von Phaleron, Säulenhalle
des — am Tempel zu Eleusis 75;
Vorschriften des — über Grabmäler 93
Demetrios von Skepsis, Beschrciliung
von Ilion 231 f.
Ps. Demosthenes 25.52:270,21
D en ar s. Münzen
Di all ein w. (»old
Dikü auf dem Kvpseloskasten 264; auf
Unterwelts- r. (Karlsruhe) 263 ff.
Di mini, prähistorische Scherben aus —
(Berlin) 67
Dio Chrysostomos Or IV 114: 118,1;
Xn 6:161,1; LXIII 7. LXV 12:
119,2
Diodor, Gräberperiegese des — 95;
IV 26:258; XVIII 4:230
Dionysios von Halikarnass V 61 : 73
Dionysos bärtig auf Vn. 38,13, 85;
gelagert K des Nikosthenes (Cor-
neto) 238 ; in der Gigantomachie
32, (Parthenonuietope) 48 f. ; — und
Ariadne, Goldschmuck aus Abydos
92; — und Semele auf Stierwagen
r.-Metope aus Paestum 228,12; Hades
als — 86; Zeus als — 85; Fufluns
genannt auf elr. Spiet/ein 85 f.
Dioskuren mit Schlangentopf .Uzn.
von Sparta 217
Diptychon, Asklepios und Ilygieia mit
Schlangentopf (Liverpool) 218
Dipylon Stil der — Vn. 101; Gold-
schmuck vom — 101
Diskus Jüngling mit — Br.. Statuette
aus Etrurien (Berlin! 65; Diskuswerfer
auf Vn. 242,2. 243
Domitian, Militärdiplom des - (Pesth)
64
Dorotheos Copie der Anadyomene
des Apelles vou — 135
iio'itii personificirt im Pinax des Kebes
121
Dresden Eros und Psyche Marmor-
ijruppe in — 14; Kojif vom kleinen
pergamen. Fries in — 64 ; antiker
Br -Maassstab aus Manganecchia in —
191 ff.
Duris, Vn. des — 245 ff. 285; l h. aus
der Schule des — .'42. 247
Dysarestia des Aristophontes 3
Edinburgh. Gorgoneion Br-Ret. in
— 27 ff.
'Eyx^iaitia personificirt auf dem Pinax
des Kebes 121
Eidolon Verstorbener 42,21 Vn., des
Aeetes 10; Sinnbild der Seele 10
Elaea Goldschmuck aus dem Golf von
— 89 ff".
Elektra in der Iliiipersis des Polygnot
284
Eleusis, Ausgrabungen in — 75
Enkelados Gigant 32; — und Athena,
Metope von Ilion, ßr.-Äe/. (Mus. Kirch )
und T.-Rel. (Berlin) 225 f.
Ente auf Brustplatte von Gold (Berlin)
113
Ephesos Statuette der Artemis Poly-
UKistos aus — (Brit. Mus.) 144
Epidauros Sta. des Asklepios zu —
130
Epikur Porträtdarstellungen des 154 f.
Epilykos Vn. des — 240 f.
Epione auf dem pergamen Altarfries
146. 213 ff.
'BniaTrjur] personificirt auf dem Pi-
nax des Kebes 124
'Eti i,'>vuiiii personificirt auf dem Pi-
nax des Kebes 121
Erdtheile die drei — , ijcrsonificirt
ßr. (Brit. Mus.) 139 f., vgl. 25 ff 209 ff.
Erginos und Aristopbanes, ('. von —
(Berlin) 47
Erinyeu den Orestes verfolgend Vn.
199ft'.; auf Unterwelts- In. 256 ff.
Eros Abdruck einer G. in T. (Brit.
Mus.) 144; Br. -Statuette aus Athen
(Brit. Mus.) 144; Diptychon (Liverpool)
268; Goldschmuck aus Elaea 91 ; Auf-
kommen in der Vasenmalerei 43,22;
— auf Bock reitend Rel. aus Griechen-
land (Berlin) 66 ; bogenspannend T.
(Berlin) 66 ; gebunden Skphy. des Co-
dex Pighianus 18. 22, Marmorgruppe
aus Aphrodisias (Berlin) 20 ft"; Gn
(Berlin) 19; mit Reh I'. 83; mit
Schmetterlingsflügeln, pränestin. Cista
6; spielend etr. V. 83; Eroten paro-
diren Apollo und Marsyas 10,15; — und
Psyche Ift'.: auf Theseus-Ä/)/»«/. (Rom)
78. 278; bei Zeus und Ganymed
V. 45
Erzguss Wiederaufleben des — es 146
Etrurien Jüngling mit Diskus 5c.-
Statuette aus — (Berlin) 65; Brust-
schmuck von Gold aus — (Berlin)
112 ff.; Ringer T. aus — (Berlin) 66
einheimische Vn. (Brit. Mus.) 144.
Etrusker Herkunft der — 287ff.
Euboea Münzfund von — 76
EiitUtiuorict personificirt auf dem
Pinax des Kebes 124
Eugenes, Dichter der Anthologie I.jO
Eule auf der Backeuklappe der Parthe
nos 134. 161 ft'.
301
Kcr'ister.
302
Eumenes II. von Pergamon 235
Eunuchen auf Rel. aus Kappadokien
74
Euphionios Vn. des — 38. 242ff.
Euripides Heraklid. 900:266
Europa personificirt Br. (Biit. Mus.)
139, vgl. 25 ff. 209 tf.
Eurydike auf Unteiwelts- Tn. 255ff.
267
Enthymidcs Vn. des — 252
Eutychides Tyche des — 140. 162
Fackel mit Manchette 90
Farbenspuren s. Bemalung.
Fanstkämp fer auf I'. des Nikosthenes
(Corneto) 238
Fayoum Münzfund in — 144
Fels 2. 38, 13. 205; — des Sisyphos
auf Unterwelts- Vn. 259 ; Felsmonument
in Kleinasien 71
Festus p. 277. 286— 289: 173f.
Feuer, dargestellt auf etrusk. Monumen-
ten 84
Fibeln von Gold und Bronze aus Vulci
(Berlin) 65; aus Athen, Olympia, The-
- ben 105
Fidena Theseus - .Si/)/(<^. aus — (Rom)
77f. 273ff.
Fimbria erobert Ilion 230,21. 232
Fimmilena, german. Göttin 74
Flöte auf In. 82. 245
Florenz Eros und Psyche Marmor-
gruppe in — 14; Selene reitend V. in —
97; Duris-F. in — 245; Hieron- F.
in — 248; Memnon-F. in — 242
Flügelfigur, auf F. aus Kameiros
(Berlin) 66; auf F. des Hieron (Flo-
renz) 248; Wgm. vom Grab der
Nasonen (Brit. Mus.) 143; — en mit
Fackel, Goldschmuck aus Kleinasien 90
Flügelpferd auf dem Helm der Parthe-
nos 133
Franfois- F. 54
Füllhorn Kentaur mit — F. aus Caere
(Berlin) 83; Silen mit — T. aus Klein-
asien (Berlin) 66
Fufluns auf etruskischen üpiei/e/n 85.
F u 1 g e n t i u 8 3
Fuss römischer — auf antikem Maassstab
aus Munganecchia (Dresden) 191 ff.
Galen Protept. 11 11. : 119,2
Gallier verwüsten Ilion 231f ; sterben-
der — IGO
Gans, Knabe mit — T. aus Kleinasien
(Berlin) 66
Ganytuedes 7'. aus Myrina (Berlin) 76;
F. 45
Gazellen-Kopf an goldenem Aririb.ind
aus Griechenland (Berlin) CT
Ge aus dem Boden aufsteigend 47
Gebet Rel. aus Pergamon 71
Gefangene vor dem König Rel. aus
Kappadokien 74
Gelage Vn. des Duris 245f. 285; bac-
chisches — mit Zeus etr. Sp. (Ronen)
89,15
Gemmen Erwerbungen des Berliner Mu-
seums 67 f.; Abdruck einer G. in T.
(Brit Mus.) 144; Inselsteine in Breslau
und Kopenhagen 68; mit Eros 19; mit
Eros und Psyche 17 f.; mit Parthenos
(Cypern) 165 ff.
Genetyllis am pergamen. Altarfries 148.
Gens, Denare der — Vibia mit Eros imd
Psyche 12
Geryoncus 37; auf den Metopen des
Theseion 55
Gespräch F. des Epilykos (Berlin)
240 f.; F. des Hieron (Neapel) 247 f.
G est US des ,Bindens' 42, 19; — der
Bräute und Frauen 282
G leb ei -Reliefs aus Porös von der Akro-
polis zu Athen (Ileraklesthaten) 291
Giganten Alkyoneus 31ff. ; Enkelados
32. 225 f.; Mimas33; Porphyrion 32 f.
51; Gigantomachie: 32, Parthenonme-
topen 47 ff, Metope von Ilion 225 f.,
pergamen. Altar 72, Br.-Ret. im Mus.
Kirch, und T.-Rel. in Berlin 226, Vn.
47. 56
Gjölbaschi Reliefs von — 63. 192
Glas Siegel und Köpfe aus — (Berlin)
68; Fibeln von Glasfluss aus Chiusi
(Berlin) 65
Götterbild Lapithenfrauen zu einem
— flüchtend Fries von Bassae 57
Gold. Armband und Bommeln von —
aus Griechenland (Berlin) 67 ; Cicaden-
larve aus Sardinien 7, 12; Diadem aus
Abydos 92ff. ; Fibeln und Spiralen aus
Vulci (Berlin) 65; Medaillon ujit Par-
thenos aus dem Koul-Oba (Petersburg)
129. 133; Ohrgellänge mit Schmetter-
ling 9, 14; Schmuck ans Kleinasien 89 ff'.,
archaischer in Athen, Berlin, Kopen-
hagen 99 ff'.
Gorgias mit Uinimelskugel auf dem
Grabmal des Isokrates 95
Gorgoneion, Br.-Relie/s in Edinburgh,
London, Verona 27 ff'.
Grab, Arten der Gräber bei den Itali-
kern 288; Grabfunde in Etrurien 65.
288 f.; Vorschriften iles Demetrios Pha-
lereus über Grabmäler 93f ; Grabstele
mit Hahn und Morgenstern 139 ff'.; Frau
am Grabe sitzend T. aus Kleinasien
(Berlin) 66
Granatapfel auf archaischem Gold-
schmuck aus Mclos und Delos (Berlin)
111; Granatblüte auf T. aus Cypern
(Brit. Mus.) 143 ; Granatapfelmuster aus
der Antike abgeleitet 70 f.
Greif auf Felsmonument in Kleinasien
71; auf archaischem Goldschmuck aus
Athen (Berlin) 104; aus Melos und De-
los (Berlin) llOff. ; auf Backenklappe
und Stirnschild der Parthenos 133 f.
Griechenland Tn. und Goldschmuck
aus — (Berlin) 66 f.
Hades auf Unterwelts - Vn. 255ff.; mit
Attributen des Dionysos 86; s. Pluto
Hadrianswall in Britannien 72
Hahn T. aus Kleinasien (Berlin) 66;
Symbolik des Hahns auf Grabmälern
139 ff.
Hakenkreuz auf arch. Goldschmuck aus
Korinth (Berlin) 100; auf etrusk. Brust-
platte von Gold (Berlin) 113
Halter (Sprunggewicht) auf F. 243
Hamilton'sche Vasensammlung 201
Handzeichnungen nach Antiken (Ber-
lin) 145
Hannover Eros und Psyche ilarnior-
gruppe in — 15; zwei Brustbilder mit
Attributen von Land und Wasser, Onyx-
Carneo aus — (Berlin) 68
Harpyien Br.-Situla (Brit. Jlus.) 145.
'Häorici personificirt im Pinax des
Kebes 121
Jld' vnfi !> 1 1 (i personificirt im Pina.x des
Kebes 121
Hegesianax Quelle des Polybios 231,
22
Hekate auf Unterwelts- Fh. 260
Hektor Heroon des — in Ilion 223,1.
Helena in der Iliupersis des Polygnot
284
Heliopolis, das babylonische — 75.
Helios Goldschmuck aus Elaea91; Me-
tope von Ilion 223 ff. ; Rinder des — 37
Hellas personificirt Gemälde des Panai-
nos 2 1 2
Helle auf Widder T.-Rcl. (Brit. Mus.)
144
Hera im Gigantenkampf (Parthenonuie-
topen) 48 f. 52
Herakles Slatuelte aus Constantinope!
(Berlin) 65; Koj)/ als Gefäss T. aus
Kleinasien (Berlin) 66; Karikatur
T. aus Kleinasien (Berlin) 66; —
mit Schlangentopf Mzn. von Sparta 217 ;
bemalte Giebelreliefs aus Porosstein von
der Akropolis zu Athen 291; F. des
Assteas 202,9; — und Alkyoneus Vn.
31,1. 34ff.; — in der Gigantomachie
(Parthenonmetopen) 49 f. 52, (perga-
men. Altar) 56; — und Kyknos F. des
Pamphaiüs 239; — und der Löwe F. des
303
Register.
304
Nikosthenes (Corneto) 238, /ir.-6V/ii/r(
(Biit. Mus.) 145; — und Nessos T'. aus
Korinth (ßrit. Mus.) 144; — in der
Unterwelt Vn. 254 ff.
Ilerniarchos Porträts des — 153 fl'.
Hermes im Gigantenkampf (Parthenon-
metopc) 49; bei Herakles und Alkyo-
neus 38. 46; Psychopompos auf T.-Rel.
aus Kleinasien (Berlin) 6G, auf Theseus-
Sk/ihg. (Rom) 78. 27Gf., auf Unter-
weltj- r«. 258; auf Tlieseus- T. (Cor-
neto) 277
Hermogenes, V. des — 238
Hermonax, Vn. des — 252
Herodot II 35: 175; III 60: 75
Hesiod,Op. etD.256ff.: 264,16; Scut.
Herc. 172:9,13; Theog. 902:264,16;
Fragni. 165: 183
Hieron, Vn. des — 247 ti.; Vn. aus der
Schule des — 242
Ilimeros, auf Unterwelts - T '«. 255f.
Himmelskugel, Gorgias mit — auf
dem Grabmal des Isokrates 95
Hippodameia im Ustgiebel des Zeus-
terapels zu Olympia 281 fF.
Hippokanip auf 1'. 259, 9
Hirsch ilurmorkopf aus Malta (ürit.
Mus.) 144; auf T. aus Cypern (Brit.
Mus.) 143; arch. Goldschuiuck 103,4.
(mit Löwen abwechselnd) 104; Artemis
auf — reitend, Silberteller aus Rom
(Berlin) 67
Hochzeit des l'eleus und der Thetis,
Fran(;ois-T'. 54.
Homer, Skphg. des — 219; Ilias II
305:72; VUI 3671f. :260; XXIII
760:170; Odyssee II 941. : 178; XI
623 ff. : 260
Honos auf Theseus - .SA:/)%. (Korn) 280
Hope'sche Antikensammlung; Eros und
Psyche Mai-niorgruppe 14
Horaz, Od. III 79; IV 27:258
Hörn, Augen von — aus Chiusi (Berlin)
65
Hund, der Genetyllis bailig 148; Br.
aus Rom (Berlin) 65; auf Theseus-
Slcjjhff. (Rom) 278; auf T'. des Pam-
phaios 240, des Duris 245 f.
Hygieia Diptychon (Liverpool) 218
Hygin p. 10 Schmidt: 32,3
Hypermnestra auf Hippokamp l'.259,9
Hypnos Darstellungen 42ff.: geflügelt
auf Alkyoneus- Vn. 31. 34. 38. 41 — 45
Ilypsis Vn. des — 252
Jagd auf Löwen Ret. aus Saktschegözü
63
■ Jason fiOi'6xor]77is 138
lason, Arzt, auf Grah-Jiel. 64
Jatta'sche Vasensammlung in Uuvo 203 f.
.■Vrchiiulog. Ztg. Jahrgang XLII.
Ibriz, Rel. aus — 71
Idol, weibl , T. aus Kleinasien (Berlin)
60
Iktinos, Erbauer des Tempels in Eleusis
75
Ilion, Sculpturen von — 223(1'.; Ge-
schichte von — 23 IH'.
Iliupersis Wym. des Polygnot 284
Insel steine in Bresbiu und Kopenluigen
68
.Johannes Malala> \i. 276,5 Bonn.:
162
lolaos auf Partliencjiimetoi}C 54; auf
Alkyoneus - 1'. 46: auf T. des Niko-
sthenes (Corneto) 238
Iphigeneia Shphi/c. 228; — Mutter des
Neoptolemos 71
Iris im Gigantenkanipf (Parthenonmeto-
jien) 49. 54
Isidor. Pelusin. I 3 epist.j 153 : 1 19,2
Isokrates, Grabmal des — 95
luba II. von Mauretanien Mzn. des —
161
lulian epist. p. 258 f. : 223,1
Kaiser, römische bilderl61f.; by-
zantin. — paar Bleiplutte aus dem Lech
bei Augsburg (Berlin) 68
Kcixoö Kl uov 1« ])ersonificirt im Pinax
des Kebes 125 f.
Kameiros T'. aus — (Berlin) 66; Gold-
schmuck aus — (Berlin) 104 f.
Kappadokien Rel. mit Keilinschrift
aus — 74
Karikaturen, Tn. in Berlin 66.
Karlsruhe, Unterwelts- T'n. in — 254.
263 ff.
KaQt (Qitt personificirt im Pinax des
Kebes 122
Karystos, Miiiizfund in — 76
Kebes, Pinax des — illustrirt auf Rel.
llSff.
Kentauren V. aus Caere (Berlin) 83;
arch. Goldschmuck aus Korinth (Berlin)
99ff. ; — als Schildzeichen I'. des Hie-
ron (Florenz) 248 ; kämpfend ; mit Löwen
Skphy. (Petersburg) 219, mit Lapithen
(Parthenonmetopen) 57 ff. (Fries von
Bassae) 57. Mze. des Antonius Pius
57,3 Vn. 57,3; Pantherfell Attribut
der — 58,3
Keos Mzn. von — 229
Kephisodot Plutosknabe des — 64;
der jüngere — 12
Ker Darstellungen der — 42,21
Kerameikos Grundriss des attischen —
292
Kerberos auf Unterwelts- 1*. 258
Kertsch Achilleus-.S7.y)/ij. aus — 219
Keule de^ Alkvoneus 40,15; des He-
rakles 40, 16; Mann mit — alsSchild-
zeicben V. des Hieron (Florenz) 248
Kirke und Telegonos )'. 269; Webstuhl
der — im vatican. Vergilcodex 173
Kleinasien Denkmüler aus — 71; Gold-
schmuck aus — 89 ff. ; Tn. aus — (Ber-
lin) 65 f.
Klytaemnestra auf Orestes- Un. 202 ff.;
Gesicht der — im Spiegel 199
Knabe neben Altar T. aus Kleinasien
(Berlin) 66; — mit Gans T. aus Klein-
asien (Berlin) 66; hockender — vom
Ostgiebel des Zeustempels zu Olympia
220 f.
Köln Thonwaarenfabriken bei — 294
Kopenhagen arch. Goldschuiuck aus
Athen in — 101 ff.; Inselsteine in —
68; Orestes in Delphi T'. in — 201
Korinth ß/-.-Gewicht aus — (Brit. Mus.)
146; arch. Goldschmuck aus — (Berlin)
99ff ; V,i. aus - 67. 144
Kottabos auf 1'. des Duris (Neapel)
245 f.
Koul-Oba Goldniedaillon mit Partbenos
aus dem — (Petersburg) 129. 133
Kranz coronae sutiles auf etrusk. Mo-
numenten 84
Kreta personificirt 212
Krieger T'. des Duris 246: beim Brett-
spiel, im Zweikampf, Zug von — n V.
des Hieron (Florenz) 248
Krim T'. aus der — 209 f.
Krotalen Frau mit — T. aus Grie-
chenland (Berlin) 66
Krypta des Tempels zu Eleusis 75; des
h. Paulinus in Trier 73
Kurdistan Reliefs aus — 63
Kureten am pergamen. Altar 56
Kurion Silberfund bei — 165ff.
Kybele Rel. (Petersburg) 64; Felsbild in
Kleinasien 71
Kyknos T'h. 43,22. 53. 205,20. 239
Kypselo skasten Dike dargestellt am
— 264
labella Grabniäler 93
Lamia Philoktet Mze. von — 65
Lampe auf V. aus Orvieto 240
Lansdownehouse Eros und Psyche
Marmorgruppe in — 14. 16
Lanzenspitzen aus Chiusi (Berlin) 65
Laokoon Verhaltniss zum pergameni-
schen Friese 72 f.
Lapithen kämpfend mit Kentauren 57 ft'.
Lasa von Zeus umarmt etr. Sp. 85
Lateran s. Rom
Lech Bleiplatte aus dem — bei Augs-
burg 68
Lederpanzer auf T". 205
Leier Figur mit — T. aus Cypern (Brit.
90
305
Rcsiister.
306
Mus) 1-13; Jüugling mit — 1'. des
Epilykos (Berlin) 241 ; Mädchen mit —
Goldschmuck aus Abydos 93 ; Marsyas
mit — V. aus Caere (Berlin) 82: Or-
pheus mit — 254. 256. 271,22
Lekythos auf V. 243
Leochares Ganymedes vom Adler ent-
führt Gruppe lies — 76
Leonidas von Tarent, Dichter der An-
thologie 150
Lesche in Delphi, Nekyia des Polygnot
in der — 257 f.
Leto im Gigantenkampf (Purthenonme-
tope) 49
Libye personificirt Br. des Brit. Mus.
139
Li ein ins I. Mzii. des — (Brii- Mus.)
144
Liebesscene I" aus Urvieto 240
Limes römischer — 70. 291 f.
Liverpool Asklepios und Hygieia mit
Schlangentopf Diptychon in — 218
Livius XXXVU. 37:232,24
Löwe G. (Berlin) 68; Felsmonument
(Kleinasien) 71; Br.-Maske aus Syrien
(Berlin) 65; — mit Hirsch abwechselnd
auf arch. Goldschmuck aus Athen (Ber-
lin) 104; kämpfend mit Stier und Men-
schen auf arch. Goldschmuck 103; ne-
meischer — V. des Nikosthenes (Cor-
neto) 238, Br.-Silula (Brit. Mus.) 145;
zwei Löwen von einem Mann gebän-
digt, Goldschmuck aus Korinth (Berlin)
108 f.; Löwe und Lüwin mit Kentauren
kämpfend Shphg. (Petersburg) 219;
Löwenfell Attribut des Herakles 40. 52.
58,3; Löwenjagd s. Jagd.
London British Museum, Erwerbungen
1SS3: 143 ff. Bronzen: Jünglings-Ste-
tuette aus Tarent 21 ft'.; Gorgoneion
Ret. 27, Seegott und Nereiden Platte
25fr. 137 fr. 209fr.; Marmor: röiuischer
Porträt -A'o;)/, Grab-Äe/. des Arztes
lason und Todtenmahl-/ie/. 64; Mos.
Okeanos 211; Vn. 31,1. 207
Lukian calumn. non tem. cred. 5: 126,6
Lukios von Patrai 3 f.
Lykomedes auf Achilleus-<bi/)/ijn. 219;
Töchter des — V. aus Corneto 72
Lykurg, Grabmal des — 95
^-toTirj personificirt im Pinax des Kebes
125
Lysimachos baut den Athenatempel in
Ilion 230
Lysippos, Apoxyomenos des — 25
Maassstab, antiker, aus Manganecchia
(Dresden) 191 ff.
Madrid, Replik der Parihenos in — 131
Mädchen, kiiieendes, im Ostgiebel des
Zeustempels zu Olympia 220 f. 284
Maenade V. aus Caere (Berlin) 84
Makedonien, Br -Platte aus — (Brit.
Mus.) 25 ft". 137 ir. 209 fr.
Malta, Marmorkopf eines Hirsches aus
— (Brit. Mus.) 144
Manganecchia, antiker Maassstab aus
— (Dresden) 191fr.
Marius, Bildnisse des — 157
Marmor Köpfe: römisches Porträt (Brit.
Mus.) 64; Niobe (Yarborough) 64; vom
pergamen. Altarfries (Dresden) 64; Her-
marchos (Athen) 1 53 fr. ; Antiochos Soter
(München) 157ft'. Reliefs: Löwenjagd
(Saktschegözü) 63; aus dem Piräus 64;
Todtenmahl (Brit. Mus.) 64; Kybele
(Petersburg) 64 ; mit Schlaugentopf
217 f.; Fries von Phigalia 57. 227 f.:
Giebel des Megarerschatzhauses in
Olympia 51. 56; Grabreliefs vom
Grabmal Antiochos L (Nemruddagh)
63, von Gjölbaschi 63, aus Thes-
salien und Athen 64, des Arztes Jason
(Brit. Mus.) 64 ; Metopen von Ilion 225 f.,
des Parthenon 47 ff. 57 fr. ; Skphge.: älte-
ster römischer 69, Achilleus 219, Dio-
nysos und Ariadne (Kopenhagen) 92 f.,
Eros gebunden (Zeichnung des Pighius)
18, Iijhigeneia 228, Niobe 228, Prome-
theus (Capitol) 5,8, Theseus 77. 271 f}'.;
Stuck-Reliefs aus Rom 64; Tempelreliefs
von Assos 64 ; Farbspuren auf Hkpliffn.
78. Statuen: Anakreon 149fr.; Askle-
pios (Epidauros) 130: Parthenos (Re-
pliken) 129fr.; Plutosknabe des Kephi-
sodot 64; {.ht-Giebel des Zeustempels
zu Olympia 2i0tr. ; Gruppe von Eros
und Psyche 12fr., Repliken 14fr'. Stele:
bemalte attiche Grab.-tele (Berlin) 63.
Erwerbungen des Brit. Mus. 1883: 144
Mars Thingsus german. Gottheit 74
Marsyas und ApoUon I'h. 8711'.; von
Eroten parodirt 10,15
Maske auf etiusk. Bru,>tplatte von Gold
113; an den Enden einer goldenen
Spirale aus Vulci (Berlin) 65; Karika-
tur — T. aus Griechenland (Berlin)
66; Sklave .mit komischer — T. aus
Kleinasien (Berlin) 66 ; komische und
tragische auf Goldplättchen aus Eläa
91 ; Löwen — Br. aus Syrien (Berlin) 65
Mauretanien .l/.-ii. des Ptolemaeus und
luba II. von — 161
Maussoleum Arm vom Fries des —
(Brit. Mus.) 114
Medea auf Unteruelts- 1'. 257
Medusa im Schlaf geti'xltet 37,12
Mcleagros, Dichter der Anthologie 4.
19. 142
Melos Ohrgehänge ans — (Berlin) 110 f.
Memnon von Hypuos uud Thanatos ge-
tragen 43
mensae, Grabmäler 93
Mercur Br.-Büste 145
Messer, eiserne — aus Chiusi (Berlin)
65
IXIfTinoici personificirt im Pinax des Kebes
125 f.
Metrodor Bildnisse des — 155
Militärdiplom Domitians (Pesth) 64
Mimas, Gigant 33
Minus auf Thesens-Skphg. (Rom) 77
Minotauros Theseus und — arch.
Goldschmuck aus Korinth (Berlin) 106;
Skphge. 77. 271 ft'.; I'. (Corneto) 107
Monokneraos Gemälde des Apelles
133 fr.
Monte Calvo Anakreon Marmor - S<a.
vom — (V. Borghese) 149 fr.
Morgenstern Symbolik des — auf
griech. Grabmälern 139 ff.
Mosaiken (Okeanos) aus Karthago (Brit.
Mus) und Toulouse 211
München Antiochos Soter Marmorkop/
in — 157 ff,; Vn. in — 31,1. 245.
251 f.
Münzen Alexanders I. von Epeiros 292;
des Antiochos Soter 159; des Antoni-
nus Pins (_Br. Kentauromachie) 56,3;
Tetradrachmen von Athen (aus Kary-
stos) 76, (mit Parthenos) 129; Mzn.
des Caesar 161; von Cilicien (mit Par-
thenos) 6 1 : Münzfund von Fayoum 144 ;
Mzn. von Ilion 223, 1 ; des luba II.
von Mauretanien 161; von Keos 229;
von Lamia (Philoktet) 65; von Niko-
media (Psyche) 7, 10; aus Olympia
(Berlin) 148 ; des Ptolemaeus von Mau-
retanien 161; von Serdike (Eros und
Psyche) 12 15,25; von Sparta (Schlan-
gentopf) 217; von Teos (Anakreon)
152; Denare der gens Vibia (Eros und
Psyche) 12
Mykenae, Stil der myken. Vn. 147
Myrina Tn. aus — (Berlin) 651". 76
Myrtilos im Ostgiebel des Zeustempels
zu Olympia 220 f.
Nah u-pal-iddin, babylon. König 75.
Narkissos Sta. 2
Nasonen Grabmal der — 143
Neapel Vn. in — 199. 202,11. 237.
239 f. 243. 245 f. 247 f. 252. 253 ff.
Nekyia Gemälde des Nikias 270; des
Polygnot 257 f.
Nemesis den Eros fesselnil 19
Nemrud-dagh, Grabmal Antiochos I.
von Commagene auf dem — 63
Neoptolemos' Auszug I'. 72
307
Register.
308
Nereiden Br.- Platte aus Makedonien
(Brit. Mus.) 25 ff. 137 ff. 209 ff.
Nero Büste (Brit. Mus.) 144
Nessos Deianeira entführend V. aus
Korinth (Brit. Mus.) 144
Nike iui Gigantenkampf (Paithenonnie-
topen) 40. 54; Athena Nike 9G,.S
Nikias Nekyia Gemälde des — 270
Nikomedia Psyche auf Mze. von —
7,10
Nikosthenes Vn. des — 00,9. 237f.
Nil Sla. (Vatican) 140
N i 0 b e Kopf (Yarborough) 64 ; S/cp/ir/e.
228
Nola Alkyoneus-T'. aus — 31,1
Nonnos Dionys. 7. 10. 40. 431. 2G6
Nymphe J". aus Myrina (Berlin) 6(j
Nyx im Gigantenkampf (Parthenoume-
tope) 49
'OtSvvi personiticirt im Pinax des Ke-
bes 125 f.
'OävQuog personiticirt im Pinax des
Kebes 125 f.
Odysseus' Hadesfahrt Gemälde des Ni-
kias 270f., des Polygnot 257 f.; —
Freiermord am Heroon von Gjölbaschi
63. 192, Skjihy. 220
0 e n 0 m a 0 s im Ostgiebel des Zeustempels
zu Olympia 220 f. 284
(.)ffida Br.-Sitiila aus — (Brit. Mus.)
144 f.
t)hrgehänge von Gold aus Elaea91;
aus Melos (Berlin) 110 f.; mit Schmet-
terling (Petersburg) 9,14
Okeanos mit den drei Erdtheilen Br.-
Jiel. (Brit. Mus) 137ff., vgl. 26ff.
209 ff. ; die Erde umströmend Mosaiken
211
Olympia Ostgiebel des Zeustempels
220ff. 281 ff; Giebel des Megarer-
schatzhauses 51. 56; A'oju/aus — (Aber-
deen) 71; Inschrift des Andreas und
Aristomachos aus — 146; Münzdou-
bletten aus — (Berlin) 148
Olympos, Schüler des Marsyas Vn. 87
Omphalos auf Orestes- Fn. 200 ff.
Opfer der Griechen in Aulis V. 72;
— dienerin V. 203; — zug, arch. Gold-
schmuck aus Korinth (Berlin) 99 f.
Orakel der Phaennis 231
Orestes in Delphi Vn. 199ft'.
Orpheus auf Vn. 265ff. 271,22
Orvieto, Vn. aus — 237. 239 f. 247
Ovid Fast. III 819: 174f. 180; Met.
IV 275: 174. 178; VI 23: 173; 53ff.:
172. 175. 177; X 23: 267; 41ff. :255;
ex Ponto IV 3,31:119,2; Trist. V
8,7:119,2
Paeuvius bei Rhot. ad Her. II 22,36:
119,2
Paestum, Dionysos und Semele y.-Me-
topen aus — 228,12
Ilntö fi ii personificirt im Pinax des
Kebes 122
Palaestra auf Vn. 242,2. 243f.
Palast des Hades auf Unterwelts - Pn.
255. 263
Palestrina Zeus in bacch. Gelage etr.
Sp. aus — (Ronen) 89,15; Silberscheibe
aus einem Grabe in — 105
Pamphaios I'h. des— 43. 43,22. 53.
239 f.
Pan Kopf (V. Borghese) 64; — und
Nymphe T. aus Myrina (Berlin) 66
Panainos Hellas und Salamis Gemälde
des — 212
Panaitios Lieblingsname auf Vn. 243 f.
Pandora Geburt der — an der Basis
der Parthenos 96,8
Panther auf T'. des Pamphaios aus
Orvieto (Neapel) 240; bei Dionysos,
Golddiadem aus Abydos92: bei Eri-
nys. Unterwelt— T'. 255 f. ; Pantherfell
Attribut der Erinyen, Unterwelts - Vn.
256. 259, der Kentauren Vn. 58,3, der
Satyrn V. 82
Papposilen T. aus Kleinasien (Berlin)
66
Paris auf V. aus Corneto 141 f.
Paris Minerve au Collier in — 129;
Pasiyhae-SIcply. in — 145; Vn. in ^
31,1. 39. 56. 206
Parodie des Streits zwischen Apollo und
Marsyas durch Eroten 10,15
Parthenon Metopen des — 47ff. 57 ff.
Parthenos s. Athena.
Pasiphae Skphg. (Paris) 145
Paulinus Krypta des h. — (Trier) 73
Pausanias I 2,5 : 33,5; 14,6. 22,3:
279; 1127,2:130; V 18,2: 264; X15,
2f. :231; 29,8f. :257; 30,5:267,9;
31,12: 261,11
Pegasos als Schildzeichen V des Hieron
(Florenz) 249
Peirithoos auf Unterwelts- T'h 257ff.
263 f.
lIii!Hii personiticirt im Pinax des Ke-
bes 122
Peleus, Hochzeit des — auf der Fran-
9ois-F. 54
Peloponnes personiticirt 212
Pelops im Ostgiebel des Zeustempels zu
Olympia 284
Pergamon Attalos I. von — 232; Eu-
menes II. von — 235; Ausgrabungen
in — 69; pergamen. Kunst: Verwandt-
schaft mit den Sculpturen von Ilion
235f., attal Weihgeschenk 160; Altar-
fries 56. 64. 145 — 147. 213 ff. 293 f.;
Rel. aus — (Smyrna) 71
Pergamos, Heros, auf Inschrift 71
Persephune von Pluto entführt Wgm.
(Brit. Mus.) 143; auf Unterwelts- Vn.
255
Perseus tudtet die schlafende Medusa
37; V. aus Kameiros (Berlin) 66
Personificat ionen im Pinax des Ke-
bes 115ff. ; — der drei Erdtheile Br.
(Brit. Mus.) 139t". 209ff.
Pesth Militärdiplom Domitians in 64
Petersburg Goldmedaillon mit Parthe-
nos aus dem Koul-Oba in — 129; Vn.
in — 31,1. 201. 206f. 238. 253; Rd.
(Kybele) in — 64
Petron. c. 83 : 134
Pferd T.-Slatuette (Brit. Mus.) 144; im
Parthenonfries 229; auf Theseus-SiyViy.
278; auf V. aus Korinth (Berlin) 67
Phaennis Orakel der — 231
Pheidiaa Schüler des Ageladas 134;
Parthenos des — 129 ff.
Phigalia E"ries von — 227 f.
Philoktet Br.-Rel. (Berhn) und Mze.
von Lamia 65
Philostratos Her. p. 669: 33,5; p.GTl:
32,4
Philtias und Deiniades, Vn. von — 32,2.
40. 251 f.
Phineus V. 2SG
P h 1 e g r a e i s c h e Felder 32
Pliobos auf dem pergam. Altarflies 56
Phorbas auf T^hessas-Skphg. (Rom) 276
Pindar Pyth. IV 75:138; 1X18:173;
Nem. IV 25ff. :34; Isthm. VI (V)
32ff. :33; Fr. 84:33,6
Piraeus Rel. im — 64
Platane von Aulis V. 72
Plato Axioch. p. 372 : 259, 8. Gast-
mahl: 6. Kratylos p. 399D: 9,13
Plautus capt. V. 4,1 : 270,21
Plinius N. H. VIII 196 : 170; XVII
153: 9,13; XXXI 3: 9,13; XXXIV
8:146; 73:162; XXXV 91 f. : 135 ;
131 :270
Plutarch de fort. Rom. 4: 119,2. Kleoui.
19: 180. Theseus 18: 279; 20: 279,
13; 35: 25S
Pluto Proserpina entführend Wym. vom
Grabmal der Nasonen (Brit. Mus.) 143;
s. Hades
Plutos des Kephisodot (Athen) 64
PolluxVI 83: 180; X69und80: 179
Polybios V 78: 232; 111: 231
Polygnot Wgm. des — 2571. 284
Polykrates, Erbauer der Wasserleitung
in Samos 75
Pompeji Wgm. in — 5,7. 140; Eros
und Psyche T. aus - 13,20
309
Retfister.
310
Porphyrion, Gigant 3"3f.
Poseidon im Gigantenkanipf (Paithe-
nonmetopen) 4S f. 52 f.
Praeneste s. Palestrina.
Praxiteles 2: Kunstrichtung iles — 293;
Hermes des — 2ö
Priester auf Rel. aus Ibriz 71
Prometheus-SiyA^. (Capitol) 5,8
Properz I 1,4:42,19
'!■ (vöonuiöfCct personificirt im Pinax
des Kebes 125
Psyche P'. 7, 10: Mze. von Nikomedia
7,10: mit Vogelflügeln Tn. Saburoft'
(Berlin) 11,18. 13, aus Pompeji 13,20;
zwei Psychen 19. s. Eros.
Ptolemaeus von Mauretanien Mzn. des
— 161
Pylades auf Orestes-Fn. 202ft".
Pythia auf Orestes- Fn. 201 ff.
Quintilian XTll 6,71:33,G
Regulini-Galassi Brustphitte aus dem
Grabe — 114
Reh am Stirnschild des Helms der Par-
thenos 134: auf T'. aus Caere (Berlin)
83
Reisesack Sklave mit — T. (Berlin) 66
Reiter arch. Goldschmuck (Berlin, Ko-
penhagen) 99ff. : F. des Pamphaios aus
Orvieto (Neapel) 240
Remus imd Romulus mit der Wölfin
Mzn. von Ilion 224, 1
Khadamanthys auf Untei\velts-F. (Nea-
pel) 265
Rinder des Helios 37
Ring von Gold mit Athenakopf 91, mit
Parthenos 165 ff.
Ringkampf F. (Berlin) 66
Rom in Bildern des 14. Jahrhunderts 68;
Serviusmauer 287; Bron:i:n: antiker
Maassstab (Vatican) 196ff., Athena und
Knkeladüs Rel. (Mus. Kirch.) 226, Hünd-
chen und Artemis-5/a(uette (Berlin) 67 ;
Gold: Plättchen (JIus. Greg.) 113, Kreiri
(C'astellani) 114; Marmor: Büste des
Anakreon (Capitol) 151 H'., Gruppe von
Eros und Psyche (Capitol. Torlonia)
12 — 14, Sta. des Anakreon (V. Bor-
ghese) 149 ff., des Nil (Vatican) 140,
S/cphge. 5,8. 77. 145; Vn. 31,1. 205.
205,20. 238 f. 247. 249. 251; Silber-
tetler (Berlin) 67; Wgm. (Brit. Mus.)
143
Romulus und Remus mit der Wölfin,
Mzn. von Ilion 224,1
Reuen Zeus bei bacch. Gelage etr. Sp.
aus Palestrina in — 89,15
Ruvo \'n. aus — 202 ff. 253 ff.
S ab ur off 'sehe Sammlung: Jüngling
Br.-Sta. aus Salamis 291; Eros und
Psyche T. 11,18. 13; Zeus als Adler
den Ganymed entführend Spiegelkapsel
76
Saktschegözü Löwenjagd Rel. aus —
63
Salamis Jüngling, Rr. - Sta. aus —
(Berlin) 291; — ])ersonificirt Gemälde
des Panainos 212
Samos Wasserleitung in — 75
Sardes iJr. -Waage aus — (Brit. Mus.)
145
Sardinien, Cieadcnlarve von Gold aus
einem Grabe in — 7,12
Sarpedon von Hypnus und Than.itos
getragen 43
Sarteano Alkyoneus- Vn. in — 31,1
Saty r-Äop/' auf ß/-. - Helm aus Athen
(Brit. Mus.) 146; Satyrn auf Fn. 82ff.
242,2
Scepter Zeus und Hades mit Narthex
— 82—86
Schauspieler T. aus Klein.asien (Ber-
lin) 66
Scheere F. 207
Schildzeichen auf ]'ii. 246. 248 f.
Schlange in Aulis versteinert F. 72;
Attribut der Erinyen 199fl'. ; Schlan-
gentopf im pergamen. Altarfries 145 f.
213ft",; als Schildzeichen T'. 66 f.;
Schlangensäule auf byzantin. Bleiplatte
(Berlin) 68
Schmetterling Sinnbild der Seele
4ft". ; an einer Säule kriechend 19;
als Ohrgehänge 9,14; Sardonyx 9,14.
Sc hol. ApoUon. Rhod. I 1289:336
Aristoph. Av. 514ft'.: 163,6 ; Nub. 712:
9,13
Eurip. Or. 268:199,1
Homer Od. XI 321:279,13
Oppian II 164:9,13
Pind. Pyth. VIII 17:37,9; Nem. IV
25ff.:35f.; Isthm. VI (V) 32ff.:36f.
L. Scipio lagert bei Ilion 232,24
Seegottheit Br. - Rel. (Brit. Mus.)
25 ff. 137 ff. 209 ff'.
Seekälber Br.-Rel. (Edinburgh) 27.
S eelen Wanderun g Handzeichnung
eines Jlel. mit Darstellung der —
(Berlin) 115 ff.
Selene reitend auf der Basis der l'ar-
tlienon und Vn. 96,8
Seleukos mit Antiochos die Tyche be-
kränzend Marmorgruppe in Antiochia
162
Semele und Dionysos auf Stierwagen
/"■-Metope au» Paestum 228,12
Seneca epist. 52,3: 155f.; 58:9,3;
90,20:177.180. Herc. für. 588:256,4
Serdike, Eros und Psyche .1/::«. von
— 12. 15,25
Servius zu Vergil Aen. II 166:223,1;
Georg. I 122:277
Serviusmauer in Rom 287
Sidonius ApoUinaris IX 92; XIII
11; XV 141:33,6
Sesklo, prähistor. Scherben aus —
(Berlin) 67
Siegel, gläserne (Berlin) 68; — ring
(Cypern) 165 ft'.; — stein vom Nemrud-
dagh (Berlin) GS
Sikelos F. des — 239
Sikuler, Zeit der Einwanderung der —
289
Silber-Fund bei Kuriun 165 ff'.; —schale
aus Praeneste 105; — teller mit Arte-
mis aus Rom (Berlin) 67
Silen Goldplättchen aus Elaea 91: —
mit Füllhorn T. (Berlin) 66; Herme
ornamental auf Skphg. 219
Silius Italiens Pun. XIV 658:173.
Sipar-Sepharvai m, die babylonische
Sonnenstadt 7."i
Sirene auf Grabmal des Isokrates 95
Sisyphos auf Unterwelts- Fn. 259
Situla von Br. aus Offida (Brit. Mus.)
144 f.
Sklave mit Reisesack T. (Berlin) 66
Smyrna Rel. aus Pergamon in — 71;
T. aus — (Brit. Mus.) 144; ßr.-Waage
aus — (Brit. Mus.) 14 5
Sonne auf Orestes- F. 202
Sparta Mzn. von — mit Schlangen-
topf 217
Sphinx Felsmonument (Kleinasien) 71 >
Br.-Rel. eines Thronsessels aus Chiusi
(Berlin) 65; auf arch. Goldschmuck
aus Athen (Berlin) 104: auf dem Helm
der Parthenos 133
Spiegel in der Hand von Aphrodite
F. 83
Spindel in der Hand des Achilleus
Skphg. 219
Stempel in Form einer Fusssohle aus
Constantinopel (Berlin) 65
Stephanus Byz. v. '.^ö(uf:33,5
Sterope im Ostgiebel des Zeustempels
zu Olympia 221. 281 ff.
Stesichoros Fragm. 40: 199,1
Stier Br.-Rel. eines Thronsessels aus
Chiusi (Berlin) 65 ; — mit Löwen
kämpfend, arch. Goldschmuck 103; —
gespann des Dionysos T. -Metope aus
Paestum 228,12
Stirnziegel T. aus Tarent (Berlin) 66
Strabo VII fr. 32 p. 330:33,5; fr. 58:
33,6. XIII p. 593:230
Sueton Claud. 25:232,26
Syrien, Funde vom Nemrud-dagh (Ber-
311
Register.
312
lin) 63. G8 ; Löwenmaske Br. aus —
Berlin) 65
Taren t Jüngling Br.-Stutuetle aus —
(Brit. Mus.) 2 1 ff. ; Tn. aus — (Berlin)
\iG; V. aus — 239
Tartaros Vn. 265
Telamon, Gefährte des Herakles 35. 40
Telegonos und Kirke T'. 269
Telephos, Stadtgründer von Pergamon
Ö6
Teos Anakreon auf Mzn. von — 152
Terracotten: Erwerbungen des Brit.
Mus. 1883: U3f.; des Berl. Mus. 65f ;
Athena und Enkelados Rel. 226;
Dionysos und Semele, Metope aus
Paestum 228,12; Eros und Psyche
11,13. 13,20; Zeus und Ganymedes 76
Th anatos DErstellungen des — 42 ff.
Therais Wagenlenkerin der Athena auf
der Fran^ois-T". 54
Theodektes Grabmal des — 95,7
Theokrit Anth. Pal. IX 599:152
Theseion Metopen des — 55
Theseus stiftet den Aphroilitecult in
Athen 279; auf dem Friese von Bassae
58,3; mi Shphgn. 77 f 271 ff'; — und
Ariadne Vn. 277 f; — und Minotauros
arch. Goldschm. aus Korinth (Berlin)
106 f, r. (Corneto) 107, ir«/»/. 274f;
in der Unterwelt Vii. 257 ff.
Thessalien Grabstelen aus — (Athen)
64; praehistor. Scherben aus — (Ber-
lin) 67
Thetis und Peleus' Hochzeit auf der
Fran9ois-T'. 54
Thonwaaren- Fabriken bei Köln 294.
Thronsessel Br. aus Chiusi (Berlin)
65; T. (Berlin) 66
Timagoras 1'. des — 237
Timasarchos Siegeslied des Pindar
für — 36
Tifiio^Cn personificirt im Pinax des
Kebes 125
Tisch Br. aus Chiusi (Berlin) 65;
Form des Tisches auf Vn. 96; Speise-
tische der Griechen 179 ff. 285 f.
Tlempolemos auf V. des Euthymidea
252
TIeson Vn. des — 238
Todtenmahl Rel. (Brit. Mus.) 64
Todtenrichter auf Unterwelts- Fh. 265
Toulouse, Okeanos Mos. aus — 211
iQan (i^ai Grabmäler 93
Traube Knabe mit — T. (Berlin) 66
Trier Krypta des h. Paulinus in — 73
Trigonon Frau mit — T. (Berlin) 66 ;
Mädchen mit — , Golddiadem aus Aby-
dos 93
Trinkhorn des Dionysos V. 238
Triptolemos Darstellungen des — 59.
265
Trompete auf V. des Hieron (Florenz)
248
Tyche des Eutychides 162; Zeichnung
eines Rel. (Berlin) 66
Tympanon 84
Unterwelt Darstellungen der — auf
Vn. 253 ff.
Vasen Erwerbungen des Brit. Mus.
1883:144, des Berl. Mus. 66f.; von
Bronze 65; Bucchero- Fn. 101; Di-
pylon-T'n. 101; V, aus der Krim
209 f.; mit Meistersignaturen 237 ff.;
Mykenische — 147. Darstellungen
auf — : Ackerbau 60,9; Flügelfiguren
42,21 ; Gigantomachie 47. 56; Herakles
und Alkyoneus 31 ff., und Kyknos 43.
53; Hypnos und Thanatos 43 f; Ken-
tauromachie 57. 57,3; Marsyas 81 fl'.
87 ff.; Orestes in Delphi 199 ff.; Paris
141 f; Peleus' Hochzeit (Fran9ois- F.)
54; Psyche 7,10; Theseus und Ariadne
277 f, und Minotauros 107; Unter-
welt 253 ff.
Venedig, Eros und Psyche Marmor-
gruppe in — 15
Vergil Georg. IV 485ff :255
Verona Gorgoneion Br.-Rel. in — 27;
Votiv-iie/. mit Schlangentopf in —
217f.
Vesta Tempel (Rom) 67 f
Via Flamin ia Grab der Nasonen an
der — 143
Vibia Eros und Psyche auf Denaren
der gens — 12
Victoria Skphg. (Rom) 78
Viergespann V. 38,13; Wgm. 143
Virtus Skphg. (Rom) 78. 278. 280
Vogel auf arch. Goldschrauck (Berlin)
100. 105; Frau mit — (Brit. Mus.) 143;
— als Schildzeichen T''. 246; — mit
Menschenkopf als Sinnbild der Seele
10,16
Vulci Grabfund in — 65; Vn. des
Charinos aus — 238 f
Waagen aus Br. (Brit. Mus.) 145
Wagen anf arch. Goldschmuck (Ber-
lin) 108; in den Parthenonmetopen
53 f; auf V. 53
Wandgemälde vom Colosseum (Brit.
Mus.) 143; vom Grab der Nasontn
(Brit. Mus.) 143; Aeneas' Auszug pa-
rodirt 10,15; die drei Erdtheile 140;
Eros und Psyche 5,7; Landschafts-
bilder 140; Theseus 274 f 277
Wasserleitung in Samos 75
Webstühle der Alten 169ff.
Widder Helle auf dem — T.-Ret.
(Brit. Mus.) 144
Wight Marmorko]if und Skphg. aus —
(Brit. Mus.) 144
Wölfin. Romulus und Remus säugend
Mzn. von Ilion 224,1
Xenophon Anab. VII 3,21:183; Cy-
neget. 13,14:9,13
Yarborough'schc Sammlung: Niobe-
Koji/ 64
Zeus Ostgiebel vom Tempel des — in
Olympia 220ff. 281 ff.; — und Aigaion
32; und Dionysos 85 f; im bacch. Ge-
lage T'. 88f., etr. Sp. 89,15; und Ga-
nymed V. 45, T. 76; im Giganten-
kampf (Parthenonmetopen) 48 ft". (Me-
garergiebel) 51; und Typhoeus 32
Z iegelstempel 67
Zweigespann von Pferden 108, von
Stieren 228,12
Zweikampf 101. 248
Zwerg Tn. 66. 144
ArchÜDlo^. Ztg. J;ilu'^aii^ XLII.
23
313
Resister.
314
II. EPIGRAPHISCHES REGISTER.
Indosassanidische Inschrift C (Berl.
Mus.) 68
Keilinschrift aus Kappadokien 74
Griechische Inschriften
im British Museum 143 f.; in Cypern 168;
von Ilion 224; byzantin. Inschr. auf
einer Bleiplatte (Berlin) 68
AQE att. Tetradrachme 76
{Aitt)x6g V. 265
Aimv V. 266
A[x('tftai] V. 250
'Alxvovio r. 32,2
ZiuttOii fi ino(t]afV V. 237
'Aväyxrj V. 265
Andreas und Aristomachos, argivi-
sche Künstler auf Inschrift auf Olympia
146
At'dQouä/ti T'. 250
—th»tis V. 249 f.
AviiÖTittt V. 252
'An[a]tti Bei. 117 f.
o ätivtt H7ioXk~]u>v(ov vtmxogog 'Athi[v(ig
\ixr]q6Q]ov iigioi //fyj'K^ww Ret. 71
AoTvuvayg V. 250
Bioi Rel. 115. 119. 123
Buvyoi (nuCriOtv V. 249
ü Afjixog att. Tetradrachmon 7fi
Jixri V. 263
ito? rrjvät V. 252
(ygai^atv Vn. 239. 241. 252
'EUäriixoi V. 252
'Enl\Xv\xos fyQctjifatv V. 241
IrtoCtiatv Vn. 23811'.
^' inoCrjOtv 237. 239
Inoisav 240
(notifotv 240
Ev!)vfiiätg Vn. 252
EviJvdtxT} V. 267
Zfi)f llohfvg 231
Zr/vuivog Itgiiag Stempel aus Constanti-
nopel 65
iuifioi V. 209 f.
'llij^axktjg V. 239
'Eyctxleo r. 32,2
0o()itxCov V. 252
fi)[on]ai'|U^[<yijc] I'. 250
'Uqiov Inoirintv F;i. 247 f.
'D.itig Inschr. von Ilion 223, 1
KO*VS V. 96
XQtöiv V. 209 f.
Kvl^i (xr)vijüv) /HPK Bleigewicht (Brit. Mus.)
146
Att . . . V. 267
]\lttnSo}(luv £?-.-VVaage 145
Aliuviov xciXig Vn. 242
AVdiof F. 252
Nf07i[-i6]i.[lfiOg'] V. 250
Nixoalfevrjg Inotrjnn' V. 238
'OQfftv V. 271,22
Ilavaitiog xaXög Vn. 243
Ilävifctiog fj.'inoirjOtv V. 239
Ifdv(f<aiog (nonnv V. 240
'hadfiiiog fno^rjaiv V. 239
lItt(>i!toog V. 263
rioXv/aivr) V. 250
Ilnlaiiog Vn. 250. 252
If()(OTi(f>vog V. 209 f.
niiaKVfg V. 209 f.
l'PnJftJ^UKySüf T". 265
.S'ixeilöf fygcKfatv V. 239
r^;ii)C F. 252
TQtnroXi/xog Vn. 265
T()(u3'fa/(ui' F. 209 f.
lon' 'AHi]V>]!ttv {iltXiov V. 239
yoz^f T". 209
'PiXiiug V. 251
•t>iviCug Inoirjair V. 251
Xtd-pf 'Oc>(/'fO F. 271,22
Xnprvoi Inoirjatv V. 239
Xi'niur fnoii]atv V. 239
Lateinische Inschriften.
Alaesiagae, german. Gottheiten, Inschr.
vom Hadrianswall 74
Alphabetische Anordnung von Na-
men 73
Beda ) germ. Gottheiten,
Fimmilena ) Inschr. vom Ha-
Mars Thingsus ) drianswall 74
Mili tärdiplora Domitians (Pesth) 64.
M. Rai. Ruf Fer., Bleibarren aus Car-
tagena (Berlin) 7 1 f.
Sempronius Servandus, Weihinschr.
des — auf Skphg. aus Wight (Brit.
Mus.) 144
Tarquinii, etrusk. Bundesstadt auf
Inschr. (Rom, Lateran) 73
Tuihanti cives Germani ex cuneo
Frisiorum Severiani Alexan-
driani, Inschr. vom Hadrianswall 74
Vetulonia 1 etrusk. Bundesstädte auf
Volci I Inschr. 73
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG I8S4.
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EROS UND PSYCHE
BRONZERELIEF IM BERLINER MUSEUM.
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1. AUS ATHEN 2 AUS ETRURIEN.
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ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1884
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TAFEL 15.
AMPHORA DES AMASIS.
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1884
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SCHALEN DES Pfi
TAFEL 16.
^DEUPHRONIOS.
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1884.
TAFEL 17.
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1 VASE DES EPILYKOS 2.FRAGMENTE AUS VULCI
3. SCHALE DES HIERON.
ARCHÄOLOCPSCHE ZEITUNG 188*
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UNTERWELTS-VASE SANTANGELO
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5LOGISCHE ZEITUNG 1884
TAFEL 19
FRAGMENTE EINER UNTERWELTS - VASE
IN KARLSRU H E
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